Die Tochter des Phönix von Priska ================================================================================ Kapitel 16: ein hitziges Telefonat ---------------------------------- In der Abtei existierten genau zwei Telefone. Eines stand in Boris Büro und war somit für mich unerreichbar. Das andere jedoch war im Keller. Anfangs hatte Boris die Kinder immer gezwungen zuhause anzurufen damit sich ihre Eltern keine Sorgen machten aber da sie nach dem was er mit ihnen machte meistens eh nicht mehr ansprechbar waren hatte er das Telefon nicht mehr benutzt. Das Problem war nur das ich den Keller hasste. Ich hatte oft genug selbst in einem der finsteren Kerker gesessen und mehr oder weniger in meinem Blut gebadet. Mein Rücken fing schon bei dem Gedanken an zu schmerzen. Auspeitschungen waren hier fast an der Tagesordnung und dazu musste man nicht mal etwas sonderlich schlimmes machen, es genügte schon das man schlecht Bladete oder Wiederworte gab. Letzteres war bei mir immer der Auslöser gewesen bis ich irgendwann lernte meine Wut und Frustration zu beherrschen. Genau das war es auch was Boris wollte, ein paar kleine Marionetten die widerstandslos das taten was er verlangte. Natürlich gab es auch haufenweise Gerüchte über den sogenannten „Folterkeller“, eines davon war z.B. das ein Junge immer wieder gegen Regeln verstoßen hatte bis man ihm schließlich ins Bein schoss, erst dann hatte er seinen Wiederstand aufgegeben. Ich stand inzwischen vor der Kellertreppe und während ich in die Dunkelheit hinunter starrte lief es mir eisig den Rücken hinunter. Nach den ersten Stufen wurde ich geradezu von Panik ergriffen doch ich kämpfte sie zurück und ging weiter. Unten im Kellergewölbe war ich erst erleichtert keine Schreie zu hören doch das leise stöhnen das hier durch die Gänge hallte war mindestens genauso schlimm. Trotzdem, ich würde das jetzt durchziehen soviel war klar. „Fe...“ Erschrocken blieb ich stehen. „Feliziti...“ Ich zitterte, mein Mund war staubtrocken. „Bitte...“ Ich wollte es nicht sehen, nicht jetzt. Ich wollte es ignorieren und einfach weitergehen aber ich konnte nicht. Langsam drehte ich den Kopf zur Seite. Mitten in der Steinwand war ein Hohlraum und vor ihm versperrten Eisenstangen den Weg. „Mina?“ Mina war eine meiner besten Freundinnigen gewesen bevor ich angefangen hatte nur noch mit Brook und Tala rumzuhängen. Sie war immer fröhlich, lebenslustig und sehr scharfsinnig gewesen. Außer ihr gab es niemanden der das schaurige Spiel hinter den Mauern der Abtei so schnell erkannt hatte. Genau wie ich hatte sie davon geträumt hier wieder rauszukommen und auch Boris war bei ihr immer wieder auf Gegenwehr gestoßen. Strafen interessierten sie nicht, was einen nicht umbringt macht einen stärker, das hatte sie immer gesagt. Und da lag sie jetzt. Mitten auf dem Steinfußboden, die dunkelbraunen Haare wie fließendes Wasser um ihren Kopf herum ausgebreitet. „Hilf...mir...“ Ihre bleiche Haut hatte eine ungesunde bläuliche Farbe angenommen und war seltsam aufgedunsen als hätte jemand unaufhörlich auf ihr Gesicht eingeschlagen. Die grauen, glasigen Augen machten das ganze auch nicht besser, sie waren Blutunterlaufen. „Mina, was haben sie mit dir gemacht?“ Ich weinte nicht, es war seltsam, ich spürte eigentlich gar nichts außer Abscheu gegen Boris und seine Männer. „Hi...lf...mir“ Wiederholte sie nochmals und durch ihr zwischenzeitliches Gestöhne klang es wie die Bitte einer fast toten. Ihre zitternde Hand tastete sich zwischen den Gitterstäben hindurch und jetzt fielen mir auch die zerfetzte Kleidung und die restlichen blauen Flecke auf. Mir wurde schlecht, meine Wut steigerte sich nochmals. „Ich kann nicht.“ Antwortete ich mit brüchiger Stimme doch anscheinend hörte sie nicht mehr zu denn sie wiederholte nur immer wieder ihre flehende Bitte um Hilfe. Ich ergriff ihre zarte Hand und hielt sie fest, das konnte ich für sie tun, Beistand leisten. Einige Minuten verharrte ich so, dann erschlaffte ihre Hand plötzlich und ihr Blick wurde starr. „Mina?“ Ungläubig starrte ich dieses Wesen an das kaum noch meiner ehemaligen Freundin glich. „Mina!?“ Fragte ich noch mal in die plötzlich gespenstisch wirkende Stille. Dann wurde es mir klar und ich verstand. Boris hatte gelogen als er sagte das er Kinder die absolut nicht hören wollten vor der Abtei aussetzte. Sie starben nicht irgendwo draußen in einem Schneesturm sondern hier, genau unter unseren Füßen schrien sie um Hilfe und bettelten um ihr Leben. Eine Welle der Übelkeit überollte mich. Plötzlich drehte sich alles um mich als würde ich gleich Ohnmächtig werden. Ich spürte nur noch wie ich heftig würgte und mich schließlich erbrach. Wie lange ich auch immer bewusstlos gewesen sein mag, als ich wieder erwachte war die Leiche verschwunden, sie hatten sie beseitigt und mich hier liegen lassen, merkwürdig. Vorsichtig stand ich wieder auf, mir war noch immer schwindelig aber langsam schaffte ich es wieder mich zusammenzureißen. Es gab nur eine Chance aus all dem hier rauszukommen, ich musste einen Weg nach draußen finden und Kai anzurufen würde ein erster Schritt sein. Zitternd und mit den Nerven am Ende schaffte ich es tatsächlich zu der Ecke wo das Telefon an der Wand befestigt war. Ich zog den Zettel mit der Nummer heraus und wählte, wobei ich wegen dem Gezitter zweimal von vorn anfangen musste. Fest drückte ich den Hörer an mein Ohr und wartete mit klopfendem Herzen, ich würde seine Stimme hören, das erste mal seit Jahren. Es klingelte, einmal, zweimal. „Bitte, bitte, bitte geh ran!“ Schluchzte ich jetzt doch und krallte mich noch fester an den Hörer wie an einen Rettungsring. Nach dem sechsten Klingel klackte es und ich hörte eine raue, genervte Jungenstimme. „Ja?“ „Ähm...spreche ich mit Kai Hiwatari?“ Mist, meine Stimme zitterte und hörte sich ängstlich an, so sollte es eigentlich nicht sein. „Ja. Wer will das wissen?“ Er erkannte mich nicht. Schnell bildete sich ein Kloß in meinem Hals. „Ich...ich..“ „Machs kurz ok? Ich hab heute noch was vor.“ Wieder dieser genervte, gelangweilte Ton, was glaubte er eigentlich wer er war? Mit der plötzlich aufflammenden Wut hatte ich nicht gerechnet. Nur richtete sie sich auf einmal nicht mehr gegen die Abtei sondern gegen meinen alten Freund Kai. „Also gut. Ich habe gehört du warst ganz ok bei der Meisterschaft.“ Schlug ich deshalb einen herausfordernden Ton an. „Ganz gut!?“ „Ich habe auch gehört das du keiner Herausforderung wiederstehen kannst. Wenn du wissen willst wie gut du wirklich bist komm doch mal in die Abtei.“ „Welche Abtei?“ „Du weißt genau welche ich meine Kai.“ Mit diesen Worten legte ich auf und tatsächlich flammte tief in meinem inneren etwas auf das bis heute lange unter Trauer und Angst verschüttet gewesen war. Ich wollte gewinnen, um jeden Preis. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)