For The Ones Who Search For Love von absinthe (Bella und Edward helfen sich gegenseitig in Sachen Beziehungen, doch dann stellt sich heraus, das vieles mehr Schein als Sein ist und dass diese Entdeckung beide in eine unerwartete Richtung wirft.) ================================================================================ Kapitel 13: Papyrus, Citrin und Leder ------------------------------------- Okay, wer es noch nicht weiß...Ich hab dieses Chap überarbeitet. Dummerweise hab ich das alte aus Versehen gelöscht, anstatt einfach nur den Text zu ändern. Klassische Kurzschlussreaktion, weil ich in dem Moment so unzufrieden war mit dem Kapitel...T___T...Hoffe, euch gefällt die neue Variante. Mir jedenfalls besser als die alte...;) Sugarcult - Pretty Girl (The Way) http://de.youtube.com/watch?v=LSwB_yioDE0 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ “Was soll der Blödsinn?” fragte Edward, das eben gehörte nicht ganz glaubend. Tayk lachte leise keuchend auf, seinen Blick immer noch in den dunklen Himmel gerichtet. “Das war kein Witz.” “Und was um alles in der Welt hat dich dann dazu gebracht, ihr so wehzutun?” Seine Stimme klang wieder etwas aufgebracht und ich fühlte, dass seine Wut wieder zunahm, als seine Umarmung fester wurde. Tayk seufzte. “Wie gesagt, es ist nichts passiert.” “Ja, klar. Als wenn Bella das nicht mitbekommen hätte”, spottete Edward finster. “Sie hat doch gar nichts mitbekommen. Sie war betäubt.” Seine Antwort klang so leise, als hätte er Angst gehabt, sie auszusprechen. “Wie bitte?!” Während Edward immer zorniger wurde, spürte ich, wie die Erleichterung in mir langsam die Oberhand gewann. Obwohl ich nicht wusste, ob es wirklich die Wahrheit war und ob ich ihm glauben konnte, sehnte sich ein großer Teil von mir doch sehr danach. Zu wissen, oder jedenfalls davon auszugehen, dass rein gar nichts passiert war, hatte eine unglaublich beruhigende Wirkung und die Belastung wich auch langsam von mir ab. “Die Magentabletten…” erinnerte ich mich und Tayk bestätigte es mit einem “Hm.” Plötzlich schob Edward mich von sich herunter und wollte schon aufstehen, doch ich schlang meine Arme von hinten um seinen Körper, um ihn aufzuhalten, kurz bevor er Tayk erreicht hatte. “Warte.” “Lass mich los, Bella.” “Das bringt doch nichts. Können wir nicht einfach glücklich darüber sein, dass nichts war?” flehte ich. “Wenn das überhaupt stimmt”, sagte er zwischen zusammengebissenen Zähnen. “Ich sehe nämlich keinen Grund, warum er dich dann in dem Glauben lässt, er hätte dich… vergewaltigt.” Sein letztes Wort verursachte ein Kneifen in meiner Brust. Die Vorstellung, es wäre wirklich soweit gekommen… Und wenn ich vielleicht noch wach gewesen wäre… Ein Schauer überkam mich, doch um ihn glauben zu lassen, mir würde es nicht soviel ausmachen, sollte es wirklich nur eine Lüge gewesen sein, legte ich meine Wange an seinen Rücken und schloss die Augen. “Ich hatte keine Wahl, okay? Wenn ich es nicht gemacht hätte, wäre ich dran gewesen. Dann hätte jeder gewusst, dass ich…” flüsterte Tayk. “Könnt ihr euch vorstellen, was mein Vater mit mir macht, wenn er davon erfährt?” “Kannst du dir vorstellen, was ich gleich mit dir mache?” fuhr Edward ihn an. Seinen Kommentar ignorierend löste ich mich von ihm und kam hinter seinem Rücken hervor, um Tayk sehen zu können. Verwirrt runzelte ich die Stirn. “Moment mal, soll das heißen, dass es von Anfang an geplant war, mir vorzugaukeln, wir hätten miteinander…” Ich konnte den Satz einfach nicht beenden und vergaß beinahe das Atmen, doch Tayk nickte. “Eigentlich sollte ich dich ordentlich durchnehmen…” nuschelte er. Edward wollte schon wieder auf ihn los, aber ich hielt meinen Arm vor seine Brust. “Warte, lass ihn reden, ja?” versuchte ich ihn zu besänftigen und schaute ihn bittend an, obwohl meine Beine bei der bloßen Vorstellung an das, was Tayk gesagt hatte, wieder wackelig wurden. Er erwiderte den Blick und musterte mich eindringlich; kurz darauf legte er seinen Arm um meine Hüfte und gab mir einen sichereren Halt, als er mich näher zu sich zog und mir einen langen, etwas verkrampften Kuss auf die Stirn gab. Sofort rann mein Blut schneller und ich schloss tief einatmend die Augen, um den winzigen Moment Innigkeit zu genießen, während meine Hand sich von ganz allein auf seine, an meiner Taille verweilten, legte. “Doch genau deswegen hab ich es nicht getan”, fuhr Tayk fort. Seine Worte hinterließen bei uns verwirrte Blicke, als wir uns wieder ihm zuwandten. Mittlerweile hatte er sich auf seine Ellenbogen gestützt und sah uns mit einem halben Grinsen an, ohne jedoch weiter zu reden. “Tayk…” drohte Edward ihm. “Sie hat… ein paar Mal deinen Namen gemurmelt, als sie geschlafen hat”, antwortete er schnell. Ich riss meine Augen auf und schnappte nach Luft, als meine Wangen heiß wurden und zuviel Blut unter meine Haut rauschte. Okay, ich hatte von ihm geträumt, aber seinen Namen auch noch laut ausgesprochen? Und das in Gegenwart von Tayk? Ich vermied es, Edward anzusehen, aus Angst vor dem, was ich eventuell sehen würde. Vielleicht machte er sich ja darüber lustig, oder er fühlte sich eingeengt… “Ich hab nie für möglich gehalten, dass du überhaupt mal jemanden an dich heranlässt. Anfänglich hab ich wirklich gedacht, dass du meine kleine Bemerkung für bare Münze nimmst und es ausprobieren willst. Ich hab mich wohl geirrt”, seufzte er. Edward versteifte sich neben mir, während ich nicht die leiseste Ahnung hatte, wovon Tayk da sprach. “Was meint er?” wollte ich wissen und sah fragend zu meinem persönlichen Schutzengel. “Das ist jetzt nicht mehr wichtig”, sagte dieser trocken und fixierte sein Gegenüber mit schmalen Augen. Ich folgte seinem Blick. “Könnte mich mal jemand aufklären?” “Tut mir leid, Bella”, meinte Tayk nur und schüttelte den Kopf. “Das kann er dir selbst sagen.” Gott, dieses Hin und Her war unerträglich. “Edward?” wandte ich mich abermals an ihn und wurde langsam etwas ungeduldig. Dieser drehte sich mir zu und legte seine freie Hand plötzlich auf meine Wange, um ganz langsam darüber zu streichen. Seine Berührung ließ mein Herz schneller klopfen, und ich musste mich zusammenreißen, ihm nicht zu zeigen, wie viel mir diese kleine Geste ausmachte. Er sah mich ernst an. In seinem Gesicht gab es nicht die kleinste Regung. “Das ist jetzt alles nicht mehr von Bedeutung, okay? Vertrau mir, es ist nichts, was du nicht schon weißt.” Wollte er damit auf Claire ansprechen? Wusste Tayk, dass sein Kumpel etwas von ihr wollte und sich deshalb mit mir abgab? Von der Seite erkannte ich Letzteren, wie er Edward mit zusammengekniffenen Augen misstrauisch beäugte. Dieser warf seinem Freund ebenfalls unauffällig einen scharfen Blick zu. Obwohl mich diese kleine, stumme Interaktion verwirrte, nickte ich auf Edwards Aussage hin und fragte erst einmal nicht weiter nach. Etwas anderes, das viel wichtiger war, kam mir wieder in Erinnerung. “Wer hat dich eigentlich dazu gezwungen? Zu dieser Sache.” Ich löste meinen Blick von Edward und drehte meinen Kopf zu Tayk, den diese Frage scheinbar unangenehm an den Ausgangspunkt unseres Gesprächs zurückführte. Er schaute zur Seite und mied den Blickkontakt. “Das kann ich nicht sagen.” Mein Scheinfreund war ebenfalls wieder hellhörig geworden. “Soll ich dir vielleicht auf die Sprünge helfen?” entgegnete er etwas angriffslustig. “Hör zu, ich kann das wirklich nicht sagen. Wenn die Person das erfährt, dann bin ich geliefert.” Es gab jemanden, der Tayk Rooney unter Druck setzten konnte? Der soviel Einfluss besaß, ihn Dinge tun zu lassen, die sogar unter die Gürtellinie gingen? Wer, verdammt noch mal, hasste mich so, dass er oder sie zu solchen Mitteln griff? Was hatte ich denn verbrochen? Automatisch klammerte ich mich enger an Edward und starrte auf den dunklen Sand. Er bemerkte meine Reaktion und verstärkte die Umarmung, ohne nachzufragen, wofür ich sehr dankbar war. “Und du meinst, wir würden diese dämliche Aktion einfach so vergessen, oder wie?” entgegnete er Tayk kalt. “Ehrlich gesagt hab ich überhaupt nicht damit gerechnet, dass du so reagierst. Ich hab dich völlig falsch eingeschätzt… Und sie hat das auch.” Den letzten Satz murmelte er so leise, dass ich mir nicht sicher war, ob er ihn überhaupt gesagt hatte. Wen genau meinte er damit? Er setzte sich auf und betrachtete uns ungläubig. Dann wanderte sein Blick auf einmal an uns vorbei. “Wir kriegen Besuch”, stellte er fest und sah zu der noch unbekannten Person. Ich wollte meinen Kopf gerade drehen, als ich im nächsten Moment auch schon bemerkte, wie Alice an mir vorbeiging und direkt auf Tayk zustapfte. Sie hielt etwas in den Händen und es sah aus wie Fotos, doch ich erkannte nicht, was darauf abgebildet war. Tayks Blick fiel ebenfalls darauf und er nuschelte ein “Shit”, ehe Alice ihm auch schon eine heftige Ohrfeige verpasste, die ihn beinahe wieder zu Fall brachte. “Alice, was…” brachte ich völlig atemlos zustande. Edward sah genauso überrumpelt aus. “Mistkerl!” schrie sie ihn an und stemmte ihre Hände in die Hüften. Sie hatte ja noch keine Ahnung, dass seine gesamte Aktion nur Show gewesen war. “Edward, meinst du nicht, wir sollten sie aufhalten?” Ich wollte bereits auf sie zu, doch er hielt mich fest. Ein kleines Lächeln hatte sich auf seinen Lippen gebildet. “Ich nehme an, sie weiß Bescheid?” fragte er. Ich nickte. “Dann lass sie doch. Er hat’s immer noch verdient, wenn du mich fragst.” “…Wie kannst du nur?” warf sie ihm vor. “Man sollte dich kastrieren und dir dann dein bestes Stück als Andenken zu all deinen Trophäen stellen.” Eine meiner Augenbrauen hob sich und ich hätte mich beinahe verschluckt. Edwards Brust vibrierte, als er versuchte, sein stummes Lachen zu unterdrücken. Tayk hingegen reagierte gar nicht darauf, sondern starrte weiterhin auf Alice’ Hand. “Kann ich die bitte wiederhaben?” fragte er zögerlich. “Damit du es überall herumzeigen kannst, oder wie? Du hast sie wohl nicht alle!” Böse funkelte sie ihn an und war kurz davor, ihm noch eine zu verpassen. “Alice, du kannst aufhören. Er hat nichts gemacht, okay?” unterbrach ich ihre kleine Racheaktion. Zum ersten Mal sah sie jetzt mich an, doch so recht schien sie mir nicht zu glauben. “Hat der dir das erzählt? Dann hat er gelogen.” “Nein, hat er nicht. Wir sind uns ziemlich sicher, dass er die Wahrheit gesagt hat. Du kannst dich also wieder beruhigen”, lächelte ich sie an, doch sie sah noch immer wütend aus. Ihre Augen huschten zu Edward. “Du weißt davon?” Er nickte. “Gut. Dann kannst du mir ja helfen, aus ihm einen Eunuchen zu machen.” Edward riss die Augen auf und starrte sie an, dann zogen seine Brauen sich misstrauisch zusammen. “Alice, was ist los?” “Das ist los!” Sie riss ihre Hand in die Höhe und wedelte mit den Fotos herum. Edward löste sich von mir und stand auf, um sich den Grund für Alice’ Ausbruch zeigen zu lassen. Ich erhob mich ebenfalls, stellte mich vor die beiden und strecke die Hand aus. “Darf ich?” Der Blick meines Scheinfreundes war starr auf das Stück Papier gerichtet, sein Körper bebte und seine freie Hand war zu einer Faust geballt. “Jetzt reicht’s”, zischte er leise und noch ehe ich das Bild fassen konnte, hatte er es zerknüllt. Langsam ging er auf Tayk zu, seine Finger dabei immer wieder streckend und dann wieder zu einer Faust geformt. Sein Gegenüber wich zurück und hob seine Arme zur Abwehr. “Warte, ich kann das erklären.” “Da bin ich aber gespannt”, flüsterte Edward bedrohlich. Ich lief auf ihn zu und stellte mich ihm in den Weg. “Was war darauf zu sehen?” fragte ich vorsichtig, doch er gab mir keine Antwort. Stattdessen betrachtete er nur sehr lange mein Gesicht, wobei seines einen seltsam gequälten Ausdruck annahm. “Als ich gesagt hab, dass nichts passiert ist, war das wahr. Es ist wirklich nichts geschehen. Aber ich musste schließlich irgendwelche Beweise dafür haben, um vorzugeben, es sei wirklich was gewesen”, meldete sich Tayk wieder zu Wort. “Das ist krank.” Alice hatte sich neben mich gestellt und die Arme vor der Brust verschränkt. Langsam dämmerte mir, worum es hier ging und warum die beiden so sauer waren. Auf den Fotos muss etwas gewesen sein, dass nicht nach Nichts aussah, sondern womöglich das zeigte, was mir von Anfang an vorgespielt wurde. Was konnte ich denn jetzt bitteschön noch glauben? Ich drehte mich ebenfalls zu dem Beschuldigten um. “Was hast du mit mir gemacht?” hauchte ich mit zittriger Stimme und stolperte einen Schritt zurück. Edward hinter mir drehte mich sachte um, legte eine Hand in meinen Nacken und einen Arm um meinen Rücken, um mich eng an sich zu drücken, während er Tayk mit frostigen Augen förmlich durchbohrte. “Was ich vorhin gesagt habe, stimmt”, erklärte sich Letzterer, wobei sein Blick kurz zu Alice wanderte. Sie wusste ja nichts von seinem Interesse am gleichen Geschlecht und er wollte es wahrscheinlich auch dabei belassen. Für einen kurzen Moment verspürte ich den Drang, ihm diesen Wunsch nicht zu gewähren, entschied mich dann aber, mich nicht auf sein Niveau herunter zu lassen. “Die Bilder sind allesamt gestellt, okay?” fuhr er zögerlich fort. Ich hoffte, dass ihm seine Gesundheit sehr am Herzen lag und er uns dementsprechend nicht anlog. Edwards Zorn konnte ich sowieso spüren, aber auch Alice hatte Mühe, sich zurückzuhalten. “Wer?” fragte mein Scheinfreund gepresst. “Das darf ich nicht sagen”, antwortete unser Gegenüber wehleidig. Edward wollte gerade etwas entgegnen, als unsere Namen plötzlich von weitem gerufen wurden. Als wir uns umdrehten, sahen wir Jasper und Emmett auf uns zukommen, wobei Letzterer freudig winkte. “Warum seid ihr hier hinten im Dunkeln? Da bekommt ihr ja überhaupt nichts von der Party mit”, meinte er heiter, ließ die muntere Miene aber sofort fallen, als er zwischen Tayk und seinen jüngeren Bruder hin- und hersah. Der wiederum starrte permanent auf seinen Kapitän, ohne auch nur die geringste Andeutung einer Gefühlsregung. “Nur eine kleine Auseinandersetzung”, erklärte er ihm. Jasper, der sich neben Alice gesellt hatte, schaute verwirrt in die Runde. “Alles in Ordnung, Tayk?” fragte er ihn und wollte ihm schon aufhelfen, doch Alice hielt ihn am Arm fest. “Lass ihn. Der kommt schon allein zurecht.” Überrascht sah er sie an, ehe er wieder auf Tayk blickte, der gerade dabei war, sich zu erheben. “Tret’ mir nie wieder unter die Augen”, zischte Edward noch leise, dann drehte er sich zum Gehen um. “Das macht sich wohl schlecht. Wir sind in einem Team, schon vergessen?” antwortete er schnippisch. Edward drehte sich noch mal mit finsterem Blick zu ihm um, bevor er sich nicht weiter um ihn kümmerte und mich mit sich zog. Die Anderen folgten uns, während Emmett und Jasper immer wieder verwirrt zu uns herüberschielten. “Ist irgendetwas passiert, von dem wir wissen sollten?” fragte Edwards Bruder ernst. Ich klammerte mich noch fester an meinen Retter, um ihm zu zeigen, dass er nichts sagen sollte und zu meiner Erleichterung verstand er meine stille Bitte. “Nicht mehr so wichtig”, antwortete er mit einem Ton, der jedem zu Verstehen gab, nicht weiter nachzufragen. Alice derweil hatte meine lose herunterhängende Hand in ihre genommen und drückte sie sanft. Ich musste mir eingestehen, so schlimm die Situation auch war, genau in diesem Moment fühlte ich mich so wohl wie noch nie. Soweit ich mich zurückerinnern konnte, hatte ich dieses Gefühl, vollkommen sicher zu sein, noch nie verspürt. Noch nicht einmal, wenn Claire mich in meinen deprimierten Phasen aufgemuntert hatte. Ich schloss meine Augen - stolpern konnte ich nicht, so fest wie Edward mich hielt - und seufzte leise auf. Edward schien das gehört zu haben und streichelte langsam an meiner Seite entlang, während er seine Lippen sanft auf meinen Kopf drückte. Emmett schmunzelte neben uns. Allerdings war es so leise, dass ich es kaum wahrnehmen konnte. Allmählich wurde es wärmer und als ich meine Lider wieder öffnete, erkannte ich das große Lagerfeuer, vor dem wir jetzt standen. Edward warf die zusammengeknüllten Fotos in die langen, orange-roten Flammen und sah zu, wie das dicke, glänzende Papier durch die Hitze Bläschen bildete und sich erst langsam auswickelte, ehe es sich wieder zusammenzog und schwarz wurde. Was darauf zu erkennen war, konnte ich nicht mehr sehen. Vielleicht war das auch besser so. Das Problem war damit aber dennoch nicht gelöst. Wir wussten immer noch nicht, wer Tayk dazu gezwungen hatte. “Was machen wir jetzt?” fragte ich in die Runde. “Keine Sorge. Wir finden schon heraus, wer das alles angezettelt hat”, antwortete Edward beruhigend. “Onkel Em”, rief plötzlich jemand. Als wir uns zu der Stimme umdrehten, sahen wir Roxy auf uns zulaufen. Kurz bevor sie uns erreicht hatte, stolperte sie auf einmal über einen kleinen Ast, der in der Nähe lag. Glücklicherweise war Emmett schneller als erwartet bei ihr und fing sie noch rechtzeitig auf. Ein kleines Grinsen bildete sich auf meine Lippen, als ich beobachtete, wie er sie in die Höhe hob und dann auf seine Schultern setzte. “Na, beim Laufen musst du aufpassen, okay?” lachte er mit seiner tiefen Bärenstimme. Er hatte wirklich Ähnlichkeit mit einem kuscheligen Teddy. “Hm-hm”, stimmte die Kleine zu und verwuschelte ihm die braunen Locken. “Was macht deine Mom?” “Sie hat sich wieder beruhigt. Und sie hat mir jetzt erlaubt, mit dir zu tanzen.” “Wirklich?” “Ich glaub, sie mag dich”, grinste Roxy. Emmett lachte, während wir bei der Szene leise kichern mussten. Es war einfach zu süß. “Was ist denn passiert?” wollte Edward wissen. Emmett grinste. “Keiner wollte mit Roxy hier tanzen, also hab ich mich bereit erklärt. Ihre Mom war eingeschlafen. Ich muss zugeben, sie sieht wirklich wie ein Engel aus, wenn sie so vor sich hinträumt… Jedenfalls nach ein paar Songs ist sie dann aufgewacht und hat ihre Tochter in den Händen eines fremden Mannes gesehen…” Sein Blick schweifte ab, wobei er sich gedankenverloren die Wange rieb. “Na ja, sie hat dann gesagt, ich solle mich von ihrer Tochter fern halten, aber ich glaube, so sehr verachten tut sie mich gar nicht. Danach sah es jedenfalls nicht aus”, kicherte er. “Irgendwann legst du dich noch mit dem gesamten weiblichen Geschlecht auf einmal an”, meinte Edward kopfschüttelnd. “Ja, wahrscheinlich.” “Also, tanzen wir jetzt wieder?” meldete sich Roxy ungeduldig. “Schon auf dem Weg.” Emmett machte kehrt und ging in Richtung Tanzfläche, immer darauf bedacht, das kleine Mädchen mit den blonden Locken nicht fallen zu lassen. “Das ist eine ziemlich gute Idee”, hörte ich Jasper hinter uns sagen und sah Alice tief in die Augen. Die verstand sofort und nickte. Wussten die beiden überhaupt, dass wir noch da waren? Jasper nahm ihre Hand und wollte sie bereits mit sich ziehen, als ich sie aufhielt. “Alice, warte mal.” Überrascht drehte sie sich zu mir um. “Wegen gestern…” fing ich an und wollte es eigentlich vermeiden, ihr in die Augen zu sehen, doch das würde eigentlich nicht ehrlich rüberkommen. Also hob ich meinen Kopf, um sie direkt anschauen zu können. Mittlerweile war ich davon überzeugt, dass sie nicht für das Gerücht verantwortlich war. Dazu hatte sie mir in den letzten Stunden einfach zu sehr geholfen. “Es tut mir leid. Das, was ich gesagt habe… In dem Moment war ich einfach so wütend und hab nicht richtig nachgedacht. Wenn ich das irgendwie wieder gutma-” Noch bevor ich den Satz beenden konnte, hatte sie mich schon in ihre dünnen Arme genommen und drückte mich ganz fest. “Schon gut. Ich kann mir ja vorstellen, wie du dich gefühlt haben musst. Ich hätte selbst nicht gewusst, wie ich reagieren sollte, wenn jemand über mich so etwas erzählt… Obwohl… was das angeht, denke ich womöglich etwas eigen über die Meinung anderer Leute…” lachte sie leise. “Danke…” flüsterte ich ihr zu. “Schon gut.” “Ich meine auch wegen heute.” “Ich bin da, wenn du mich brauchst, okay?” Ich nickte und sie rieb mir daraufhin beruhigend den Rücken, ehe sie mich leicht von sich schob und mich noch einmal lächelnd ansah. Dann nahm sie Jaspers Hand - der mich jetzt übrigens nicht mehr so kalt anschaute - und lief zur Tanzfläche. “Willst du auch?” Ich erschrak im ersten Moment beim Klang von Edwards Stimme an meinem Ohr. “Tanzen?” fragte ich unsicher und drehte mich zu ihm. Er setzte mein geliebtes, schiefes Lächeln auf - mir kam es vor wie eine Ewigkeit, seit ich es das letzte Mal gesehen hatte - und nahm bereits meine Hand, als würde er davon ausgehen, ich würde ihm zustimmen. “Ich kann nicht tanzen”, bemerkte ich zögerlich, doch das schien ihn nicht davon abzuhalten, mich jetzt mit sich zu schleifen. “Ich weiß, dass es jetzt eigentlich nicht passt, aber vielleicht lenkt es dich ein bisschen ab.” “Edward, warte. Ich kann das wirklich nicht”, rief ich ihm zu und stemmte mich mit all meiner Kraft gegen sein Ziehen. Allerdings vergebens. Wer hätte auch damit gerechnet, dass er mich auf die Arme hob, um mich notfalls zur Bühne zu tragen. “Edward, bitte. Du wirst kein Vergnügen mit mir haben”, protestierte ich. Er beachtete es gar nicht, sondern kicherte nur. “Alles eine Frage der Übung, weißt du?” Erst als wir auf dem Holz standen, ließ er mich wieder runter. “Vertrau mir, okay?” flüsterte er mir zu und sah mir abwartend in die Augen. Einen Moment lang zögerte ich mit meiner Antwort, doch dann nickte ich. Vielleicht war das eine gute Möglichkeit, herauszufinden wie weit sein Mögen ging, wie Alice es genannt hatte. Er nahm vorsichtig meine Arme, um sie in seinen Nacken zu legen und platzierte seine Hände an meiner Hüfte. Immer darauf bedacht, nicht allzu grobe Bewegungen zu machen. Ob er nach der Sache mit Tayk Angst hatte, ich würde mich bei der kleinsten Berührung bedrängt fühlen? Absurd. Das würde ich bei ihm nie. Mein Herz klopfte schneller, mein Puls raste und das Atmen wurde schwerer. Das einzige Gefühl, das ich bekam, war Aufregung. Aus den Augenwinkeln sah ich Alice grinsen, was mich seltsamerweise dazu verleitete, es leicht zu erwidern. Sie selbst bewegte sich bereits zu der Musik, die die Band spielte und das Bild, das sie und Jasper darstellten, wirkte auf mich wie zwei Hälften, die sich perfekt ergänzten. Sie tanzten synchron zur Melodie, als würden sie schon seit Jahren den jeweils anderen kennen und nicht erst ein paar Tage. Emmett war ebenfalls zu sehen. Er hatte sichtlich Spaß mit Roxy, auch wenn sie überhaupt nicht im Takt waren. Umso größer war das Lachen der beiden. Es steckte an und als Edward verwundert die Stirn runzelte, deutete ich auf seinen Bruder. Jetzt grinste auch er. Ich ließ meinen Blick über die Tische wandern, um Ausschau nach Roxys Mom zu halten und entdeckte sie tatsächlich an dem gleichen, wie vor ein paar Stunden. Hatte sie den ganzen Abend da gesessen? Abgesehen davon, dass auf dem Tisch jetzt drei Getränke standen statt zwei, hatte sich nichts verändert. Okay, ihr Gesichtsausdruck war anders. Sie betrachtete immer noch ihre Tochter und deren Tanzpartner. Es war schwer, herauszufinden, was genau sie dachte. “Ich denke, sie findet Interesse an Emmett”, meinte Edward und brachte mich dazu, jetzt wieder ihn anzusehen. “Auch wenn sie scheinbar versucht, gerade das nicht zu tun.” “Sieht so aus, als wenn ihr das nicht gelingt”, meinte ich schmunzelnd. “Offenbar… Also, bist du bereit?” brachte Edward mich wieder auf unsere gegenwärtige Situation zurück. Ich nickte nervös. Ganz langsam fing er an, sich zu dem Song zu bewegen, der gerade gespielt wurde. Der ruhige Takt war eigentlich nicht schwer und seine Führung war wirklich ausgezeichnet. Ich musste so gut wie nichts machen. “Edward?” unterbrach ich nach einer Weile das Schweigen, in der ich mich unauffällig an seine Brust gelehnt hatte. “Hm?” “Ich muss mich bei dir auch noch entschuldigen.” “Wofür?” fragte er ernsthaft. Hatte er das etwa schon vergessen? “Für… gestern…” sagte ich so leise, dass ich fast der Meinung war, er hätte es eventuell nicht gehört. Doch er zog mich nur fester an sich und legte sein Kinn an meine Schläfe. “Du musst dich nicht entschuldigen, sondern ich.” Verwirrt lehnte ich mich etwas zurück, um ihn ansehen zu können. Er lächelte gequält. “Ich hab überreagiert und dich in dem Moment allein gelassen, in dem du mich am meisten gebraucht hast. Das wollte ich nicht.” “Ist das dein Ernst?” fragte ich ungläubig. Er legte seine Stirn an meine und schloss die Augen. “Bella…” seufzte er, während sein warmer Atem bei mir eine Gänsehaut auslöste und ich ebenfalls meine Augen schloss. “Ich denke, ich kann dich mittlerweile so einschätzen, das ich weiß, wie du dich in bestimmten Situationen fühlst”, fuhr er fort. “Ich könnte mich immer noch selbst ohrfeigen, wenn ich an gestern zurückdenke. Ich hab dich ja praktisch persönlich in Tayks Arme getrieben. Wäre es anders gelaufen, hätte ich dich vielleicht noch überreden können, nicht hinzugehen… Und jetzt sieh, was ich mit meinem Verhalten verursacht habe…” Abrupt riss ich meine Augen auf und starrte ihn an. Er gab doch tatsächlich sich selbst die Schuld für meine Misere. Dabei hatte es doch eigentlich auch was gutes gehabt! Immerhin hatte ich dadurch herausgefunden, wer mir am wichtigsten war; wer den einzigen, bislang leeren Platz in meinem Herzen einnahm, auch wenn er selbst es nicht wusste. “Du bist verrückt, weißt du das?” lachte ich, doch er fand es anscheinend nicht lustig. “Du hast vorhin überhaupt nicht in Frage gestellt, ob ich mich nicht eventuell freiwillig auf Tayk eingelassen haben könnte. Warum nicht?” Sein Gesicht war ernst und dennoch wies es sanfte Züge auf. “Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass du so was machen würdest. Dazu bist du einfach… viel zu sehr ‘Bella‘…” Ich runzelte die Stirn. Was genau wollte er denn damit sagen? Als er mein Gesicht sah, zuckte einer seiner Mundwinkel ungewollt nach oben, doch in der nächsten Sekunde verschwand es wieder. “Du kennst ihn doch aber besser als mich”, warf ich verwundert ein. Edwards Blick verfinsterte sich, wobei er mich wieder an sich drückte. “Ein Grund, warum ich nicht mit so was gerechnet habe. Ich bin mit ihm befreundet, seit ich denken kann, und-” “Warte mal, ich dachte, du bist vor drei Jahren erst hierher gezogen?” “Tayk lebt seit fünf Jahren hier. Wir kommen beide aus Seattle. Nur ist er schon etwas früher hierher gezogen. Sein Vater ist Vorsitzender eines weltweit expandierenden Unternehmens für Mikroelektronik, die ihren Hauptsitz in San Francisco hat. Deshalb war seine Familie gezwungen, ihren Wohnort zu wechseln.” “Also kennt ihr euch von klein auf an”, schlussfolgerte ich. Edward nickte. “Das wir auch umgezogen sind und dann auch noch hierher, war purer Zufall. Als ich erfahren hab, dass er auf dieselbe Schule geht, konnte ich es im ersten Moment gar nicht fassen. Immerhin musste ich so nicht ganz alleine dastehen. Mit vierzehn in eine neue Klasse zu kommen ist nicht gerade berauschend, weißt du.” “Kann ich mir vorstellen.” Der Gedanke, völlig allein auf sich gestellt zu sein und sich zurecht finden zu müssen, sich dann noch mit selbsternannten Ich-helfe-dem-Neuen-Schülern herumschlagen zu müssen und im Mittelpunkt zu stehen, war wirklich grausam. “Wie dem auch sei. Ich war froh, jemanden zu haben, der mir alles erklärt hat, obwohl ich da schon gemerkt hab, dass irgendwas an ihm anders war. Ich hab ihn danach gefragt, doch er meinte nur, ich würde mir das einbilden, weil ich ihn so lange nicht gesehen hatte. In den letzten Monaten ist es richtig schlimm geworden. Vor allem was seine Beziehungen anging. Wie ich dir schon mal erzählt hab, hatte er nur was mit vergebenen Mädchen. Warum auch immer er sich nur mit solchen abgegeben hatte… Ich kann mir jetzt vorstellen, warum es so viele in so kurzer Zeit waren.” “Ist sein Vater denn so schlimm, dass er so was verheimlicht?” “Ich geb zu, der alte Rooney hat etwas sehr… bestimmendes. Tayk ist Baseballcaptain, weil sein Vater einer war und ich gehe stark davon aus, dass er später auch seine Firma übernehmen soll. Ich hab nicht den leisesten Schimmer, was er machen würde, wenn er herausfindet, dass sein Sohn auf Männer steht… Trotzdem entschuldigt das nicht, was er dir angetan hat.” Er drückte mich wieder etwas fester und strich mit seinem Daumen sachte über mein Schulterblatt. Alles in mir fing an zu kribbeln, bei seiner Berührung. “Es ist ja nichts passiert”, beruhigte ich ihn. “Schlimm genug, dass du es aber gedacht hast. Außerdem hatte er es ja anfänglich vor…” Bei seinem letzten Satz krallte ich mich, ohne es eigentlich zu wollen, in den Kragen seines Hemdes. “Tut mir leid”, flüsterte er reumütig. “Schon okay… Was meinte er damit, du hättest dich verändert?” versuchte ich das Thema zu wechseln und hoffte, Edward würde meine Neugier nicht allzu sehr verärgern. “Ich hab dir doch erzählt, das ich früher ziemlich… rebellisch war.” Ich nickte. “Damals nach dem Unfall meiner Eltern wusste ich nicht, was ich mit mir anfangen sollte. Ich war wütend auf mich selbst, weil ich dachte, ich hätte es irgendwie verhindern können. Wenn ich meinen Vater nicht vom Fahren abgelenkt hätte, wären wir sehr wahrscheinlich nicht über Rot über die Straße gefahren und in den Laster gerast…” Es kam mir vor, als wenn er das noch nie jemandem erzählt hatte. Wenn ich mich recht erinnerte, hatte Dr. Cullen etwas davon erwähnt, er würde nicht über seine Familie reden. Doch gerade jetzt schien er mir alles anzuvertrauen. Ich nahm mir vor, zu schweigen, während er fortfuhr. “…Es gab in Seattle eine Gruppe von Jugendlichen, die unser Viertel fast jeden Abend tyrannisiert haben. Irgendwann bin ich an sie geraten und hab mich mit einem von ihnen angelegt. Überraschenderweise hab ich sogar gewonnen. Ihr Anführer war so beeindruckt, dass er mich gefragt hat, ob ich nicht bei ihnen mitmachen wolle. Damals war mir eh alles egal und all der Mist, den wir gemacht haben, hat mir geholfen, meinen Frust abzubauen. Ich musste mir über nichts Sorgen machen. Egal wo was los war, ich war dabei. Tayk hat natürlich auch meine Veränderung mitbekommen und hat immer wieder versucht, mich zurückzuholen. Als er gemerkt hat, dass es nichts bringt, war er stattdessen bereit, mich in bestimmten Situationen zu decken. Irgendwann hat mein Onkel das alles mitbekommen und mir ein Ultimatum gestellt. Entweder ich würde aussteigen und anfangen, ein ordentliches Leben zu führen oder er würde mich mit dem nächsten Zug in ein Internat für schwer Erziehbare schicken… An dem Abend, als ich mich dann von meinen Leuten verabschieden wollte, ist etwas passiert, womit keiner gerechnet hat… Kurz darauf sind wir umgezogen…” Ich hatte das Bedürfnis, ihn nach dieser Sache zu fragen, doch so wie sein Körper gerade bebte, ließ ich es lieber sein. Wenn er soweit war, würde er mir bestimmt davon erzählen. “…Als ich dann hier war und Tayk mich wieder gesehen hat, hab ich es ziemlich schwer gehabt, mich mit anderen anzufreunden. Einzig Tayks Status hat mich nicht zum totalen Außenseiter mutieren lassen. Ich war das erste Jahr relativ ruhig und hab noch nicht mal was angestellt. Erst langsam ist mein ganz altes Ich wiedergekommen. Das, was ich war, bevor ich mich dieser Gruppe angeschlossen hatte, obwohl ich immer noch niemanden so richtig an mich heranlassen wollte. Ich hab mir immer noch aus allem einen Spaß gemacht…” “Edward Cullen war Mitglied einer Gang…” stellte ich gespielt trocken fest und er lachte leise in mein Ohr. “Ja, so könnte man es sagen.” “Und wie sieht es jetzt aus?” fragte ich neugierig. Konnte ich vielleicht doch hoffen? Immerhin war ich diejenige, der er gerade seine gesamte Lebensgeschichte erzählte. Plötzlich nahm er mein Gesicht in beide Hände, strich mit seinen Daumen über meine Wangenknochen und sah mich mit seinen smaragdgrünen Augen an. Ein seltsames Leuchten war darin zu erkennen, während seine Lippen zu einem Lächeln verzogen waren. “Na ja…” sagte er leise. “Man könnte sagen, es gibt da jemanden, für den es sich lohnt, die gute Seite auszugraben.” “Wirklich…?” flüsterte ich etwas benommen. Er war mittlerweile so dicht gekommen, dass ich kaum noch etwas um mich herum wahr nahm. Die plötzliche Spannung zwischen uns kam mir seltsam bekannt vor. Wenn ich mich recht erinnerte, gab es sie das erste Mal, als ich Edward erzählt hatte, wir müssten eine Scheinbeziehung führen… Dann beim Baseballspiel, als er mit mir geübt hatte und wir hingefallen waren und auch als er mir auf dem Flügel vorgespielt hatte… Vielleicht war ich ja wirklich etwas blind gewesen. Vielleicht hatte ich die offensichtlichen Anzeichen nicht bemerkt, weil wir uns zu sehr auf unseren Plan konzentriert hatten. Dabei war ich immer überzeugt davon gewesen, dass er etwas von Claire wollte. Konnte Alice recht gehabt haben? Dass ich ihm wirklich sehr wichtig war? Wichtiger als meine Freundin? So wichtig, dass man sogar von… Liebe sprechen konnte? “Wirklich.” Seine Antwort war nicht mehr als ein Hauchen und uns trennten nur noch wenige Millimeter, in denen ich bereits seinen warmen, süßlichen Atem schmecken konnte. So sehr ich mich auch nach dem nächsten Schritt sehnte, so sehr hatte ich auch plötzlich Angst. Was, wenn ich es nicht konnte und ihn damit zurückschreckte? Die bloße Vorstellung brachte alles in mir zum Zittern. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Hätte er nicht gemerkt, dass ich kurz davor war wegzusacken, einen Arm um meine Taille geschlungen und mich eng an sich gedrückt, würde ich schon längst nicht mehr stehen. “Warte…” flüsterte ich, kurz bevor sich seine Lippen auf meine legen konnten, obwohl sich die Wärme, die von ihnen ausging, bereits auf mich übertrug. Er hielt inne, ohne jedoch den Abstand zwischen uns wieder zu vergrößern. “Ich… Ich hab noch nie… geküsst”, brachte ich leise und etwas zögerlich heraus. Ich spürte, wie er lächelte, ehe er langsam und mit einer Stimme antwortete, die meine Knie weich werden ließ. “Wenn du es mir erlaubst, zeig’ ich es dir…” Unfähig, noch ein einziges, weiteres Wort zu sagen, nickte ich nervös. Im nächsten Moment war jegliche Sorge verschwunden. Seine samtweichen Lippen schmiegten sich elegant an meine. Er war nicht fordernd. Er war nicht drängend. Er ließ mir alle Zeit der Welt. Doch eigentlich brauchte ich die gar nicht mehr. Meine Hände wanderten von ganz allein seinen Nacken hoch zu seinen Haaren, nur um seinen Kopf noch dichter an mich zu ziehen, während er das gleiche mit dem Rest meines Körpers tat. Ich bezweifelte, dass auch nur ein einziges Molekül zwischen uns Platz gehabt hätte, so eng umschlungen hatten mich seine Arme. Das hier war soviel besser als mein Traum. Zwar verlor ich auch hier jegliches Raum- und Zeitgefühl, doch dieses Mal war es real. Keine Einbildung, kein Wunschdenken. Zur gleichen Zeit, wie der Wirbel an Schmetterlingen in meinem Bauch an einen Ausbruch dachte, schien ein Feuerwerk in mir loszugehen. Nur gab es wirklich ein Feuerwerk. Um uns herum knallte es und bunte Lichter flackerten vor meinem inneren Auge auf, doch so wirklich wollten wir uns davon nicht stören lassen. Erst nach einer halben Ewigkeit lösten wir uns wieder voneinander, doch seine Stirn verhaarte an meiner und seine Hände hielten mich immer noch fest, genauso wie meine ihn. “Für den ersten Kuss nicht schlecht, oder?” keuchte er schwer atmend und lächelte zufrieden, während seine Augen versuchten, mit meinen um die Wette zu strahlen. Mir ging es nicht anders als ihm und ich nickte stumm. Schweigend sahen wir uns an und versuchten, unsere Lungenfunktion wieder zu normalisieren. Zwar wusste ich nicht, wie lange wir so standen, doch die paar Minuten fühlten sich an wie unendlich lange Stunden. “Ich hab was für dich”, meinte er plötzlich und steckte eine Hand in seine Tasche. Ich runzelte die Stirn und beobachtete ihn dabei, wie er einen kleinen, schwarzen, samtenen Beutel herausholte. “Ich wollte dir das eigentlich schon viel früher geben. Aber jetzt ist es, glaube ich, sogar noch besser.” Stillschweigend sah ich zu, wie er das Täschchen auf seiner Handfläche ausschüttete und etwas funkelndes heraus fiel. Es war eine silberne Kette mit einem länglichen Kristall - ungefähr drei Zentimeter -, der in einem sehr hellen gelb schimmerte. “Was…” Edward grinste und hielt den Anhänger leicht in die Höhe. Die Lichter der Tanzfläche und die vom Feuerwerk wurden von den vielen, geschliffenen Seiten reflektiert und ähnelten einem Prisma. Erst jetzt erkannte ich, dass sich etwas darin befand. “Das ist ein Citrin-Edelstein. Ich hab ein bisschen recherchiert und herausgefunden, dass die römischen Legionäre ihn damals getragen haben, um vor bösen Blicken und neidischen Intrigen beschützt zu werden. Außerdem wurde er bis ins Mittelalter als Sonnenstein verehrt und sollte ewiges Leben schenken”, erklärte er. “Das Röllchen, dass du sehen kannst, ist eine kleine, schmale Seite aus Papyrus. Wenn du genau hinsiehst, erkennst du sogar ein paar Noten.” Tatsächlich waren auf dem gelblich-braunen Papierstück einige schwarze und mit Hand geschriebene musikalische Zeichen abgebildet, die sich in jedem Winkel des Kristalls spiegelten. Noch ehe ich nachfragen konnte, beantwortete Edward bereits meine Frage. “Das ist der Anfang von dem Stück, dass ich dir vorgespielt habe. Ich hätte zwar gerne noch die Melodie mit einbauen lassen, aber soweit ist die Technik dann doch noch nicht,” meinte er etwas schmunzelnd. Ich war viel zu gerührt, als dass ich etwas hätte erwidern können. Nicht nur, dass es aussah, als würde ich Edward wirklich eine Menge bedeuten… Nein, jetzt schenkte er mir auch noch etwas, zu dessen Ursprung ich ihn angeblich einmal inspiriert hatte. Etwas, das uns verband, selbst wenn er einmal nicht bei mir sein würde. Ich hätte mich dafür ohrfeigen können, dass ich ausgerechnet jetzt anfing, zu weinen. Hastig versuchte ich die Tränen wegzuwischen, doch Edward schmunzelte nur etwas nervös. “Darf ich?” fragte er und hob die Hand mit der Kette ein wenig in die Höhe. Ich nickte und drehte ihm dann langsam meinen Rücken zu. Sanft strich er mir meine Haare aus dem Nacken und augenblicklich lief mir ein Schauer hinunter, als seine Finger sich leicht auf meiner Haut bewegten. Während er mir die Kette umhängte, fiel mir plötzlich etwas sehr wichtiges ein. Mein Geschenk an ihn. Der Handschuh. Ich dachte, ich würde ihn nicht mehr brauchen und jetzt hatte ich ihn nicht hier. Verdammt. Die Putzkolonne leerte jeden Tag den Müll aus. Ob ich soviel Glück hatte und die Abfuhr am Montag noch nicht da sein würde, wenn ich zur Schule kam? Vielleicht sollte ich extra früher hinfahren, um ganz sicher zu gehen. Nur musste ich Edward dann erklären, warum ich alleine zur Schule wollte. Die unerwartete Berührung seiner Lippen auf dem Verschluss und auf meinem Nacken lenkte mich wieder zurück in die Gegenwart und ich schnappte leicht nach Luft. Meine Finger befühlten den kalten Edelstein. Ich mochte gar nicht wissen, wie viel er dafür ausgegeben hatte... “Sie steht dir”, hauchte Edward an meinem Ohr, während seine Arme den Weg um meinen Bauch gefunden hatten und seine Lippen auf meinem Wangenknochen lagen, als ich meinen Kopf zu ihm drehte. Als ich etwas erwidern wollte, hörte ich eine mir altbekannte Stimme hinter uns. “Gerade erst einen Tag von der alten getrennt und schon an einem neuen Mädchen dran?” sagte Claire gespielt schockiert. “Da hättest du aber auch-” Weiter kam sie nicht, als wir uns zu ihr umdrehten. “Bella!” japste sie und ihre Augen weiteten sich immer mehr, als diese im Wechsel immer wieder zwischen Edward und mir huschten. “Was… Was machst du denn hier?” Eine meiner Augenbrauen zuckte nach oben. Obwohl sie am Besten wusste, dass es die Feier unseres Jahrgangs war, fragte sie mich allen Ernstes, was ich hier machte? Wollte sie mich etwa absichtlich nicht hier haben? “Feiern”, antwortete ich ihr trocken, ehe mein Blick auf etwas in ihrer Hand fiel, das ich nur allzu gut kannte. Es war der Beutel, den ich als Verpackung für Edwards Geschenk gekauft hatte. Mein Beutel. Mein Baseballhandschuh. Mein Geschenk. Wieso hatte Claire es? ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ So, irgendwem die Veränderungen aufgefallen?...>.<... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)