For The Ones Who Search For Love von absinthe (Bella und Edward helfen sich gegenseitig in Sachen Beziehungen, doch dann stellt sich heraus, das vieles mehr Schein als Sein ist und dass diese Entdeckung beide in eine unerwartete Richtung wirft.) ================================================================================ Kapitel 20: Jagd auf einen Schatten ----------------------------------- Hm, also der Titel könnte doppeldeutig sein. Seh aber vllt nur ich so, weil ich mehr über diese FF weiß, als ihr. Ach, nya~...XD Viel Spass, es könnte etwas verwirrend werden... ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Die Fahrt endete bald und nachdem wir ausgestiegen waren, rief Edward seinen Bruder an. Es war schon spät und langsam mussten wir wieder zurück. Außerdem konnte Roxy ja auch nicht so lange auf bleiben. Wir trafen uns alle am vereinbarten Punkt wieder. Auf dem Weg dorthin hatte Edward noch weniger von mir abgelassen als vorher schon. Es gab kaum einen Moment, in dem wir keinen Körperkontakt hatten und wenn ich es zugelassen hätte, würde er mich wahrscheinlich auf dem Arm tragen. Alle paar Sekunden konnte ich seinen Atem in meinen Haaren spüren, ebenso wie seine Lippen oder seine Wange. Als wolle er mich nie wieder loslassen. Oder aber er hatte jetzt noch mehr Angst um meine Sicherheit. Ich konnte nicht verhindern, dass sich plötzlich ein merkwürdiger Gedanke in meinem Kopf breit machte, der mir sagte, ich sei nur ein Ersatz. Ein Lückenfüller für Leah. Und wer konnte einer einzelnen Person am nächsten stehen? Der feste Freund. Mit ihm teilte man einfach alles. Gefühle, Empfindungen, Erinnerungen und Erfahrungen. Die geheimsten Gedanken und jede freie Minute. Der feste Freund hatte den perfekten Grund, sich rund um die Uhr um die Auserwählte zu kümmern. Er hatte selbst gesagt, dass er es vielleicht wieder gut machen könnte, wenn er bei mir war und mich vor jeglichen Unfällen bewahrte. Wenn ich klug wäre und an mein eigenes Wohl denken würde, müsste ich mich sofort von ihm zurückziehen. Doch das war ich nicht. Meine Sturköpfigkeit… meine Naivität und meine Abhängigkeit ließen mich dort stehen, wo ich mich jetzt befand. Neben der Person, die mir vor nur wenigen Augenblicken ihr ganzes Vertrauen entgegengebracht hatte. Neben der Person, die gerade am meisten Unterstützung brauchte. Was würde geschehen, wenn ich mich jetzt auf einmal zurückzog? Er würde denken, es sei wegen seiner Vergangenheit. Und dann hatte ich ihn auch noch durch meine blöde Stolperaktion auf schmerzvolle Weise an den schlimmsten Tag seines Lebens erinnert. Schuldgefühle flammten auf und sie bestätigten mich in meiner Entscheidung, um Edwards Willen bei ihm zu bleiben und ihm seine Erlösung zu lassen. Selbst wenn ich dafür vorgespielte Gefühle in Kauf nehmen musste. Entweder diese oder gar keine. Ersteres war da doch die bessere Alternative und das Mindeste, das ich für ihn tun konnte. Ich schluckte bei den Gedanken, dass er andere Beweggründe hatte, mir nahe sein zu wollen als ich. Tief in Gedanken spielten meine Finger mit den Knöpfen seines Hemdes und ein leicht trostloser Ausdruck entstand in meinen Gesichtszügen. Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich eine etwas größere Hand auf und umschloss meine, die auf seiner Brust lag. Edward nahm sie weg und legte sie auf seine Wange, ohne seine wieder zu lösen, während er mich besorgt musterte. Als hätte mein Körper diese Geste erahnt - oder vielleicht auch ersehnt -, durchfuhr mich ein Schauer. “Hey… Alles okay mir dir?” fragte er mit einer unglaublich sanften, melodischen Stimme, die mir ein trübes Lächeln auf mein Gesicht zauberte. “Ja…”, sagte ich leise und sah in seine wunderschönen, grünen Augen. Seine Pupillen bewegten sich nur minimal. Irgendwie nervös und zittrig, doch ich hielt seinem Blick stand. Egal was er sehen würde, mein Entschluss stand fest. Ich würde bei ihm bleiben und meine Bedürfnisse herunterschrauben, um seine in den Vordergrund zu stellen. Solange es ihm dadurch besser ging. “Du siehst unglücklich aus”, stellte er fest und klang noch eine Spur besorgter. Verwirrt runzelte ich die Stirn. “Ich hab dich verschreckt, oder?” meinte er, jetzt auf eine traurige Weise verständnisvoll. “Blödsinn”, erwiderte ich mit einem schwachen Grinsen. “Ich bin nur müde. Das ist alles.” Er schien mir nicht zu glauben. “Wenn dich das überfordert… Wenn du nichts mit alldem zutun haben willst, dann kann ich das verstehen.” “Edward!” sagte ich leicht vorwurfsvoll. “Mit mir ist alles in Ordnung. Der Tag war einfach nur anstrengend. Das ist alles.” Er betrachtete mich noch einen Augenblick, dann legte er seine weichen Lippen auf meine Stirn, verharrte eine gefühlte Ewigkeit so und schloss mich dann in eine feste Umarmung. Mein gesamter Körper bebte. Meine psychische Seite hatte sich damit abgefunden, dass seine Zuneigung eine andere als die von mir ersehnte war, doch der physische Part schien das alles als echt zu deuten. “Weißt du”, fing er an. “Ich kenne wirklich niemanden, der so ist wie du.” Natürlich kannte er so jemanden. Leah… “Normalerweise kann ich meistens erahnen, was andere Leute ungefähr denken. Du aber… Du machst ständig Sachen, mit denen ich nie rechnen würde. Ich habe keine Ahnung, was in dir vorgeht und so kann ich immer nur vermuten, dass das, was ich tue, das Richtige ist. So was habe ich noch nie erlebt. Aber genau das ist es ja, was mich so an dir fasziniert. So stehe ich jeden Tag vor einer neuen Herausforderung.” Mein Herz schlug schneller und meine Atmung ging unkontrollierter. Ja, das alles würde ich über mir ergehen lassen. “Bella, Edward!” Alice… Seufzend drehte ich mich zu ihr um. Sie und Jasper kamen auf uns zu, wobei mein Blick auf etwas in ihrer Hand fiel. Schweigend deutete ich auf das kleine, braun-weiße Kuscheltier mit den riesigen Ohren. “Ein Gremlin. Den hat Jasper für mich geschossen”, strahlte sie. Ich lächelte und Edward fing plötzlich an zu kichern. “Was ist?” Fragend sah ich ihn an, doch er schüttelte nur seinen Kopf. “Ich kann nicht. Wenn ich was dazu sage, reißt sie mir den Kopf ab.” Alice sah ihn etwas irritiert an, winkte dann aber ab und grinste. “Ach, Quatsch. So schlimm wird es schon nicht sein.” Mein Freund schien sich kurz nicht sicher zu sein, entschloss sich dann aber anders. “Na ja… Die Dinger sind klein und niedlich. Beachtet man aber die Regeln nicht, mutieren sie zu einem kleinen Monster.” Er presste angestrengt seine Lippen zusammen. Mir klappte der Mund auf und Alice erging es nicht anders. Jasper hinter ihr hatte ebenfalls Mühe, ernst zu bleiben. Doch im Gegensatz zu mir war die Schwarzhaarige nicht wirklich amüsiert darüber. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte Edward mit schmalen Augen an. Er musste sie tatsächlich damit getroffen haben. Er drehte sein Gesicht in meine Richtung und versteckte es hinter meinem Kopf. Ich konnte sein leises Schmunzeln hören und das leichte Vibrieren seiner Brust spüren. Als er sich wieder unter Kontrolle hatte, sah er abermals ihn ihre Richtung. “Wirklich tolles Geschenk, Jazz”, grinste er. Wenn Alice sich in dem Moment nicht zu diesem gewandt hätte, wäre er unter Garantie auf den Spruch eingegangen, doch der Blick der Elfe ließ ihn verstummen. Stattdessen stellte er sich ganz dicht neben sie, beugte sich an ihr Ohr und flüsterte ihr etwas zu. Alice’ Wangen röteten sich leicht und ihre Augen weiteten sich kurz, dann wich ihre beleidigte Miene einer überlegenen, triumphalen. “Ja, ich denke, das wird es sein”, seufzte sie und jetzt war sie es, die breit grinste - und wir, die misstrauisch guckten. Die seltsame Atmosphäre, die sich zwischen uns bildete, wurde jäh von Emmett unterbrochen. Er und Rose waren auf dem Weg zu uns. Roxy lag in den Armen des menschlichen Teddys, während die große Stoffausgabe in der anderen Hand des Bären hing. Sie hatte ihre Arme schlaff um seinen Nacken geschlungen und ihr Kopf lag auf seiner breiten Schulter. Rosalie betrachtete erst die beiden, ehe ihr Blick zu uns wanderte. Sie sah nicht mehr ganz so distanziert aus, wie noch heute Nachmittag. Ein kleines Lächeln lag auf ihren Lippen. Emmett sah kurz zwischen Edward und mir und zwinkerte dann in meine Richtung. Meine Mundwinkel zuckten nach oben und ich nickte kaum merklich. “Wir sollten langsam”, meinte Edward und rieb meinen Arm. “Du fühlst dich ganz eisig an. Nicht dass du noch krank wirst.” Er hauchte mir einen Kuss auf die Stirn. “Keine Angst. So schnell kriegt man mich nicht unter.” “Glaub ich dir gern”, lächelte er. Alle zusammen machten wir uns auf den Weg zum Eingang und dann Richtung Parkplatz. Jasper und Alice gingen zu ihrem Beetle, Rose und Emmett zu seinem Jeep, auf dessen Rücksitz er Roxy absetzte und festschnallte, und Edward und ich zum Volvo. “Wir sehen uns morgen in de Schule “, rief mir Alice noch hinterher und ich winkte ihr zu. Langsam fuhren wir los. Als wir auf der Straße waren, hakte mein Freund seinen Arm unter meinen und verschränkte unsere Finger miteinander, während sein Daumen kleine Kreise auf meinen Handrücken zeichnete. Mich überraschte, dass er dieses Mal nicht ansatzweise so schnell fuhr wie sonst. Gleichzeitig genoss ich die langsame Fahrt und die Ruhe, die nur durch das Radio nicht unangenehm wurde. “Edward?” fragte ich nach ein paar Minuten. “Hm?” Seine Stimme war so sanft und ruhig wie eh und je. “Wusstest du, dass Seth schon seit einer Woche hier ist?” Anhand der auffälligen Erhöhung seines Brustkorbes sah ich, dass er tief Luft holte und dann ganz langsam ausatmete. “Ja, er hat es mir erzählt. Auch dass er bereits Arbeit hat. Nur das ‘Wo’ hat er verschwiegen.” “Was für eine Abmachung hattet ihr?” Edward drehte stirnrunzelnd seinen Kopf zu mir. “Daran kannst du dich noch erinnern?” Dann schüttelte er seinen Kopf und sah wieder auf die Fahrbahn. “Ich sollte ihm dabei helfen, einen richtigen Job zu finden, der mehr Geld bringt. Außerdem will er eine ordentliche Wohnung. Die Bruchbude, in der er momentan lebt, ist wohl alles andere als wohnlich. Zuerst sollte ich ihm einen Unterschlupf bei mir geben, bis er was gefunden hätte…” “Aber du wolltest nicht”, stellte ich fest. “Weil dir das zu sehr ans Herz gegangen wäre.” Ein trauriges Lächeln entstand auf seinem Mund. “Ich hab der Abmachung nur zugestimmt, wenn er so weit weg von mir wie möglich eine Bleibe findet und wenn er sich aus meinem Leben heraushält.” “Wäre es nicht besser, wenn er zuerst die Schule beendet? Mit einem Abschluss hat der doch viel bessere Möglichkeiten, Arbeit zu finden.” “Überzeug mal jemanden davon, der seit einem halben Jahr nicht mehr auf der High School war und seit drei Jahren mit seinen Eltern auf Kriegsfuß steht”, spottete er. “Oh…” Er sah kurz zu mir, dann seufzte er verständnisvoll. “Vielleicht schaffst du es ja, ihn zu überreden”, versuchte ich ihn aufzumuntern, doch bekam nur eine ungläubige Miene als Antwort. “Ich helfe dir auch, wenn du willst.” Wieder keine Antwort, dafür aber ein langer, intensiver Blick und ein festerer Druck seiner Hand, bevor er wieder - und noch rechtzeitig - auf die Straße sah. Die Ampel schaltete auf Rot. Wie gut, dass er dieses Mal wirklich langsamer fuhr. Trotzdem schlug mein Herz etwas zu schnell. Ich nahm mir vor, den Rest der Fahrt nichts mehr zu sagen, um ihn nicht noch weiter abzulenken. Am Ende würde ich noch Schuld an einem Unfall sein. Etwas später parkte er vor meinem Haus und stieg aus. Nur langsam machte ich mich an dem Gurt zu schaffen. So langsam, dass Edward genug Zeit hatte, an meine Seite zu treten und sich auf den Rand des Beifahrersitzes nieder zu lassen. Ich winkelte meine Beine ein Stück an und rutschte ein wenig zur Seite, um ihm Platz zu machen. Mein Kopf war noch immer auf den Verschluss gerichtet und irgendwie brachte ich es nicht zustande, diesen zu öffnen. Er kicherte leise, dann traten seine Hände in mein Blickfeld, wie sie meine weg schoben und er mich in nur wenigen Sekunden befreit hatte. “Danke”, murmelte ich und starrte noch immer nach unten auf unsere Hände, die wieder ineinander verschlungen waren. “Du wirkst nachdenklich”, stellte er fest. Ich wusste, dass sein Blick auf mir ruhte. Langsam hob er eine seiner Hände, strich liebevoll über meinen Kopf und legte sie letztendlich an meine Wange, doch ich vermochte immer noch nicht, nach oben zu schauen. Ich wusste ja selbst nicht, was auf einmal mit mir los war. Seine Berührung wanderte ein wenig nach vorne, halb unter mein Kinn und mit sanftem Druck hob er mein Gesicht. Die Wärme, die ich in diesem Moment in seinen Augen erkannte, verschlug mir die Sprache. Was bedeutete dieser Blick? Was war ich für ihn? Lange saßen wir so da, während das Gefühl seiner Haut auf meiner und die zärtlichen Liebkosungen seiner Finger auf meiner Wange ein einziges Chaos in mir verursachten. Erhöhter Puls, stockender Atem, gerötete Wangen, ein vermutlich dümmlicher Gesichtsausdruck, der ein kleines nervöses Lächeln auf seine Lippen zauberte… Ich versuchte die ganze Zeit, dieses Wesen direkt vor mir und sein gesamtes Verhalten zu entschlüsseln, doch vergebens. Mir fiel einfach nichts logisches ein. Und dann, aus einem Impuls heraus, schlang ich meine Arme um seinen Nacken und drückte mich so eng wie möglich an ihn. Er war erst etwas überrumpelt, erwiderte dann aber die Umarmung und - was ich eigentlich nicht für möglich gehalten hatte - erhöhte deren Festigkeit. “Bella”, flüsterte er verwirrt und strich mir gleichzeitig beruhigend über den Rücken. “Was ist los?” Doch ich bewegte nur meinen Kopf leicht hin und her. Im Augenblick war mir nicht nach reden zumute. Ich wollte ihn nur halten und selbst gehalten werden. Ich sog seinen süßlichen Duft ein, ließ meinen Körper von seiner Wärme durchfluten, genoss die Geborgenheit, die ich in seinen Armen verspürte… und ganz langsam… noch langsamer, als es überhaupt möglich war, beruhigte sich mein Herz. Ich entspannte mich und gab mich der Situation vollkommen hin. Ich schloss meine Augen und rutschte mit meinem Kopf noch dichter an seinen. Meine Hand vergrub sich in seinen bronzenen Haaren, während die andere sich noch weiter um ihn legte. “Besser?” flüsterte er nach einer Weile in mein Ohr, während er zaghaft über meine Haare strich. Ich atmete noch einmal tief ein und aus, dann nickte ich. Der kalte Nachtwind blies ein wenig ins Wageninnere und jagte mir eine Gänsehaut über meinen Rücken. Da wurde mir bewusst, wie spät es bereits war. Langsam löste ich mich von Edward, doch sein besorgter Blick ließ mich nicht los. Ich lächelte, um ihm zu zeigen, dass es mir gut ging. Nur widerwillig glaubte er meinem Schauspiel, sah mich aber weiterhin eindringlich an, während seine Hand zärtlich meine Wange streichelte. Er musste wissen, dass er keine Antwort auf seine unausgesprochene Verwirrung erhalten würde, also fragte er zu meinem Glück nicht weiter nach. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass es hinter dem Fenster zum Wohnzimmer flackerte. Charlie musste also schon da sein. Eine weitere Komplikation, der ich mich stellen müsste. “Ich sollte jetzt rein”, meinte ich und lächelte abermals. Edward musterte mich noch einen Augenblick, dann seufzte er und erwiderte mein Lächeln, wenn auch etwas unzufrieden. Sanft legte er seine weichen Lippen auf meine und verhaarte für ein paar Sekunden so, ehe er sich wieder ein Stück entfernte, mir noch einmal in die Augen sah und dann ausstieg, um mir ebenfalls herauszuhelfen. Ich wollte bereits zum Haus gehen, doch er hielt mich sachte am Handgelenk fest, um mich zu sich zurück zu ziehen. Er strich mir ein paar Strähnen aus dem Gesicht und gab mir noch einen Kuss auf die Stirn. “Bis morgen früh”, hauchte er. “Ich werde wieder hier warten.” “Okay”, flüsterte ich ebenso leise, dann ging ich auf den Eingang zu. Bevor ich aufschloss, sah ich noch mal zurück. Edward saß bereits im Auto. Er lächelte noch einmal, bevor er den Motor startete und davonfuhr. Laut atmete ich aus. Sollte das wirklich so weitergehen? Es fiel mir ja jetzt schon schwer. Mit einem leisen Klick öffnete ich die Tür und trat ein. Aus dem Wohnzimmer drang das gedämpfte Murmeln des Moderators. Es musste wohl wieder ein Spiel laufen. Schweigend ging ich daran vorbei in mein Zimmer, ließ das Licht aus und legte meine Sachen in die Ecke, nur um mich anschließend quer aufs Bett fallen zu lassen. Erst da fiel mir auf, dass ich mich beinahe auf etwas gelegt hätte, das heute morgen definitiv noch nicht dort war. Ich drehte mich zur Seite und stützte mich auf einem Arm ab. Es musste eine Art Mappe sein, ein Ordner. Ziemlich schmal, also konnte nicht sonderlich viel darin sein. Ich beugte mich kurz nach hinten, um die Nachttischlampe anzuschalten. Als ich jetzt im Licht mehr erkennen konnte, sah ich, um was es sich da handelte. Eine Polizeiakte. Doch nicht nur irgendeine. Nein, es war die von Edward! Ohne Zweifel musste Charlie sie hierher gepackt haben. Aber wie war er überhaupt daran gekommen? Es war doch überhaupt nicht erlaubt, einfach so an derartige Dinge zu gelangen. Und schon gar nicht ein einfacher Straßenpolizist wie er konnte dazu in der Lage sein. Machte er sich wirklich dermaßen Sorgen um mich, dass er zu solchen Mitteln griff? Als würde ich etwas heißes anfassen, strich ich vorsichtig über die dicke, gelblich-braune Pappe, bis meine Finger bei dem Namen des Besitzers hängen blieben. Edward Anthony Cullen. Einerseits wollte ich nicht hineinsehen, andererseits war ich sehr neugierig. Innerlich rang ich mit mir. Was würde ich dort finden? Hatte mein Dad bereits nachgesehen und wusste, was Edward früher alles angestellt hatte? Und genau da lag der Knackpunkt. Mein Daumen lag schon an der Ecke. Bereit, den Deckel aufzuschlagen, hielt dann aber inne. Früher… Er hatte mir erzählt, was früher war. Hatte mir vertraut. Und jetzt musste ich ihm vertrauen. Das war ich ihm schuldig. Ich würde nicht nachsehen, nur um meine Neugierde zu befriedigen. Nur um etwas bestätigt zu haben, das ich schon längst wusste. Meine Finger entfernten sich wieder von der Mappe und strichen abermals darüber. Dann nahm ich den Ordner und ging damit zu meinem Dad. Er sah nicht auf, als ich das Zimmer betrat. Auch nicht, als ich mich zu ihm aufs Sofa setzte. Ganze fünf Minuten sahen wir schweigend in den Fernseher und verfolgten das Baseballspiel. Meine Lippen formten ein kleines Lächeln bei der Erinnerung an das Game, das ich hautnah erleben durfte. Charlie nahm die Fernbedienung in die Hand und drückte auf die Mute-Taste. Jetzt war es ganz still um uns herum, beinahe erdrückend. Ich räusperte mich kurz, bevor ich die Akte auf den Couchtisch legte. “Dad”, fing ich an. “Du hast sie dir nicht angesehen, oder?” unterbrach er mich, klang dabei aber völlig ruhig. Ich war nicht überrascht, dass er zu so einer Schlussfolgerung kam. Schließlich kannte er mich am besten. Ich schüttelte meinen Kopf. “Nein.” “Hör zu, Bells… Ich bin mittlerweile zu dem Schluss gekommen, dass es einen guten Grund geben muss, warum du und Claire keinen Kontakt mehr habt.” Verblüfft drehte ich meinen Kopf zu ihm. Mit diesem abrupten Themenwechsel hatte ich nicht gerechnet. Ich dachte, wir würden über Edward reden. “Ich geh davon aus, dass du mir nicht erzählst, was genau passiert ist, oder?” Fragend drehte er seinen Kopf zu mir. Kurz sah ich ihn an, dann antwortete ich leise. “Nein, tut mir Leid.” Allein die Erinnerung daran schmerzte. “Schon gut. Ich hab nichts anderes erwartet. Ich will auch gar nicht weiter nachfragen. Das ist eine Sache zwischen euch beiden. Wenn sie etwas ungerechtes getan hat und du nichts mehr mit ihr zutun haben willst, dann ist das deine Entscheidung.” Innerlich atmete ich erleichtert auf. Dafür liebte ich meinen Dad. Er hielt sich aus den meisten Dingen heraus, wenn auch nicht aus allen. “Aber die Sache mit deinem Freund”, fuhr er fort. Ich wusste, dass er in der Hinsicht noch nicht locker lassen würde. “Es ist nicht so, dass ich mich nicht für dich freue. Ich will nur nicht, dass du dich mit den falschen Leuten aus den falschen Gründen abgibst.” “Falsche Gründe?”, wiederholte ich seine Worte. Einen Augenblick musterte er mich nachdenklich. “Dass du dich auf ihn einlässt, weil du das Warten auf den Richtigen vielleicht satt hast…” Mein Mund klappte leicht auf, doch ich schüttelte schnell meinen Kopf. “Nein, Dad. So ist das nicht-” “Was wenn er es nur solange mit dir aushält, weil er ganz bestimmte Absichten verfolgt?” warf er ein. “Dad!” “Ich will nur nicht, dass mein Mädchen eine zu große Enttäuschung erlebt.” “Meinst du nicht, dass ich bereits eine Menge Enttäuschungen hinter mir habe?” Ich presste meine Lippen zusammen. Er wusste doch von all meinen vermasselten Verabredungen. Charlie seufzte und ein mitfühlender Blick trat auf sein Gesicht. Ein wenig überraschend, da er sonst nie Emotionen zeigte. “Und deshalb hab ich Angst, dass du noch mehr darunter leidest. Es kommt mir nämlich so vor, als wäre es dieses Mal etwas ernster.” Dass ihm das aufgefallen war. Waren mir meine Gefühle so anzusehen? “Dad… Du musst dir keine Sorgen machen. Edward ist ein anständiger Kerl. Er hat mir schon mehr geholfen, als irgendjemand sonst.” Und das war die Wahrheit. Ich wusste nicht, in welchem Zustand ich jetzt vor ihm sitzen würde, hätten Alice und Edward mich nicht bei der Sache mit Tayk und Claire unterstützt. “Du vertraust ihm, oder?” fragte er skeptisch. Ich nickte und holte tief Luft, um meinen Standpunkt noch mit einem festen und deutlichen “Ja” zu unterstreichen. Für ein paar Sekunden saßen wir da und beobachteten uns gegenseitig. Nur ganz langsam und vorsichtig zuckten seine Mundwinkel ein Stück nach oben. “In der Küche ist noch Pizza. Falls du Hunger hast”, durchbrach er die Stille. Schwerfällig erhob er sich und griff nach dem Ordner. “Das hier werde ich mal morgen wieder wegbringen.” Er strich mir noch über den Kopf, als er an mir vorbeiging. “Danke”, sagte ich, bevor er den Flur erreicht hatte. Er stoppte und hob seine Hand kurz in die Luft, dann verließ er das Zimmer. Jetzt lächelte auch ich. Dankbar, dass er mir dasselbe Vertrauen entgegenbrachte, wie ich Edward. Obwohl ich genügend Schlaf bekommen hatte, fühlte ich mich nicht besonders ausgeruht. Nur schwer raffte ich mich auf, um mich für den Tag fertig zu machen. Charlie war wie immer bereits wach. Als ich in die Küche kam, saß er am Tisch und las die Zeitung. “Morgen, Bells”, begrüßte er mich. Freundlich, so wie sonst auch. “Morgen.” Ohne ein weiteres Wort zu wechselten, aß ich mein Frühstück. Das Schweigen war nicht unangenehm, sondern das, was uns vor unserer kleinen Auseinandersetzung ständig umhüllt hatte. Ein Hupen signalisierte mir, dass Edward da war. Mein Kopf schnellte in die Höhe und sofort kribbelte es in meinem Bauch. Allerdings mit gemischten Gefühlen. Einerseits wollte ich nichts sehnlicher, als ihn wieder zu sehen, andererseits bedeutete das auch, mich abermals der Tatsache zu stellen, dass er nicht wirklich meiner Willen an mir interessiert war, als vielmehr einem Schatten, der jemandem aus seiner Vergangenheit ähnelte. Charlies Haltung hatte sich ebenfalls geändert. Er wirkte jetzt leicht angespannt. “Bis heute Abend”, verabschiedete ich mich von ihm, nahm meine Sachen und verließ das Haus. Edward lehnte an seinem Auto und hatte die Arme ineinander verschränkt. Als er mich sah, bildete sich ein Lächeln auf seinen Lippen, das mir Herzrasen beschwerte und meinen Körper mit Wärme flutete. Er kam mir entgegen und nahm mich sofort in die Arme, als hätte er mich seit Wochen nicht gesehen. “Guten Morgen”, flüsterte er mir ins Ohr und drückte mir einen zärtlichen Kuss auf eben diese Stelle. “Morgen”, antwortete ich leise. Noch bevor er sich wieder von mir löste, versteifte er sich kaum merklich. “Guten Morgen, Mr. Swan.” Er stellte sich gerade hin und ließ nur seinen Arm um meine Taille. Als ich mich umdrehte, bemerkte ich meinen Dad im Türrahmen stehen. Seine schmalen Augen musterten Edward wachsam. Als wollte er ihm allein dadurch mitteilen, dass er ihn im Auge behalten würde. “Morgen”, sagte er schließlich, stand noch für einen Moment reglos da und verschwand dann wieder im Haus. Edward zog mich langsam zum Volvo und als wir eingestiegen waren, nahm er wie selbstverständlich meine Hand in seine. “Hab ich… irgendwas falsch gemacht?” fragte er, als wir schon ein Stück weit gefahren waren. “Wie kommst du darauf?” “Also der Blick von deinem Vater war unmissverständlich”, lächelte er trüb und sah mich an, als hätte ich auch selbst darauf kommen können. “Er… ist nur vorsichtig. Das ist alles. Schließlich hatte ich noch nie solange einen Freund, verstehst du? Er will einfach nicht, dass ich verletzt werde…” Kurz sah er zu mir. Sein Blick war undefinierbar. Als wollte er analysieren, ob ich auch die Wahrheit sagte. Ob er zu einer Antwort kam, wusste ich nicht, denn er schwieg, als er wieder auf die Fahrbahn schaute. Er dachte nach, soviel stand fest, doch er war nicht böse auf mich. Er schien mit seinen Gedanken weit weg zu sein. Irgendwann entspannte sich seine Miene und kurz darauf spürte ich, wie seine Finger mit meinen spielten. Ich beobachtete das Hin und Her und ohne es beeinflussen zu können, zogen sich meine Mundwinkel nach oben. Seine Fingerspitzen kitzelten meine Handinnenfläche und ein Gefühl wie ein leichter Stromschlag durchzuckte meinen gesamten Arm. Mein Lächeln wurde breiter. Mein Blick folgte seiner Bewegung, als er unsere miteinander verschränkten Hände hob und an sein Gesicht führte. Er legte meinen Handrücken auf seine Wange, schloss die Augen und atmete tief ein. Anschließend hauchte er einen langen Kuss auf meine Haut, öffnete seine Augen wieder und sah mich liebevoll an. So liebevoll, dass ich nach Luft schnappen musste. Moment mal! Wieso konnte er mich solange ansehen, geschweige denn seine Augen schließen? Abrupt drehte ich meinen Kopf nach vorne und starrte durch die Windschutzscheibe. “Wir sind da”, schmunzelte er. “Oh” war alles, was ich hervorbrachte, was ihn nur noch mehr kichern ließ. “Na komm”, meinte er und stieg aus. Als wir beide draußen standen, nahm er sofort wieder meine Hand und gab ihr einen leichten Druck. Wir hatten erst die Hälfte des Schulhofs überquert, da kam Alice uns auch schon entgegen. Ein Strahlen auf dem Gesicht. “Hallo.” Sie umarmte erst mich ganz fest, dann Edward und ihre sonderbar gute Laune steckte schon fast an. Aber nur fast. “Warum so fröhlich?” fragte ich sie, während wir uns auf den Weg zur ersten Stunde machten. “Nur so.” “Hat es was mit Jasper zutun?” Augenblicklich erhellte sich ihr Gesicht und sie grinste. “Vielleicht?” “Ist gestern noch irgendwas passiert?” Musste man ihr jedes Wort aus der Nase ziehen? Sie schüttelte den Kopf. “Nicht was du denkst. Wir haben nur geredet und festgestellt, dass wir uns super ergänzen.” Edward hörte ihr genauso gespannt zu wie ich und zog mich dabei an seine Seite, um seine Lippen auf meine Haare zu legen. Und obwohl mir diese Geste einen Schauer über den Rücken jagte, fühlte ich mich gleichzeitig unwohl und verkrampfte mich ungewollt. Ich hoffte nur, dass er es nicht mitbekam. Ich lächelte Alice an, oder versuchte es zumindest. Sie erwiderte es, wurde aber gleich darauf ernst. “Fühlst du dich nicht gut?” Warum musste sich meine Gefühlswelt eigentlich jedem so offen darbieten? Doch noch ehe ich etwas erwidern konnte, hatte Edward schon das Wort ergriffen. “Sie ist nur noch nicht ganz wach. Das ist alles.” Ich fragte mich, ob ihm meine trübe Stimmung doch aufgefallen war. Ein Wunder wäre es jedenfalls nicht. Im Schauspielern war ich schließlich kein Naturtalent. Alice sah ihn stirnrunzelnd an, dann mich und dann seufzte sie lächelnd. Heute hatten wir drei die erste Stunde gemeinsam. Wir betraten den Klassenraum und setzten uns jeder auf unsere Plätze. Edward saß wie immer ein paar Reihen vor mir, während Alice gleich neben mir war. Ab und an, wenn ich zu ihr hinüber schaute, hatte sie ein Lächeln auf den Lippen. Ich freute mich für sie, doch im selben Moment machte mich der Anblick wehmütig. Sie wusste wenigstens, dass Jazz sie ihrer wegen mochte und keinem Phantom nachjagte. Ich hingegen lebte in einer Welt, in der mal wieder alles eher Schein als Sein war. Und obwohl ich mir eigentlich vorgenommen hatte, meine Rolle zu spielen, spürte ich, dass ich das nicht lange aushalten würde. Dafür war ich einfach zu sehr in ihn verliebt. Unerwiderte oder falsch erwiderte Gefühle konnten höllisch wehtun. Außerdem schien er schon sehr bald selbst dahinter zu kommen, dass mit mir nicht alles in Ordnung war. Spätestens dann müsste ich mich der Situation endgültig stellen. Doch noch war es nicht soweit und innerlich war ich ein klein wenig erleichtert, dass wir den Rest des Vormittages nicht zusammen Unterricht hatten. Das Klingeln zum Ende der Stunde riss mich unsanft aus meinen Gedanken. “Na? War der Stoff so anstrengend?”, lächelte Edward mitfühlend, als er an meinen Tisch trat. “Ein bisschen”, log ich. Die Wahrheit war, dass ich überhaupt nicht auf das Thema geachtet hatte. Alice verabschiedete sich bereits auf dem Flur von uns, um zu ihrem nächsten Fach zu gehen, während Edward mich noch zur meiner zweiten Stunde begleitete. Am Klassenraum angekommen, streichelte er mir verträumt über die Wange, weswegen sich das Blut darunter wieder sammelte und seine Lippen ein schmales Lächeln formten. Und doch wirkte er abermals nachdenklich. “Bis nachher”, hauchte er an meine Stirn, ehe er seine Worte mit einem Kuss auf diese Stelle versiegelte. Ich nickte, lächelte ihn noch einmal an und verschwand gleich darauf in dem Raum hinter mir. Der Rest des Vormittages verging eher schleppend und ständig machte ich mir Gedanken darüber, wie ich das Ganze am erträglichsten für uns beide machen konnte. Doch mir viel keine einzige Lösung ein. Dazu kam, dass ich manchmal immer noch verstohlene Blicke von anderen Schülern zugeworfen bekam und zu allem Überfluss war mir Claire einmal über den Weg gelaufen. Zwar nur ganz kurz, doch in dem Moment, in dem unsere Blicke einander streiften, erfüllte der blanke Hass ihr Gesicht. Völlig durcheinander wegen diesem kleinen Zusammentreffen, bemerkte ich nicht, wie ich auf dem Weg zur Cafeteria in jemanden hineinlief. Er hielt mich sachte an den Schultern fest, damit ich nicht nach hinten fiel. “Oh, Entschuldigung”, sagte er höflich, als sei er für den Zusammenstoß verantwortlich. Ich sah zu ihm auf und erst jetzt erkannte ich, dass er keiner der Schüler war. Dazu war er zu alt. Ich schätzte ihn auf Anfang Zwanzig. Er hatte kurze, hellbraune Haare und dunkle Augen, und seine Kleidung war lässig. “Kein Problem”, murmelte ich. “Ich hab ja nicht aufgepasst. Also muss ich mich entschuldigen.” Er lachte kurz auf, dann ließ er mich los und trat einen Schritt zurück. “Wie dem auch sei. Ich muss jetzt leider weiter, aber vielleicht sieht man sich ja noch mal.” Er zwinkerte mir noch zu, dann ging er an mir vorbei und verschwand im Flur. Ich sah ihm noch kurz hinterher. “Bella!” Das war Edwards Stimme. Ich drehte mich wieder zurück. Er kam auf mich zu und musterte mich mit gerunzelter Stirn. “Wer war das?” Ich zuckte mit den Schultern. “Keine Ahnung. Hab ich noch nie hier gesehen.” Er schaute ebenfalls noch einmal den Gang entlang, ehe er mich bei der Hand nahm und mit sich zog. Etwas zu grob meiner Meinung nach. Ich hatte Mühe, nicht zu stolpern. Erst als wir an der Cafeteria vorbei liefen, fiel mir auf, dass er einen verbissenen Ausdruck auf dem Gesicht hatte. Vor einer seltsam bekannten Tür blieb er stehen und schob mich sanft hinein. Ja, an diesen Ort konnte ich mich noch erinnern. Es war die Besenkammer, in der ich ihm von unserer Scheinbeziehung erzählt hatte. Leise und schnell schloss er die Tür hinter sich. Das schummrige Licht des Flures, das durch die raue Scheibe trat, zeichnete nur grob seine Konturen nach. “Was-”, setzte ich an, konnte den Satz aber nicht beenden. Ein mulmiges Gefühl entstand in meinem Magen. “Bella”, seufzte Edward gequält. Er legte seinen Kopf in den Nacken, atmete einmal laut aus und stemmte seine Hände in die Hüften, als er mich wieder ansah. “Verrätst du mir bitte, was mit dir los ist? Seit gestern Abend benimmst du dich merkwürdig. Wenn es etwas mit dem zutun hat, was ich dir erzähl-” “Nein”, fuhr ich ihm hastig dazwischen, nur um den nächsten Satz mehr zu mir selbst zu flüstern. “Nicht direkt…” Da war er. Der Moment, der unausweichlich war. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass er so schnell kommen würde. Es musste ihm also tatsächlich aufgefallen sein. “Was dann?” In seiner Stimme lag die pure Verzweiflung. Er machte sich Sorgen und weil er nicht wusste, was ich hatte, konnte er mir auch nicht helfen. Als wenn er das könnte, selbst wenn er der Grund kannte… Ich hatte meinen Blick auf den Boden gerichtet, doch seine Hände legten sich vorsichtig an mein Gesicht und zwangen mich, seinem Blick zu begegnen. “Bella”, hauchte er nervös. “Ich ertrage es nicht, dich so unglücklich zu sehen. Bitte verrate mir, warum du dich so traurig fühlst.” “Ich…” fing ich an, doch eigentlich wusste ich überhaupt nicht, wie ich es ihm erklären sollte. Ungeduldig huschten seine Augen hin und her. “Ich… Weißt du, das ist nicht so leicht.” “Versuch es”, bat er eindringlich. Der Kloß in meinem Hals wurde immer größer und das Schlucken fiel mir schwer. “Ich… hab wirklich versucht, mir das Alles nicht so zu Herzen zu nehmen. Ich wollte dir helfen. Auch wenn deine Gefühle nicht wirklich mir gelten.” “Was?” fragte er auf einmal völlig irritiert. “Was soll das denn heißen?” “Ich weiß, dass ich nicht Leah bin. Und das werde ich auch nie sein, aber vielleicht-” “Moment mal”, unterbrach er mich. “Was hat sie denn damit zutun?” Einen Augenblick hielt ich die Luft an. “…Ich weiß, dass du sie in mir siehst.” Das verschlug ihm die Sprache und er rang ernsthaft nach Worten. “Wie kommst du darauf?” Vollkommen entgeistert starrte er mich an. “Wieso sollte ich dich für sie halten?” “Das hast du doch selbst gesagt… Ich würde dich an sie erinnern.” “Bella…”, presste er hervor und klang jetzt wieder genauso gequält wie am Anfang. “Du glaubst, du wärst ein Ersatz?” Ich nickte stillschweigend. Wieder fehlten ihm die Worte, doch dann lachte er leise und verzweifelt auf. Die Erleichterung war unverkennbar. “Und ich dachte schon, du hättest jetzt Angst vor mir.” Erst verstand ich nicht, worauf er hinaus wollte, doch dann fiel mir ein, dass er ja dachte, er sei ein Mörder. Dass er auf so etwas kam, war wiederum für mich unbegreiflich. Als er wieder anfing zu reden, wirkte er ein klein wenig entspannter. “Es stimmt, dass du mich durch dein ganz eigenes Talent ein wenig an sie erinnert und so meine Aufmerksamkeit erregt hast, aber… das ist auch schon alles. Wärst du genauso wie sie… Nein, wäre sie genauso wie du gewesen, hätte ich mich doch in sie verliebt… Aber das habe ich nicht.” Ich wollte etwas sagen, doch er legte mir seinen Daumen auf die Lippen. “Weißt du, warum du so einzigartig bist? Was mich so an dir faszinierst?” Ein Lächeln, sogar durch das Halbdunkel erkennbar, zierte sein makelloses Gesicht. “Deine rehbraunen Augen, in die ich versinke und die mich süchtig danach machen… Deine dunklen Haare, die ständig zwischen deinen Lippen hängen bleiben, ohne dass du es bemerkst… Deine kleine spitze Nase, die du so niedlich rümpfst, wenn du böse wirst… Die kleine Falte, die sich zwischen deinen Augenbrauen bildet, wenn du etwas als absolut ungerecht empfindest… Deine blasse Haut, dessen Teint sich immer wieder aufs neue in diesem wunderschönen Rosé-Ton verfärbt, wenn ich das hier mache…” Vorsichtig kam er näher und küsste zärtlich meinen Wangenknochen. Und wie er es eben noch erzählt hatte, wurde mein Gesicht warm und ich wusste, dass ich rot geworden war. Mein Herz raste und meine Atmung ging so flach, dass ich nicht sicher war, ob diese Funktion überhaupt noch funktionierte. “Oder das hier…”, flüsterte er und legte seine Finger an meinen Hals, nur um das zu bestätigen, was ich eben erst selbst festgestellt hatte. “Dass du das Atmen vergisst, wenn ich dir zu nahe komme…” Ein Lächeln bildete sich auf seinen Lippen und ich spürte, wie meine Augen feucht wurden, als seine Worte in meinem Kopf widerhallten und ich nach und nach den Sinn begriff. Ihre Bedeutung, die mich unkontrolliert erzittern ließ und nur schwer in mein Bewusstsein drangen. Er betrachte mich mit einem so unglaublich intensiven Blick, der meine Knie weich werden ließ und ganz langsam zog er mein Gesicht wieder dichter an seines, was dazu führte, dass sich mein Puls beinahe überschlug. Wenn das denn überhaupt möglich war. Millimeter für Millimeter verringerte sich der Abstand zwischen uns und ich sehnte mich nach dem Augenblick, der danach folgte. “Bella, ich-” Ein Klingeln. Im ersten Moment dachten wir, dass es die Schulglocke war, doch es stellte sich heraus, dass Edwards Handy uns unterbrochen hatte. Seufzend löste er eine Hand von meiner Wange und holte es aus seiner Tasche. “Ja?” sprach er hinein. Sein warmer Blick ruhte auf mir. “Emmett…! Was-… Donnerstag?” Kurze Pause, dann grinste er. “Ehm… Ich kann sie mal fragen…” Wieder Stille. “Ja… …Aha…” Während er sprach, läutete es jetzt auch tatsächlich zum Ende der Mittagspause. Edward schloss die Augen und seine Braue zuckte leicht genervt in die Höhe. “Das war die Schulglocke… Ja, ich hab noch Unterricht…” Ich konnte mir ein leises Schmunzeln nicht verkneifen, was ihn seinen Blick sofort wieder auf mich richten ließ. Er lächelte. “Okay, bis dann.” Er klappte das Telefon zu und steckte es wieder weg. “Was wollte er?” fragte ich neugierig. “Das erzähl ich dir später, aber erstmal sollten wir hier raus, sonst kommen wir noch zu spät.” Wir traten auf den Flur und zu meinem Bedauern waren ein paar Schüler anwesend, die uns überrascht ansahen. Warum hatte ich bloß das dumpfe Gefühl, für neue Gerüchte verantwortlich zu sein? Mein Kopf wurde feuerrot, im Gegensatz zu Edwards. Den schien das nicht im Geringsten zu stören. Er legte seinen Arm um meine Hüfte und spazierte ruhig den Gang entlang. Dieses Mal verkrampfte ich mich nicht. Ich musste zugeben, dass seine Worte einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatten, auch wenn immer noch kleine Zweifel aufkommen wollten. Und dennoch glaubte ich ihm jede Silbe, die sich wie Balsam auf meine Seele legte. Ich konnte wieder Hoffnung schöpfen. Er war doch wegen meiner mit mir zusammen. Ich war kein Lückenfüller. Ein wohliges Gefühl breitete sich in mir aus und als wäre eine riesige Bürde von mir gefallen, fühlte ich mich leichter. Edward setzte mich vor meinem nächsten Klassenraum ab. “Ich hab nachher noch Training. Wenn du willst, kannst du mit Alice nach Hause fahren.” Es klang, als wollte er diesen Satz eigentlich nicht sagen und als ich ihm antwortete, ich würde auf ihn warten und ihm beim Spiel zusehen, hellte sich seine Miene auf. Gleich darauf sah er aber wieder besorgt aus. “Wegen vorhin… Du glaubst mir doch, oder? Du bist wirklich kein Ersatz. So etwas würde ich dir niemals antun.” Ich holte tief Luft und dachte noch einmal darüber nach. Er hatte so ernst geklungen, so sicher in seinem Standpunkt, dass es fast unmöglich war, seine Worte als eine Lüge zu sehen. Und das würde er doch erst recht nicht tun. Er würde mich nicht anlügen. Natürlich konnte ich mir noch nicht hundertprozentig sicher sein, aber ich wollte es. Ich wollte es so sehr. Um zu verhindern, dass ich unter all der Last zusammenbrach. Zaghaft nickte ich. “Okay”, lächelte er, strich mir über den Kopf und hauchte einen Kuss auf meine Lippen. “Bis nachher.” Ich musste ihm einfach glauben. ~~~~~~~~~~~~~~~~~ Ich bin mir mit dem Chap etwas unsicher. Ich hoffe, es gefällt...^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)