Verlass mich nicht... von Yumicho (...weil ich dich liebe.) ================================================================================ Kapitel 1: <3 ------------- „Dean!“ Sam hetzte zu seinem am Boden liegenden Bruder, der sich die Hand auf die Schulter presste und sein Gesicht verzog. Dunkles Blut rann zwischen seinen Fingern hindurch, über seine Hand seinen nackten Unterarm hinab, um dann vom Ellbogen ins grüne Gras zu tropfen. Wirklich grün war es allerdings nicht mehr, da sich Deans Blut wie eine zähe Decke darüber legte. Sam schluckte schwer, als er sich neben ihm auf die Knie fallen ließ. Sofort durchtränkte das warme Nass den Stoff seiner Jeans, welche sich augenblicklich damit voll sog, bis sie vollkommen rot war. „Dean!“ Mit tränenbelegter Stimme flüsterte der Zweiundzwanzigjährige erneut den Namen seines Bruders. Vorsichtig legte er ihm die rechte Hand an den Rücken, stützte ihn, bis er halbwegs gerade im Gras saß und fuhr ihm mit der Linken in den Nacken. „Der hat mich echt erwischt, man... Peinlich...“ Deans leise, schwache Stimme drang an Sams Ohr, als über die Gesichtszüge des Älteren ein schiefes Grinsen huschte, welches das Gesicht ein wenig aufhellte, ehe sich dieses sofort wieder verfinsterte, als er erneut von einer heftigen Schmerzenswelle überrollt wurde. Vorsichtig half Sam dem Kleineren auf die Beine und bugsierte ihn langsam in Richtung des Impala, der am Straßenrand in der prallen Sonne vor sich hin prangte. „Dean? Sag was!“ Besorgt blickte Sam den kleinen Großen an, während er weiterschritt, einen Arm um seine Schultern gelegt. Er spürte das Blut an seiner Haut, fühlte, wie Deans Körper erzitterte. Sam überkam eine furchtbar heftige Angst. Dean hatte so verdammt viel Blut verloren... Als die beiden Winchester beim Impala ankamen, setzte Sam seinen Bruder vorsichtig auf dem Beifahrersitz ab und beeilte sich damit, sich selbst hinter das Steuer zu klemmen. Im Moment war ihm wirklich egal, dass Dean ihm einen strafenden Blick zuwarf und ihn argwöhnisch musterte. „Pass auf, wehe, meinem Baby passiert was.“ Wenigstens konnte er noch Sprüche reißen, das war wirklich ein gutes Zeichen. Nicht, dass er ihm noch wegklappte... „Keine Sorge, ich werde schon aufpassen... Und sei jetzt still und überanstreng dich nicht.“ Sam lächelte Dean aufmunternd zu, verdrehte jedoch genervt die Augen, als Dean seinen gesunden Arm nach dem Radio ausstreckte. Sanft schlug der Jüngere sie weg. „Vergiss es, du brauchst jetzt Ruhe.“ Dass Dean nur mit einem leisen Murren nachgeben würde, war das letzte, woran Sam gedacht hätte. Er nahm eine flüchtige Bewegung aus den Augenwinkeln wahr und als er seinen Kopf zu Dean drehte, lag dieser mit schmerzverzogenem Gesicht auf der Seite, hielt sich die Schulter. Sam konnte sehen, wie er seine Hand auf den Stofffetzen, den Sam ihm auf die Wunde gelegt hatte, damit sie aufhörte, so stark zu bluten, presste und gequält aufstöhnte. Schon wieder überkam den Jüngeren dieses stechende Gefühl der Panik, die sich in ihm ausbreitete und ihn innerlich auffraß. Er musste sich beeilen und Dean in ein Krankenhaus bringen. Egal, ob dieser sich dagegen sträuben würde. Es war nötig. Schließlich wollte er nicht, dass Dean ihm einfach so wegstarb... Das durfte nicht passieren. Dean war schließlich sein Bruder. Der einzige Punkt in seinem Leben, der ihn überhaupt daran hinderte, nicht alles hinzuschmeißen und einfach gegen den nächstbesten Baum zu fahren. Sam konnte nicht mehr. Der ganze Job war zu nervenzehrend, die Verletzungen, die Dean so gut wie jedes Mal davon trug, waren ihm zu viel. Wie lange würde es denn noch dauernd, bis sie endlich... „fertig“ waren? Konnten sie denn nicht ein stinknormales Leben führen, wie all die anderen auch? ...Nein. Konnten sie nicht. Und auch, wenn Sam es wusste – er wollte es sich einfach nicht eingestehen und glaubte immer noch daran, den Tag erleben zu dürfen, an dem sie endlich erlöst wurden. Denn er wünschte es sich, mehr als alles andere. Er wollte Dean nicht mehr leiden sehen und auch er selbst wollte endlich seine lang ersehnte Ruhe haben. Auch, wenn er durch diesen Job überhaupt erst den Weg zurück zu Dean gefunden hatte... Er war glücklich, bei seinem Bruder sein zu dürfen. Unvorstellbar, dass er, wenn Dean ihn nicht aus seinem normalen Leben gerissen hätte, immer noch streben würde und irgendwann auf einem alten, verstaubten Stuhl enden würde, an einem alten, verstaubten Tisch sitzen und seinen alten, kalten Tee schlürfen würde. Irgendwann einmal. In siebzig Jahren. Er war froh, dass Dean ihn da rausgeholt hatte. Er war froh, dass Dean ihn zu sich geholt hatte. Er war froh, dass er Dean hatte. Auch, wenn ihm seine Nähe manchmal weh tat... Doch daran durfte er nicht denken. Nicht an diese Tatsache und vor allen Dingen nicht an den Grund dieser Tatsachen. Dean würde ihm seine Gefühle ihm gegenüber nie verzeihen. Niemals. Sam wusste es. Und trotzdem fühlte er, dass ihn Deans Nähe wahnsinnig machte, ihn um den Verstand brachte. „Sam... Fahr endlich und bring mich zu Bobby...“ Deans leise gehauchte Worte rissen ihn aus seinen verwobenen Gedanken, brachten ihn zurück in die Realität. Und als er den blutenden Dean wieder vor sich sah, erschrak er so heftig darüber, dass er ihn schier vergessen hatte, als er nachgedacht hatte, dass er das Gaspedal so stark durchdrückte, dass Dean unwillkürlich scharf die Luft einzog, da er Angst hatte, Sam würde seinem Baby irgendwie wehtun. „Verdammt, wieso ziehen uns diese verdammten Mistviecher immer hinaus in die Pampa? Das ist ja nicht zum Aushalten!“ Sam fluchte leise vor sich hin, als die Fahrt kein Ende nehmen wollte. Sie waren in einem Wald gelandet, abgeschottet von der Zivilisation, ganz weit weg von der nächsten Stadt. Wie weit, wollte Sam gar nicht in Erwägung ziehen. Dean war inzwischen eingeschlafen, nachdem sie eine kurze Pause eingelegt hatten, in der Sam versucht hatte, Deans erneut blutende Wunde zu verarzten. Wirklich gelungen war es ihm nicht. Es hatte bloß dazu geführt, dass er aus Angst um seinen Bruder den Tränen nahe war und mit zitternden Fingern eine Stofflage nach der anderen auf Deans Schulter gepresst hatte, nur, um den Haufen dann mit dem verbluteten Verband festzubinden. Dass sie in die entgegengesetzte Richtung von Bobbys Haus fuhren, hatte Sam seinem Bruder nicht erzählt. Hätte wahrscheinlich auch nur zu einem Ausraster Deans Seiten geführt und das war bei seinem momentanen Zustand nun wirklich nicht nötig. Nicht, dass er ihm noch zusammenklappte und ohnmächtig wurde... Sam beschleunigte, ohne es zu merken. Sie mussten unbedingt in ein Krankenhaus. Bei der Menge an Blut, die Dean verloren hatte, konnte ihnen Bobby sicher nicht wirklich behilflich sein. Er wusste nicht, ob Dean es überhaupt bis dahin schaffte. „Dean?“ Sam horchte in die Stille hinein und wartete. Auf eine Reaktion. Irgendeine. Ein Murren, Schnauben, Seufzen, egal was. Hauptsache, er wusste, dass Dean noch lebte. Als er sich jedoch nicht regte, spürte Sam, dass seine Finger zu zittern begannen. Zögerlich nahm er die Rechte vom Lenkrad und berührte Dean vorsichtig an der Schulter. „Dean? Wenn du wach bist – sag was!“ Immer noch nichts. Dann begann der Jüngere, ihn sanft an der Schulter zu rütteln. „Scheiße!“ Sam trat heftig auf die Bremse, sodass der Impala mit quietschenden Reifen zum Stehen kam. Zum Glück war die Straße, auf der sie sich gerade befanden, wie ausgestorben. Nicht einmal ein laues Lüftchen wehte. Sam riss die Tür auf, beförderte sich so schnell aus dem Wagen, dass er sich fast der Länge nach auf den Asphalt gelegt hätte, hetzte dann so schnell es ging auf die andere Seite und riss die Beifahrertür auf. „Dean?!“ Er legte beide Hände in seinen Nacken, wandte sein Gesicht so zu sich hin und rüttelte sanft an ihm. Als er seine linke Hand ein wenig höher gleiten ließ, stellte er entsetzt fest, dass Deans Stirn glühend heiß war. Erst jetzt bemerkte er, dass er schwitzte und schnell atmete. Seine Brust hob und senkte sich ungleichmäßig, sein Atem entwich stoßweise zwischen den leicht geöffneten Lippen. Sam schluckte. Dass es Dean so verdammt schlecht ging, hatte er während der Fahrt nicht bemerkt. Fieber, das war kein gutes Zeichen. Überstürzt setzte Sam sich wieder auf den Fahrersitz und fuhr mit einem letzten, sorgenerfüllten Blick auf Dean los. Hoffentlich war es nicht mehr allzu weit. Und ob es weit war. Heute hatte sich Gott wohl gegen Sam verschworen. Zwei Stunden später fuhr Sam entnervt auf den Parkplatz des Krankenhauses. In der etwas länger als geplant gewordenen Fahrt war Dean nicht zu sich gekommen. Er hatte bloß weiterhin leblos auf dem Beifahrersitz gesessen, den Kopf zur Seite weggeknickt, das Gesicht Sam zugewandt. Mit diesem gepeinigten Gesichtsausdruck... Sam kniff die Augen zusammen und schüttelte kurz den Kopf, als er hastig ausstieg und Dean vorsichtig auf seine Arme hob. Anders ging es ja nicht, da er ja ohnmächtig war. Die Blicke der Passanten waren ihm zwar eh egal, aber wenigstens musste er sich nicht vor Dean rechtfertigen... Wie er es geschafft hatte, den Schlüssel in das Schloss zu zwängen, wusste er nicht mehr, als er mit eiligen Schritten zielstrebig den Haupteingang des Krankenhauses ansteuerte. Er brauchte einen Arzt, sofort. Wehe, es war keiner da. Dann würde er eben einen aus einer wichtigen OP rausholen müssen, das war ihm egal. Scheiß auf die anderen. Jetzt war Deans Gesundheit am wichtigsten. Dass er eigentlich nicht so war, wusste Sam, aber es war ihm im Moment egal. „Einen Arzt!“, rief er auch schon, als er die Tür mit der Schulter aufgestoßen hatte. Zu seinem Erstaunen brauchte es keine fünf Sekunden, da kam eine Krankenschwester auf ihn zu geeilt. Ihr blondes, schulterlanges Haar lag auf ihren Schultern als sie entsetzten Blickes vor Sam stehen blieb und Dean musterte. „Meine Güte! Was ist denn mit ihm passiert?!“ Sam wandte das Gesicht ab und sah sich um. Diese Frage würde er ihr garantiert nicht beantworten. Schließlich ging sie das nichts an... Und außerdem – sie würde es ihm ja sowieso nicht glauben. Musste also eine glaubwürdige Ausrede her. „Wir... waren Zelten, als uns plötzlich... ein Bär angegriffen hat. Ja, genau, so war das. Ist jetzt aber auch egal, er braucht Hilfe! Er hat verdammt viel Blut verloren...“ Die Krankenschwester nickte bloß, bedeutete Sam, ihr zu folgen und lief dann pressant voraus. Sam nahm nur noch wahr, dass er sich auf der Intensivstation befand. Der Rest verschwand hinter der dicken Wand, die aus Angst um Dean bestand, die sich plötzlich vor seinem inneren Auge aufbaute. Eine Stunde musste Sam auf dem mit grellen Neonlampen beleuchteten Flur ausharren, ehe die Schwester von vorhin – Kathy – zu ihm kam und ihm sagte, er könne jetzt zu Dean. „Wie geht es ihm?“, fragte er sie, als er ihr zu Deans Zimmer folgte. Zum Glück hatte er ein eigenes, so konnte sie wenigstens keiner belauschen. „Er hat es gerade so noch geschafft, lassen Sie es mich so ausdrücken... Er hat eine Menge an Blut verloren... Wir musste ihm welches in die Venen drücken, der hat sich trotz Betäubung so was von gewehrt, das war ja unmöglich.“ Kathy huschte ein Lächeln über die Lippen und Sam erwiderte es. „So ist er eben. Kann man nichts machen.“ Dass Dean wahrscheinlich sowieso schon auf seinen kleinen Bruder wartete, um ihn in der Luft zu zerreisen, weil er ihn doch tatsächlich in ein Krankenhaus gebracht hatte, behielt er lieber für sich. Sonst würde Kathy nur nach dem Warum fragen und er hatte jetzt keine Lust, sich irgendwelche halbwahren Notlügen auszudenken. „So, da wären wir...“, meinte die Schwester dann, als sie vor einer Tür stehen blieben, die Sam kaum wahrnehmen konnte. Na ja, immerhin war ja alles andere auch weiß. Kein Wunder, dass Dean sich hier vorkam, wie im Irrenhaus. Und er selbst ja auch. Dieses typische Krankenhausweiß. Wände, Boden, Stühle, Decken, Lampen. Türen, Fenster. Alles einfach. Nur die künstlichen Plastikpflanzen, die hier und da in irgendwelchen Ecke vor sich hin staubten, brachten ein wenig Grün in die Gänge. Es wirkte aber trotzdem noch steril. Wieso es Sam bei diesem Gebäude so extrem vorkam, wollte ihm einfach nicht in den Sinn kommen. Aber das war ja auch total nebensächlich. Kathy ließ ihn alleine, schenkte ihm noch ein letztes Lächeln und dann war es still, nachdem ihre Schritte abgeklungen waren. Sam schluckte und verpasste sich selbst einen Tritt. Was sollte das? Wieso fürchtete er sich so plötzlich, Dean zu sehen? Lag das an seiner womöglich bevorstehenden, nicht allzu freundlichen Reaktion gegenüber Sam? Das musste es wohl sein... Er legte seine sachte zitternde rechte Hand auf die Türklinke, drückte sich langsam hinunter, sodass sich die weiße, schwere Türe mit einem leisen Ächzen öffnete. Und dann stand er auch schon im Raum. Rasenden Herzens. Sam erschrak. Dean war also wach, er schlief gar nicht mehr? Merkwürdig, dabei hatte Kathy doch gesagt, dass er ruhig gestellt wurde... Und das Schlafmittel war anscheinend auch nicht ohne gewesen. Aber nun zurück zu dem wachen Dean. Dieser lag, angeschlossen an zig Infusions- und Beatmungsschläuchen – anscheinend stand es um ihn doch schlimmer, als man es Sam gesagt hatte -, in dem weißen, sterilen Bett und starrte hinaus in den klaren, blauen Himmel. Er hatte der Tür den Rücken zugewandt, hatte anscheinend nicht bemerkt, dass Sam eingetreten war. Dean regte sich auch nicht, als der Jüngere sich leise räusperte und einen Schritt auf ihn zukam. Er schien ja nicht einmal zu atmen... Als Sam etwa zwei Meter vom Bett entfernt stand, öffnete er zögernd seinen Mund und sah Deans Rücken mit scheuem Blick an. „Hey... Wie geht’s dir?“ Keine Antwort. Sam spürte ein Stechen in seiner Brust. Er hatte es ja gewusst, von vornherein. Aber es hatte einfach keine andere Möglichkeit gegeben. Es war schlicht und ergreifend ein fataler Fehler gewesen, Dean ins Krankenhaus zu bringen. Er war stinksauer, das konnte der jüngere Winchester förmlich riechen. „Bitte sag was, Dean.“ Immer noch keine Antwort. Ein letztes, tiefes Luftholen, dann trat Sam vollends zu seinem Bruder und ließ sich langsam auf der Bettkante sinken. Das schien Dean gespürt zu haben, denn kaum, dass Sam sich zu ihm umgewandt hatte, drehte er sich auch schon in Windeseile zu seinem jüngeren Bruder hin und funkelte ihn wütend an. „Verdammt noch mal! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du mich, egal, was auch passieren mag, nicht in ein Krankenhaus bringen sollst!?“, fauchte Dean ihn dann auch schon an. Sam zuckte unter seinem scharfen Ton zusammen und senkte schuldbewusst den Blick. „Es tut mir Leid, ich –“ Doch weiter kam er nicht, Dean unterbrach ihn forsch. „Es tut dir Leid?! Das hätte dir früher einfallen müssen! Krankenhaus. Krankenhaus! Weißt du überhaupt, dass ich allein schon gegen dieses Wort allergisch bin?! Du bist so ein verdammter Idiot! Du hörst mir echt gar nicht zu!“ Dean setzte sich auf, versuchte es zumindest, allerdings nur, um keine Sekunde später zurück in die harten Kissen zurückzusinken, als ihn ein stechender Schmerz durchfuhr. „Dean! Pass doch auf dich auf... Du musst dich schonen...“ Beschwichtigend legte Sam die rechte Hand auf seine gesunde Schulter, die andere legte er ihm vorsichtig auf den Bauch. Doch Dean schlug sie weg. „Fass mich nicht an! Ein toller Bruder bist du mir, wenn du mir nicht mal diesen nichtigen Wunsch erfüllen kannst.“ Schon wieder diese Kälte in seiner Stimme... Doch diesmal schwang auch etwas Genervtes in ihr mit. „Verdammt!“ Diesmal war Sam es, der entrüstet seine Stimme erhob und aufsprang. „Ich mache mir gottverdammte Sorgen um dich, fahre wie ein Gestörter in ein Krankenhaus, weil du zu viel Blut verloren hast, als dass dich Bobby wieder hätte zusammenflicken können und was machst du?! Du machst mir Vorwürfe!“ Sam sah Dean aufgebracht an, ignorierte das Brennen in seinen Augenwinkeln, das plötzlichen in ihm aufgestiegen war, unaufhaltsam. „Du bist mein Bruder, Dean! Was hätte ich denn tun sollen?“ Er wandte sich von ihm ab, legte den Kopf in den Nacken und starrte an die Decke, schluckte krampfhaft, versuchte, die störenden Tränen wegzublinzeln. Und es gelang ihm auch. „Sam...“ „Ach, stimmt, ist ja egal, was ich denke, bin ja schließlich nur dein dämlicher, kleiner, schwacher, nichtsnutziger Bruder. Ich hab dir ja nichts zu sagen.“ Sam sah nicht, dass Dean alles aus dem Gesicht fiel. Anstatt sich umzudrehen, stapfte er zur Tür, vergrub die linke Hand tief in der Hosentasche seiner Jeans. „Ich bin dann mal bei Bobby. Ich sag ihm, dass er dich nachher besuchen kommen soll. Ist ja nicht allzu weit, bis zu ihm.“ Er legte ein weiteres Mal seine Hand an die Türklinke, drückte sie hinunter. Öffnete die Tür. „Sam, warte gefälligst!“ Doch er wartete nicht, ganz im Gegenteil. Er trat über die Schwelle. „Sam!“ Deans Stimme überschlug sich fast. Und dann drehte sich Angesprochener doch tatsächlich um. „Worauf soll ich denn warten? Auf weitere Vorwürfe deinerseits?“ Schon wieder diese Tränen. Warum ihn das ganze so verletzte, wusste er nicht. Er verstand sich ja selbst nicht. Aber sie waren da, das konnte er ganz genau spüren. Und er konnte ganz genau sehen, wie entsetzt Dean darüber war. Aber er wollte sich nicht schon wieder diese verletzenden Worte anhören. Ein letztes, trauriges Lächeln. Dann schloss er die Tür hinter sich. „Du hast ihn also ins Krankenhaus gebracht...“ Bobbys Worte durchschnitten die Stille wir ein scharfschneidendes Messer, die sich über die beiden gelegt hatte, nachdem Sam ihm erzählt hatte, wie wütend Dean nun auf ihn war. „Ja. Was hätte ich denn sonst tun sollen? Er hat total viel Blut verloren, dass hat ja sogar die Krankenschwester zu mir gesagt... Ich weiß ja, dass er Krankenhäuser hasst, aber dass er mich gleich so anschnauzen muss...“ Missmutig ließ Sam den Kopf hängen. Er hatte den Streit doch gar nicht beabsichtig. Er wollte ihm doch nur helfen! Aber nein, dass wurde gleich wieder mit Stress bezahlt... „Willst du Kaffee?“, fragte Bobby ihn dann plötzlich und riss ihn so aus den Gedanken. Sam nickte schwach, mehr brachte er im Moment einfach nicht zustande. Selbst, wenn er wollte. Aber es ging einfach nicht. Er war zu schwach. „Fährst du ihn nachher besuchen?“, fragte er deshalb, betrachtete Bobbys Rücken und beobachtete ihn dabei, wie er den Kaffee kochte. „Bestimmt. In einer viertel Stunde oder so. Kommst du mit? Vielleicht... vertragt ihr euch dann wieder...“ Bobbys Stimme wurde gen Ende seiner Worte immer leise. „Aber na ja, du kannst es dir ja überlegen... Ich bin dann eben weg. Hab noch was zu erledigen. Bin in etwa zwei Stunden wieder da. Okay?“ Ein Nicken folgte. Sam wusste, dass er es nur gut meinte. Aber es wäre sicher besser, Dean ein paar Tage in Ruhe zu lassen... Auch, wenn es ihm gar nicht passte. Er wollte bei ihm sein, jede Sekunde seines Lebens, jeden Herzschlag, einfach immer. Aber Dean machte es ihm nicht gerade einfach... In letzter Zeit war er sogar ziemlich oft so abweisend wie vorhin im Krankenzimmer. Er wies ihn immer ab, ließ ihn öfter einfach im Regen stehen... Sam verstand ihn einfach nicht mehr. Hasste er ihn denn auf einmal? Hatte er ihm irgendwas angetan? Er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern... Doch er wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als es plötzlich dunkel an der Tür klopfte. Nanu? Sam hob seinen Kopf von der Tischplatte und spähte zur Tür. Es waren etwa zehn Minuten vergangen, seit er Bobby hatte wegfahren hören. Hatte er vielleicht was vergessen? Irgendetwas Wichtiges? Aber dann würde er doch nicht klopfen... Mit einem skeptischen Blick im Gesicht erhob sich Sam und ging langsam zur Tür. Weihwasser hatte er sicherheitshalber in den Untiefen seiner Sweatjacke vergraben. Man wusste ja nie, wer einem vor der Türe auflauerte... Als er vor der Tür ankam, schluckte er noch einmal, dann blickte er durch den Spion. Und ihm blieb fast das Herz stehen. „Dean?!“ Er öffnete hastig die Tür, blickte seinem Bruder entgegen. Mittlerweile war es dunkel geworden und es hatte auch angefangen zu regnen. Dean stand triefend vor ihm. „Bist... bist du etwa den ganzen Weg gelaufen?!“ Ungläubig starrte er den Kleineren an, trat dann zur Seite, um ihn herein zu beten, doch Dean rührte sich keinen Millimeter. Er stand einfach nur da, mit hängenden Schultern und starrte Sam unverwandt an. Mit diesem merkwürdigen Blick... Noch bevor Sam irgendwas sagen konnte, schnellte Dean plötzlich aus seiner Starre hervor, legte seinem Bruder die Hände unsanft auf die Schultern und drückte ihn an die Flurwand. Sam sah ihn verständnislos an, wollte sagen, dass er gefälligst die Tür zu schließen hatte, wenn er schon so stürmisch reinkam. Dann könnte er ihm ruhig eine reinhauen. Doch auf das Kommende war Sam nun wirklich alles andere als vorbereitet gewesen. Dean presste ihm seine Lippen auf den Mund, hielt dabei seine Handgelenke fest, sodass er sich nicht wehren konnte. Sein Bruder war zwar kleiner, aber – zu seinem momentanen Leidwesen – stärker als er, sodass er Sams Handgelenke mühelos über seinem Kopf mit nur einer seiner Hände an die Wand drücken konnte. Sein Kuss wurde immer fordernder und Sam konnte sich nicht wehren. Er wollte ihn gerade von sich drücken, ihn anfahren und fragen, was die Scheiße hier sollte, doch als er es schaffte, sein Gesicht ein wenig zur Seite zu drehen und seinen Mund zu öffnen, drehte Dean mit seiner freien Hand Sams Kopf wieder gewaltsam zu sich hin, und drückte ihm erneut seine Lippen auf die seines Bruder, zwängte seine Zunge durch die geöffneten Lippen Sams. Dieser kniff die Augen zusammen und keuchte. Das war nicht Dean. Das konnte unmöglich Dean sein. Dean würde so etwas niemals tun, niemals. Sam sah doch nicht aus, wie irgendeine x-beliebige Blondine, die etwas mehr Kurven hatte, als der Durchschnitt, oder hatte er etwa zu lange nicht mehr in den Spiegel geguckt?! Als Dean seine Hände nun wieder etwas fester umfasste und ihn in Richtung des Wohnzimmers drückte, wurde ihm auf einmal übel. Er wollte doch nicht wirklich...?! Sam stieß mit den Kniekehlen an die Kante der Couch, seine Beine gaben nach und er fand sich auf dem weichen Stoff liegend wider, Dean auf sich. Dieser dachte gar nicht mal daran, aufzuhören, als er begann, Sams Hemd aufzuknöpfen, ihn währenddessen immer noch küsste. Mit einer Hand hielt er seine Handgelenke fest, als er jedoch feststellte, dass es ihm zu lange dauerte, seines Bruders Hemd mit nur einer Hand zu öffnen, tastete er blind nach dem Telefon unweit von ihnen, das auf einem hölzernen Tischchen stand. Als Sam mit entsetztem Blick feststellen musste, was Dean vorhatte, blieb ihm die Luft weg. Er zerrte wie wild an seinen Händen, bekam sie jedoch nicht frei. Und als Dean mit einem unheimlichen Grinsen das Kabel des Telefons zu fassen bekam, lief es Sam eiskalt den Rücken hinunter. Und er war sich sicherer, als zuvor. Das war definitiv nicht Dean! Zitternd bekam Sam mit, wie Dean ihm das Kabel um die linke Hand zerrte. Als er einmal kräftig an seiner Rechten riss, bekam er sie auch frei. Sofort versuchte er, Dean von sich hinunter zu schieben, aber es brachte nichts. Sein Bruder – oder zumindest die Hülle seines Bruders, weil der Jüngere sich nicht vorstellen konnte, dass das wirklich er war – holte aus – und ohrfeigte ihn. So heftig, dass Sams Kopf zur Seite hin nachgab. Augenblicklich breitete sich ein brennender Schmerz in seiner Wange aus und Tränen stiegen ihm in die Augen. Was geschah hier bloß mit ihm? Das... war nicht möglich... das war einfach nur... Dean schlang ihm siegessicher das Kabel auch um das rechte Handgelenk und zog es so fest, dass Sam fürchtete, seine Hände würden ihm absterben. Aber das war im Moment wohl das kleinste Problem... Er kniff die Augen zusammen, als Dean ihm das Hemd regelrecht von den Schultern riss und sich dann ohne Umschweife seiner Hose widmete. Diese fand ihren Weg auf den Boden keine Minute später, mit ihr glitten auch sogleich Sams Shorts seine Hüfte hinab. Und als Dean ihn auch noch umdrehte, sodass Sam vor ihm kniete, war es aus. Sam konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, sein Herz setzte aus, das Blut pochte ihm in den Ohren und unbeschreibliche Angst und vor allem Panik erfüllten seinen Körper, ließen ihn erzittern. „Dean... bitte hör auf... ich flehe dich an...“ Ein leises Schluchzen glitt über seine Lippen, als die ersten heißen Tränen seine Wangen benetzten, von seinem Kinn perlten und sich auf dem dunklen Stoff der Couch verloren. Doch Dean wollte anscheinend nicht aufhören. Ungläubig musste Sam sich mitanhören, wie er den Reißverschluss seiner eigenen Hose hinunter zog. „Dean! Bitte! Ich – ah!“ Sam riss die Augen auf, als Dean ohne jegliche Vorwarnung und ganz plötzlich in ihn eindrang, ohne den Hauch irgendeines Gefühls. Schmerz durchzuckte Sams Unterleib und brachte ihn nur dazu, die Tränen nicht mehr zurückhalten zu können. Unaufhaltsam liefen sie ihm über die Haut, hinterließen feuchte, brennende Spuren. Dann begann Dean, sich zu bewegen. Und mit jedem seiner Stöße fühlte Sam, dass er einer Ohnmacht nicht mehr fern war. Wie konnte er ihm das bloß antun? Er hörte das Keuchen hinter sich, spürte Deans Finger, wie sie sich in seine Hüfte krallten und sicherlich tiefe Spuren hinterließen. Doch Dean war das alles egal. Es kam Sam so vor, als ob Dean sich bloß nach körperlicher Befriedigung sehnen würde. Nun ja, so war es ja wahrscheinlich auch... „Dean... bitte...“ Ein kaltes Lachen folgte auf Sams Worte. Und als Dean besonders heftig in ihn stieß, wurde Sam schwarz vor Augen. Und er brach zusammen. Ein kalter Luftzug strich über Sams immer noch tränennasse Wangen, als er sich langsam aufsetzte. Was war geschehen? War er hier, auf Bobbys Couch, eingeschlafen? Und... warum war er nackt? Als er sich aufsetzen wollte, machte sich ein heftiges Ziehen in seinem Unterleib breit. Und da fiel ihm wieder alles auf einen Schlag ein. Panik überkam ihn, als er sich suchend umsah. Wo... war Dean? Hastig stand er auf, ignorierte das Ziehen, sammelte seine Kleidungsstücke vom Boden auf und zog sich hastig an. Gerade, als er durch die Türe ins freie stürmen wollte, sah er Bobby auf einem der Küchestühle sitzen. „B... Bobby?“, entfuhr es Sam, als er schluckte und langsam in die Küche trat. „Das war nicht Dean.“ Sam blieb augenblicklich stehen. „Wie... wie meinst du das?“ Bobby seufzte schwer und senkte seinen Blick, sein Kopf folgte diesem sogleich. „Ich... hab gesehen, was er mit dir angestellt hat. Ich bin zu spät gekommen. Und als Dean mich erblickt hatte, schien er zu begreifen, was geschehen war. Er schien mir völlig... konfus... So, als ob er nicht wusste, was er getan hatte, er es sich aber denken konnte...“ Sam stand immer noch regungslos da. „Und... du bist dir sicher?“ Bobby nickte schwach. „Kurz, bevor er sich erinnern konnte, habe ich einen roten Stich in seinen Augen gesehen... Sam... Ich glaube, Dean war für kurze Zeit... ein Inkubus. Es tut mir Leid.“ Dem Zweiundzwanzigjährigen entgleisten sämtliche Gesichtszüge. „Ein... Inkubus? Du meinst diese Dämonen, die sich... von Sex ernähren?“ Ein erneutes Nicken. „Ja. Sam, ich weiß, dass es schwer ist, aber... Dean wird das nicht verkraften. Er hat sich oben im Gästezimmer eingeschlossen. Er wird das nicht überstehen. Es ist schwer genug, einzusehen, was er mit dir getan hat, aber genau die Tatsache, dass das du gewesen bist... Es wird ihn umbringen. Sam, er –“ Ohne Bobby weiterhin zuzuhören hetzte Sam aus der Küche, stolperte die Treppen hoch und steuerte zielstrebig die Tür des Gästezimmers, das Dean und er sich manchmal teilten, an und rannte gegen die Tür, weil er nicht rechtzeitig anhalten konnte. Er versuchte, sie zu öffnen, aber vergebens. Dean hatte abgeschlossen. Ohne eine einzige Sekunde zu zögern, schlug er mit geballten Fäusten auf das Holz ein. „Dean! Mach die Tür auf! Bitte!“ Er bekam keine Antwort, nur ein Schluchzen drang durch die Tür zu ihm hindurch. „Dean! Bitte...! Lass uns darüber reden!“ „Worüber willst du da denn noch reden, Sammy?! Ich... ich habe... dich... vergewaltigt... und du willst noch darüber reden?“ Ein erneutes Schluchzen, lauter als zuvor. Sam blieb die Luft weg. „Dean... Bitte... Wir sind doch Brüder. Ich weiß, dass wir das Problem lösen können... Komm schon, mach die Tür auf.“ Plötzlich hörte er ein leises Klirren. „Dean? Mach die Tür auf!“ „Sam... Ich kann das so nicht mehr. Ich... fühle mich so... dreckig... Ich kann... dir nicht mehr in die Augen sehen, ich... Wie konnte ich nur?! Ich hätte mich aufhalten müssen, aber... Sam... es tut mir so Leid... Bitte verzeih mir... sonst...“ Sam nickte hastig, auch, wenn er wusste, dass Dean es nicht sehen konnte. „Ja! Ja, natürlich verzeihe ich dir! Aber bitte – mach die Tür auf! Lass uns reden!“ Ein leises Schniefen. „Nein, Sam... So einfach ist das nicht... Ich... Verzeih mir.“ Als Sam gerade den Mund öffnete, um etwas zu sagen, hörte er ein leises metallenes Klacken. Wie das Entsichern einer Waffe. Der Jüngere starrte fassungslos auf das dunkle Holz. „Dean, verdammt! Mach die Tür auf!“ Ihm stiegen Tränen in die Augen, als er versuchte, die Tür mit Gewalt aufzubrechen. „Ich liebe dich.“ Ganz leise drang es nach außen und Sam schluchzte. Er warf sich heftig gegen die Türe und im selben Moment, als er die Türe aufbrach und ins Zimmer hineinstolperte, ertönte der betäubende Schuss. Als Sam seinen Kopf hob, sah er nur noch aus tränenverschleierten Augen, wie Deans Körper leblos zu Boden sackte. „Nein!“ Sam preschte zu Dean, schlang seine Arme um seinen Körper und zog ihn zu sich, sodass er in seinem Schoß saß. „Nein! Dean!“, schrie er, krallte die Finger in sein Haar, schluchzte. Wie hatte er das bloß tun können?! Warum hatte er Sam alleine gelassen?! Wie nur?! Warum bloß!? Sam schluchzte, legte sein Gesicht an Deans Wange und spürte das warme Blut an seiner Hand, das aus Deans Schläfe quoll. „Dean... nein...“ Sams Atem ging heftig und stoßweise. Jetzt war er alleine. Ganz alleine. Ohne Dean hatte sein Leben keinen Sinn mehr... Er war alles, was er noch hatte, alles, was er noch liebte... Ich liebe dich Deans Worte. Sam wog ihn sanft in seinen Armen, schluchzte und rief immer und immer wieder seinen Namen. „Ich liebe dich auch, Dean... ich liebe dich doch auch...“ Sie hätte reden können, über diesen Vorfall. Einfach nur reden. Und nun... „Dean... Ich liebe dich...!“ Er schluchzte, blickte verwirrt um sich. Und dann fiel sein Blick auf die Waffe, die immer noch locker in Deans Hand lag. Der einzige Ausweg. Ohne Dean konnte er nicht mehr, er war sein einziger Lichtblick gewesen... Dean... Sams Blick verschleierte sich, als die Tränen über seine Wangen liefen, fortwährend, so heftig, wie noch nie zuvor. Langsam streckte er eine Hand nach der Waffe aus, umschloss das warme Metall mit seinen Fingern. „Dean... ich liebe dich, hörst du? Ich liebe dich!“ Er beugte sich zu ihm hinab, drückte ihm einen zärtlichen Kuss auf die Lippen, verschränkte seine Finger mit den Deans und legte sich neben ihn, dicht an ihn geschmiegt. „Ich liebe dich.“ Ein sanftes Heben seiner rechten Hand, bis hin zu seiner Schläfe. Sein Finger lagen auf dem Abzug. Und dann drückte er ab, ein Schuss durchschnitt die Stille. Ich liebe dich Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)