For The Ones Who Search For Love von absinthe (Bella und Edward helfen sich gegenseitig in Sachen Beziehungen, doch dann stellt sich heraus, das vieles mehr Schein als Sein ist und dass diese Entdeckung beide in eine unerwartete Richtung wirft.) ================================================================================ Kapitel 17: Pool der Erinnerungen --------------------------------- Sorry, dass es so lange gedauert hat und das Kapitel trotzdem nicht so lang ist, wie sonst. Ich muss gestehen, dass es schwierig war, da Edwards Charakter hier ein wenig andere Züge annimmt, die für einige von euch vielleicht etwas verwirrend sein könnten. Es war kompliziert, das richtig darzustellen und gleichzeitig nicht zuviel durchblicken zu lassen. Auch was Bellas Verhalten angeht und wie sie auf alles reagiert...;) Ich hoffe, ihr könnt beiden ansatzweise folgen...^^° Übrigens wollte ich mich mal bei euch allen bedanken für die ganzen Kommentare. Ich liebe jeden einzelnen...*_*... So, und jetzt viel Spass... Linkin Park - Forgotten http://www.youtube.com/watch?v=2V_MxGLT7TI ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Hatte ich mich gerade vielleicht verhört? Erst meldete er sich nicht, mied meine Gesellschaft, dann wollte er es langsam angehen und jetzt… verleugnete er mich? Der Schmerz durchzog mich wie ein Stromschlag. Meine Lungen wollten mir nicht mehr die Menge an Sauerstoff geben, die ich brauchte, um normal atmen zu können. Meine Kehle fühlte sich trocken an. Beim Schlucken hatte ich jedes Mal das Gefühl, Steine gegessen zu haben. Ich zitterte am ganzen Leib und obwohl es Sommer war, fror ich plötzlich. Mein Körper stolperte unbeholfen zurück, während ich mit weit aufgerissenen Augen von hinten auf seine Silhouette starrte. Erst da bemerkte ich, dass er eine Hand hinter seinem Rücken versteckte. Sein Mittelfinger war krampfhaft mit seinem Zeigefinger gekreuzt. Als wolle er auf gar keinen Fall, dass sie sich wieder lösten. Sie zitterten kaum merklich und es wirkte, als wollte er mich darauf aufmerksam machen. Sollte es das sein, was ich vermutete? Was ich hoffte, zu vermuten? Dass er eben gelogen hatte. Dass er das, was er sagte, nicht so meinte. Es musste einen Grund geben, warum er mich in Anwesenheit dieses… Bekannten so vorstellte. Denn das sollte es. Das wollte ich jedenfalls glauben. Edward würde mich nach der Sache mit Claire doch nicht einfach so fallen lassen, oder? Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Allein der Gedanke… Innerlich schüttelte es mich und ich verdrängte diese Vermutung schnell. Das leichte Schwindelgefühl, das aufkommen wollte, klang langsam wieder ab. Meine Atmung normalisierte sich ein wenig. “Schön, dich kennen zu lernen, Bella.” Die Stimme von diesem Seth lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf ihn. “Hi”, antwortete ich nur knapp. “Du machst deinem Namen wirklich alle Ehre.” Sein Lächeln wurde breiter. Ich wusste nicht, wie ich auf ihn reagieren sollte. Edward schien jedenfalls etwas gegen ihn zu haben und selbst Tayk war nicht gerade begeistert, ihn hier zu sehen. “Du gehörst doch zu den Wolves, oder?” fragte der Kapitän und kam näher. Seths Kopf drehte sich überrascht zu ihm. “Kennen wir uns?” “Nicht direkt… Man könnte sagen, wir haben einen gemeinsamen Freund aus alten Zeiten”, entgegnete er und nickte in Edwards Richtung. “Das mit dem Freund hab ich wohl gerade überhört”, meinte Edward trocken. Tayk sah ihn kurz an und verdrehte dann die Augen, ehe er sich wieder unserem Gast zuwandte. “Also? Was führt dich hierher? Willst du ihn wieder zurückholen?” “Tayk, halt die Klappe!” zischte Edward und hatte seinen Blick ebenfalls wieder auf den Neuen gerichtet. “Geh wieder zurück, Seth. Wir hatten eine Abmachung, falls du das vergessen hast. Also halt dich dran.” “Irgendwo muss ich ja wohl anfangen, oder?” “Wir haben gestern schon darüber geredet, also lass das Thema. Sei lieber froh, dass ich deiner Bitte nachkomme”, würgte Edward ihn ab. War dieser Junge der Besuch, der bei ihm war und weswegen er sich nicht mit mir treffen konnte? Gehörte er vielleicht auch zu dieser Gruppe, in der Edward damals war? Ich sah bei all dem überhaupt nicht mehr durch. Er hatte mir zwar erzählt, dass er früher in einer Gang war, aber nicht, was genau dort vor sich ging. Und dann gab es ja noch die Polizeiakte. Einer von Seths Mundwinkeln zuckte verächtlich nach oben. “Eigentlich… hast du überhaupt nicht das Recht, so mit mir zu reden… Trotzdem. Ich hab dir gestern schon gesagt, dass ich dir nicht die Schuld für das, was damals passiert ist, gebe.” “Ja, klar…” murmelte Edward leise und spöttisch zu sich selbst, während er den Kopf hängen ließ und auf den Boden starrte. “Das meine ich so, wie ich es sage, glaub mir. Auch wenn Jake das vielleicht anders sieht.” Seths Ton war jetzt eine Spur ernster, als noch zu Anfang. Edward legte sich eine Hand über die Augen und stützte die andere in die Seite. Ein paar Sekunden verhaarte er in dieser Position und nahm einen tiefen, zittrigen Atemzug. Als müsste er sich erst einmal sammeln. Ich wusste nicht, was mit ihm los war, doch ich wusste, das es ihm nicht gut ging. Wovon auch immer der fremde Junge sprach, es schien Edward ziemlich aufzuwühlen. Vielleicht hatte er sich gestern deshalb nicht bei mir gemeldet. Weil dieser Besuch mehr Erinnerungen hervorrief, als ihm lieb war. Ich verspürte das dringende Bedürfnis, ihm irgendwie beizustehen. Nur ein paar Schritte und ich stand neben ihm, um seine, in die Hüfte gestemmte Hand in meine zu nehmen und sie sanft zu streicheln. Obwohl ich bereits seinen Protest erwartete, tat er nichts und ließ meine Geste zu. “Hey… alles in Ordnung?” flüsterte ich und sah vorsichtig zu ihm auf. Langsam strich er mit der Hand über sein Gesicht und entzog mir gleichzeitig die andere. Dann wandte er seinen Blick zu mir. “Musst du nicht los? Alice wartet bestimmt auf dich”, meinte er mit gedrückter Stimme und zwang sich, zu lächeln. Sollte sie? Wir hatten nichts dergleichen ausgemacht. Soweit ich wusste, sollte sie mich doch nur heute morgen mitnehmen, nicht aber wieder zurück. Oder hatte ich etwas nicht mitbekommen? Ich war nach der letzten Stunde Hals über Kopf aus der Schule gestürmt, nur um Edward noch rechtzeitig zu erwischen. Dass Alice eventuell davon ausging, ich würde wieder mit ihr mitfahren… Daran hatte ich nicht gedacht. Aber sie wusste, dass ich noch mit Edward reden wollte und ihr war eventuell der gleiche Gedanke gekommen, den auch ich jetzt hatte. “Ich dachte, du würdest mich wieder mitnehmen”, meinte ich hoffnungsvoll. “Ich… Ich muss das hier noch regeln und das könnte etwas länger dauern.” “Wieso? Wenn sie möchte, kann sie uns doch Gesellschaft leisten und uns vielleicht sogar helfen”, meldete sich Seth plötzlich wieder zu Wort. Edwards Kopf wanderte sofort zu ihm, jetzt wieder mit kalter Miene. “Das geht nur uns was an. Außerdem hab ich dir gesagt, dass du dich aus meinem Leben raushalten sollst.” “Müsstest du nicht derjenige sein, der jedem eine zweite Chance gewähren sollte?” fragte Seth mit hochgezogenen Augenbrauen. “Wie soll ich das machen, wenn ich keine neuen Kontakte knüpfe?” “Mach, was du willst, aber nicht in meinem Freundeskreis”, entgegnete Edward schroff. “Kannst du mir mal verraten, warum du so wütend bist, seit ich hier bin? Früher haben wir uns auch blendend verstanden…” “Früher war auch alles anders. [í]Ich bin jetzt ein Anderer”, erklärte er grantig. “Ja, und du hast Angst, ich könnte dir dieses wundervolle, neue Leben vermasseln, richtig?” spottete Seth und schüttelte seinen Kopf. “Ich glaub das einfach nicht… Du bist so armselig geworden. Der alte Edward hätte sich voll und ganz für seine ’Brüder’ eingesetzt. Was du jetzt machst, ist sich zu verkriechen.” “Du hast doch keine Ahnung”, flüsterte Edward mit zusammengebissenen Zähnen. Sein Gegenüber lachte kurz ungläubig auf. “Ich?… Ich hab keine Ahnung? Das sagst du ausgerechnet mir?” Edward sog scharf die Luft ein und wandte den Blick zur Seite. Auch wenn er es versuchte zu verbergen, konnte ich sehen, dass ihm seine Worte tatsächlich Leid taten. Seth schien auf eine Antwort zu warten, kam aber anscheinend zu dem gleichen Ergebnis wie ich. Er würde keine bekommen. “Weißt du was?” meinte er verächtlich und hob abwehrend seine Hände. “Ich brauch deine Hilfe nicht. Ich komm auch so klar. Genieß dein ach so tolles, neues Leben mit deinen ach so tollen, neuen Freunden. Ich werde dich nicht weiter belästigen.” Er stolperte noch ein paar Schritte rückwärts, dann drehte er sich um und ging mit Händen in den Hosentaschen davon, während er mit seiner Fußspitze ein paar Kieselsteine vor sich herschubste. Edward sah ihm noch hinterher, seine Lippen zu einer schmalen Linie verzogen, sein Gesicht verzerrt vor Wut… und Trauer? Er schnaubte leise und drehte sich dann ebenfalls weg, nur um im nächsten Moment mit voller Wucht gegen die Bank zu treten und sie ein paar Meter weiter zu befördern. Tayk, der als Einziger noch vom Baseballteam hier war, schaute ihn mit weit aufgerissenen Augen an, genauso wie ein paar Schüler, die noch auf der Tribüne saßen. “Verdammt…” murmelte er und legte Zeige- und Mittelfinger auf seinen Nasenrücken, während seine Augen geschlossen waren. Seine Brust hob und senkte sich sichtlich. Immer wieder holte er tief Luft. So hatte ich ihn noch nie gesehen. Okay, ich hatte noch nicht sehr viele Möglichkeiten, seine verschiedenen Charakterfacetten zu beobachten. Ich wusste nicht, ob ich mich freuen sollte, diese Seite an ihm zu entdecken oder nicht. Wohl eher letzteres. Bisher kannte ich ihn nur als denjenigen, der mich stützte und mir Halt gab. Der immer die starke Schulter zum Anlehnen hatte. Ihn jetzt so zu sehen, brach mir beinahe das Herz. Vergessen war das eben gehörte; seine Bemerkung, von der ich jetzt fast sicher war, dass es nur ein Vorwand sein sollte. Gerade jetzt schien er derjenige zu sein, der dringend Unterstützung brauchte. Er hatte mir geholfen, also half ich ihm. Meine Probleme waren momentan nicht wichtig. “Edward..?” sagte ich leise und legte ihm meine Hand auf den Rücken. Für einen Moment wirkte er überrascht, als er seine Hand wieder herunternahm und mich verwirrt ansah. Dann lächelte er, jedoch ohne jegliche Überzeugungskraft. “Alles bestens…” erwiderte er. Offenbar versuchte er sich seine innere Unruhe nicht anmerken zu lassen. “Was meintest du mit ’Abmachung’?” mischte Tayk sich plötzlich ein. Edward und ich drehten uns synchron zu ihm um. “Das geht dich einen Dreck an”, bekam er von seinem ehemals besten Freund als Antwort. Auch wenn sie schwach klang, hatte sie doch den gewünschten Effekt. “Wie du meinst”, entgegnete dieser nur, warf ihm noch einen Mach-doch-was-du-willst-Blick zu und ging dann Richtung Schulgebäude zurück. Hatte er ernsthaft erwartet, Edward würde so mir nichts dir nichts wieder normal mit ihm reden? “Wollen wir?” fragte ich schließlich. Er drehte sich zu mir um und nickte dann, ehe er seinen Baseballschläger aufhob und ihn locker an der Seite baumeln ließ. Gemeinsam liefen wir zu den Umkleiden, wo ich draußen auf ihn wartete. Es dauerte nicht lange, da war er auch schon fertig. Während wir nebeneinander zum Parkplatz liefen, widerstand ich dem ständigen Drang, einfach seine Hand in meine zu nehmen, zumal er diese sowieso in den Hosentaschen versteckt hatte. Ich wusste nicht, inwieweit er es zulassen würde. Vorhin hatte er nichts dagegen gehabt, doch ich wollte mein Glück nicht überstrapazieren. Ich wusste immer noch nicht, aus welchem Grund er mich als eine Freundin vorgestellt hatte, auch wenn es dazu bereits ein paar Theorien meinerseits gab. Und die logischste hatte etwas mit diesem Seth zutun. Und so sehr ich nachfragen wollte, so viel Angst hatte ich auch, dass Edward abblocken würde. Ich musste also warten, bis er selbst damit anfing. “Ich hab ja gesagt, Alice wartet auf dich”, riss mich seine Stimme aus meinen Gedanken. Ich sah auf und konnte das kleine, schwarzhaarige Mädchen neben ihrem Auto stehen sehen, ein fröhliches Lächeln auf dem Gesicht. Womit ich nicht gerechnet hatte, waren Emmett und Roxy. Sie standen direkt neben ihr und grinsten uns an. Edward schien genauso überrascht wie ich. “Sieht so aus, als hättest du ihn gefunden”, stellte Alice fest. “Ja, hab ich”, meinte ich nur und versuchte zu lächeln. Den Dreien fiel die Stimmung, die zwischen uns herrschte auf und sofort machten sie besorgte Gesichter. Selbst Roxy, die immer so aufgeweckt wirkte, schien die gedrückte Atmosphäre zu spüren und blieb ruhig. “Stimmt irgendwas nicht?” wollte der bärige Lockenkopf wissen. “Nichts…” - “Jemand namens Seth ist…” redeten wir beide gleichzeitig los und hielten mittendrin inne. “…hier aufgetaucht”, beendete ich langsam meinen Satz, während Edward mich mit einem vorwurfsvollen Blick bedachte. Sofort bereute ich meine voreilige Erklärung. Ich hatte nicht dran gedacht, dass er vielleicht nicht wollte, dass sein Bruder von dem Besuch wusste. Ich schluckte und sah ihn dann entschuldigend an. Er atmete tief ein und im nächsten Augenblick wurden seine Gesichtszüge wieder weich. “Tut mir Leid.” “Mein Fehler. Ich hab nicht das Recht, mich da einzumischen”, antwortete ich. Dennoch hatte Emmett bereits mitbekommen, worum es ging, weshalb seine Miene schlagartig misstrauisch wurde, während Alice uns irritiert beobachtete. “Jemand, den ich kenne?” fragte er nach. “Nein…, und es hat auch nichts weiter zu bedeuten”, meinte sein Bruder schlicht. Emmett schien ihm das nicht so recht abzukaufen und drehte seinen Kopf zu mir, doch dieses Mal schwieg ich. “Weshalb bist du eigentlich hier?” lenkte Edward ein. “Ich hab mit Erlaubnis von Rose Roxy von der Schule abgeholt und weil ich dich sowieso noch was fragen wollte, bin ich auf gut Glück gleich mal hier vorbeigekommen. Die High School ist ja gleich um die Ecke. Als ich Alice getroffen hab und sie meinte, du wärst noch da, hab ich gewartet.” “Was wolltest du denn?” fragte ihn sein kleiner Bruder. “Na ja…“ fing er an und kratzte sich verlegen am Kopf. “Wir wollen heute in den Vergnügungspark”, plapperte das kleine, blonde Mädchen ihm dazwischen und hatte ihr Lächeln mittlerweile wieder gefunden. “Genau”, stimmte ihr Emmett zu. “Ich wollte euch fragen, ob ihr nicht Lust hättet, uns zu begleiten. Je mehr Leute wir sind, desto mehr Spaß haben wir.” Und mit einem kurzen Blick zu Alice fügte er noch hinzu: “Du kannst auch mit, wenn du willst.” Diese machte große Augen, dann runzelte sie nachdenklich die Stirn. “Ich könnte Jasper auch fragen, ob er mit will… falls er nicht schon was vorhat…” murmelte sie mehr zu sich selbst und tippte sich ans Kinn. Einer meiner Mundwinkel zuckte bei dem Anblick nach oben. Als ich kurz zu Edward hinüberblinzelte, bemerkte ich, dass er sich immer noch nicht entschieden hatte. “Wir kommen auf jeden Fall mit”, bestätigte ich gleich darauf Emmetts Bitte, noch ehe sein Bruder etwas sagen - oder ablehnen konnte. Die Ablenkung würde ihm mit Sicherheit gut tun. Etwas verwirrt blickte er in meine Richtung, woraufhin ich ihn vorsichtig anlächelte, in der Hoffnung, er würde es mir nicht zu übel nehmen. Doch scheinbar tat er das nicht. Er betrachtete mich nur ziemlich lange, bevor er sich Emmett zuwandte. “Wann treffen wir uns denn?” “Also, ich bring nur schnell Roxy nach Hause, damit sie ihre Schultasche abstellen kann und nehm auf diesem Weg gleich Rose mit. Ich dachte, so in einer Stunde vorm Golden Gate Park?” Edward nickte. “Gut. Dann sehen wir uns dort.” Ich wollte gerade etwas zu Alice sagen, als ich feststellen musste, dass sie nicht mehr dort stand, wo ich sie erwartet hatte, sondern etwas weiter abseits. Sie telefonierte, wobei das Grinsen auf ihrem Gesicht immer breiter wurde, ehe sie freudestrahlend auflegte und mit leuchtenden Augen wieder zu uns kam. “Okay, Jasper kommt mit”, teilte sie uns mit und hatte alle Hände voll damit zutun, ihre Aufregung zu verbergen. Hastig umarmte sie mich und meinte noch: “Ich hab gar nicht soviel Zeit übrig. Ich muss mir noch was zum Anziehen heraussuchen und ihn dann auch noch abholen. Er hat nämlich kein Auto. Ich würde dir ja so gerne helfen, ein Outfit zu finden, aber das würde einfach zu lange dauern. Ich hoffe, du verzeihst mir. Also bis später”, beendete sie ihren Redeschwall. Den letzten Teil richtete sie an alle. Noch bevor ich etwas erwidern konnte, war sie schon in ihrem Auto verschwunden. Sie gab mir noch einen entschuldigenden Blick und zwinkerte mir zu (was ich nicht ganz deuten konnte), dann startete sie den Motor und fuhr vom Parkplatz. Ich hatte sie gar nicht gebeten, mir zu helfen. Als das Geräusch ihres Wagens verschwunden war, verabschiedeten sich Emmett und ein grinsendes Mädchen ebenfalls. Nun waren nur noch Edward und ich übrig. “Sieht so aus, als müsstest du mich doch mitnehmen”, stellte ich seufzend fest und sah Roxy und ihrem ’Bodyguard’ nach, die schon fast die Ausfahrt des Parkplatzes erreicht hatten. “Bella… Das vorhin sollte sich nicht so anhören, als würde ich das nicht gerne tun”, rechtfertigte er sich mit nervöser Stimme und drehte seinen bronzenen Schopf zu mir. Ich wandte mich ebenfalls zu ihm und lächelte aufmunternd. Ich versuchte, so gut es ging, mir nicht anmerken zu lassen, dass mich seine distanzierte Art kränkte. Ich wusste ja - oder hoffte jedenfalls -, dass es nicht direkt mit mir zutun hatte, sondern mit dem Umstand, dass ihn dieser unerwartete Besuch durcheinander brachte. Umso mehr freute ich mich, dass er eben nicht abgesagt hatte. So konnte ich den ganzen Nachmittag mit ihm verbringen und vielleicht sogar etwas mehr über sein altes Leben erfahren. Ich wollte ihn nicht drängen, und wenn er mir nichts von sich aus erzählte, würde ich es auch dabei belassen. Dabei wollte ich ihn doch nur ein bisschen besser verstehen. Das war alles. “Ich weiß”, sagte ich letztendlich. “Ganz sicher?” vergewisserte er sich und fixierte mich prüfend. Ich nickte. Zärtlich strich er mir mit dem Handrücken über die Wange, woraufhin ich für einen kurzen Moment die Augen schloss und die Berührung genoss. Das schneller schlagende Herz; das Kribbeln im Bauch, das sich langsam im ganzen Körper ausbreitete; die erhitzten Wangen und dieses unbeschreibliche Glücksgefühl, das ich dabei empfand… Wie konnte ich nur einen Tag ohne das alles auskommen? Und wie lange würde es dieses Mal anhalten? Ich atmete tief ein und sog den Duft, den seine warme Haut verbreitete, ein, woraufhin ich ein leises Schmunzeln hörte. Als ich meine Augen wieder öffnete, zog mich ein schiefes Lächeln in seinen Bann. Auch wenn es nicht seine volle Intensität erreichte, steckte es an. “Ach, Bella…” seufzte er und zog mich in seine Arme. Obwohl ich zuerst etwas überrascht über diese Geste war, da sie das genaue Gegenteil von dem darstellte, was er die letzten vierundzwanzig Stunden getan hatte, wehrte ich mich nicht, sondern entspannte mich wieder. Dafür hatte ich es einfach viel zu sehr vermisst. Er legte seine Wange auf meinen Kopf und zeichnete ganz sanft Kreise auf meinen Rücken. Obwohl es sich anfühlte, als würde er mich kaum berühren, konnte ich jede einzelne Fingerspitze spüren, wie sie meine Wirbelsäule entlang strichen und über meine Schulterblätter wanderten, während die andere Hand immer wieder an meiner Taille entlang streichelte. Ein regelrechter Schauer überkam mich. Ein angenehmer, wohl gemerkt und ich könnte ihn jeden Tag, rund um die Uhr, genießen. “Tut mir Leid”, flüsterte er in meine Haare. Ich wollte bereits etwas sagen, doch da redete er auch schon weiter. “Wegen gestern und auch wegen heute…, vor allem wegen vorhin. Ich wollte dich nicht verletzen.” Das hieß dann wohl, dass meine Schauspielkünste kläglich versagt hatten. Mal wieder. “Heißt das, ich bin doch nicht nur eine Freundin?” fragte ich nach. “Ganz bestimmt nicht. Du bist meine Freundin. Meine ganz alleine… Vorausgesetzt, du hast nichts dagegen.” Ich fühlte mich erleichtert, es aus seinem Mund zu hören, trotzdem gab es immer noch eine gewisse Spannung zwischen uns. “Ich gehe nicht davon aus, dass du mir verrätst, warum du das gesagt hast, oder?” “Bella, ich…” fing er an. “Schon gut. Ich verstehe das”, unterbrach ich ihn. Eigentlich stimmte das nicht ganz und ohne einen konkreten Grund konnte ich nur Vermutungen über seine Beweggründe anstellen. Doch ich empfand es einfach nicht als den richtigen Zeitpunkt, jetzt auf dieser Kleinigkeit herumzureiten. Ich musste ihm einfach vertrauen. Er antworte nicht auf meine Worte, nur seine Haltung versteifte sich etwas. “Ich glaube übrigens, dass Alice da noch ein Wörtchen mitzureden hat”, warnte ich ihn mit ernster Stimme vor und lenkte gleichzeitig vom Thema ab. Erst verstand er nicht, wovon ich redete, doch dann kicherte er. “Okay, ich gebe zu, dass ich vergessen habe, den kleinen Wirbelwind mit einzuplanen. Ich sollte wohl sehr bald mit ihr in Verhandlungen treten. Ich denke, wenn ich dich für 99,9 Prozent deiner Zeit beanspruche, ist das noch fair, findest du nicht?” Das ohnehin schon anhaltende Kribbeln in meinem Bauch wurde stärker. “Oh, ich bezweifle, dass sie sich damit zufrieden geben wird”, grinste ich. “Na gut, ich lass ihr auch die 0,9 Prozent”, seufzte Edward resigniert. Spätestens jetzt musste ich leise lachen. Dabei kannte er Alice’ Verhandlungsfähigkeiten noch nicht mal so, wie ich sie erst gestern miterleben musste. Plötzlich und ohne Vorwarnung schob er mich von sich weg, jedoch ohne seine Hände von meinen Schultern zu lösen, und sah sich hektisch um. “Stimmt was nicht?” wollte ich wissen. Noch einen Augenblick schaute er in alle Richtungen, ehe er seinen Kopf wieder zu mir drehte. Eine Sorgenfalte hatte sich auf seiner Stirn gebildet. “Ich hab nur eben gedacht, dass wir beobachtet würden”, erklärte er. Eine meiner Augenbrauen schob ich nach oben. Jetzt sah ich mich ebenfalls um. Etwas, das scheinbar in Vergessenheit geraten war, kam mir wieder in Erinnerung. Damals, als ich Edward von dem Date mit Tayk erzählt hatte, entstand bei mir ebenfalls das Gefühl, nicht alleine mit ihm gewesen zu sein. Edward hatte es als eine Einbildung meinerseits abgetan, als ich davon ausging, ein Rascheln im Busch gehört zu haben. “War vielleicht bloß meine Fantasie, die mit mir durchgegangen ist.” Ich sah ihn etwas skeptisch an, doch er lächelte nur. Allerdings kam es mir so vor, als wäre es aufgesetzt. “Bist du dir da sicher?” hakte ich nach. “Ja… Und jetzt lass uns gehen. Wir müssen schließlich auch noch bei dir Zuhause ran”, sagte er und führte mich zu seinem Volvo. “Fährst du vorher nicht mehr zu dir?” Er schüttelte den Kopf. “Nein. Ich hab alles, was ich brauche, hier. Und durch Emmett wissen Carlisle und Esme bestimmt schon, dass wir unterwegs sind. Aber ich denke, du würdest deinem Dad gerne eine Nachricht hinterlassen, oder?” fragte er mich, während er den Motor startete und vom Schulgelände fuhr. Bei der Erwähnung meines Vaters zog sich mein Magen zusammen. Wenn ich an unseren Streit von gestern zurückdachte, wurde mir übel. Ich schlang meine Arme um meinen Körper und starrte aus der Windschutzscheibe. Es war eigentlich selten, dass wir nach einer Auseinandersetzung so abweisend miteinander umgingen. Normalerweise vertrugen wir uns relativ schnell wieder. Dieses Mal war es jedoch anders. Ich konnte mich nicht richtig mit Charlie aussprechen, weil ich ihm nicht alles sagen konnte. Ich wollte ihn nicht mit meinen Problemen belasten. Doch dass er jetzt offensichtlich - Dank Claire - etwas gegen Edward hatte, gefiel mir ganz und gar nicht. Zumal ich ihn noch nicht einmal richtig überzeugen konnte, dass Letzter ein völlig Anderer war, als früher. Auch wenn ich den alten Edward nicht kannte, konnte ich mir einfach nicht vorstellen, dass der Jetzige etwas tun könnte, das ihn in Schwierigkeiten bringen würde. Selbst wenn ich Charlie von Claires wahrem Charakter erzählen würde… Er wäre trotzdem noch misstrauisch auf meinen Freund. Allein schon die Erwähnung einer Polizeiakte verursachte scheinbar einige Vorbehalte. Wenn es diese Akte überhaupt gab. Wer sagte denn, dass das alles nicht nur erfunden war? Claire traute ich mittlerweile alles zu. Allerdings müsste sie dann aber auch wissen, dass sie ihr Vertrauen bei meinem Vater verloren hätte, würde sich herausstellen, dass sie gelogen hatte. So ungern ich es zugab: So dumm war sie nicht. Und ihr Vater war Richter, ihre Mutter Journalistin. Eine Kombination, die, wenn man sie denn richtig nutzte, jede Menge Vorteile brachte. Was wenn sie das irgendwie ausgenutzt hatte und deshalb soviel über Edwards Vergangenheit wusste? “Alles in Ordnung mit dir?” fragte mich dieser, während er vorsichtig über meinen Oberarm strich und hin und wieder seinen Blick von der Fahrbahn wandte, um mich anzusehen. Eine Sekunde schaute ich ihn einfach nur an. Er wusste ja nichts von meinem Streit mit Charlie, genauso wenig wie von dem Auslöser: Claires Anruf. Ich überlegte, ob ich ihm davon erzählen sollte, beschloss dann aber, es zu lassen. Im Moment hatte er einfach genug um die Ohren. “Mir geht’s gut”, log ich, auch wenn ich wusste, dass er mir das nicht abkaufen würde. Allein sein Gesichtsausdruck zeigte mir diese Tatsache. “Wirklich”, fügte ich noch mit etwas Nachdruck hinzu, nahm seine Hand, um sie zwischen meine beiden zu platzieren und seine Finger mit meinen zu verschränken. Es sah immer noch nicht überzeugt aus, beließ es aber erstmal dabei. Den Rest der Fahrt schwiegen wir. Nur das leise Summen des Radios war zu hören, während jeder von uns seinen Gedanken nachhing. Es war nicht schwer, zu erraten, worüber Edward wieder nachdachte. Dieser Seth schien ihm nicht aus dem Kopf zu gehen. Gedankenverloren starrte er nach vorne. Seine linke Hand wickelte sich ungesund fest um das Lenkrad, wobei seine Knöchel bereits weiß hervortraten. “Edward, wir sind da”, bemerkte ich mit gerunzelter Stirn, als er gerade dabei war, an unserem Haus vorbeizufahren. Fragend drehte er sich zu mir um, sah dann in den Rückspiegel und konnte wohl gerade noch die letzten Reste des immer kleiner werdenden Gebäudes, in dem ich wohnte, erkennen, ehe er mit voller Wucht auf die Bremse trat und uns so gegen unsere Gurte schleuderte. “Entschuldigung”, murmelte er und drehte in einer fremden Einfahrt den Wagen. “Ich war in Gedanken…” “Das hab ich gemerkt.” Jetzt konnte ich mich nicht mehr zurückhalten und einen Versuch war es immerhin wert. “Willst du darüber reden?” Für ein paar Sekunden sah er mich nachdenklich an, dann schaute er wieder nach vorne. “Nein… Jedenfalls nicht heute…” Wie ich es mir gedacht hatte. Ich nickte langsam und drehte meinen Kopf ebenfalls nach vorne. “Okay…” Mit einem leicht mulmigen Gefühl stieg ich aus, als er geparkt hatte, und ging ins Haus. Ich wusste ja, dass Charlie auf Arbeit war. Trotzdem verursachte mir meine bloße Anwesenheit hier Unbehagen. Ich war etwas überrascht, als Edward hinter mir im Flur auftauchte, da ich davon ausging, dass er im Auto warten würde. “Ich muss nur kurz aufs Bad”, entschuldigte er sich und verschwand, nachdem ich ihm gezeigt hatte, wo es sich befand, in der besagten Richtung. Währenddessen brachte ich meine Schultasche in mein Zimmer und nahm mir eine etwas kleinere, in der ich nur das nötigste mitnahm. Anschließend ging ich in die Küche, um Charlie eine Nachricht zu schreiben. Es würde nichts bringen, ihm noch mehr Sorgen zu bereiten, so gern ich es aus Trotz auch gemacht hätte, würde ich ihm nicht mitteilen, wo ich war. Ich erwähnte nur, dass ich mit Alice unterwegs sein würde und ließ Edwards Namen ganz aus dem Spiel. Seufzend pinnte ich den kleinen Zettel an den Kühlschrank. Ich überlegte noch kurz, ob ich schnell etwas essen sollte. Doch im Park würde es sicherlich ein paar Stände geben, wo ich mir etwas kaufen konnte. Ein Knarren ließ mich hochschrecken. Eigentlich völlig unnötig, mir deswegen Sorgen zu machen. Der Einzige, der sich außer mir im Haus befand, war Edward. Vermutlich kam er gerade aus dem Bad. “Ich bin in der Küche”, rief ich in den Flur, doch es kam keine Antwort. Etwas seltsam war es schon. Die Haustür hatte ich nicht abgeschlossen. Warum auch. Wieso ging ich überhaupt davon aus, jemand würde hereinkommen? Langsam verließ ich die Küche und ging Richtung Bad, das sich am Ende des Flures befand. Die Tür stand einen Spalt breit offen. Vorsichtig lugte ich hindurch. “Edward?” Doch es war niemand da. Es gab keinen Grund zur Aufregung, dennoch stieg mein Adrenalinspiegel beachtlich schnell an und mein Herz klopfte schneller. “Edward, wo bist du?” fragte ich und hörte, wie meine Stimme an Festigkeit verloren hatte. Nichts. Kein einziger Laut. Kein Geräusch. Langsam wurde ich doch etwas nervös. Ich sah in meinem Zimmer nach, doch auch hier kein Anzeichen von ihm. Er konnte doch nicht einfach so verschwunden sein. War er vielleicht schon draußen? Aber dann hätte ich die Haustür hören müssen. Das Wohnzimmer war ebenfalls leer. Ich stolperte rückwärts in den Flur zurück. Unterschwellig bekam ich doch Angst, auch wenn die eigentlich völlig unberechtigt war. Es war einfach unmöglich, dass etwas in so kurzer Zeit passiert sein sollte. Vollkommen ausgeschlossen. Absurd… Und wenn doch? “Buh!” Mit einem lauten Schrei drehte ich mich um und starrte mit weit aufgerissenen Augen in das belustigte Gesicht von Edward. Mein Herz hatte für ein paar Sekunden ausgesetzt und ich hatte Mühe, meine Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen. “Verdammt!” fluchte ich wütend. “Was sollte das?” “Ich wollte nur etwas in Erfahrung bringen”, erklärte er mit hochgezogenem Mundwinkel. “Und nebenbei die Stimmung etwas heben.” Skeptisch musterte ich sein Gesicht. Meinte er das jetzt ernst? “Tut mir Leid, wenn ich dich erschreckt habe”, sagte er reumütig, wobei sein entschuldigender Blick meine Wut fast verrauchen ließ. “Mach so was nie wieder, okay?” “Versprochen.” Er legte eine seiner Hände behutsam auf meine Wange, streichelte mit seinem Daumen sanft darüber und hielt mich mit seinen grünen Augen förmlich gefangen, ehe er mein Gesicht langsam an seines heranzog. Meine Knie wurden weich, als sich unsere Lippen berührten und die Hitze, die sich in meinem Körper ausbreitete, verbrannte mich fast. Das Kribbeln, das ich im Bauch hatte, war allerdings anders als bisher. Ich konnte es nicht richtig deuten. Nur dass es nichts Gutes verlauten ließ. Auch der Kuss fühlte sich merkwürdig an. Er war leidenschaftlich, keine Frage und trotzdem fiel mir diese eisige Traurigkeit, die darin lag, auf. Mich beschlich ein komisches Gefühl und viel zu schnell löste ich mich wieder von Edward. Er bemerkte das natürlich und sah mich irritiert an. “Stimmt was nicht?” fragte er zögerlich. “Alles bestens”, log ich und lächelte so überzeugend wie möglich. “Wir sollten uns beeilen. Wir wollen ja nicht zu spät kommen. Ich muss nur noch schnell ins Bad, dann können wir los.” Ohne eine Antwort zu erwarten, wandte ich mich ab und entfernte mich von ihm. An meinem Ziel angekommen, stützte ich mich am Rand des Waschbeckens ab und sah in den Spiegel, ohne wirklich etwas wahrzunehmen. Edwards Verhalten war so… verwirrend. Ich wollte ihn aufmuntern und gleichzeitig wusste ich nicht, woran ich bei ihm war. Mal entfernte er sich von mir, nur um im nächsten Moment so dicht bei mir zu sein, dass es mir fast den Atem raubte. Seine Stimmung wechselte sekundenschnell von einem Extrem ins andere. Ich konnte mir ja denken, dass ihn dieser Besuch zu schaffen machte und ich wünschte, er würde sich mir öffnen, damit ich ihm helfen konnte. Doch diese Ungewissheit war so… belastend. Was wenn ich ihn verschrecken würde, sollte ich den ersten Schritt wagen? Ich wollte ihn nicht wieder von mir stoßen… Innerlich fluchte ich. Die Situation war so verdammt verzwickt. Grummelnd ließ ich meinen Kopf hängen. Ich stellte das Wasser an, um in meinen Händen ein bisschen davon zu sammeln und mein Gesicht darin einzutauchen. Die Kühle war erfrischend. Noch einen letzten Blick in den Spiegel, bevor ich aus dem Bad trat. Mal sehen, was der Nachmittag bringen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)