For The Ones Who Search For Love von absinthe (Bella und Edward helfen sich gegenseitig in Sachen Beziehungen, doch dann stellt sich heraus, das vieles mehr Schein als Sein ist und dass diese Entdeckung beide in eine unerwartete Richtung wirft.) ================================================================================ Kapitel 28: Und am Ende stand der Anfang ---------------------------------------- Ich konnte mir beim besten Willen keinen Reim auf Alice‘ Worte machen. Was genau meinte sie damit? Auf wen sprach sie an? Jedes Mal, wenn ich versuchte, es aus ihr herauszubekommen, schüttelte sie nur den Kopf und meinte, sie wüsste es nicht. Nur dass es nicht sie betraf. Dabei sah sie mich dann allerdings immer so an, als wäre ich ein potenzielles Opfer. Den ganzen restlichen Nachmittag hatten wir noch bei Jasper im Krankenhaus verbracht. Zwischendurch hatte ich Charlie auf Arbeit angerufen und gefragt, ob er uns auf dem Heimweg abholen könnte. Als ich ihm erzählte, wir wären im Krankenhaus, war er natürlich gleich wieder in Aufruhr und wollte wissen, ob es uns gut ging. Ich konnte ihn relativ schnell beruhigen. Was Alice betraf, hatte er keinerlei Einwände über ihren längeren Aufenthalt bei uns. Im Gegensatz zu Alice selbst. Sie fand es übertrieben, gab sich letztendlich aber durch einen bittenden Blick von Jasper geschlagen. Wir erzählten meinem Dad, ihre Wohnung hätte einen Wasserrohrbruch erlitten, weshalb sie erst einmal einen neuen Unterschlupf benötigte. Ohne Murren stimmte Charlie zu, sie bei uns aufzunehmen. Und jetzt saßen wir hier im Wohnzimmer unseres Hauses und sahen fern. Es war schon relativ spät, deshalb schlief mein Dad bereits. Bis jetzt hatten wir ziemlich wenig gesprochen. Was im Grunde doch recht ungewöhnlich war. Schließlich konnte Alice sonst eher viel reden und war eine Frohnatur durch und durch. Zugegeben musste ihr das mit Jasper ganz schön zusetzen und auch die Verbindung zu ihrer Vergangenheit war nicht gerade hilfreich. Dann auch noch Edwards und Jazz‘ Vermutungen bezüglich dem neuen Lehrer. Mir fiel auf, dass die kleine Elfe sehr unruhig war. So oft, wie sie heute an ihren Fingernägeln gekaut hatte… Normalerweise müsste sie gar keine mehr haben. Ebenso war es mit ihrer Unterlippe. Als würde sie unter Hochspannung stehen. Das Negative war, es steckte an. Ich kam nicht umhin, mich ebenfalls unbehaglich zu fühlen. Insgeheim machte auch ich mir Sorgen, dass morgen tatsächlich etwas Schlimmes passierte. Was wenn Edward etwas geschah? Oder beim Spiel nicht alles glatt laufen würde? “Wenn Ihnen Ihre Mitmenschen am Herzen liegen, sollten Sie sich von ihnen fernhalten. Andernfalls stürzen Sie alle ins Unglück…“ Ich konnte nicht glauben, dass mir diese dämlichen Worte der Wahrsagerin wieder in den Sinn kamen. Genervt seufzte ich auf und fuhr mir durch die Haare. Alice sah überrascht auf. „Was ist los?“ „Nichts“, verneinte ich und schüttelte den Kopf. Skeptisch betrachtete sie mich einen Augenblick, ehe sie sich wieder dem TV-Programm widmete. Wenn sie jetzt erfuhr, dass ihre Worte mich verunsichert hatten, würde sie das in ihrem Gefühl nur noch bestärken. Dabei versuchte ich doch gerade alles, um sie zu beruhigen. Ein paar Minuten später erhob ich mich und ging zur Küche. Dort angekommen, suchte ich im Gefrierfach des Kühlschranks nach Eis. Wenn ich mich nicht täuschte, mussten wir noch etwas da haben. Eingekauft hatte ich es jedenfalls. Nach kurzer Zeit fand ich es auch - in der hintersten Ecke. Ich holte es heraus, kramte zwei kleine Porzellanschalen aus dem Schrank und füllte beide mit der Süßigkeit. Anschließend betrat ich wieder das Wohnzimmer und hielt meiner quirligen Freundin ihren Teil entgegen. Fragend schaute sie auf, nahm mir die Schüssel dann aber dankend ab. Eis konnte man in solchen Situationen immer gebrauchen. Eigentlich konnte man das in jeder Situation. Es hob die Stimmung sofort und war dazu noch lecker. Und dieses Mal würde es auch Alice helfen. Schließlich war es eine ungeschriebene Gesetzlichkeit, in schlechten Zeiten etwas Süßes zu sich zu nehmen. Ich setzte mich ihr gegenüber und zog meine Beine aufs Sofa. Es gab noch etwas anderes, das mich neben dem Offensichtlichen brennend interessierte und das die Laune der Schwarzhaarigen garantiert heben würde. Und hoffentlich auch ihre Sorgen vertrieb. „Also… Wie ist denn dein Date mit Jasper gelaufen?“ Zuerst überrumpelt mit der Frage, stahl sich dann langsam ein Lächeln auf ihr Gesicht. Ich hatte richtig gewettet. Es lenkte sie tatsächlich ab. Somit führten wir ein ziemlich langes Gespräch, das bis tief in die Nacht dauerte. Sie erzählte mir, dass sie zusammen in einem Museum für die geschichtliche Entwicklung der Vereinigten Staaten waren. Jasper war wohl sehr an der Vergangenheit interessiert und wollte später Historiker oder so etwas ähnliches werden. Vor allem interessierte er sich wohl für die Armee. Das lag mitunter daran, dass sein Vater ein Offizier war. Leider war dieser deswegen auch ziemlich selten Zuhause. Kein Wunder, dass nur seine Mutter ihn im Krankenhaus besuchen konnte. Ich fragte Alice, ob es nicht langweilig sei, ein Museum zu besuchen, doch sie meinte nur, dass Jasper eine Menge über die Vergangenheit wüsste und dass er eine Art zu erzählen an sich hatte, die jedes Thema interessant machte. Ich schmunzelte, als ich ihre leuchtenden Augen bei diesem Kommentar registrierte. Danach hatten sie scheinbar die Twin Peaks besucht. Zwei Gipfel von San Francisco, die von einem Naturpark umgeben waren. Von dort aus konnte man ihrer Aussage zufolge auf die ganze Stadt sehen. Ja, als ich mir den Anblick vorstellte, grinste ich in mich hinein. Ich war also nicht die Einzige, die Frisco betrachten konnte. Nur dass bei mir die Sonne schon untergegangen war. Alice und Jasper hingegen hatten dort ein kleines Picknick veranstaltet und sich dabei den Sonnenuntergang angeschaut. Wenn ich nicht selbst einen wundervollen Abend verbracht hätte, wäre ich wirklich neidisch geworden. Ein bisschen hatte ich gehofft, dass an dieser Stelle nun der erwartete Kuss kommen würde, doch nichts dergleichen geschah. Sogar als ich nachhakte, schüttelte sie nur den Kopf und grinste, als wäre es nicht weiter schlimm. Dabei war es so verdammt eindeutig, dass sich die beiden sehr mochten. Dann jedoch kam sie zu dem Teil des ‘Nach-Hause-Bringens‘. Jasper hatte sie vor ihrer Tür abgesetzt, wo sie sich etwas länger als normal aufgehalten hatten - auch Alice machte an dieser Stelle eine Pause und starrte verträumt ins Leere. Ihre Reaktion war so offensichtlich, dass ich praktisch nur noch auf den Satz „Und dann hat er mich geküsst“ wartete. Just in diesem Moment veränderte sich ihre Miene aber schlagartig in Bitterkeit. „Und dann kam das Auto auf uns zugerast. Wir waren so versunken in unserer Zweisamkeit, dass wir es am Anfang gar nicht bemerkt hatten.“ Für einen Augenblick herrschte angespannte Stille zwischen uns. Bis ich mich dazu entschloss, ihr vom Babysitten zu erzählen, um sie wieder auf andere Gedanken zu bringen. Als ich schließlich zu dem Punkt kam, an dem mich Edward nach einem ersten Date fragte, lächelte Alice süffisant und meinte nur, dass jetzt endlich das Oberteil, das wir gemeinsam gekauft hatten, zum Einsatz kommen würde. Ich grinste sie an, bis sich ein leicht erzwungenes Schweigen zwischen uns legte. Wir sahen beide in verschiedene Richtungen, um nicht dem Blick des anderen zu begegnen. Kurze Zeit später beschlossen wir, schlafen zu gehen. Mein Zimmer bot gerade genug Platz für eine Liege neben meinem Bett. Nachdem wir uns für die Nacht fertig gemacht hatten, schlüpften Alice und ich unter unsere Bettdecken. Ein schwaches Pochen war an meinen Schläfen zu spüren und ich war froh, endlich schlafen zu können. Die Müdigkeit übermannte mich relativ schnell, doch bevor ich vollends in die Traumwelt eintauchen konnte, vernahm ich Alice‘ leise Stimme. „Bella?“ „Hm…“, murmelte ich. „Sei morgen bitte vorsichtig, ja?“ Ich nahm nur halbwegs wahr, was sie mir damit sagen wollte. Zu verlockend war es, sich dem Schlaf hinzugeben. „Hmhm… Du auch.“ „Gute Nacht“, flüsterte sie noch und ich antwortete ihr mit den gleichen Worten. Ich schlief ziemlich unruhig. Immer wieder tauchten verschwommene Bilder vor meinem inneren Auge auf. Ich konnte sie nicht richtig erkennen, doch dafür konnte ich die Gefühle spüren, die sie begleiteten. Sorge, Verwirrung, Angst… Irgendjemand rief meinen Namen, nur leider konnte ich die Stimme nicht erkennen. Ich wälzte mich in meinem Bett, warf die Decke zur Seite. Mir warm viel zu warm. „Bella!“ Mit einem Mal riss ich die Augen auf und schrak nach oben. Alice saß auf meiner Bettkante und hatte mich bei meinen Schultern gefasst. „Endlich bist du wach“, seufzte sie erleichtert und lächelte. „Hattest du einen Albtraum?“ Einen Augenblick überlegte ich, während ich meine Hand an meine Stirn legte. Sie war schweißnass und Schmerzen durchzuckten plötzlich meinen Kopf. Gequält verzerrte ich das Gesicht. „Keine Ahnung. Ich weiß nicht mehr genau, was ich geträumt hab. War alles irgendwie durcheinander.“ „Geht´s dir gut? Du siehst irgendwie blass aus“, stellte sie fest. „Alles okay, nur ein bisschen Kopfschmerzen.“ Alice nickte. „Du solltest langsam aufstehen, es ist schon fast Mittag. Und wenn wir uns noch für heute Abend fertig machen wollen…“ Erschrocken schaute ich sie an. „Schon fast Mittag…?“ „Ja, du hast ganz schön lange geschlafen. Dein Vater ist schon zur Arbeit.“ „Was?“ Wieso war Charlie arbeiten? Ich dachte, er hatte sich wegen dem Spiel für heute frei genommen. „Ich soll dir ausrichten, dass er am Abend rechtzeitig zurück ist. Sie haben ihn nur wegen einer Kleinigkeit ins Office gerufen.“ „Ach so…“ „Na komm, zieh dich an. Ich mach in der Zwischenzeit das ‘Frühstück‘ fertig“, grinste sie. Etwas später aßen wir zusammen in der Küche. Alice hatte extra auf mich gewartet, obwohl sie schon ein paar Stunden früher wach war als ich. Ich fragte sie, womit sie sich denn solange beschäftigen konnte und sie meinte nur, dass sie sich mein Bücherregal etwas näher angesehen hatte. Meine Kopfschmerzen waren mittlerweile auch verschwunden. In unserem Medikamentenschrank gab es die wichtigsten Arzneimittel immer vorrätig, sodass ich heute nicht mehr extra zur Apotheke laufen musste. Um zu verhindern, dass es in mein Kopf heute Abend wieder hämmern würde, steckte ich mir sicherheitshalber gleich ein paar davon in die Tasche. Für meinen Geschmack verging die Zeit den restlichen Tag viel zu schnell. Gleich nach dem Frühstück hetzte Alice mich mit den Vorbereitungen für das Spiel. Make-up, Frisur, Kleidung… Natürlich entging mir nicht der Wechsel ihrer Stimmung. Gestern noch relativ angespannt und heute wieder ganz die Alte. Fast. Mir kam es beinahe so vor, als wollte sie ihr schlechtes Gefühl unterdrücken und so tun, als wäre nichts gewesen. Ob sie sich Vorwürfe machte, mir einen Schrecken eingejagt zu haben, oder wollte sie einfach selbst nicht daran glauben? Ich startete nur einmal den Versuch, sie nach ihrem Wohlbefinden zu fragen und den winkte sie mit einem „Mach dir keine Sorgen. Mir geht´s gut“ ab. Ich wusste, dass sie heute viel lieber im Krankenhaus bei Jasper sein wollte, doch dieser bestand darauf, dass sie sich das Spiel ansah. Für ihn. Damit sie ihm hinterher alles erzählen konnte. Ich selbst würde Edward auch erst heute Abend treffen. Sein Team hatte noch ein kleines Aufwärmtraining und danach Besprechung. Jedes Mal wenn ich daran dachte, wie viel Zeit bis dahin noch vergehen musste, seufzte ich laut auf. Ich konnte es gar nicht erwarten, ihn endlich wieder zu sehen, dabei waren wir erst einen Tag getrennt. Andererseits war ich etwas nervös, sobald mir wieder einfiel, dass auch Renée ihn heute zum ersten Mal zu Gesicht bekam. Unser letztes Gespräch verlief diesbezüglich mehr als positiv, dennoch kamen kleine Zweifel auf. Nicht dass mich ihr Eindruck auf Edward beeinflussen könnte. Ich wollte nur einfach, dass wenigstens sie ihn akzeptierte, wenn schon Charlie bei diesem Thema Probleme machte. Es war grauenhaft, sich vorzustellen, Edward sei in meiner Familie nicht erwünscht. Er selbst müsste sich demnach noch viel unwohler fühlen. Ich wurde von seiner Familie so herzlich empfangen. Dieselbe Geborgenheit wollte ich ihm einfach zurückgeben. Aber eigentlich war meine Mom nicht der Typ, der andere gleich verurteilte. Nein, sie würde ihm eine Chance geben… Und jetzt saßen Alice und ich hier im Wohnzimmer und warteten auf sie und Phil. Da Charlie nachkommen würde und Edward bereits auf dem Schulgelände war, blieb uns nur die Möglichkeit, entweder ein Taxi zu rufen, oder uns von Renée abholen zu lassen. Meine Mutter war sofort einverstanden. Nur mit der Zeit hatte sie heute scheinbar Probleme. Dann endlich klingelte es an der Haustür. Hastig standen wir auf und liefen in den Flur, um den beiden zu öffnen. Renée begrüßte uns herzlich, ebenso Phil. Meine Mutter bedachte den kleinen Wirbelwind mit einem bedeutungsvollen Blick und einem warmen Lächeln, wusste sie doch noch, was ich ihr über meine neue Freundin erzählt hatte. Im Moment konnte ich auch von Glück reden, dass Alice genauso wenig Ahnung von Baseball hatte wie ich. Andernfalls wäre sie meinem Stiefvater womöglich um den Hals gefallen. Genau das konnte ich mir nämlich nach Edwards Beschreibung von Emmett gut vorstellen, wäre dieser denn ein Mädchen. „Ihr beide seht toll aus“, lobte meine Mom unser Erscheinungsbild anerkennend. „Danke.“ Ich seufzte lächelnd und betrachtete mich in dem Wandspiegel neben der Garderobe. Wenn es Edward auch gefallen würde, wäre ich vollends zufrieden. Das Oberteil, dass Alice damals für mich ausgesucht hatte, bestand aus einem weichen, glatten Samtstoff, dessen Farbe in einem dermaßen tiefen Blau leuchtete, dass man meinen könnte, die Nacht selbst wäre mit eingewebt worden. Es bestand aus zwei Schichten, wobei die äußere einen sehr tiefen Wasserfallausschnitt aufwies. Zum Ende hin ausgestellte Ärmel, die bis zu den Ellenbogen gingen, das Kleidungsstück selbst wurde am Rücken nur durch Bänder zusammengehalten - wie bei einer Korsage. Der weiße, knielange Rock rundete das Bild ab. Ein weiterer, prüfender Blick. Akzeptabel. Eine halbe Drehung, damit ich auch meinen Rücken betrachten konnte. Vielleicht doch ein wenig zu aufreizend? Ich schüttelte meinen Kopf. Es musste passen. Es sollte. Edward wollte mich nach dem Spiel zu unserem ersten richtigen Date ausführen. Da wollte ich mich doch so hübsch wie möglich für ihn machen. In meiner Brust pochte es augenblicklich schneller. Das erste Date. Das erste, richtige Date zwischen Edward und mir… Alice trug nur eine schlichte, dunkle Hose und ein gelbes, trägerloses Oberteil, welches unterhalb der Brust in weiten, geschmeidigen Wellen luftig nach unten fiel. Es war einfach und trotzdem hatte es einen gewissen Reiz. Immerhin fuhr sie nach dem Spiel noch ins Krankenhaus, um Jasper zu besuchen. Womöglich würden Edward und ich auch noch kurz mitkommen. „Bella, kommst du?“ Ganz in Gedanken versunken schreckte ich bei der amüsierten Stimme meiner Mutter hoch. Ich stand immer noch vor dem Spiegel, während die anderen drei bereits halb im Vorgarten waren. Schnell nahm ich meine Tasche und huschte aus der Tür, schloss sie ab und rutschte letztlich zu Alice auf die Rückbank. Während ich mit jeder Minute meine Finger mehr ineinander verknotete, schien meine Freundin irgendwie abwesend. Sie starrte permanent aus dem Fenster, ohne auch nur ein Wort mit mir zu reden. Ich wusste, dass es nicht an mir lag und dass sie keinen Groll gegen einen von uns hegte, sie wirkte einfach nur völlig in Gedanken versunken. Ich wurde nicht schlau aus ihrem Verhalten. Es gab nur zwei Möglichkeiten, an was sie momentan denken konnte: Jasper, oder ihre Vorahnung. Vielleicht sogar beides zusammen. War sie am Ende eventuell doch sauer, weil wir ihre Besorgnis nicht ernst nahmen? Dabei taten wir das ja eigentlich. Nur verlief ihre Sorge in eine völlig andere Richtung. Man musste zugeben, dass unsere Angst plausibler war. Schließlich wurde Alice verfolgt und man hatte Jasper attackiert. Da war es doch nur logisch davon auszugehen, dass bei ihrer Vermutung sie das wahrscheinlichste Opfer darstellte. Phil machte uns darauf aufmerksam, dass das Schulgebäude langsam in Sicht kam. Nach der Menge zu urteilen, waren wir wirklich ein bisschen spät dran. Es war schon so gut wie alles besetzt. Ein Wunder, dass wir überhaupt noch eine Lücke fanden. Als wir ausstiegen, hielt ich automatisch Ausschau nach Edwards silbernem Volvo. Erst konnte ich ihn nicht entdecken, dafür stach ein großer Jeep sehr heraus. Ich kannte dieses Auto, hatte ich es doch am Donnerstag noch vor meinem Haus parken sehen. Es war Emmetts Wagen, was bedeutete, dass sowohl er als auch Rosalie und Roxy hier sein mussten. Es war einfach undenkbar, dass er allein kommen würde. Gleich daneben entdeckte ich dann auch endlich Edwards Fahruntensil. Ein kleines Lächeln der Vorfreude huschte über meine Lippen. Wir hielten uns nicht lange auf und eilten zügig zum Sportgelände. Ich wäre viel lieber zu den Umkleiden gegangen, um meinen Freund vor dem Spiel noch einmal viel Glück zu wünschen, nur leider schienen wir wirklich nicht mehr allzu viel Zeit zu haben. Und wenn wir uns einen guten Platz aussuchen wollten, mussten wir uns beeilen. Dabei sollte Phil sich doch noch dem Team vorstellen und sie ein bisschen motivieren. Was mussten die beiden auch erst so spät bei uns sein! Als wir die Tribüne erreichten, stieß ich einen frustrierten Seufzer aus. Nicht nur, dass schon vor dem Spielfeld - wo jede Menge Stände aufgebaut waren - reges Treiben herrschte, es waren auch schon fast alle Plätze besetzt, vor allem die richtig guten ganz vorn. Unfassbar, wie viele Leute zu diesem Spiel gekommen waren. „Da vorn“, sagte Alice plötzlich neben mir und deutete auf eine lange, freie Bank in der fünften Reihe. Als ich ihrer Blickrichtung folgte, entdeckte ich eine winkende Roxy und einen grinsenden Emmett. Gleich neben ihm saß die blonde Anmut Rosalie. Sie lächelte uns ebenfalls freundlich zu, wenn auch nicht ganz so energisch wie der Bär und ihre Tochter. „Sieht so aus, als hätten wir Glück gehabt“, stellte ich schmunzelnd fest und bahnte mir einen Weg zu den Dreien. Einzig darauf konzentriert, die anderen zu erreichen, stieß ich in der Menge ungewollt mit jemandem zusammen und torkelte ein bisschen nach hinten. „Entschuldigung“, murmelte ich unbeholfen und sah zu meinem Gegenüber auf. Sofort blieb mir das Wort im Halse stecken. Ich war mit Claire zusammengeprallt. Meine Augen wurden schmal und ich bereute, dass ich mich eben bei ihr entschuldigt hatte. Während ich sie finster anschaute, lächelte sie mich schüchtern an. „Kein Problem. Nichts passiert.“ Setzte sie etwa dieses Spiel der bereuenden Freundin fort? Unglaublich. Vielleicht hatte Alice mit ihrer Vorahnung ja doch recht gehabt, nur dass es sich auf ein Treffen mit dieser… dieser… was auch immer handelte. „Leider“, erwiderte ich versucht ruhig, konnte und wollte den Sarkasmus darin allerdings nicht unterdrücken. „Bella, ich-“, fing sie an, doch ich ließ ihr nicht die Chance, den Satz zu beenden. Ich drängte mich an ihr vorbei und musste der Versuchung widerstehen, sie dabei anzurempeln. Als ich dann endlich weit genug von ihr entfernt war, hielt ich an und atmete laut aus. Die anderen drei waren mir gefolgt. Ein Kribbeln in meiner Nase, welches ziemlich schnell unangenehm wurde, ließ mich meine Hände automatisch vor mein Gesicht halten, um das Unvermeidbare wenigstens ein bisschen einzudämmen. Nicht mal eine Sekunde verging, ehe ich dann auch laut nieste. Zum Glück nur einmal. „Da scheint wohl jemand schlecht über dich zu reden.“ Ich verstand Alice‘ kleine Anspielung sofort, weshalb ich ihr ein halbherziges Lächeln schenkte. Nur Renée und Phil blickten etwas verwirrt drein. „War das eben eigentlich…“, meinte meine Mom und ich nickte ihr zu. „Ja, das war Claire. Von der ich dir erzählt hatte.“ „Ach so…“ Renée schien nachzudenken, sagte aber glücklicherweise nichts mehr zu diesem Thema. Endlich erreichten wir unsere Sitzplätze. Emmett stand freudig auf, um uns zu begrüßen. „Ich hab euch was freigehalten, falls ihr nichts dagegen habt.“ „Natürlich nicht“, lachte ich. „Ähm, darf ich euch vorstellen? Das sind meine Mom Renée und ihr Mann Phil… Und das sind Rosalie, ihre Tochter Roxy und Emmett, der Bruder von Edward.“ „Hallo“, begrüßten sie sich gegenseitig, bis dem Grizzly letztendlich ein Licht aufging und er wie angewurzelt inne hielt. Hastig sah er zwischen meinem Stiefvater und mir hin und her. „Phil… Dwyer?… Der Phil Dwyer?“ Wie es aussah, hatte Edward ihm noch nichts von dieser Neuigkeit erzählt gehabt. „Ja.“ Phil nickte und lachte… professionell. Als wäre er diese Situation bereits gewohnt. Was natürlich auch nicht verwunderlich war, immerhin gehörte er nun zur Major League. Tatsächlich drehten sich ein paar neugierige Blicke von in der Nähe sitzenden Personen in unsere Richtung und musterteten die Szenerie interessiert. „Bella…“, hörte ich eine brummige Stimme vor mir. „Vielleicht sollten wir uns lieber setzen“, flüsterte ich den anderen zu, als mir klar wurde, mit was für einem Blick Emmett mich gerade ansah. Was hatte Edward noch gleich gesagt gehabt? Ich dürfte mich unter keinen Umständen von seinem Bruder umarmen lassen, sollte der in einer ausgeprägten Art von Euphorie schweben. Hastig ließ ich mich auf meinem Platz nieder, der Rest tat es mir gleich. Ich war ganz zufrieden damit, dass Roxy zwischen Em und mir saß, doch auf einmal hob dieser den winzigen Lockenkopf an und tauschte mit ihr. Nun saß er direkt neben mir. Er musterte mich eindringlich und seine Augen leuchteten. „Wie hast du das geschafft?“, wollte er wissen, hielt seine Stimme aber gedämpft, damit die anderen nichts hören konnten. Ich zuckte nur mit den Schultern. “Eigentlich gar nicht. Sie waren zufällig in der Stadt“, wisperte ich ebenso leise zurück. „Ich hab sie nur gefragt, ob sie sich das Spiel ansehen wollen.“ Kurz sagte er nichts, bis ich schließlich ein „Danke“ hörte, dessen Klang allein es schon wert war, meine Mom und ihrem Mann mitgebracht zu haben. Ich konnte die Bedeutung darin förmlich spüren. „Kein Problem“, lächelte ich zurück. „Wo bleibt eigentlich Charlie?“, meinte Renée plötzlich. Schlagartig fiel mir wieder ein, dass er zu Alice gesagt hatte, er müsste noch mal aufs Revier und er würde dann später nachkommen. Hoffentlich nicht zu spät. Das Spiel fing jeden Moment an. „Vielleicht hat es auf Arbeit länger gedauert“, antwortete ich, hoffte insgeheim aber das Gegenteil. Die Sonne senkte sich langsam gen Horizont und tauchte die großen, weißen Flauschwolken in ein sattes orange-rot. Es dauerte nicht mehr lange, bis die Nacht hereinbrach. Der leichte Abendwind, der aufgekommen war, streifte angenehm meine Haut, ließ mich aber dennoch leicht frösteln. Mein Blick wanderte über die Tribüne und über das Spielfeld. Letztlich blieb er an der Person hängen, die sich direkt in der Mitte des Rasens befand. Ich erkannte einen der Lehrer aus unserer High School, genauer gesagt unseren Rektor. Scheinwerfer von mehreren Seiten gingen auf einmal an und die gelben Lämpchen der riesigen, schwarzen Anzeigetafel am Ende des Feldes leuchteten auf. Jetzt standen dort in großen Lettern die Namen der Mannschaften und die auf Null gesetzten Punkte in einer Tabelle. Kurz darauf wurde mir klar, dass Charlie tatsächlich den Start verpassen würde, denn genau in diesem Moment hörte ich die Stimme unseres Rektors durch ein Mikrophon. „Sehr geehrte Damen und Herren. Ich begrüße Sie recht herzlich zum alljährlichen Wettkampf zwischen unseren East Coast Lions und den amtierenden Gewinnern des letzten Jahres, den Black Tigers der Northern Shore.“ Er legte eine bedeutungsvolle Pause ein, in der das Publikum in lautem Applaus ausbrechen konnte. Mit seinem Arm deutete er auf den Eingang des Spielfeldes, aus dem jetzt die beiden Mannschaften - in ihren weißen, mit orangem bzw. schwarzem Nadelstreifenmuster überzogenen Spieluniformen - in zwei Reihen den Rasen betraten und sich dann mit einem Meter Abstand zueinander in einer Linie aufstellten. Mein Herz klopfte schneller, als ich unter den Baseballcaps der Spieler meine Lieblingshaarfarbe erkannte. Unbewusst lehnte ich mich auf meinem Platz ein Stück nach vorn, während mein Körper mit jeder Sekunde angespannter wirkte. Als Edward unter dem Schirm seiner Mütze einen flüchtigen Blick über die Menge schweifen ließ, hob ich meinen Arm ein wenig, um ihm zuzuwinken und zu zeigen, wo ich saß. Er entdeckte mich kurz darauf und lächelte dieses schiefe Lächeln, das ich so an ihm liebte. Ich lächelte zurück und formte mit meinem Lippen stumm die Wörte Viel Glück. Ob er diese auch verstanden hatte, wusste ich nicht, aber immerhin konnte ich sie ihm noch sagen. Jemand tippte mich von der Seite an. Nur ungern wandte ich meinen Blick von meinem Freund ab. Als ich zur Seite sah, erkannte ich meine Mutter, wie sie sich über Alice‘ Schoß gebeugt hatte, um besser mit mir reden zu können. „Welcher ist es?“, fragte sie mich leise. Ich lehnte mich ebenfalls ein Stück zu ihr und deutete mit dem Zeigefinger auf Edward. „Da vorn. Der mit den bronzenen Haaren.“ Zu meinem Bedauern hatte er seinen Blick bereits wieder von mir gelöst. Renée nickte andächtig und grinste dann tückisch. „Stellst du ihn mir nachher vor? Ich würde ihn gerne aus der Nähe kennen lernen.“ „Mach‘ ich.“ Wir beide konzentrierten uns wieder auf das eigentliche Ereignis und schwiegen für den Rest der nächsten Stunde. Die ganze Zeremonie ähnelte sehr dem Spiel, das ich zusammen mit Edward besucht hatte und ich fragte mich, ob wir auch hier die Nationalhymne singen würden. Immerhin hatte ich es bisher stets gemieden, mir eines unserer Schulspiele anzusehen und konnte das deshalb nicht wissen. Meine Frage erübrigte sich, als einige Leute das Feld betraten und sich hinter zwei aufgestellten Mikrophonen in mehreren Reihen positionierten. Als sie alle standen und eine Art Dirigent sich vor die Gruppe gestellt hatte, fuhr der Direktor fort. „Und nun, werte Gäste, bitte ich Sie, sich für unsere Nationalhymne zu erheben.“ Ich fühlte mich wie in einem Déjà-vu, als ein Raunen und Ächzen durch die Sitzreihen ging. Die Anwesenden erhoben sich und legten die rechte Hand auf die linke Brust - uns eingeschlossen. Der Chorleiter wedelte ein paar Mal mit seinen Armen in der Luft, bevor seine Gruppe anfing, a cappella die amerikanische Hymne vorzutragen. Und wie schon einmal erlebt, stimmte das Publikum mit ein. Die Tribüne war erfüllt mit den unterschiedlichsten Stimmen, die alle zusammen dennoch eine wunderschöne Melodie hervorbrachten. Der Patriotismus war in jeder Silbe des Textes wieder zu erkennen und auch der Gesang selbst war erfüllt davon. Gemeinsam hier zu stehen und zu singen; das Gefühl, zusammen mit anderen einer Sache anzugehören… Als würde es von einer Person auf die nächste übergreifen, schwoll selbst meine Brust vor Stolz ein bisschen an und ich fühlte mich glücklich, ein Teil dieses Ganzen zu sein. Als der Gesang endete und der Chor das Feld wieder verließ, setzte der Rektor erneut zum Reden an. „Und nun, liebe Zuschauer, will ich Sie nicht länger warten lassen. Ich bin mir sicher, dass Sie, ebenso wie ich, wissen wollen, wer dieses Jahr den Sieg mit nach Hause tragen wird. Seien wir also gespannt. Genießen wir zusammen dieses Spiel und wünschen den beiden Teams viel Glück.“ Mit diesem Worten und begleitet von Applaus verließ er den Rasen und bahnte sich einen Weg zu seinem Sitzplatz in der ersten Reihe. Das Mikro übergab er dabei an jemanden, der scheinbar das gesamte Match kommentieren würde. Während sich mehrere Schiedsrichter an die Außenlinien platzierten, liefen die beiden Mannschaften auf ihre Positionen. Wie es aussah, waren unsere Spieler als erstes an der Reihe, die Bälle zu schlagen. Die Gegner platzierten sich auf die markierten Sandflächen: Der Pitcher, also der Werfer, in der Mitte auf einen kleinen Hügel und vier seiner Kollegen in einem Halbkreis und in einem gewissen Abstand hinter ihm. Hinter diesen stellten sich dann noch einmal im selben Abstand weiter außen drei weitere Mitspieler. Der einzige Spieler unserer Mannschaft, der sich nun auf dem Spielfeld befand, war einer unserer Batter. Er stellte sich dem Pitcher in einigen Metern Entfernung entgegen, während sich der neunte Mann des Gegnerteams, eingehüllt in Schutzkleidung und Maske - der Catcher -, hinter ihm in die Hocke ging. Einer der Schiedsrichter tauchte ebenfalls bei ihnen auf, um von dort die Strikes und Outs sofort pfeifen zu können. Während unser Spieler den Schläger über seiner linken Schulter bereits kreisen ließ, hob der Schiedsrichter den Arm, um den Spielbeginn zu signalisieren. Kurz darauf regte sich der Pitcher. Er warf den kleinen, weißen Ball ein paar Mal in die Luft, drückte dann die darum umschlossene Faust gegen seine Brust und hob ein Knie an, ehe er einen Ausfallschritt nach hinten machte, mit dem Arm weit ausholte und dann den Ball in einer Wahnsinnsgeschwindigkeit Richtung Batter katapultierte. Das gesamte Publikum hielt den Atem an, so kam es mir vor. Er schwang den Schläger und… Der Knall, als der Ball auf das harte Metall traf, hallte durchs gesamte Spielfeld. Unser Mann ließ seinen Schläger fallen und rannte nach rechts auf die erste Base zu. Doch bevor er die zweite Base erreichen konnte, war der Ball bereits zum dazugehörigen zweiten Baseman zurück geworfen worden. Mein Körper erschlaffte, als die Anspannung von meinem Körper wich und ich einen frustrierten Seufzer ausstieß. „Für den Anfang war das gar nicht schlecht, Bella.“ Überrascht schaute ich zur Seite. Phil hatte sich - soweit das möglich war - zu mir herübergelehnt und lächelte sanft. „Wirklich. Das ist ein guter Start gewesen.“ Ich quittierte seinen Aufheiterungsversuch mit einem dankenden Lächeln, was ihn zu einem breiten Grinsen motivierte. „Ich hätte nie gedacht, dass ich dich mal auf diese Weise bei einem Spiel mitfiebern sehe.“ Verblüfft hob ich die Augenbrauen. „Ach nein?“ Er schüttelte nur seinen Kopf. „Tja, Männer verändern eine Frau“, stellte Renée spitzbübisch fest, ohne dabei ihren Blick vom Spielfeld zu wenden. Phil sah sie mit leuchtenden Augen an und neigte seinen Kopf gefährlich nahe zu ihrem Ohr, wobei sein Arm ihre Taille umschloss. „Das kann ich nur zurückgeben“, flüsterte er ihr zu, woraufhin sie anfing, leise zu kichern. Ich hatte Mom schon lange nicht mehr so… intim mit ihrem Mann erlebt, weshalb ich bei diesem Anblick jetzt auch prompt rot wurde und meinen Kopf ruckartig wegdrehte. Immerhin war das da meine Mutter. Emmett neben mir schmunzelte. „Du würdest genauso reagieren, wenn du deine Eltern bei so was beobachtest“, rechtfertigte ich mich mit gedämpfter Stimme. „Also nach vorgestern dachte ich eigentlich, dass du etwas lockerer wärst.“ Er hatte die Lautstärke noch ein bisschen mehr gesenkt, sodass wirklich niemand anderes mithören konnte. Der Schalk saß in jedem einzelnen Wort. Ich wollte bereits etwas erwidern, ließ es dann aber sein. Mich jetzt mit Emmett anzulegen und zu wissen, dass ich seine Meinung ohnehin nicht ändern konnte, war sinnlos. Schlimmstenfalls würde meine Mom noch irgendein Gerücht aufschnappen und dann wäre das Chaos perfekt. „Und ich würde nicht so reagieren“, erwiderte er immer noch kichernd, schaute allerdings längst wieder nach vorne. Ich verdrehte nur die Augen und musste mich regelrecht zwingen, nichts weiter dazu zu sagen. Ein Seitenblick zu Alice verriet mir, dass sie sich überhaupt nicht an der Konversation beteiligen wollte. Sie hatte ihre Ellenbogen auf ihre Oberschenkel und ihr Kinn in ihre Hände gestützt. Völlig desinteressiert beobachtete sie das Spiel. Als sie meinen Blick registrierte, lächelte sie mich matt an, bevor sie wieder aufs Feld sah. Es dauerte nicht sehr lange, bis Edward seine Fähigkeiten unter Beweis stellen konnte. Als er sich auf seine Position begab, wäre ich beinahe vom Platz gefallen, so weit war ich nach vorn gerutscht. Die Aufregung beherrschte mein Inneres dermaßen heftig, dass man denken konnte, ich selbst würde dort auf dem Rasen stehen. Ich hielt den Atem an. Edward in seiner Uniform sah so unglaublich… anmutig aus. Ich war überglücklich, ihn als meinen Freund allein bezeichnen zu können. Und ich war mir hundertprozentig sicher, dass ihn mir niemand streitig machen konnte. Er liebte mich und ich liebte ihn. Und genau das würde ich ihm heute Abend bei unserem ersten, offiziellen Date sagen. Der gerade getroffene Entschluss machte mich plötzlich nervös, allerdings auf eine positive Weise. Ich freute mich darauf, wusste ich doch aus meiner selbst gewonnenen Erkenntnis, dass ich danach nichts schlimmes zu befürchten hatte. Edward stellte sich auf seinen Platz, die Beine auseinander, den Oberkörper leicht nach vorn gebeugt, den Blick auf den Pitcher gerichtet. Über seiner Schulter schwang er seinen Schläger, ehe er seine Hände um den Griff festigte. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen, als sich vor meinem inneren Auge auf einmal die Silhouette meiner selbst direkt vor Edward bildete - und wie er damals mit mir das Schlagen geübt hatte. Zwar waren wir zu diesem Zeitpunkt noch in einer Scheinbeziehung, dennoch hatte die ganze Szenerie im Nachhinein etwas romantisches. Der Pitcher machte sich bereit, warf den Ball in seiner Hand und vollführte dieselbe Akrobatik wie auch die Male zuvor, ehe er den winzigen Baseball mit voller Wucht Edward entgegenschleuderte. Dieser schwang seinen Schläger und… „Out!“, schrie der Schiedsrichter hinter ihm und streckte seinen Arm in die Luft. Kurz sackten meine Schultern nach unten, hatte ich doch gehofft, dass Edward gleich beim ersten Mal treffen würde. Er positionierte sich wieder ordentlich auf seinem Platz und gleich darauf kam bereits der zweite Ball geflogen. Wieder holte mein Freund mit voller Kraft aus und… traf! Das runde Leder wurde in einem hohen, weiten Bogen zurückgeworfen. Reflexartig stand ich auf und hielt meine Handfläche zur Abschirmung über meine Augen, um der Flugrichtung zu folgen. Nur am Rande nahm ich wahr, dass ich nicht die Einzige stehende Person war. Edward war derweil längst losgerannt. Erst erreichte er die erste Base, dann die zweite… Die Spieler des Gegnerteams hatten alle Hände voll damit zu tun, den Ball wieder zurückzuwerfen. Edward hatte die dritte Base beinahe erreicht, als ich bemerkte, wie der zweite Baseman den Ball gerade auf den dritten schleuderte. Ich hielt die Luft an und drückte meine Daumen ganz fest in meine Fäuste. Nur noch ein bisschen… Der dritte Baseman fing den Ball und Edward rutschte auf das kleine, weiße Feld unter diesem. Für einen Augenblick war es still auf den Tribünen, dann brachen alle in einem heftigen Applaus aus. Jubelschreie und Pfiffe waren zu hören und noch mehr Leute standen von ihren Sitzen auf. Verwirrt drehte ich mich zu beiden Seiten. Was genau bedeutete das jetzt? Wer hatte dieses Inning gewonnen? „Dein Freund hat‘s geschafft“, meinte Phil auf einmal grinsend, als er meinen irritierten Gesichtsausdruck sah. Mit großen Augen schaute ich ihn an, dann wanderte mein Blick zurück zu Edward, der jetzt von seinen Kollegen gefeiert wurde. „Er hat die Base nur ganz knapp vorher erreicht“, erklärte mir mein Stiefvater weiter, legte dann aber eine kleine Pause ein, ehe er etwas mehr zu sich selbst murmelte. „Der Junge hat wirklich Talent…“ Ich kam nicht umhin, bei diesem kleinen Satz zu schmunzeln. Edward hatte seiner Mannschaft einen kleinen Vorsprung verschafft, wie mir Em erklärte. Wenn sie den halten und eventuell noch ein bisschen ausbauen konnten, würden sie den Sieg in der Tasche haben. Als er mir das erzählte, war ich noch optimistisch gestimmt, doch schon bald änderte sich die Sachlage. Tayk war gleich nach Edward mit dem Batten dran gewesen. Er wirkte sicher in seinem Spiel. Ich wäre nie darauf gekommen, dass er es schaffte, drei Outs nacheinander zu bekommen. Natürlich konnte man so ein Ergebnis vom Teamkapitän nicht einfach nur mit einem Schulterklopfen und netten Worten wieder gut reden. Auch wenn Edward genau das scheinbar tat, als Tayk zurück auf seinen Platz in der Mannschaftsloge ging. Allerdings sah es auch ganz danach aus, als würde mein Freund der Einzige sein, der ihn aufmunterte. Die anderen hielten auf merkwürdige Weise Distanz zu ihm. Ich ahnte bereits, woran es lag und ich hoffte, dass es sich nicht auf das Match übertragen würde. Aber all meine Gebete wurden leider nicht erhört. Es schien wirklich, als wären die Spieler in einer Art Trancezustand. Phil und Emmett bemerkten es sofort und sogar ich als Laie erkannte, dass ihnen keinerlei Motivation innewohnte. Als zur Halbzeit schließlich die Pause eingeläutet wurde, lagen die Black Tigers mit einer Menge Punkten in Führung. Seufzend vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen. „Nur nicht die Hoffnung aufgeben, Bella“, hörte ich auf einmal Alice‘ Stimme neben mir. Verblüfft drehte ich mich zu ihr. Sie lächelte mich zuversichtlich an. „Ich bin davon überzeugt, dass unsere Jungs das schaffen.“ „Wie kommst du darauf?“, fragte ich ungläubig. Sie tippte sich mit ihrem Zeigefinger nur grinsend gegen ihre Schläfe. Ihr sechster Sinn, huh? Schade, dass er bei diversen anderen Dingen im Augenblick nicht richtig funktionierte. „Du solltest auf die Kleine hören.“ Das war Emmett und er sah nicht minder überzeugend aus. Noch ehe ich allerdings etwas erwidern konnte, stand meine Mom bereits und hielt mir ihre Hand hin. „Na, los! Ich möchte ihn jetzt endlich kennen lernen.“ Und so machten meine Mom, Phil und ich uns auf den Weg zu den Umkleiden, in denen sich die Teams zurückgezogen hatten. Mittlerweile war es dunkel und der Weg wurde nur durch vereinzelte Lichter in der Ferne ein bisschen erhellt. Emmett wollte bzw. musste bei Rosalie bleiben - obwohl ich mir schon denken konnte, dass er viel lieber in Phils Nähe geblieben wäre. Demnach hieß es offiziell, er könnte seinem Bruder auch nachher noch eins überziehen, sollte er das Spiel vermasseln. Insgeheim fragte ich mich, ob ich das Edward ausrichten sollte, oder lieber nicht. Alice wollte ebenfalls bei den Tribünen bleiben. Ehrlich gesagt war mir das nicht gerade recht. Ich hätte lieber einen permanenten Blick auf sie gehabt, um sicher zu gehen, dass ihr nichts geschah. Im selben Moment, in dem ich diesen Gedanken hatte, fiel mir auch auf, dass ich Mr. Harper heute Abend noch kein einziges Mal zu Gesicht bekommen hatte. Ab und zu hatte ich in der Menge schon das ein oder andere Mal nach ihm Ausschau gehalten, doch bisher erfolglos. Ich fragte mich, ob er überhaupt anwesend war. Normalerweise ging nämlich die gesamte Lehrkraft zu solchen Matches. Einzig die Tatsache, dass Emmett von der Sache mit Alice‘ Stalker wusste und bei ihr bleiben würde, beruhigte mich ein wenig. Und wo wir schon bei vermissten Personen waren… Seth war ebenfalls noch nicht aufgekreuzt, dabei wollte er sich heute mit Edward aussprechen. Abrupt hielt ich mitten auf dem Weg inne, als mir bewusst wurde, was das bedeutete. Eigentlich wollten wir gleich nach dem Spiel zu unserem ersten Date gehen. Wenn nun aber Seth noch auftauchte - und normalerweise müsste er das, wenn ich seinen Worten glauben schenken konnte -, dann würde das doch auch heißen, dass das Date ins Wasser fiel. So ein Gespräch war schließlich nicht in ein paar Minuten erledigt. Nicht bei dem, was zwischen den beiden stand. Resigniert ließ ich den Kopf hängen, als ich mir eingestehen musste, dass es heute doch kein Date mehr geben würde. Dabei hatte ich mich extra so herausgeputzt. Selbstverständlich wusste ich, dass die Angelegenheit mit seinem alten Kumpel Vorrang hatte, aber der kleine, egoistische Teil in mir wollte nicht, dass Seth heute kam. Dieser Abend war einfach viel zu perfekt, als dass er mit so was beschattet werden sollte. Leider konnte ich in diesem Fall kein Veto einlegen. „Bella, kommst du?“, rief Renée, als sie bemerkte, dass ich zurückgeblieben war. Erschrocken sah ich auf, besann mich dann schnell und holte zu ihnen auf. „Sag mal, gibt es in eurem Team irgendwelche speziellen Probleme?“ Neugierig schielte Phil zu mir herüber, während wir in naher Entfernung bereits die Umkleiden ausmachen konnten. „Wie kommst du darauf?“, fragte ich vorsichtig nach, auch wenn ich sehr wohl wusste, dass das eigentlich überflüssig war. „Die Spieler scheinen unkonzentriert. Ich gebe zu, dass die Gegner wirklich nicht schlecht spielen und die Bälle der Pitcher sind nicht einfach zu treffen. Aber als eure Mannschaft mit dem Werfen dran war… Ich meine, die hätte sogar ein Grundschulkind treffen können, so langsam waren die.“ Mit geweiteten Augen sah ich ihn an. Ohne Frage war er Profi in diesem Sport. Und wenn er so redete, musste es wirklich schlimm gewesen sein. Ich hatte bisher nur ein einziges Match angesehen und konnte überhaupt nicht beurteilen, in welche Tiefe Tayks Enthüllung den Geist des Teams gezogen hatte. Edward war deswegen zwar ebenso fertig gewesen, aber ich hätte mir dieses Ausmaß niemals vorstellen können. Im Nachhinein musste ich innerlich sogar zugeben, dass die Hälfte des Publikums genauso niedergeschlagen auf der Tribüne gesessen hatte… „Der eigentliche Grund, warum ich euch gebeten habe, mit zum Spiel zu kommen, war der, dass du vielleicht mal mit den Jungs reden könntest, um sie ein wenig zu motivieren. Vor ein paar Tagen hat sich nämlich herausgestellt, dass ihr Kapitän… ähm, auf Männer steht“, erklärte ich schlussendlich und schaute schüchtern zu Phil auf. „Und da wolltest du meine Prominenz etwas ausnutzen“, lächelte er süffisant, gleich darauf rammte meine Mom ihm den Ellenbogen leicht in die Seite. Er stöhnte theatralisch auf. „So bekannt bist du nun auch noch nicht.“ „Nicht nur!“, rechtfertigte ich mich und ignorierte den Kommentar meiner Mutter. „In erster Linie wollte ich Edward, Emmett und Jasper eine Freude machen, indem ich euch hierher bitte.“ „Jasper?“ Renée musterte mich neugierig. „Einer von Edwards Freunden und Mitglied im Team. Leider liegt er momentan im Krankenhaus. Deshalb kann er nicht mitspielen.“ „Oh…“ „Wie dem auch sei“, mischte Phil sich wieder ein. „Ich werde mit ihnen reden. Und wenn das tatsächlich was bringen sollte, umso besser.“ „Danke“, lächelte ich erleichtert. Als wir vor den Türen der Umkleide standen, war ich doch etwas ratlos. Ich war noch nie in die der Jungs gegangen und auch jetzt konnte ich nicht einfach so hereinplatzen. Also beschloss ich, einfach anzuklopfen. Die doppelseitigen Metalltüren wirkten sehr dick auf mich und ich war mir nicht ganz sicher, ob man mein Klopfen überhaupt hören konnte. Wer wusste schon, in welchem Teil des Raums sich alle aufhielten. So klein war er nämlich nicht. Wider Erwarten öffnete sie sich jedoch und zu meiner Überraschung fast lautlos. „Ja?… Bella!“ Sofort erhellte sich Edwards Gesicht und er schlang seine Arme um meinen Körper, um mich hochzuheben. Ich hielt mich automatisch in seinem Nacken fest und musste lachen. Erst als er mich wieder absetzte, bemerkte er die beiden anderen Personen hinter mir. Augenblicklich schraubte er seine Euphorie zurück und stellte sich ordentlich hin. „Sie müssen Bellas Mom sein, wenn ich mich nicht irre. Freut mich, Sie kennen zu lernen.“ Höflich streckte er ihr seine Hand entgegen. Renée nahm sie an und grinste vielsagend. „Freut mich ebenfalls. Ich hab schon einiges von dir gehört. Du scheinst das Herz meiner Tochter ja im Sturm erobert zu haben.“ „Das hoffe ich doch“, erwiderte er stolz und zwinkerte mir zu. Meine Mundwinkel zuckten nach oben und unauffällig umschloss meine Hand die seine. „Und Sie sind bestimmt Phil Dwyer. Ich fühle mich geehrt, Sie zu mal treffen.“ „Ganz meinerseits“, entgegnete mein Stiefvater anerkennend. „Du hast einen wirklich interessanten Batting Style. Ich bin beeindruckt.“ Für einen winzigen Moment schien es mir, als würden Edwards Wangen einen leichten Rosé-Ton annehmen. Offenbar machte ihn das Lob verlegen. Bei dem Anblick musste ich ein Kichern unterdrücken. So hatte ich ihn noch nie gesehen. Leider fasste er sich viel zu schnell wieder. „Danke, Sir.“ Dann wandte er sich wieder mir zu. „Nebenbei bemerkt könnt ihr von Glück reden, dass ich gerade beim Eingang war, sonst hätte euch wahrscheinlich niemand bemerkt.“ „Ach, in dem Fall wären wir einfach so reinge-“ „Könnt ihr mir mal verraten, was das eben sollte?!“ Die fremde Stimme ließ uns vier aufhorchen. „Wer war das?“ Edward seufzte. „Unser Trainer. Er ist nicht gerade begeistert von der ersten Halbzeit und ich kann es ihm noch nicht mal verdenken.“ „Was habt ihr euch dabei gedacht? Was ist los mit euch? Ich dachte, ihr wolltet diesen Schweinehunden von der Northern Shore dieses Jahr ordentlich den Marsch blasen? Wo ist eure Motivation? Euer Stolz?“ Das hörte sich gar nicht gut an. Schnell zog ich Edward mit mir, während die anderen beiden uns folgten. Nachdem wir ein paar Reihen von Spinten und dazwischen stehenden Sitzbänken passiert hatten, erreichten wir die Szenerie. Die Mannschaft hatte sich auf den Bänken vor ihren Umkleiden in einem Halbkreis niedergelassen. Ihre Köpfe hingen nach unten. Sie waren sichtlich angeschlagen. Tayk saß in einem kleinen Abstand gleich auf der Bank neben uns und sah auf, als er uns bemerkte. Mittlerweile tat er mir wirklich leid, auf diese Weise von den anderen behandelt zu werden. Das hatte selbst jemand wie er nicht verdient. Ich schenkte ihm ein leichtes, aufmunterndes Lächeln. Der Trainer stand - ebenfalls in unserer Nähe - vor seinem Team und wütete, was das Zeug hielt. Er fuchtelte wild mit seinen Armen in der Luft. „Mr. Rodríguez?“, sprach Edward ihn an. Gleich darauf war es still im Raum und alle Anwesenden sahen auf. „Ich würde den Jungs gerne jemanden vorstellen.“ Er machte mit seinem Arm eine Bewegung zu meinem Stiefvater. „Wahrscheinlich kennen die meisten den neuen Star-Pitcher der Arizona Diamondbacks schon aus dem Fernsehen, Phil Dwyer.“ Ein Murmeln ging durch die Reihen und auch der Trainer sah nicht minder überrascht aus. „Er würde sich gerne kurz mit euch unterhalten“, fuhr Edward fort und ließ meinem Stiefvater dann den Vortritt, während er selbst zurück an meine Seite kam. Seine Finger verhakten sich mit meinen in einem festen Griff und ein Lächeln zierte seine Lippen, als er zu mir heruntersah. Phil hatte derweil die Mannschaft begrüßt und fing an, über das Spiel und den Ehrgeiz jedes Einzelnen zu reden. Vielmehr bekam ich aber nicht mit, da mein Freund mich langsam zurück zum Eingang und hinaus ins Freie zog. „Edward, was soll das werden? Ich dachte, Phil soll euch ein bisschen mot-“ „Tsch“, machte er und legte mir einen Finger auf die Lippen. „Keine Sorge. Ich hab genug Motivation bei mir.“ Sein Grinsen verriet mir augenblicklich, was bzw. wen er damit meinte. Sofort wurden meine Wangen warm, als zu viel Blut unter meine Haut rauschte. „Schlei-“, setzte ich gerade an, als er seine Lippen stürmisch auf meine presste und mich in einen derartig leidenschaftlichen Kuss verwickelte, dass ich bereits nach kurzer Zeit in Atemnot geriet. Ich legte meine Arme in seinen Nacken und zog mich enger an ihn, während seine Arme dasselbe mit meinem Körper taten. Als wir uns nach einer kleinen Ewigkeit wieder voneinander lösten, keuchten wir beide schwer; mir war sogar leicht schwindelig. „Wow…“, hauchte ich gegen seine Lippen. Unvorstellbar, dass ich es den ganzen Tag ohne dieses unbeschreibliche Gefühl aushalten konnte. Jetzt, da ich es wieder gespürt hatte, wollte ich gar nicht mehr damit aufhören. „Ich hatte Sehnsucht“, wisperte er verführerisch und ich konnte nichts weiter als nicken. „Ging mir nicht anders.“ Sein breites Lächeln entblößte zwei perfekte Reihen weißer Zähne. Gleich darauf beugte er sein Gesicht nach vorne und flüsterte mir ins Ohr, während seine Finger sanft über die Bänder meines Oberteils glitten und dabei jedes Mal einen Teil meiner nackten Haut berührten. „Du siehst heute wirklich einzigartig aus.“ „Danke“, flüsterte ich benommen. Die feinfühligen Bewegungen seiner Finger auf meinem Rücken brachten mich völlig aus dem Konzept. Plötzlich hielt er inne. „Sag mal“, fing er an und legte seine Hand auf meine Stirn, anschließend auf meine Wange. „Geht´s dir gut? Du bist ganz warm.“ Erstaunt hoben sich meine Augenbrauen, bevor ich allerdings etwas sagen konnte, fing es an, in meiner Nase zu kribbeln. Gleich darauf musste ich erst ein-, dann zweimal niesen. „Scheint, als würdest du eine Erkältung ausbrüten.“ „Blödsinn. Ich bin nicht krank. Wem würde denn nicht warm werden, wenn er von dir so in den Armen gehalten wird.“ „Ach, so ist das“, grinste Edward, wurde gleich darauf aber wieder ernst. „Pass trotzdem ein bisschen auf.“ „Einverstanden.“ „Bella, wir sind dann soweit.“ So schnell, wie die Tür zur Umkleide aufging, konnten wir gar nicht reagieren, und so entdeckten Renée und Phil uns in inniger Umarmung gleich neben dem Eingang - beide Parteien mit demselben erschrockenen Gesichtsausdruck. Eine bedrückende Stille hielt für ein paar unendlich lange Sekunden an. Meine Mom war die Erste, die sich wieder regte. „Ähm… Wir gehen dann schon mal vor. Du kannst ja nachkommen, wenn du soweit bist.“ Mit einem Zwinkern zog sie ihren Mann mit sich und verschwand ziemlich rasch in der Dunkelheit. Ich kam überhaupt nicht dazu, noch etwas zu sagen. Edward kicherte leise. „Hör auf zu lachen. Das war peinlich“, schalt ich ihn, konnte mir selbst aber ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen. „Schon gut… Ich sollte aber auch langsam wieder rein. Die Pause ist bald vorbei.“ „Ist gut“, nickte ich verstehend. „Wünsch uns Glück.“ „Viel Glück“, antwortete ich mit einem Grinsen. „Seht zu, dass ihr gewinnt.“ Er lachte kurz, lockerte die Umarmung und gab mir noch einen langen Kuss auf die Stirn, ehe er in der Umkleide verschwand. Mit einem wehmütigen Seufzen blieb ich noch einen Augenblick dort stehen, dann machte ich mich ebenfalls auf den Weg zu den Tribünen. „Bella!“, hörte ich plötzlich hinter mir. Ich war bereits einige Minuten unterwegs und hatte das Spielfeld schon beinahe erreicht. Als ich mich umdrehte, erkannte ich Tayk, wie er auf mich zugerannt kam. Abrupt blieb ich stehen. „Was gibt es?“ Mit Vorsicht musterte ich seine Erscheinung, als er ca. einen Meter vor mir stehen blieb. Auch wenn er mir leid tat… Ihn jetzt allein im Dunkeln zu treffen, trug nicht gerade zu meinem Wohlbefinden bei. Sonst war Edward immer bei mir gewesen. Er schien ein bisschen außer Atem und antwortete erst etwas später, während er mir ein Stück Papier entgegenhielt. „Das soll ich dir noch von Edward geben.“ Verwirrt runzelte ich die Stirn. Konnte ich ihm das glauben? Abwechselnd betrachtete ich den Umschlag und mein Gegenüber. „Du kannst ihn ruhig entgegen nehmen“, meinte er lächelnd, als er mein Zögern bemerkte. „Mit Claire hab ich nichts mehr am Hut und es sieht so aus, als wollte Edward mir noch eine Chance geben. Ich hab die Möglichkeit, das alles wieder gut zu machen, deshalb wäre ich dir dankbar, wenn du den Brief nimmst.“ „Okay…“ Langsam nahm ich ihm das Stück Papier ab. Falls das alles ein Scherz sein sollte, konnte ich es hinterher immer noch wegwerfen. „Danke“, entgegnete Tayk lächelnd. „Also, bis dann. Wir müssen noch ein Spiel gewinnen.“ Er drehte sich um und wollte bereits wieder loslaufen, als er noch einmal stoppte und sich zu mir drehte. „Ach… und Bella? Das, was damals passiert ist… Das tut mir wirklich leid. Ich weiß, dass das nicht richtig war. Und Edward scheint dich wirklich zu lieben.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, rannte er zurück - nicht, dass ich überhaupt eine hätte geben können. Mein Herz schlug schneller und mein Körper wollte sich partout nicht regen. Wie sollte ich das jetzt verstehen? Der ehrliche Ausdruck auf seinem Gesicht ließ mich nicht wirklich an ihm zweifeln. Er wirkte tatsächlich aufrichtig. Auch konnte ich mir gut vorstellen, dass Edward ihm wirklich noch eine Chance geben würde. Immerhin waren sie schon seit Jahren befreundet. Langsam taute ich wieder auf und setzte mich in Bewegung, bis ich die Tribüne erreicht hatte. Allerdings suchte ich nicht sofort die anderen auf. Ich wollte den Brief in Ruhe lesen. Mit Emmett und Alice an beiden Seiten wäre das definitiv schwierig geworden. Ich setzte mich auf eine der Bänke, die bei den Ständen aufgestellt worden waren und blickte auf den Umschlag. In fein säuberlicher Schrift stand dort Bella. Ein kleines Lächeln huschte über meine Lippen. Wenn ich ehrlich war, hatte ich noch nie auf Edwards Handschrift geachtet. Einerseits hätte ich nicht damit gerechnet, dass er eine so ordentliche besaß, andererseits passte es irgendwie zu ihm. Vorsichtig öffnete ich den Brief und holte ein beigefarbenes Stück Papier heraus. Als ich es aufklappte, erkannte ich auch dort diese gleichmäßig geschwungenen Buchstaben… Meine Bella, Bestimmt wunderst du dich über diesen Brief und vor allem darüber, dass Tayk ihn dir gebracht hat. Ich habe beschlossen, ihm noch eine Chance zu geben. Ich hoffe, du kannst mir deshalb verzeihen. Ich weiß, wie schrecklich das, was er gemacht hat, für dich gewesen sein muss. Wenn du damit nicht einverstanden sein solltest, werde ich es natürlich sein lassen, mich wieder mit ihm anzufreunden. Warum ich aber eigentlich diesen Brief schreibe. Ich wollte dich bitten, genau eine Stunde nach Spielende in unsere Umkleidekabine zu kommen. Bis dahin sollte Tayk unser Team dazu gebracht haben, sich zu beeilen, damit wir beide ungestört sein können. Eine kleine Überraschung wartet dort auf dich und ich hoffe, sie wird dir gefallen. In Liebe Edward P.S. Wegen Seth brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Ich habe ihn bereits angerufen und unser Treffen auf morgen verschoben. Abermals hämmerte es in meiner Brust ungewöhnlich stark. Von neuem huschten meine Augen über die geschriebenen Zeilen. Die Aufregung nahm mit jedem Wort zu. Sinngemäß war dieser Brief eine Art Einleitung zu unserem Date. Also würde es heute doch stattfinden. Gleich nach dem Spiel. Edward hatte anscheinend alles durchgeplant, auch die Sache mit Seth. Ich war tatsächlich erleichtert, dass er ihr Gespräch auf einen anderen Tag verlegt hatte. So würde dieser Abend doch noch ein wunderbares Ende finden. Ein drittes Mal las ich den Text. Ich konnte gar nicht genug davon bekommen. Die Vorfreude übermannte meine Sinne, ließ meinen Körper in Begeisterung schwelgen. Schnell steckte ich das Papier zurück in den Umschlag, als ich von weitem die Stimme des Moderatoren hörte. Die Pause war vorbei und in der Ferne konnte ich bereits die schwachen Silhouetten der Spieler ausmachen, die auf dem Weg zum Spielfeld waren. Als ich endlich auf meinem Platz angekommen war, wurde meine Hochstimmung jäh von Alice‘ trüber Miene unterbrochen. Mit Bedacht setzte ich mich neben sie und legte einen Arm um ihre Schultern. „Ich weiß, dass du jetzt viel lieber bei Jasper sein würdest.“ Traurig lächelte sie mich an. „Ja und Nein. Ich hab ihm versprochen, mir das Spiel anzusehen. Was mir aber eigentlich zu Denken gibt, ist die Tatsache, dass sich meine Vorahnung noch nicht bestätigt hat.“ „Sieh‘s mal so. Der Abend ist noch jung“, versuchte ich zu scherzen. Aber bei dem frustrierten Ausdruck in ihrem Gesicht verging mir das Lachen und ich musste zugeben, dass der Witz wirklich nicht sonderlich angebracht war. „Versteh mich nicht falsch, Bella. Eigentlich müsste ich mich freuen. Nur leider kann ich das Gefühl nicht abschütteln, dass garantiert noch etwas passieren wird.“ Als ich bemerkte, dass meine Mom uns einen kurzen Seitenblick zuwarf, antwortete ich Alice in einem etwas leiseren Tonfall. „Das wird es nicht. Emmett und Edward sind bei uns, und diesen Mr. Harper hab ich den ganzen Abend noch nicht gesehen. Womöglich ist er heute gar nicht anwesend.“ Alice seufzte. „Ich hab schon mal gesagt, dass es hier nicht um m-“ „Ja, ich weiß“, unterbrach ich sie schroff. Würde sie es noch einmal sagen, würde ich es am Ende eventuell sogar noch glauben. Aber ich wollte nicht glauben, dass heute noch etwas Schlimmes geschah. Dieser Abend konnte doch nicht bloß durch eine ungewisse Vorahnung ruiniert werden. Bestimmt täuschte sie sich. „Charlie hat mich vorhin übrigens angerufen.“ Renées plötzliche Aussage beendete den kleinen Disput zwischen Alice und mir. „Hat er gesagt, wann er kommt?“, wollte ich wissen. Immerhin hatte er schon die Hälfte verpasst. Meine Mom schüttelte den Kopf. „Leider gar nicht. Der Fall, in den sein Revier mit hineingezogen wurde, hat wohl gerade eine heiße Spur zu einer gesuchten Person entdeckt. Deshalb kann er da nicht weg.“ „Oh…“ Die Enttäuschung musste mir anzusehen sein, denn Renée lächelte aufmunternd. „Mach‘ dir deswegen keinen Kopf. Er wird bestimmt noch mehr Gelegenheiten haben, Edwards Baseballfähigkeiten bewundern zu können.“ „Ja, wahrscheinlich. Trotzdem ist es schade.“ Ich hätte Charlie wirklich sehr gerne heute hier gehabt. Nicht nur, um ihm ein besseres Bild von Edward zu geben. Aber das musste wohl auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Ein paar Minuten später begann die zweite Spielhälfte. Ich war überrascht, als ich bemerkte, dass Edwards Team von Anfang an ein ganz anderes Tempo vorlegte. Von den Unsicherheiten und den Distanzen in den ersten Innings war rein gar nichts mehr zu sehen. Vielmehr war jetzt sogar ein gewisser Teamgeist zu spüren. Die Lions schienen sich wirklich anzustrengen, das Ruder noch herumzureißen. Als ich Phil fragte, was er ihnen denn alles erzählt hatte, meinte er nur, dass er ein bisschen von Spielerehre und Stolz erwähnt hatte… und dass es in seiner Mannschaft ebenfalls jemanden gab, der in der gleichen Situation wie Tayk steckte. Würde ihr Team, egal in welcher Situation, nicht zusammenhalten, wäre es schon lange nicht mehr in der Major League. Das erklärte natürlich einiges. Ich freute mich wahnsinnig, dass der Besuch meines Stiefvaters so viel bewirken konnte. Unsere Mannschaft holte wirklich schnell den Vorsprung ein, den die Gegner sich in der ersten Halbzeit zugelegt hatten. Auch hatten es die Black Tigers dieses Mal schwer zu punkten. Unsere Defensive war genauso gut wie unsere Offensive. So war es also kein Wunder, dass die Lions im letzten Inning mit nur ein paar Punkten im Rückstand lagen. Eine verzwickte Situation, die sie meistern mussten, wenn sie den Tigers den Titel abnehmen wollten. Nur ein Homerun würde ihnen zum Sieg verhelfen. Die Anspannung befiel sowohl Publikum als auch Spieler. Ich konnte es spüren, mir ging es nicht besser. Ich gönnte ihnen und vor allem Edward die Trophäe und drückte beide Daumen. Allerdings fiel mir auf, dass mein Freund bereits mit Batten an der Reihe gewesen war und somit nicht die Chance hatte, den benötigten Homerun zu schlagen. Nein, derjenige, auf dessen Schultern das Schicksal der Mannschaft lag, war… Tayk. Ich betete inständig, dass es ihm gelingen würde. Wenn er dem Team zum Sieg verhalf, würden die alten Differenzen sicher vergessen sein. Mit gespreizten Beinen stellte er sich auf seinen Platz, während der Catcher des Gegners sich hinter ihn hockte. Einige Male schwang er den Schläger über seiner Schulter, fixierte mit den Augen den Pitcher. Ein Zeichen des Schiedsrichters signalisierte Letzterem zu beginnen. Mit der schon so oft gesehen Prozedur warf er den Ball und Tayk holte mit dem Schläger aus. Gleich darauf streckte der Schiedsrichter seinen Arm in die Höhe: Out. Er hatte nicht getroffen. Beinahe konnte man das Seufzen der Leute hören. Aber noch hatte er nicht verloren. Noch standen zwei Versuche aus. Die Nerven der Zuschauer waren zum Zerreißen gespannt, als der Pitcher den zweiten Ball warf. Und wieder verfehlte Tayk ihn. Es kam mir so vor, als würden einige langsam die Hoffnung aufgeben, die Lions könnten dieses Spiel noch herumreißen. Die Gegner und vor allem ihr Werfer wirkten auch zuversichtlicher als noch vor ein paar Minuten. Als wüssten sie, dass unser Kapitän den letzten Ball ebenfalls verfehlen würde. Als wüssten sie, dass sie gewinnen würden. Ich sendete Stoßgebete gen Himmel. Unser Team musste es einfach schaffen. In der Luft knisterte es regelrecht, als der Pitcher zum dritten Wurf ansetzte. Er warf den Ball in seiner Hand immer wieder in die Höhe. Er war ebenso nervös wie wir - für ihn stand ebenfalls eine Menge auf dem Spiel. Fest umschloss er das Leder mit seinen Fingern, legte die geballte Faust an seine Brust und hob das rechte Knie. Ein Ausfallschritt nach hinten, den Arm weit ausgeholt, ehe der Ball in einer Mordsgeschwindigkeit auf unseren Kapitän zuraste. Tayk schwang seinen Schläger und alle Anwesenden hielten die Luft an… Ein Laut, wie man in nur bei einem Gewitter hören konnte. Hartes Leder traf auf Metall. Das hohle Geräusch, das der kleine Ball auf dem Schläger erzeugte, erfüllte die Tribüne. Die Köpfe der Leute folgten synchron der Flugrichtung und als der Kommentator HOMERUN ins Mikro schrie, jubelte das gesamte Stadion. Keiner blieb mehr auf seinem Platz sitzen. Alle schossen in die Höhe, klatschten, schrieen, pfiffen… Auch wir verhielten uns nicht anders. Selbst Alice freute sich. Die East Coast Lions hatten gewonnen. Nach Jahren der Niederlage hatten sie endlich wieder einen Sieg gegen die Black Tigers errungen. Die Menge feierte und auch unsere Mannschaft rannte vor Freude auf dem Feld herum. Sie hoben ihren Kapitän hoch und warfen ihn immer wieder in die Luft. Wie ich es mir gedacht hatte… Ihre Scheu war vergessen. Jetzt zählte nur der Sieg. Musik ertönte, bei der die Mannschaft sich vom Publikum umjubeln ließ. Nach ein paar Minuten stellten sich alle in einer Reihe auf und unser Rektor trat wieder aufs Feld. Neben ihm jemand, der einen sehr großen, glänzenden Gegenstand mit sich trug. „Es war ein nervenaufreibendes Match. Nicht nur die beiden Teams haben Blut und Wasser geschwitzt, so spannend war es. Beiden Mannschaften gebührt Ehre und Respekt für dieses wunderbare Schauspiel. Aber nun, werte Gäste. Lassen Sie uns gemeinsam den East Coast Lions zu ihrem verdienten Triumph gratulieren“, sprach der Direktor stolz ins Mikro. Er schüttelte allen Mitgliedern die Hand und stellte sich dann vor Tayk, um ihm den Pokal zu überreichen. Dieser streckte ihn sogleich in die Höhe und drehte sich um seine eigene Achse, um der Masse die Auszeichnung zu präsentieren. Abermals ertönte heftiger Applaus. Meine Hände taten bereits weh, so sehr klatschte ich sie aufeinander. Die Mannschaft bedankte sich noch einmal bei dem Publikum, ehe sie, ebenso wie der Gegner, das Feld verließen. Kurz bevor sie verschwunden waren, konnte ich noch einen Blick auf Edward erhaschen. Seine Augen lagen ebenfalls auf mir und ein sehnsüchtiger Ausdruck lag in ihnen. Am liebsten wäre ich sofort zu ihm hinunter gerannt. Aber das konnte ich nicht. In einer Stunde würde ich ihn ohnehin wieder sehen. Mal ganz davon abgesehen, dass beim ‘Rennen‘ immer die Möglichkeit bestand, sich der Länge nach hinzupacken. Darin war ich nämlich unschlagbar. Je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde die Erkenntnis, dass mir bei Edward bisher nichts wirklich Schlimmes passiert war. Wir waren jetzt bereits eine Woche fest zusammen und verbrachten fast jeden Tag miteinander. Doch nie geschah etwas außergewöhnlich Peinliches. Im Gegensatz zu meinen früheren Dates lief diese Beziehung fabelhaft. Die ein oder andere Stolperattacke war zwar vorgekommen, aber niemals hatte ich etwas wirklich Gravierendes verursacht. Nichts, das Edward sich von mir abwenden lassen könnte. Zugegeben lag es damals teilweise an Claire, weil sie meine Verabredungen manipuliert hatte, aber das war jetzt Geschichte. Sie konnte mir nicht mehr dazwischen funken. Und schon gar nicht konnte sie Edward dazu bringen, sich von mir zu trennen. Erleichtert atmete ich auf. Von nun an würde alles bergauf gehen. Heute war unser erstes, offizielles Date und es würden keine Probleme auftauchen. Da war ich mir absolut sicher. „Bella, nicht träumen!“ Erschrocken hob ich meinen Kopf. Alice lächelte mich an. Sie stand bereits etwas weiter weg von mir. Als ich mich umsah, bemerkte ich verlegen, dass viele der Zuschauer schon die Tribüne verlassen hatten. Schnell holte ich zu ihr auf und gemeinsam verließen wir unsere Sitzplätze. Bei den Ständen vor dem Spielfeld angekommen, bahnten wir uns einen Weg zu den anderen. Die meisten Leute standen in kleinen Grüppchen zusammen und unterhielten sich angeregt. Nach ein paar hektischen Augenblicken der Suche entdeckten wir Emmett, Rose, Roxy, meine Mom und Phil an einem runden Stehtisch. Em hielt das kleine Mädchen in seinen Armen. Sie war richtig aufgekratzt und rief zwischen ihrem Lachen immer wieder „Onkel Eddy hat gewonnen!“ Ich konnte mir das Grinsen nicht verkneifen und die anderen fanden es ebenfalls amüsant. Emmett stimmte dem Wirbelwind zu, während ab und zu liebevolle Blicke zu Rosalie wanderten. Alice betrachtete die drei mit einem schwachen Lächeln. In Gedanken musste sie wohl wieder bei Jasper sein. „Willst du Edward nicht schon entgegenlaufen?“, fragte Renée mich auf einmal. „Nein, noch nicht. Wir haben eine kleine Abmachung. Ich gehe erst in einer Stunde zu ihm.“ Sie, Em und Alice musterten mich irritiert. „Was für eine Abmachung?“ „Das bleibt ein Geheimnis“, grinste ich und legte meinen Zeigefinger auf meine Lippen. Keiner von ihnen fragte nach, meine Mutter schenkte mir nur ein vielsagendes Lächeln und auch Emmett hatte einen ähnlichen Ausdruck auf dem Gesicht. Die nächste Stunde hörte ich also hauptsächlich dem Gespräch von Phil und dem braunlockigen Bären zu, das überwiegend von dem Baseballspiel handelte. Mein Stiefvater stellte fest, dass einige der Spieler richtiges Potenzial hätten, um Profi zu werden. Auch Edward wurde dabei erwähnt. Davon würde ich ihm später ganz sicher erzählen. Erst als meine Mom mich mit einem Augenzwinkern darauf aufmerksam machte, registrierte ich, dass die Stunde schon fast vorbei war. „Und du lässt keinen aus den Augen?“, wandte ich mich noch sicherheitshalber an Emmett. Er nickte verstehend. Meinen Wink hatte er sofort erkannt. „Solange du selbst nicht verloren gehst…“ „Keine Sorge… Also, bis später“, verabschiedete ich mich und ging Richtung Umkleiden. Ich hatte ihnen zwischendurch mal angeboten, nach Hause zu fahren, wenn sie nicht so lange auf uns warten wollten, aber meine Mutter meinte, dass sie sich wenigstens noch von Edward verabschieden wollte. Immerhin würde sie ihn für eine lange Zeit nicht wieder sehen. Bei all der Begeisterung, die sie für meinen Freund aufbrachte, konnte ich nur lachend den Kopf schütteln. Während ich auf dem Weg zu den Umkleiden war, bekam ich ein leicht mulmiges Gefühl. Der Wind hatte aufgefrischt und allein im Dunkeln hier lang zu gehen, bereitete einem schon gewisse schaurige Momente. Vor allem dann, wenn man irgendwo ein unbekanntes Geräusch vernahm. Ich schreckte jedes Mal zusammen, wenn es irgendwo knackte, oder die Eule ihren nächtlichen Schrei von sich geben musste. Als ich mein Ziel endlich erreicht hatte, atmete ich beruhigt aus. Sobald ich mich im Innern befand, brauchte ich keine Angst mehr zu haben. So schreckhaft wie ich war, hätte ich vielleicht Phil darum bitten sollen, mich bis hierher zu begleiten. Im selben Augenblick fand ich diese Idee aber völlig absurd. Letztendlich hatte ich es ja geschafft. Da Edward mir selbst gesagt hatte, er würde mein Klopfen nicht nicht hören, öffnete ich einfach die schwere Tür und trat ein. Im ersten Moment war ich etwas verwundert, hatte ich doch damit gerechnet, einen erhellten Raum vorzufinden. Allerdings war das nicht der Fall. Die recht dürftige Beleuchtung bestand ausschließlich aus dicken Kerzenstumpen, die auf dem Boden verteilt waren. Ihr Licht flackerte und die Schatten der Flammen tanzten auf den Wänden. Völlig verblüfft von diesem Anblick blieb ich im ersten Moment reglos stehen. Ich konnte mich gar nicht satt sehen. Ich fühlte mich in dieser romantischen Atmosphäre auf der Stelle geborgen. Mit Bedacht setzte ich einen Fuß vor den anderen, folgte den Kerzen weiter in den Raum hinein. Ich passierte eine Spintreihe nach der anderen, immer darauf achtend, die Stimmung nicht durch irgendein lautes Geräusch zu verderben. Bei den Lichtverhältnissen war es nämlich durchaus möglich zu stolpern. Nicht weit entfernt von mir ließ mich ein Kichern aufhorchen. Kurz hielt ich inne, ging aber gleich darauf weiter. Und als ich endlich um die Ecke des letzten Spints schauen konnte, setzte mein Herzschlag aus… Dort stand Edward. Einzig ein weißes Badetuch war um seine Hüften gewickelt. Seine Haut war immer noch feucht vom Duschwasser, welches an einigen Stellen auf den Boden perlte. Ebenso von seinen Haaren, dessen bronzene Farbe nun im Kerzenschein schimmerte. Das Schlimmste an diesem Bild war die Person, die vor ihm stand und der er scheinbar mit Freude seine Lippen aufdrückte; den Kuss regelrecht genoss. Claire… In einer einzigen Sekunde war meine Welt wie ein Glashaus in sich zusammengestürzt. Wie konnte er mir das antun? Nicht nur, dass er überhaupt jemand anderes küsste, aber warum ausgerechnet sie?! Mir stockte der Atem, meine Brust zog sich schmerzvoll zusammen. Mein Herz wollte einfach nicht wieder anfangen zu schlagen. Zu grauenhaft war dieser Anblick, zu verletzend diese Entdeckung. Meine Sicht verschwamm, als ich die Tränen, die sich in Windeseile angestaut hatten, nicht länger zurückhalten konnte. Ungehemmt rannen sie wie Bäche über meine erhitzten Wangen und ließen den Schmerz frei, den ich zu unterdrücken versucht hatte. Ich taumelte benommen nach hinten. Über uns auf dem Dach setzte plötzlich ein schnelles, gleichmäßiges Trommeln ein. Es musste angefangen haben zu regnen - als teilte der Himmel meine Trauer. Das Geräusch ließ die beiden aufschrecken. Edward sah zu mir, dann zu Claire und dann wieder zu mir. Seine Augen weiteten sich vor Bestürzung. „Bella…“, fing er an und kam ein paar Schritte auf mich zu. Doch ich wich zurück. „Lass mich“, krächzte ich schluchzend und hielt ihm abwehrend meine Hand entgegen, während sich die andere fest um den Anhänger schloss. „Das ist ein Missverständnis. Ich-“ „Hör auf, mir irgendetwas erklären zu wollen“, fuhr ich ihm barsch dazwischen. „Ich will nichts hören.“ „Aber-“, setzte er erneut an. „Nein, verdammt noch mal!“ Ich schrie beinahe, der Zorn und die Trauer beherrschten meine Stimme fast vollständig. Mit Gewalt zog ich an meiner Kette. Ich wollte dieses Ding nicht mehr an meinem Hals spüren. „Bella, nicht…“ Ich ignorierte sein Flehen und konzentrierte mich allein darauf, dieses blöde Geschenk endlich loszuwerden, aber es schien fast, als wollte es sich nicht von mir lösen. Meine Hände zitterten elendig stark und mein Kopf drohte zu zerplatzen. Mit aller Gewalt zog ich an dem Anhänger, ich spürte, wie das Metall der Kette in meine Haut schnitt - wie ein glühendes Eisen, ehe der Verschluss endlich riss und ich Edward dieses verfluchte Schmuckstück gegen die Brust schleudern konnte. Mit einem leisen Kling fiel es zu Boden. „Tritt mir nie wieder unter die Augen, Edward Cullen“, flüsterte ich mit dem letzten bisschen Sauerstoff, der mir noch innewohnte und rannte hinaus in den Regen; rannte, ohne überhaupt zu wissen, wohin mich meine Füße trugen. Das war alles, was ich noch tun konnte. Für mehr war mein Körper nicht mehr im Stande. Ich wollte einfach weg von hier, weg von diesem Ort und vor allem weit weg von ihm… (Melody Gardot - Our Love Is Easy http://www.youtube.com/watch?v=lLSjZHshqj0 ) Der Regen hatte mich in Sekunden vollkommen durchnässt, aber ich kümmerte mich nicht darum. Immer wieder tauchte das Bild von ihm und Claire vor meinem inneren Auge auf. Ich hätte es wissen müssen. Nie hätte ich mich auf ihn einlassen sollen. Er wollte überhaupt nichts von mir. Er war die ganze Zeit über hinter ihr her gewesen. Natürlich! Wie konnte ich auch denken, er würde sich ernsthaft für die kleine Isabella Swan interessieren, wenn er doch eine Claire Stanfield haben konnte. Die ganze Zeit hatte er nur mit mir gespielt. So wie alle anderen. Ja… So wie alle anderen auch. Mit dem einzigen Unterschied, dass ich mich dieses Mal bedingungslos verliebt hatte. Immer wenn er mich in den Arm nahm… Oder wenn er mir einen Kuss auf die Stirn hauchte… Wenn seine Finger sanft meine Haut streichelten… Wie er mich immer angesehen hatte… Das Gefühl der Geborgenheit wollte einfach nicht aus meinem Kopf verschwinden. Es zerriss mir das Herz, so sehr schmerzte die Erinnerung an all die wundervollen Momente. Krampfhaft klammerten sich meine Finger in mein Oberteil, in die Stelle, unter der sich mein Herz befand… Dort, wo die Wunde am größten war und unbarmherzig wuchs. Obwohl ich ja eigentlich seine wahren Absichten gekannt hatte, war ich dieses Mal völlig blind in mein Verderben gelaufen. War ich doch am Ende davon ausgegangen, er würde so empfinden wie ich. Ich hätte auf Alice hören sollen. Ihre Vorahnung war richtig gewesen, ich wollte es nur nicht wahr haben. Ich wollte nicht, dass dieser Traum wie eine Seifenblase zerplatzte. Und nun hatte er sich in einen Albtraum verwandelt. Ich stand wieder am Anfang. Nichts hatte sich geändert. Tief im Innern wusste ich doch eigentlich, wie es enden würde. Schließlich lief es immer so ab. Ich lernte jemanden kennen und fing an, ihn zu mögen. Mehr als drei Verabredungen hielt er nicht aus, weil ich ihn durch meine Ungeschicklichkeit vergraulte. Und schlussendlich hatte Claire ihn. Jetzt war es das gleiche Schema, nur mit einer kleinen Änderung. Es war nämlich gar nicht erst zu einem richtigen Date gekommen. Ich hatte mich geirrt, als ich dachte, ich wäre dieses Mal nicht vom Pech verfolgt. Claire selbst war meine personifizierte Ungeschicklichkeit… Ein erneuter Schwall Tränen vermischte sich mit den Regentropfen. Ich konnte das Schluchzen einfach nicht aufhalten. Völlig erschöpft ließ ich mich nach vorn fallen und stieß mit meinen Knien hart in eine der Pfützen, die sich am Straßenrand gebildet hatten. Ich spürte, wie sich kleine Kieselsteine in meine Haut bohrten. Mein Oberkörper sackte in sich zusammen, meine Finger krallten sich in die Bordsteinkante, als wollten sie mit den aufschürfenden Fingerkuppen versuchen, von dem Kummer abzulenken, der mich innerlich zerfraß. Ich schrie, wollte die Pein dadurch lindern. Vergeblich. Es wurde nicht weniger, es wurde mehr. Die Stiche in meiner Brust, die Krämpfe in meinem Bauch… Mein ganzer Körper litt Höllenqualen. Ich wollte es stoppen, irgendwie. Ich brauchte nur einen kleinen Strohhalm, an den ich mich klammern konnte. Irgendeinen… Missverständnis. Ja, das hatte er gesagt. Aber das konnte ich ihm nicht glauben. Nicht nach dieser Szene, die sich mir geboten hatte. Und was, wenn doch? Wenn es wirklich nur ein Missverständnis war? Ich konnte mir nicht vorstellen, ihn derart falsch eingeschätzt zu haben. All die innigen Augenblicke, all die Emotionen… Das konnte keine Lüge gewesen sein. Dazu war sein Verhalten viel zu aufrichtig. Erst vor kurzem war mir schließlich bewusst geworden, dass er mich liebte… Allein bei dem Gedanken blühte wieder ein Fünkchen Hoffnung in mir auf. Ich wollte so sehr daran glauben. Wenn er mich also wahrhaftig liebte, würde er auf der Stelle hinter mir herrennen, um diese Sache zu klären, nicht wahr? Ja, das würde er. Das Ziehen in meiner Brust wurde weniger, auch das Weinen hörte allmählich auf. Nur noch vereinzelt entwich mir ein Schluchzen. Unbeholfen setzte ich mich auf den kalten, nassen Bordstein, während der Regen erbarmungslos auf mich niederprasselte. Ich zog meine Knie an, um der Kälte ein bisschen Einhalt zu gebieten, wirklich helfen tat es aber nicht. Ich hatte keine Ahnung, wo ich mich befand, im Dunkeln konnte ich nichts richtig ausmachen. Allerdings war das jetzt mein geringstes Problem. Viel wichtiger war es jetzt, hier sitzen zu bleiben, damit Edward mich fand. Ich musste ihm ein bisschen Zeit gewähren. Er konnte schlecht in dem Badetuch nach draußen laufen… Mit jeder Minute, die verging, schrumpfte meine Hoffnung, während der Schmerz drohte, mich abermals zu überrollen. Vielleicht wollte er ja noch einen Regenschirm besorgen und fand nicht sofort einen… Je länger ich wartete, desto lächerlicher kamen mir meine Ausreden für sein Fernbleiben vor. Jegliches Zeitgefühl war verschwunden. Wie lange saß ich jetzt schon hier? Der Strohhalm, den ich mir gesucht hatte, war eine Attrappe gewesen. Sobald man sie berührte, fiel sie zusammen. Ich hätte gar nicht erst danach greifen dürfen und nun fiel ich zurück in das Loch. Mein Kopf sackte nach vorne, meine Arme hingen schlaff an meinen Seiten, meine Hände lagen in der eiskalten Pfütze. Und mein Schluchzen erfüllte die menschenleere Straße. Ich hatte ihn tatsächlich falsch eingeschätzt. Ich hatte seine Lügen geglaubt. Ich hatte mir von Anfang an etwas vorgemacht. Er würde nicht kommen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)