For The Ones Who Search For Love von absinthe (Bella und Edward helfen sich gegenseitig in Sachen Beziehungen, doch dann stellt sich heraus, das vieles mehr Schein als Sein ist und dass diese Entdeckung beide in eine unerwartete Richtung wirft.) ================================================================================ Kapitel 27: J wie Jasper - J wie Jason - J wie Joseph - J wie … --------------------------------------------------------------- Hehe... Schneller als gedacht, was? ;) Noch zwei kleine Dinge: 1. Vielen, vielen lieben Dank für die Nominierung dieser FF beim Fanfiction-Emmy. Ich hab mich wirklich gefreut...*-* 2. Nochmal ein ganz großes Dankeschön an eure tollen Reviews und für über 14o Favos zu dieser Story! Okay, das wollte ich nur loswerden. Jetzt wünsch ich euch viel Spass. Donna Summer - Sand On My Feet http://www.youtube.com/watch?v=yeL2tb4J6KM ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Die letzten Schatten meines Traums verblassten vor meinen geschlossenen Augenlidern. Mit jeder Sekunde, die ich wacher wurde, vergaß ich ein Stück davon. Eigentlich wollte ich gar nicht aufwachen. Mich wunderte jedoch, dass einige Dinge aus meinem Traum bestehen blieben. Vor allem gewisse Empfindungen. So zum Beispiel fühlte ich mich immer noch geborgen und sicher, dazu kam, dass mein Körper angenehm warm eingebettet war. Nur eines passte nicht in das Bild, in dem ich mich gerade befand. Die beiden Stimmen, die sich im Flüsterton unterhielten. „Sind sie angezogen?“ fragte eine hohe, weibliche besorgt. „Erwartest du jetzt etwa, dass ich nachsehe?“ Definitiv eine männliche. Und sie kam mir bekannt vor. „Selbst wenn… was macht das schon?“ „Carlisle, er ist erst siebzehn!“ antwortete die Frau schockiert. „Er ist ein Mann.“ „Sie ist erst siebzehn!“ Die männliche Stimme schmunzelte. „Schatz, die Zeiten haben sich geändert…“ „Und das auf dem Bad-“ „Hat nichts zu bedeuten“, unterbrach er sie mit festem Ton. Die Frau schien nicht überzeugt. „Trotzdem sind sie noch Kinder.“ „Die weitaus erwachsener sind, als so manch anderer. Und im Fall der Fälle würden sie bestimmt genug Verantwortung zeigen. Da bin ich mir sicher“, entgegnete er in einem Ton, der das Thema beendete. Die Frau seufzte resigniert. „Warum musste unser Flug auch storniert werden…“ Der Mann lachte leise. „Komm, lass sie schlafen.“ Kaum wahrnehmbare Schritte waren zu hören, wie sie sich entfernten und bald darauf war alles wieder still. Allerdings nur für ein paar Sekunden. Direkt hinter mir fing plötzlich jemand an, in sich hineinzulachen. Ein kleiner Schauer lief mir über den Rücken, weil er so dicht war, dass sein Atem meinen Nacken streifte. So langsam kehrte auch die Erinnerung zurück und mir fiel wieder ein, wo ich mich befand. Oder besser gesagt, wo ich mich eigentlich befinden sollte. Nämlich direkt vor der Wohnzimmercouch in Edwards Haus - auf dem Boden. Doch stattdessen lag ich auf etwas weichem, während mich auch etwas weiches bedeckte. Noch dazu war ein Arm um meinen Bauch geschlungen. Langsam betastete ich ihn vom Ellenbogen an, bis meine Finger die seinen erreicht hatten. Als Reaktion auf meine Berührung wurde meine Hand ergriffen und gestreichelt, der Arm selbst zog mich noch etwas enger an seinen Besitzer. Ich drehte meinen Körper halb nach hinten, konnte aber nicht wirklich etwas erkennen. Nur dass ich auf dem Sofa lag, bemerkte ich. „Guten Morgen“, flüsterte mir eine vertraute Stimme leise und ein bisschen verschlafen ins Ohr. Edward… „Morgen…“, antwortete ich aus reinem Reflex, viel mehr beschäftigte mich das Gespräch, das ich eben mit anhören durfte. Da ich noch gar nicht richtig wach war, musste ich selbst erstmal nachsehen, ob ich meine Sachen tatsächlich noch anhatte. Vorsichtig hob ich die Decke, mit der wir scheinbar zugedeckt wurden, hoch und atmete anschließend erleichtert aus. Ja, ich hatte meine Klamotten noch an. Aber wie war ich auf die Couch gekommen? Eingeschlafen war ich definitiv auf dem Boden. Und was war mit Roxy? Zwischen uns lag sie nicht. Das hätte ich gespürt. „Beschäftigt dich irgendwas?“ murmelte Edward, kuschelte sich noch ein bisschen dichter an mich und machte den Eindruck, als wolle er gleich wieder einnicken. „Na ja… Ich wundere mich nur… Hast du mich aufs Sofa geholt?“ „Nein. Ich dachte, du hättest dich von allein neben mich gelegt.“ Wirklich interessieren tat ihn das Thema nicht, so wie er sich anhörte. Schlummern schien ihm wichtiger. Zugegeben, eigentlich war es auch egal. Die Situation war viel zu schön, als dass ich die Stimmung jetzt mit meiner Neugier verderben musste. Viel angenehmer war es, sie noch ein bisschen auszukosten und zu genießen. Ich wachte schließlich nicht alle Tage neben meinem Freund auf. Ich grinste in mich hinein und schloss meine Augen wieder, während ich meinen Kopf ein klein wenig in seine Richtung drehte, bis meine Wange seine Nasenspitze berührte. Er strich mit ihr ein paar Mal über meine Haut und seufzte. Meine Atmung glich sich seiner ruhigen an und langsam fiel ich zurück in einen Dämmerschlaf. Der allerdings nicht länger als ein paar Minuten dauerte, denn genau in diesem Moment wurde uns die Decke vom Leib gerissen. Automatisch stieß ich einen spitzen Schrei aus, zog die Beine an und murrte dann vor mich hin. „Aufstehen, ihr Turteltauben. Der frühe Vogel fängt schließlich den Wurm“, plärrte eine brummige Stimme und drohte, mein Trommelfell zu zerplatzen. Edward hinter mir vergrub sein Gesicht zwischen meinen Schulterblättern und grummelte. „Emmett, ich bring dich um.“ „Ach was, vergiss nicht, dass du heute Baseballtraining hast“, lachte sein Bruder neckisch. „Erst am Nachmittag. Und jetzt gib uns die Decke wieder, sonst werd‘ ich wirklich sauer.“ „Keine Chance, Eddy.“ Plötzlich richtete Edward seinen Kopf auf und sah Emmett finster an. „Ich warne dich.“ Emmetts Augen wurden schmal und er gluckste triumphierend. „Das schüchtert mich nicht ein. Ich war dir schon immer überlegen, erinnerst du dich?“ „Ich glaube, du verdrehst da ein paar Tatsachen.“ Edward war mittlerweile schon halb auf den Beinen. Es fehlte nicht mehr viel und er wäre von der Couch gesprungen. Ich beobachtete das Szenario mit Adleraugen. Die beiden in so einer… doch recht kindischen Unterhaltung zu erleben, war ungewohnt. Aber dennoch lustig. Ich musste kichern. Edward sah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue und einem schiefen Lächeln an. „Und was findest du so amüsant?“ „Nichts“, gab ich mit meinem unschuldigsten Lächeln zurück. „Na warte…“ Edward hatte sich innerhalb von Sekunden auf meine Beine gesetzt und fing jetzt an, mich zu kitzeln. „Ah, hör auf!“ brachte ich immer wieder durch mein Lachen hervor, doch keine Besserung lag in Sicht. Ich krümmte mich, um seinen Griffen zu entgehen, aber nichts half. „Außerdem solltest du mir dankbar sein“, meldete sich Emmett wieder zu Wort und lächelte selbstsicher. „Muss ich das verstehen?“ Edward stoppte und sah ihn stirnrunzelnd an, während ich mich langsam wieder beruhigte. „Ed, man lässt seine Freundin nicht einfach auf dem Boden schlafen. Unsere kleine Bella hier wäre womöglich noch erfroren, wenn ich sie nicht zu dir gelegt hätte…“ Der große Bruder bedachte den kleinen mit einem vorwurfsvollen Blick. Meine Augen weiteten sich bei seinen Worten und rasch sah ich nach unten, um meinen roten Kopf zu verbergen. Emmett musste uns so vorgefunden haben, als er von seinem Date zurück war und hatte Roxy anscheinend dabei ins Bett gebracht. Edward erwiderte nichts… und wie es aussah, konnte er das auch nicht. Emmett schüttelte theatralisch den Kopf und machte Anstalten, das Wohnzimmer zu verlassen. Kurz vor der Tür drehte er sich noch einmal um und grinste. „Beeilt euch mit dem Anziehen. Esme bereitet schon das Frühstück vor.“ Ich zog die Stirn kraus und sah zu Edward. Der verdrehte nur die Augen und ließ sich mit einem Stöhnen langsam zurück auf die Couch und halb auf mich fallen. Dieser Morgen war seltsam. Ich fühlte mich seltsam. Nach gestern Abend und meiner mehr oder weniger eigenhändigen Erkenntnis fühlte ich mich leichter, ausgeglichen und irgendwie beflügelt… als wäre eine Last von mir gefallen. Ich konnte meine… Beziehung - wie sich das anhörte - mit Edward in vollen Zügen genießen. Es tat einfach gut. Es machte mich glücklich. „Bella?“ murmelte Edward nach einer Weile im Halbschlaf. „Hm…?“ „Hättest du Lust, morgen nach dem Spiel mit mir auszugehen? So eine Art erstes Date…“ Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte, so leise hatte er es in seinem Halbschlaf genuschelt. Doch mein Herz pochte sofort schneller. „Erstes? Aber das gestern Abend-“ „War kein richtiges“, beendete er meinen Satz. „Sondern nur Babysitten…“ Mein Magen schien Purzelbäume zu schlagen, so aufgeregt war ich auf einmal. „Okay…“, flüsterte ich langsam. „Schön…“ Nachdem er dieses eine Wort mit einem Lächeln gemurmelt hatte, fiel er ganz offensichtlich zurück in seinen Schlummerzustand. Ob er später wohl noch wissen würde, was er mich gerade gefragt hatte? Ich hoffte es, sonst würde es ziemlich peinlich werden, ihn darauf anzusprechen. Ich schloss meine Augen, um das Gefühl, das sich gerade in mir ausbreitete, noch ein bisschen zu verinnerlichen und mir schon vorzustellen, wie der morgige Abend aussehen könnte. Die Minuten vergingen, in denen ich selbst halb einschlief. Bis mir wieder einfiel, dass ja jemand auf uns wartete. Ich seufzte leise. „Na komm, Emmett hat Recht“, wisperte ich und drehte mich zu Edward. Er lag auf dem Bauch und hatte sein Gesicht in meine Richtung gewandt. Die Augen waren geschlossen. Ein spitzbübisches Grinsen stahl sich auf meine Lippen. Ich säuselte ihm ein „Sonst mach ich da weiter, wo ich gestern aufgehört hab“ ins Ohr und fuhr mit meinen Fingern den Saum seiner Boxershorts entlang. Abrupt hob er seinen Kopf, doch den erhofften schockierten Ausdruck erkannte ich nicht darin. Stattdessen stützte er seine Arme zu meinen beiden Seiten ab und lächelte verschlagen. „Denk nicht, dass mich das nicht reizen würde, oder dass du meine Geduld überstrapazieren kannst. Die meisten Männer sagen da nicht zweimal Nein.“ Mein Herz schlug höher, aber meine Augen verengten sich. So einfach würde ich ihm den Sieg dieses Mal nicht überlassen. „Wie gut, dass ich nicht mit den meisten Männern zusammen bin“, grinste ich selbstsicher. Er schmunzelte ergeben und senkte sich zu mir hinunter, um mir einen zarten Kuss auf die Lippen zu drücken. „Das war das erste Frühstück… Und das zweite holen wir jetzt nach.“ Damit stieg er vom Sofa und hob mich gleich danach auf seine Arme. Etwas überwältigt von dieser Tat schlang ich ruckartig meine Hände um seinen Nacken, um einen gewissen Halt zu bekommen. Dabei musste ich kichern und das schlimme war, es wollte einfach nicht aufhören. Ich fühlte mich einfach pudelwohl. Sogar Edward fing leise an zu lachen. Im Flur stellte er mich dann auf meine Füße, damit ich mir meine Sachen holen und mich im Bad fertig konnte. Da stand ich nun, betrachtete mich im Spiegel und konnte das Grinsen nicht abstellen… Verdammt! Bis ich allerdings etwas Gravierendes entdeckte… und die Panik in meine Züge kroch. Ich lehnte mich dichter an den Spiegel und legte zwei Fingerspitzen auf eine Stelle an meinem Hals, um sie etwas glatter zu ziehen. Genau dort befand sich ein Fleck, dessen Farbe so gar nicht zum Rest meines Teints passen wollte. Nein, er war sehr viel dunkler und leuchtete in einem kräftigen Rosé. Vorsichtig strich ich über die Stelle. Ich war wie erstarrt… und zwiegespalten. Einerseits gefiel es mir irgendwie, meinen ersten Knutschfleck zu haben, andererseits fand ich es peinlich, ihn so in der Öffentlichkeit zu zeigen… Verzweifelt suchte ich nach einer Lösung für das Problem. Ob sich hier irgendwo Make-up befand? Edwards Mutter musste doch bestimmt etwas zum Abdecken aufbewahren, oder? Entgegen meinen Erwartungen wurde ich aber nicht fündig, bis mir allerdings eine Idee kam. Hatte ich nicht einen dünnen Sommerschal eingepackt? Wie gut, dass ich meine Tasche dieses Mal mit ins Bad genommen hatte. Hektisch durchsuchte ich jedes Fach darin und hatte am Ende tatsächlich gefunden, was ich suchte. Erleichtert atmete ich aus. Als ich dann endlich soweit fertig war - und sichergestellt hatte, dass man dieses Ding nicht mehr sehen konnte -, packte ich auch noch die Kleider, die ich gestern zum Trocknen hier aufgehängt hatte, zurück in die Tasche. Ich wusste nicht, ob Edward selbst schon soweit war, deshalb ging ich einfach in die Küche. Entweder würde er dort sein, oder aber nachkommen. Zu meiner Überraschung fand ich aber keinen einzigen Menschen dort. Hatte Emmett nicht behauptet, seine Mom würde das Frühstück vorbereiten? Gerade als ich die Küche wieder verlassen wollte, kam jemand aus einer Tür rechts von mir. „Ah, Bella. Lange nicht gesehen, was? Du suchst bestimmt die anderen“, meinte Dr. Cullen mit einem warmen Lächeln. Das letzte Mal, als ich ihn getroffen hatte, musste er sich eine Lüge für Edward und mich ausdenken, weil wir unabsichtlich im Baseballstadion eingeschlossen und erwischt wurden. Das letzte Mal, als ich ihn gehört hatte, war vorhin gewesen… Das Gespräch mit seiner Frau. Wenn ich daran dachte, fingen meine Wangen an zu glühen. Ich nickte schnell, als ich sah, dass er auf eine Antwort wartete. „Hallo, Dr. Cullen. Ja, das stimmt.“ „Hier ist es etwas zu eng für so viele Personen“, erklärte er und deutete auf den Eingang, aus dem er gerade gekommen war. „Wir frühstücken im Esszimmer. Geh einfach schon mal vor.“ Ich bedankte mich noch bei ihm und tat dann, wie mir geheißen. Der Raum musste gleich ans Wohnzimmer grenzen, denn die Rückseite bildete hier ebenfalls eine Glasfront. Das Wetter hatte sich wieder gebessert, die Sonne schien in ihrer morgendlichen Intensität durch die Fenster. Genau davor war ein langer, ovaler Tisch aufgestellt, der nun reichlich bestückt war mit diversen Leckereien: Brötchen, Pancakes, Croissants, Marmelade, Sirup, Erdnussbutter, Milch, Orangensaft, Aufschnitt, Käse, Streichschokolade, Honig, Müsli, Obst und und und… In der Mitte stand ein bunter Blumenstrauß. Am Tisch selbst saß noch niemand, dafür wuselten aber zwei Personen um ihn herum. Das eine war Emmett und das andere musste… Edwards Mom sein. Ich hatte sie bisher noch nie gesehen. Sie war ungefähr genauso groß wie ich, die langen, schokobraunen Haare fielen ihr in großen Wellen sanft auf die Schultern. Ihr Gang war der einer… Dame. Und doch hatte sie etwas mütterliches an sich. „Bella, da bist du ja!“ Emmett grinste mich freudestrahlend an - aus irgendeinem Grund hatte er schon den ganzen Morgen überschwängliche Laune -, was sofort die Aufmerksamkeit seiner Mutter auf mich lenkte. Ein warmherziges Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie einen Stapel Teller abstellte und mit offenen Armen auf mich zukam, um mich ebenfalls herzlich zu empfangen. Und noch einmal kam mir das belauschte Gespräch mit ihrem Mann in den Sinn. Abermals wurden meine Wangen rot. Sie hingegen ließ sich nichts anmerken. „Hallo, Bella. Schön, dass ich dich auch endlich einmal kennen lerne. Edward hat schon soviel von dir erzählt.“ „Was hat er denn so erzählt?“ wollte ich wissen, bekam aber keine richtige Antwort. Edward selbst packte mich in diesem Moment von hinten bei den Schultern und flüsterte „Nur das Beste“ in mein Ohr, ehe er seine Lippen flüchtig auf meine Wange legte. Kurz darauf tauchte auch sein Vater wieder auf. Ich war etwas nervös, jetzt vor Edwards gesamter Familie zu stehen. Gut, zwei von ihnen hatte ich schon vorher einzeln getroffen, sie jetzt aber alle auf einem Fleck zu wissen, war merkwürdig. Die Vorstellung, mich auf irgendeine Weise zu blamieren und einen schlechten Eindruck bei ihnen zu hinterlassen, war furchtbar. Edward bugsierte mich Richtung Tisch und setzte sich neben mich, wobei er meinen Stuhl so dicht wie möglich an seinen zog. Ich schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln, das er gleich darauf erwiderte. Emmett und seine Mom saßen uns gegenüber, Dr. Cullen hatte am Kopfende Platz genommen. Wie mir erzählt wurde, war Roxy bereits in der Schule. Im Gegensatz zu unserer High School hatte ihre heute nämlich nicht geschlossen. Während Mr. und Mrs. Cullen sich angeregt unterhielten, hatte Edward sich ganz und gar mir gewidmet. Er ließ es sich auch nicht nehmen, mir ein Marmeladentoast zuzubereiten. Ich musste kichern, als er sich zu mir beugte und es mir vor die Nase hielt, bis ich endlich eine Ecke abbiss. Von unserer Umgebung nahmen wir relativ wenig wahr, dann allerdings schreckte uns ein Piepen hoch. Neugierig schauten wir in die Richtung, aus der es kam. Dr. Cullen holte, wie es aussah, einen Pager aus seiner Tasche und las die kleine Notiz auf dem Digitalfeld. Er seufzte. „Tut mir Leid, aber wie es scheint, brauchen sie mich im Krankenhaus.“ Mit diesen Worten stand er auf, gab seiner Frau einen schnellen Kuss und verabschiedete sich von uns. Bevor er das Esszimmer verließ, bedachte er mich noch einmal mit einem freundlichen Nicken. „Bella? Ich hoffe, wir sehen uns bald mal wieder.“ „Ich auch.“ Mrs. Cullen schüttelte mit einem traurigen Lächeln den Kopf. „Nicht mal in Ruhe frühstücken lassen sie ihn.“ Es klang weniger bitter, als ich es erwartet hatte. Als würde sie die Störung tolerieren. Andererseits wusste sie ja eigentlich von Anfang an, worauf sie sich einließ, als sie ihn geheiratet hatte. „Wann seid ihr eigentlich nach Hause gekommen?“ fragte Edward sie. „Wir waren ziemlich lange wach und da wart ihr immer noch nicht zurück.“ Mrs. Cullen schmunzelte. „Wie auch. Wegen dem Sturm wurde unser Flug storniert. Wir haben euch eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Habt ihr sie nicht gehört?“ Edward runzelte die Stirn. „Nein…“ „Ich hab sie heute morgen um halb Drei abgehört“, meinte Emmett plötzlich und dippte sein Croissant genüsslich in den Schokoladenaufstrich. Wir drei starrten ihn an. Bevor aber überhaupt jemand was sagen konnte, klingelte es auf einmal. Irgendwo im Haus läutete ein Telefon. „Ich geh schnell“, sagte Mrs. Cullen und verschwand. Edward und ich wandten uns wieder zu Emmett. „Kann es sein, dass du zu wenig Schlaf hattest, oder was ist heute mit dir los? Du bist irgendwie völlig überdreht“, neckte mein Freund seinen Bruder. Em grinste ihm spitzbübisch entgegen, ließ aber kein einziges Wort über seine Lippen gleiten. Das jedoch stachelte Edward nur noch mehr an, während seine Augen schmal wurden und er sich nach vorne lehnte. „Ist bei deiner Verabredung gestern was interessantes passiert?“ „Sagen wir so: Ich befinde mich auf Erfolgskurs.“ Um seinen Worten mehr Ausdruck zu verleihen, zeichnete er mit seinem Arm eine steile Kurve in die Luft. „Ich meine, habt ihr schon mal ein Mädel getroffen, das sich mit Autos auskennt und wie der helle Wahnsinn aussieht?“ Meine Mundwinkel zuckten bei soviel Euphorie nach oben. Edward erging es nicht anders. „Wie es aussieht, hat da jemand den Treffer versenkt“, stellte er fest und wandte sich seinem Frühstück zu. Der Grizzly setzte ein bedeutungsvolles Grinsen auf. „Oh, soweit wie ihr sind wir noch nicht.“ Edward lehnte sich zurück und hob eine Augenbraue. Kurz huschte sein Blick in meine Richtung. „Ich… weiß gerade nicht, was du meinst.“ Emmett lachte mit seiner tiefen Bärenstimme und sah seinem Bruder dann tief in die Augen. „Ed, ich kann Eins und Eins zusammenzählen. Deine Klamotten auf der Hollywoodschaukel… ihre im Badezimmer…“ Nein! Wenn ich mich recht erinnerte, hatte meine Unterwäsche auch dort gehangen. Wieso war mir nicht früher in den Sinn gekommen, dass sie ja für jedermann sichtbar war? Gott, kann mich mal jemand erschießen? Wie passend, dass man in solchen Momenten immer etwas zu trinken im Mund haben musste. Um der Peinlichkeit zu entgehen, alles über dem Tisch zu verteilen, würgte ich die Flüssigkeit hinunter… und verschluckte mich prompt. Ich bekam einen dermaßen starken Hustanfall, dass man meinen könnte, ich stünde kurz vorm Sterben. Edward klopfte mir ein paar Mal sachte aber bestimmt auf den Rücken. „Emmett, ich glaub-“, fing Edward an, wurde aber plötzlich von seiner Mutter unterbrochen. „Edward? Kommst du bitte kurz ans Telefon?“ Überrascht sahen wir auf. Mein Freund schaute mich fragend an. „Geht´s wieder?“ Ich nickte, woraufhin er sich erhob und mich mit seinem Bruder allein zurückließ. Mindestens eine Minute verging, die eine Ewigkeit zu dauern schien und in der keiner von uns beiden etwas sagte. Als wäre nichts passiert, widmete ich mich mit aller Konzentration meinem Essen. Emmett sah ab und zu von seinem Frühstücksteller auf und schmunzelte, wenn er meinen Blick traf. Na wunderbar… Vielleicht sollte ich selbst einen Versuch starten, die Sache richtig zu stellen. Ich ordnete meine Gedanken und holte tief Luft, um mich auf die Art ein bisschen zu beruhigen. „Also, was Edward sagen wollte, war bestimmt-“ „Ihr müsst euch bei mir wegen nichts entschuldigen“, konterte er augenzwinkernd, ohne mich überhaupt ausreden zu lassen. „Das ist das natürlichste auf der Welt. Die Abwesenheit unserer Eltern auszunutzen, ist doch kein Verbrechen.“ Hastig schüttelte ich meinen Kopf. „Nein, du verstehst das falsch. Wir haben nicht… Also, es ist nicht so, wie du denkst…“ Während ich vergeblich nach den richtigen Worten suchte, amüsierte er sich über meine Nervosität. Als Edward jedoch mit bestürzter Miene ins Zimmer gestürmt kam, wurde es blitzartig still. Seine Mom stand mit sorgenvollem Blick hinter ihm. „Bist du soweit fertig?“ fragte er mich hektisch. „Ja…?“ Vollkommen überrumpelt von seiner Eile ließ ich mein Toast auf den Teller fallen und machte Anstalten aufzustehen. „Stimmt was nicht? Ist irgendwas passiert?“ „Das eben war Alice. Jasper liegt im Krankenhaus.“ Es dauerte keine zehn Minuten, da befanden wir uns bereits in Edwards Auto. Sein Tempo trug nicht gerade zu meinem Wohlbefinden bei, weil ich aber wusste, dass Edward so schnell wie möglich bei seinem Teamkollegen sein wollte, verkniff ich mir meinen Kommentar. Außerdem machte ich mir ja selbst Sorgen um diesen. Den Großteil der Fahrt über herrschte bedrückendes Schweigen. Nur einmal fragte ich nach, was genau passiert war. Alice hatte wohl erzählt, dass Jazz gestern Abend von einem Auto angefahren worden sei und nun einen gebrochenen Arm hatte. Bei dieser Information atmete ich erleichtert aus, denn würde sie sich bewahrheiten, hieß das, Jasper hatte keine weiteren Verletzungen davon getragen. Ich hoffte inständig, dass es ihm soweit gut ging. Als wir am Krankenhaus ankamen, nahm mich Edward bei der Hand und sprintete regelrecht die Flure entlang, bis wir letztendlich in der chirurgischen Abteilung landeten. An der Rezeption erkundigten wir uns nach einem Jasper Whitlock und nachdem die Dame am Empfang leicht überfordert in ihrem Computerprogramm gesucht hatte - und Edwards Nerven somit aufs äußerste reizte -, konnten wir uns endlich auf den Weg zu Raum C312 machen. Vor der Tür blieben wir stehen. Edward atmete tief durch und ich strich ihm beruhigend über den Handrücken, obwohl ich selbst ziemlich aufgeregt war. Dann klopfte er. Ein leises „Herein“ war auf der anderen Seite zu hören. Vorsichtig öffneten wir die Tür und blickten in den Raum; das schlimmste erwartend. „Bella!“ Ein kleines Mädchen mit kurzen, schwarzen Haaren und einem freudigen Lächeln auf den Lippen kam auf mich zugetänzelt und umarmte mich. Ich musste zweimal hinsehen, um sicher zu sein, dass es auch wirklich Alice war. Ich war wie versteinert, hatte ich doch erwartet, ein etwas dramatischeres Szenario vorzufinden. Doch Alice‘ Laune passte so gar nicht hierher. Nicht, nachdem was Edward mir erzählt hatte. Ich blickte über ihre Schulter und sah Jasper in einem Krankenbett liegen. Sein rechter Arm war bis zur Schulter im Gips und lag in einem meiner Meinung nach unnatürlichen Winkel neben seinem Körper. Dass er so überhaupt liegen konnte. Er lächelte uns kraftlos entgegen und Edward ging sofort auf ihn zu. „Mensch, Jazz! Was machst du denn nur für einen Blödsinn?“ neckte er seinen Teamkollegen. Die Sorge, die ihn noch vor ein paar Minuten komplett beherrscht hatte, überspielte er nun mit einem schwachen Grinsen. Er war eindeutig froh, Jasper wach anzutreffen. Ebenso wie Edward holte ich mir einen Stuhl von einem gegenüberliegenden Tisch. Während er sich auf Jaspers rechte Seite setzte, ließ ich mich auf der anderen links neben Alice nieder. Kurz fiel mein Blick auf ihre Hand, die Jaspers hielt. „Wie geht´s dir?“ fragte ich ihn und musterte seinen gebrochenen Arm. „Ganz gut. Es ist ein glatter Bruch. Die Ärzte meinen, es wird schnell verheilen.“ Mit einem entschuldigenden Blick zu Edward fügte er noch hinzu: „Tut mir Leid, dass ich euch morgen so im Stich lasse.“ Edward schüttelte den Kopf und lachte. „Mach dir da mal keine Gedanken. Das schaffen wir schon. Werd‘ du lieber schnell gesund, damit du beim nächsten Match dabei sein kannst.“ Auch wenn er ein heiteres Gesicht aufgesetzt hatte, die Anspannung konnte er nicht ganz hinter dieser Fassade verstecken. Es war nicht schwer sich vorzustellen, wie er sich fühlte. Die Probleme mit Tayk waren schon nicht einfach, aber jetzt auch noch einen wichtigen Spieler zu verlieren, musste ihm ganz schön zusetzen. Zumal Jasper mehr oder weniger der Motivationstrainer des Teams war. Dieser ließ sich übrigens ebenso wenig von Edwards aufgesetztem Mienenspiel täuschen wie ich, schien aber selbst nicht richtig zu wissen, wie er ihm Mut zusprechen konnte. „Wisst ihr“, fing ich an und blickte aufmunternd zu den beiden. „Vielleicht gibt es ja noch eine andere Möglichkeit, den Kampfgeist eures Teams zu stärken.“ Zwei gerunzelte Stirnen schauten mich fragend an - nein, drei. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich Alice. „Bei der Strandparty“, fuhr ich fort. „Hab ich euch doch von meinem Stiefvater erzählt. Phil Dwyer. Und ihr hattet mich gefragt, ob er nicht vielleicht zu eurem Spiel kommen könnte.“ Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schien Edward herausgefunden zu haben, worauf ich hinaus wollte. Wirklich überzeugt sah er aber nicht aus. „Ich glaube, ich weiß, was du vorhast und es ist wirklich nett gemeint, aber ich fürchte, das wird nichts. Das Match findet schon morgen statt. Es ist viel zu kurzfristig, ihn jetzt noch danach zu fragen. Es ist ja nicht so, dass er auf so einen Anruf wartet. Er ist Profilspieler und hat sicher viel wich-“ „Edward, warte mal“, unterbrach ich ihn schnell. „Du hast mich gar nicht ausreden lassen. Du kannst also gar nicht wissen, was ich sagen wollte.“ Während er mich verwirrt musterte, grinste ich ihn geheimnisvoll an. „Du hattest also nicht vor, ihn zu bitten, sich das Spiel anzusehen?“ vergewisserte er sich. „Doch. Genau das hatte ich vor.“ „Ja, aber dann-“ „Besser gesagt, ich hab es schon längst getan.“ Ich konnte sehen, wie konfus ihn meine Worte machten. Meine Mundwinkel schoben sich noch weiter nach oben. „Ich hab ihn schon danach gefragt und er hat zugesagt. Meine Mom und er sind für ein paar Tage in der Stadt. Das hatte ich dir schon mal erzählt, weißt du noch? Ich dachte mir, es wäre eine schöne Überraschung, wenn er Samstag plötzlich da auftauchen würde. Und vielleicht kann er ja ein paar Worte an eure Mitspieler richten. Ich bin mir sicher, dass sie sich dann noch mehr anstrengen werden.“ Für einen unendlich langen Augenblick war es still im Raum. Alice war die erste, die sich wieder regte. „Das hört sich doch wunderbar an, oder?“ lächelte sie den beiden Jungs entgegen. Wenn es darum ging, einzuschätzen, welchen Wert dieser kleine Besuch meines Stiefvaters hatte, dann stand die Schwarzhaarige eindeutig auf der Seite der Personen, die für sich persönlich überhaupt nichts damit anfangen konnten. Also auf meiner Seite. Allerdings hieß das nicht, dass wir keine Ahnung hatten, was es für Jasper und Edward bedeutete. Baseball war ihnen heilig, es war ihr goldener Gral. Und genau deshalb war mir auch klar, was gerade in ihren Köpfen vorgehen musste. „Bella…“, erhob Edward dann endlich das Wort und sprach bedacht langsam, ohne mich jedoch anzusehen. „Wenn wir jetzt allein wären…“ Nun schaute er unter seinen dichten Wimpern zu mir auf und setzte ein schiefes, viel sagendes Lächeln auf. Etwas zögerlich erwiderte ich es. Sein Blick glich dem eines ausgehungerten Raubtieres, das seine Beute fokussierte und kurz davor war, sie zu attackieren. Ich hatte mir alle möglichen Szenarien vorgestellt, wie er auf diese Neuigkeit reagieren könnte, diese war allerdings nicht dabei. Während Jasper neben uns leise lachte, grinste meine kleine Freundin nur. „Ich nehme mal stark an, dass Emmett noch nichts davon weiß“, meinte der Blonde. Edward drehte seinen Kopf zu ihm. „Oh, wenn er erfährt, dass Phil Dwyer zum Spiel kommt, gibt es für ihn garantiert kein Halten mehr. In dem Fall muss ich Bella wohl gut verstecken, damit sie seinem Dankeschön heil entgeht.“ „Mit Sicherheit“, stimmte Jazz lachend zu. „Hm?“ Ich wusste nicht so recht, wie ich seinen Kommentar deuten sollte. Edward wandte sich wieder mir zu. „Ich geb dir jetzt einen Rat, den du unter keinen Umständen missachten darfst. Auch mir zuliebe, schließlich will ich noch sehr lange was von dir haben… Wenn mein großer Bruder jemals das Gefühl bekommt, sich bei dir wegen irgendwas bedanken zu müssen, lass dich auf keinen Fall von ihm umarmen.“ Meine Augenbraue rutschte ungläubig nach oben. „Das hört sich an, als könnte er mir alle Knochen brechen.“ Anfänglich lachte ich noch über meinen eigenen kleinen Witz, als sich aber keiner der beiden Herrschaften dazu äußerte, schluckte ich. „Okay… ich werd´s im Hinterkopf behalten.“ „Sag mal, wo ist eigentlich deine Mom?“ fragte Edward nach ein paar Minuten, in denen sich wohl jeder vorgestellt haben musste, wie es war, von Emmett zu Brei gedrückt zu werden. „Wenn sich Alice bei ihr am Telefon genauso angehört hat wie bei mir, dann müsste sie doch schon längst das gesamte Krankenhaus verrückt machen.“ Jasper sah mit sowohl hochgezogener Braue als auch Mundwinkel zu Alice. „Was hast du den beiden erzählt? Dass ich im Sterben liege?“ Die Angesprochene machte ein Gesicht, als hätte sie keine Ahnung, auf was die beiden Jungs hinaus wollten. „Mrs. Whitlock war über Nacht schon hier. Sie wollte heute Abend noch mal vorbeischauen“, erklärte sie dann an meinen Freund gewandt. „Warte mal, wenn Jasper schon über Nacht angefahren wurde, wieso hast du uns dann erst heute Morgen angerufen?“ wollte ich wissen. Es war merkwürdig, dass sie sich damit soviel Zeit gelassen hatte. „Ich hab einmal auf Edwards Handy versucht anzurufen, aber es war aus. Und dann war mir eingefallen, dass ihr zusammen auf Roxy aufpasst. Ich wollte euch den Abend nicht verderben“, erwiderte sie entschuldigend. Plötzlich nahm Jasper in meinem letzten Kommentar auf etwas Bezug, das dem Gesicht der Elfe einen ertappten Ausdruck verlieh. Als wäre etwas ungewolltes ans Licht gekommen. „Also direkt angefahren wurde ich nicht…“ „Das hat Alice aber gesagt“, widersprach ihm Edward und sah erst ihn und dann meine Freundin an. Diese wich seinem Blick aus und presste ihre Lippen aufeinander. Irgendetwas stimmte nicht. Ganz und gar nicht. Andernfalls würde sie nicht so reagieren. Das letzte Mal, dass ich sie so erlebt hatte, war an dem Tag gewesen, an dem sie diesen mysteriösen Blumenstrauß von Mr. J bekommen hatte. „Alice, was ist los?“ fragte ich sie vorsichtig. Sie lächelte mich an und schüttelte den Kopf. Ich kannte dieses Lächeln. Es war falsch. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie Jasper ihre Hand sachte drückte. „Meinst du nicht, du solltest es ihnen langsam mal erklären?“ „Da gibt es nichts zu erklären, Jazz“, konterte die Schwarzhaarige leicht genervt. „Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Vermutlich bilde ich mir das alles auch einfach nur ein, weil ich ein bisschen zu paranoid bin und meine Eltern damals recht hatten, als sie meinten, ich hätte eine Schraube locker.“ „Alice“, erwiderte Jasper ruhig, aber bestimmt. Es war das erste Mal, dass ich ihn so… aufgebracht sah. Auf eine ruhige Art und Weise, wohlgemerkt. Man erkannte es nicht sofort. Gerade diese Beherrschung hatte eine beeindruckende Wirkung… Und brachte Alice letztendlich auch dazu, sich seinem Willen zu beugen. Für eine lange Zeit war es ruhig, während sich die beiden lange und intensiv ansahen - als führten sie eine stille Konversation. Schlussendlich ließ sie sich dann seufzend in ihren Stuhl zurückfallen. „Würde mal bitte einer von euch Klartext reden?“ Edward konnte seine Ungeduld scheinbar nicht länger für sich behalten. Jazz sah erwartungsvoll zu Alice, während diese tief Luft holte. „Er wurde nicht direkt von einem Auto angefahren. Es war so, dass der Fahrer irgendwie die Kontrolle über seinen Wagen verloren haben musste und auf den Bürgersteig zugerast ist. Jasper hat uns beide noch rechtzeitig aus der ‚Schusslinie‘ gezogen und ist dabei unglücklich mit dem Arm aufgekommen.“ Der Blonde im Krankenbett stöhnte. „Für mich sah es aber ganz danach aus, als hätte er absichtlich auf uns zugehalten.“ „So ein Quatsch“, widersprach Alice. „Wer sollte denn bitteschön so was idiotisches tun?“ „Dieser Stalker zum Beispiel?“ Alice schnaubte, doch Edward und ich waren jetzt vollends hellhörig. „Was für ein Stalker?“ „Niemand“, antwortete meine Freundin schnell, nur Jazz schien sich damit nicht ganz abzufinden. „Wenn du es nicht erzählen willst, dann tu ich das.“ Ein letzter abwartender Blick zur Elfe. Die allerdings verschränkte nur die Arme vor der Brust und schaute weg. „Na schön“, fing Jazz dann an und wandte sich zu uns. „Ihre Eltern waren nicht der einzige Grund, warum Alice weggezogen ist. Es gab da ein paar Vorfälle, die… sie in eine Art Außenseiterposition gezwängt haben. Und das alles nur, weil sie sich ein bisschen zu gut mit jemandem verstanden hat, den der Rest der Stadt nicht leiden konnte. Dieser Jemand-“ „Arbeitete in einer Psychiatrie“, unterbrach Alice den Kranken. Scheinbar hatte sie sich dazu entschlossen, ihre Geschichte doch selbst zu erzählen. Sie lehnte ihre Arme aufs Bett und verschränkte ihre Finger ineinander. „Sein Name war Samuel. Er war schon etwas älter, so um die Fünfzig und hat sein halbes Leben in dieser geschlossenen Anstalt gearbeitet. Das Gebäude stand etwas abseits unserer Stadt, ein bisschen versteckt durch jede Menge Bäume. Seit ich mich erinnern konnte, kursierten diverse Gerüchte, dort würde es nicht mit rechten Dingen zugehen… Daraus könnte man übrigens eine gute Geistergeschichte machen“, fügte sie schmunzelnd den letzten Part hinzu. Ich lächelte, wenn auch ungewollt. Als keiner weiter darauf einging, sprach sie weiter. „Jedenfalls haben viele Leute, vor allem die Älteren behauptet, Samuel sei für all das verantwortlich. Da ihm aber keiner etwas nachweisen konnte, blieb es eben bei Vermutungen… und bösen Blicken. Die Jüngeren, also wir, haben uns immer darüber lustig gemacht und dumme Witze gerissen. Ein paar Freunde von mir sind dann auf die Idee gekommen, eine Art Mutprobe durchzuführen. Und natürlich sollte die in dieser Psychiatrie stattfinden. Ich war die Erste, die sich ihr stellen musste, weil ich angeblich furchtloser als die anderen war - was vielleicht daran liegt, dass ich ein bisschen seltsam bin…“ Sie grinste und seufzte dann. „Lange Rede, kurzer Sinn. Dadurch hab ich Samuel halt kennen gelernt. Ihr könnt euch bestimmt vorstellen, dass Vorurteile den Leuten oft ein falsches Bild von jemandem zeigen. Samuel war überhaupt nicht so, wie alle immer behauptet hatten. Ganz im Gegenteil. Er war richtig nett. Ich hab mich auf Anhieb mit ihm verstanden. Er tat mir ein bisschen leid, weil er alleine war und sich alle immer von ihm ferngehalten haben. Deshalb hatte ich beschlossen, ihn öfter mal zu besuchen… Zuerst hatten sich meine Freunde nur gewundert und meinten, ich wäre nicht ganz dicht, mich mit diesem Verrückten abzugeben. Na ja, und ab diesem Zeitpunkt fingen dann die Merkwürdigkeiten an…“ Sie machte eine kurze Pause. Keiner von uns wagte es, auch nur einen Mucks von sich zu geben. „Ich hab dann plötzlich Geschenke bekommen. Die lagen entweder vor unserer Haustür, im Briefkasten, oder sogar in meinem Spint. Briefe, Schmuck, Blumen… Alle von einem gewissen J.… Den anderen in der Schule ist das natürlich aufgefallen. Zuerst beneideten mich alle wegen diesem Verehrer, obwohl ich selbst nicht besonders viel damit anfangen konnte. Es gab da einen Jungen namens Jason. Eher ein unscheinbarer Typ, der mir nie sonderlich aufgefallen war. Ein paar meiner Freunde vermuteten, dass er der geheimnisvolle Fremde ist, der für all diese Geschenke verantwortlich sei. Es hatte sich wohl herumgesprochen, dass er mich mochte…“ Wieder setzte sie zu einer Pause an, nur dieses Mal dauerte sie etwas länger. „Und dann?“ fragte ich leise nach. Sie schreckte hoch, als wäre sie eben noch tief in Gedanken gewesen. „Oh… na ja, sagen wir so… Er hatte einen Unfall und lag am Ende mehrere Monate im Krankenhaus.“ Meine Augen weiteten sich. Die Art, wie sie das sagte, war unheimlich. Als steckte mehr hinter dieser Aussage. „Ehrlich gesagt weiß ich nicht genau, was passiert ist. Da sind die Meinungen auseinander gegangen. Offiziell hieß es, er sei im Wald einen sehr steilen Abhang hinuntergestürzt. Weil es aber in der Nähe der Psychiatrie geschehen ist, wurde gemunkelt, Samuel hätte etwas damit zu tun. Ich fand das völlig absurd. Ich war mir hundertprozentig sicher, dass er unschuldig war, aber es wollte keiner auf mich hören. In der Schule haben sie sogar behauptet, all meine Geschenke könnten auch von ihm sein. Was ich bis dato nicht wusste, war dass Samuels zweiter Name Joseph lautete. Zugegeben, für einen Moment hatte mich das unsicher gemacht. Als ich ihn dann aber darauf angesprochen hatte und er mir felsenfest erklärte, er hätte nichts mit dem Unfall zu tun, fühlte ich mich in meiner Meinung bestärkt, dass die Einwohner nicht mehr ganz dicht waren…“ Genervt verdrehte sie die Augen. „…Während ich ihn also weiterhin besuchte - und somit den Zorn meiner Eltern auf mich zog -, sind die Leute um mich herum immer mehr auf Distanz gegangen. In als auch außerhalb der Schule. Durch Zufall bekam ich mit, dass sie wohl Angst hatten, das nächste Opfer von Samuel zu werden, wenn sie sich weiterhin in meiner Nähe aufhielten“, schnaubte Alice verächtlich. „So was lächerliches… Auf jeden Fall stand ich am Ende ziemlich allein da. Ich wurde als Freak abgestempelt. Meine Eltern hielten mich für lebensmüde und versuchten mich mit allen Mitteln von Samuel fernzuhalten. Erfolglos natürlich. Ich hab immer wieder ein Weg gefunden, mich aus meinem Zimmer zu schleichen. Dummerweise war ihnen das irgendwann zuviel und sie waren kurz davor, mich auf ein Internat zu schicken. An dem Tag, als ich Samuel davon erzählen wollte, bin ich gar nicht mehr dazu gekommen, ihn zu besuchen. Es wimmelte bei der Psychiatrie nur so von Polizei. Ich hab dann erfahren, dass einer der Patienten verrückt gespielt hat und dass Samuel…“ Sie schluckte hart und sah uns dann lächelnd an. „Na ja, man könnte sagen, es war sein letzter Arbeitstag.“ So sehr sie es auch versuchte, sie konnte uns nichts vormachen. Ich entdeckte die kleine Träne in ihren Augenwinkeln und schlang meinen Arm um sie, um sie fest an mich zu drücken. Eigentlich hatte ich erwartet, dass sie anfangen würde zu schluchzen, doch nichts dergleichen geschah. Ich spürte nur an meiner Schulter, wie sie ein paar Mal tief einatmete. Jasper derweil hatte ihre Hand nicht losgelassen. „Wisst ihr, was das ‚Beste‘ daran ist?“ Es war eine rein rhetorische Frage und der Sarkasmus war deutlich herauszuhören. „Die Leute in der Stadt waren sogar froh über diesen Zwischenfall. Unglaublich…“ Ich hörte ein leises und bitteres Lachen von der kleinen Elfe. Etwas elfenhaftes konnte ich nur leider momentan überhaupt nicht an ihr entdecken. Bisher hatte sie immer einen starken und selbstbewussten Eindruck auf mich gemacht, aber jetzt wirkte sie so zerbrechlich, so unsicher. Ich wollte ihr helfen, nur wusste ich nicht wie. Alles was ich tun konnte, war sie im Arm zu halten. Es herrschte eine gedrückte Stimmung im Raum, in der jeder seinen Gedanken nachhing. Bis Edward nach langer Zeit wieder etwas sagte. „Was ist mit dem Patienten passiert?“ Alice zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich bin kurz darauf von zuhause weg. Wahrscheinlich haben sie ihn einfach nur wieder in seine Zelle gesperrt…“ „Und du denkst, das hat was mit deinem ‚Unfall‘ zu tun?“ meinte ich an Jazz gewandt, als mir das eigentliche Thema wieder in den Sinn kam. Außerdem wurde mir gerade bewusst, dass Alice schon vorher mit ihm darüber geredet haben musste. Er nickte. „Erst der Blumenstrauß, dann ihr Auto und jetzt das hier.“ Er hielt seinen Gipsarm ein kleines Stück in die Höhe. „Ihr Auto? Was soll denn damit gewesen sein?“ „Der Keilriemen war nicht gerissen. Er wurde durchgeschnitten“, beantwortete Edward meine Frage. Ich stutzte. Meinte er das etwa ernst? Wenn das stimmte, warum hatte er nicht schon damals was gesagt? Als ich die Erinnerung noch mal Revue passieren ließ, wurde mir jedoch klar, was womöglich der Grund dafür war. James Harper. Alice wand sich derweil aus meiner Umarmung und setzte sich gerade hin. Ein nervöses Lächeln lag auf ihren Lippen. „Ja, so was in der Art hat die Werkstatt auch festgestellt.“ „Du glaubst, der neue Lehrer steckt da mit drin, oder?“ sprach ich meinen Gedanken laut aus und suchte die Bestätigung in Edwards Blick. Alice‘ Kommentar von eben überraschte mich nicht sonderlich, zumal gewisse Experten in diesem Gebiet so etwas auf Anhieb erkannten - genauso wie der Großteil des männlichen Geschlechts. Dass ich aber die letzte war, die davon erfuhr, war irgendwie ärgerlich. Nur war jetzt nicht der richtige Augenblick, mich darüber aufzuregen. Mein Freund nickte bestimmt. „Er kam mir schon von Anfang an suspekt vor. Ich trau ihm keine fünf Meter über den Weg.“ „Ich ebenfalls nicht.“ Jasper nickte. „Meint ihr nicht, dass ihr da viel zu viel hineininterpretiert?“ warf Alice skeptisch ein. „Und nur weil er zufällig neu an unserer Schule ist, heißt das noch lange nicht, dass… na ja, dass…“ Wie es aussah, wusste sie selbst nicht so richtig, was sie eigentlich sagen wollte. Und ich wusste nicht, ob ich ihr oder meinem Freund zustimmen sollte. Natürlich war es falsch, einem wildfremden Menschen ohne Grund etwas zu unterstellen, bloß weil er eventuell zur falschen Zeit am falschen Ort war. Andererseits waren die kleinen, versteckten Hinweise langsam zu eindeutig, als dass man sie hätte ignorieren können. Stellte sich nur die Frage, wie man Alice davon überzeugen konnte. Es war merkwürdig. Als wäre ihr 'sechster Sinn' in diesem besonderen Fall getrübt. „Ich glaube kaum, dass du mir das alles erzählt hättest, wenn du nicht auch der Meinung wärst, irgendwas sei da faul.“ Jaspers Worte beendeten meine Überlegungen und lenkten meine Aufmerksamkeit wieder auf die kleine Schwarzhaarige, die gerade darüber nachdachte, wie sie ihm am besten antworten konnte. „Ich… hatte wahrscheinlich gehofft, dass du meine Zweifel bestätigen würdest und es als Humbug abtust? Und dass ich mir einfach nur was einbilde“, meinte sie dann. An Überzeugungskraft haperte es gerade ganz gewaltig. „Alice…“, mahnte Jazz. „Das ist doch Blödsinn. So viele Zufälle kann es nicht geben.“ „Ganz genau“, pflichtete Edward ihm bei. „Überleg mal, wie er dich immer ansieht, seit er hier ist; wie viel Aufmerksamkeit er dir schenkt. Nicht zu vergessen sein Nachhilfeangebot nach bereits einer Unterrichtsstunde.“ Alice hob auf einmal den Kopf, als wäre ihr etwas wichtiges eingefallen. „Oh mein Gott. Daran hab ich überhaupt nicht mehr gedacht. Das ist ja heute Nachmittag.“ Jetzt fiel es mir auch wieder ein. „Stimmt…“ Jaspers Miene wurde skeptisch und als hätte er gewusst, was mir im Kopf herumging, sprach er meine Bedenken aus. „Du hast doch wohl nicht vor, da hinzugehen.“ „Natürlich nicht. Ich kann dich ja schlecht allein hier im Krankenhaus lassen.“ „Ich bezweifle, dass Jazz das gemeint hat, Alice.“ Edwards Blick war fast schon anklagend. Die Angesprochene wirkte, als wollte sie kontern, doch anscheinend fiel ihr nichts ein. Sie blickte ihn stur an, tat dann so, als wäre sein Einwand belanglos und atmete tief durch. „Ich geh kurz zur Toilette. Auf dem Rückweg kann ich ja schnell Mr. Harper anrufen und die Stunde heute absagen.“ Ohne eine Antwort unsererseits abzuwarten, entzog sie Jasper ihre Hand und stand auf, um hastig das Zimmer zu verlassen. Wir starrten ihr hinterher. Ich wollte zuerst folgen, nur hatte ich plötzlich das Gefühl, ihr besser ein bisschen Zeit für sich zu lassen. „Sie ist nur etwas überfordert mit der Situation“, erklärte Jasper und sah noch immer zur Zimmertür, während Edward und ich unseren Freund musterten. „Ich kann es ihr nicht verübeln. Sie zieht weg von Zuhause, um all das hinter sich zu lassen und weil sie genug von diesen engstirnigen Kleinstadtidioten hat, und dann ist sie hier und alles fängt von vorne an.“ Ich war erstaunt, wie gut Jazz Alice schon einschätzen konnte. So lange kannten sie sich schließlich noch nicht. Aber hatte Edward nicht mal erwähnt, dass genau das Jaspers Talent war? Dass der Blonde ein Gespür für die Emotionen anderer hatte? „Kein Wunder, dass sie es nicht wahrhaben will“, stimmte mein Freund ihm zu. „Und was machen wir jetzt?“ fragte ich in die Runde. Zu wissen - oder zu vermuten -, dass offensichtlich jemand unsere Freundin verfolgte, war eine Sache, eine Lösung dafür zu finden, eine ganz andere. Die beiden Jungs sahen sich an, ehe Jazz etwas vorschlug. „Erstmal werden wir sie die nächste Zeit nicht aus den Augen lassen. Wenn es nicht zuviel verlangt ist, wäre es mir lieb, wenn sie für eine Weile bei dir übernachtet?“ Er sah mich an und sofort bejahte ich seine Bitte. „Kein Problem.“ „Und wir sollten den Lehrer genauer unter die Lupe nehmen“, meinte Edward nachdenklich. „Findest du nicht, wir sollten die Polizei in dem Fall drauf aufmerksam machen?“, meinte ich skeptisch. Nach Alice Geschichte konnte man nicht gerade behaupten, dieser Kerl sei ungefährlich. Mein Freund lächelte mich fast schon ironisch an. „Solange wir keine Beweise haben, können wir auf deren Hilfe verzichten.“ „Und was ist, wenn ich…?“ Mitten im Satz hielt ich inne. Eigentlich wollte ich vorschlagen, Charlie um Hilfe zu bitten. Wenn sich aber nun herausstellte, dass wir im Unrecht lagen und womöglich noch die falsche Person beschuldigten - vielleicht hatte Alice ja wirklich nur einen unbekannten Verehrer -, dann würde uns das erstens ziemlich blöd dastehen lassen und zweitens ein schlechtes Licht auf Edward werfen. Ich war mir sicher, dass mein Dad irgendeine Verbindung zwischen dem vermeintlichen Stalker und meinem Freund finden würde; einfach weil er ihm nicht traute. Am Ende wäre er noch der Meinung, irgendwelche kriminellen Freunde von ihm wären Schuld - falls er uns überhaupt glaubte. „Wenn du…?“ wiederholte Edward und wartete auf die Fortsetzung meines Satzes. Ich schüttelte meinen Kopf und winkte ab. „Schon gut. Hat sich erledigt.“ Misstrauisch analysierte er mein Mienenspiel, beließ es dann aber dabei. „Im Moment können wir eh nichts machen als abzuwarten“, seufzte Jasper. „Und hoffen, dass wir unrecht haben“, ergänzte ich frustriert. Edward sah mich an und lächelte versucht aufmunternd, machte dann aber einen zerknirschten Eindruck. „Und außerdem ist morgen noch das Spiel.“ „Apropos…“ Jazz sah auf die Uhr an der Wand. „Musst du nicht langsam zum Training? Es ist schon kurz nach Zwölf.“ Mein Freund hob den Kopf. Seine Augen weiteten sich, als er auf die Zeiger starrte. „Oh, verdammt! Wenn ich mich nicht beeile, komm ich zu spät.“ Hastig stand er auf. Aus einem Reflex heraus tat ich das ebenfalls. „Willst du jetzt sofort los?“ Er nickte und kam auf meine Seite. „Ich würde zwar lieber bei euch bleiben, aber irgendjemand muss sich ja um die Jungs kümmern. Und wenn ich ihnen erstmal erzähle, wer morgen kommen wird…“ Ein schiefes Lächeln zierte sein Gesicht. Er legte seine Hand an meine Wange und bedachte mich mit einem sehnsüchtigen Blick, ehe seine Lippen die meinen berührten und sie beinahe fanatisch an sich zogen. Nach einer schieren Unendlichkeit löste er sich erst wieder von mir. Während sein Daumen über meine Wange strich, behielt ich meine Augen noch eine Weile geschlossen, um den nachhallenden Geschmack des Kusses länger in Erinnerung zu behalten. Erst als Edward gluckste und Jasper sich räusperte, öffnete ich sie wieder - mit einem verlegenen Lächeln. „Jetzt tu bloß nicht so“, meinte Edward verschmitzt, an seinen Kumpel gewandt. „Ich will gar nicht wissen, was du gestern gemacht hast.“ Jazz hob unbeeindruckt eine seiner Augenbrauen, erwiderte aber nichts und grinste nebulös. Mir klappte die Kinnlade leicht nach unten. Ganz sicher würde ich Alice heute noch ausquetschen. Edward seufzte. „Na gut… Ich muss los. Wie kommt ihr später nach Hause?“ „Ich denke, ich bestell uns ein Taxi. Oder wir warten solange, bis Charlie von der Arbeit kommt. Dann kann ich ihn bitten, uns auf dem Heimweg mitzunehmen. Mal sehen“, antwortete ich ihm. Er nickte zufrieden. Schnell hauchte er mir noch einen Kuss auf die Stirn, bevor er sich von uns verabschiedete und das Zimmer verließ. Ich blickte ihm noch einige Sekunden hinterher, dann setzte ich mich zurück auf meinen Stuhl. Jasper und ich schwiegen, wobei ich ihn permanent anstarrte und nicht verhindern konnte, wie meine Mundwinkel verräterisch zuckten. Ich bemerkte, wie unwohl er sich unter meinem Blick fühlte, ab und an versuchte, ihm zu entgehen, letztendlich aber doch immer wieder zu mir sehen musste. „Was?“ fragte er dann endlich - und wenn ich mich nicht täuschte, leicht gereizt. „Was haben du und Alice denn gestern so gemacht?“ Er verdrehte die Augen und machte keine Anstalten, darauf zu antworten. Mein Grinsen wurde breiter. Langsam erkannte ich, warum es Edward immer so großen Spaß machte, andere auf diese Weise zu quälen. Irgendwo musste wohl jeder eine sadistische Ader versteckt haben. Die Tür öffnete sich und augenblicklich sahen wir auf. Alice war wiedergekommen. Mir fiel auf Anhieb auf, dass etwas mit ihr nicht in Ordnung war. Sie schlich geradezu ins Zimmer, ihre Augen waren starr nach vorne gerichtet und der Blick glasig. Sofort lief ich auf sie zu und packte sie bei den Schultern. „Alice?“ Sie reagierte nicht. Ihr ganzer Leib zitterte. Sie war wie erstarrt. Ich fühlte mich leicht überfordert, weil ich nicht wusste, was ich machen sollte. So hatte ich sie noch nie erlebt. Sie jagte mir einen richtigen Schrecken ein. „Alice! Hörst du mich? Was ist los? Ist irgendwas passiert?“ „Was hat sie?“ fragte Jasper - Sorge und Panik deutlich in seiner Stimme erkennbar. Als ich mich kurz zu ihm drehte, wollte er sich bereits aufsetzen. „Ich weiß es nicht“, entgegnete ich hilflos. „Aber du solltest besser liegen blieben.“ Sachte nahm ich das Gesicht der Elfe in meine Hände. „Alice… rede mit uns“, sprach ich noch einmal verzweifelt auf sie ein. Und dann regte sie sich plötzlich. Als wäre sie aus einem Traum erwacht. Verblüfft schaute sie mich an. „Was…?“ kam es leise von ihr, als wüsste sie nicht, was eben passiert war. Erleichtert atmete ich aus und lächelte ergeben. „Du hast uns gerade einen ganz schönen Schrecken eingejagt, weißt du das?“ Kurz überlegte sie, dann schien es ihr selbst wieder einzufallen. “Oh!… Tut mir leid…“ „Was war denn los?“ versuchte ich es noch einmal ruhiger. Ein schmerzvoller Ausdruck beherrschte ihre Züge, voller Kummer sah sie mich an, während ihre Pupillen nervös hin und her huschten. „Weißt du, meine Vorahnungen haben bisher immer ins Schwarze getroffen.“ Meine Brauen schoben sich zusammen, ich war sichtlich verwirrt. „Worauf willst du hinaus?“ „Ich weiß auch nicht, aber… Ich hab das komische Gefühl, dass morgen etwas ganz Schreckliches passieren wird…“ Ehrlich gesagt verstand ich noch immer nicht ganz. Bis mir James wieder einfiel. Vermutlich war sie deshalb so durch den Wind. Beruhigend strich ich über ihre Arme und schenkte ihr ein Lächeln. „Mach dir wegen diesem ominösen Stalker keine Sorgen. Heute Nacht schläfst du bei mir und morgen werden wir alle zusammen sein und dich keine Sekunde aus den Augen lassen. Keiner wird dir was zuleide tun.“ Sie schüttelte bitterlich den Kopf und sah mich noch trauriger an. „Bella, ich rede nicht von mir.“ Was? ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Gemeiner Cliffie, nicht wahr?... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)