For The Ones Who Search For Love von absinthe (Bella und Edward helfen sich gegenseitig in Sachen Beziehungen, doch dann stellt sich heraus, das vieles mehr Schein als Sein ist und dass diese Entdeckung beide in eine unerwartete Richtung wirft.) ================================================================================ Kapitel 10: Des einen Freud ist des anderen Leid ------------------------------------------------ „Danke“, grummelte ich und schloss resigniert meine Augen. „Das war ernst gemeint.“ Ich blinzelte abermals und konnte nicht verhindern, dass einer meiner Mundwinkel nach oben zuckte. Ein schiefes Lächeln huschte über seine Lippen. „Ich gehe schnell ein Handtuch holen“, meinte er, stand auf und verließ das Zimmer. Roxy folgte ihm. Sie schien einen Narren an ihm gefressen zu haben. Claire derweil setzte sich neben mich und sah mich immer noch entschuldigend an. Als hätte sie eines der schlimmsten Verbrechen überhaupt begangen. „Das tut mir wirklich leid, Bella. Ganz ehrlich. Ich wollte euch nicht stören.“ „Ich nehm dir das nicht übel. So was kann passieren.“ Vorsichtig tastete ich die nassen Stellen meines Oberteils ab. Sie lächelte. „Das Stück war wirklich wunderschön“, wechselte sie das Thema und bekam einen leicht verträumten Blick. „Du hast es gehört?“ Ich wusste nicht, seit wann sie bereits im Zimmer gewesen war. Claire nickte. „Ich wollte ihn nicht unterbrechen… Und wie gesagt, er ist ein Naturtalent. Schade, dass er es verheimlicht. Er könnte soviel mehr erreichen in seinem Leben…“ „Baseball ist ihm aber wichtiger“, unterbrach ich sie und erinnerte sie an ihr Versprechen. „Ja, ich weiß.“ Sie seufzte. „Also, wie weit seit ihr denn schon?“ Wie ein kleines Kind sah sie mich mit leuchtenden Augen an. „Was meinst du?“ „Na in eurer Beziehung?“ Eine meiner Augenbrauen schnellte nach oben. „Komm schon, Bella. Du weißt, wie sehr mich das interessiert. Schließlich hattest du noch nie so lange einen Freund.“ Am liebsten würde ich mich jetzt in Luft auflösen. Einerseits hasste ich diese Fragerei, da ich Claire ungern anlügen wollte, und andererseits war mir das auch etwas peinlich, über solche Dinge zu reden, selbst wenn es ernst wäre. Zumal ich ja wirklich noch nie solange durchgehalten hatte. Kein Händchen halten, kein Kuss… Der Rest erschloss sich da von selbst. Wahrscheinlich war ich deshalb auch immer so aufgeregt, wenn Edward meine Hand nahm oder wenn er seine Lippen auf meine Stirn oder meine Wange drückte. Wie weit er wohl schon war… Wie gesagt war mein Pech daran Schuld gewesen, dass ich keinerlei Erfahrung in dieser Sache hatte. Plötzlich kam mir eine Idee. Ich könnte dieses Frage-Antwort-Spiel doch dazu nutzen, ein vielleicht baldiges Ende unserer Scheinbeziehung anzukündigen. „Ehrlich gesagt läuft es gerade nicht so gut. Ich hab das Gefühl, dass er sich von mir distanziert.“ Als Claire die Worte hörte, sah sie wirklich erschüttert aus. „Ist denn schon wieder was passiert?“ „Du meinst abgesehen davon, dass wir im Stadion eingeschlossen und für Einbrecher gehalten wurden?“ Die Frage war rein rhetorisch. „Oh, stimmt ja“, erwiderte sie überrascht, als hätte sie das schon vergessen gehabt. In dem Moment kam Edward wieder ins Zimmer und stellte sich direkt hinter mich, um mir ein weißes, ziemlich kuscheliges Handtuch über den Kopf zu legen und anzufangen, mir die Haare zu rubbeln. Claire hielt sich ihren Handrücken vor den Mund und kicherte leise. „Danke, Edward. Ich denke, meine Haare sind jetzt trocken“, sagte ich weniger fordernd als beabsichtigt und legte meine Hände auf seine - die sich gerade an meinen Schläfen befanden -, um ihn zu stoppen. Es war schwerer, als er wartet. Die kreisenden Bewegungen seiner Finger waren sehr angenehm. Ich musste unweigerlich leise brummen. Dann nahm er das Tuch jedoch trotzdem herunter und ging zu den Sesseln, um es dort abzulegen. Währenddessen stand ich auf und zupfte an meiner Kleidung, die unangenehm auf der Haut klebte. Ich hatte wenig Lust, den ganzen Tag in diesen Sachen herumzulaufen und überlegte bereits, wie ich sie am schnellsten wechseln konnte. Da wir schon mal hier waren, konnte Edward ja gleich etwas mehr Zeit mit Claire verbringen. Also würde ich ihn nicht bitten, wieder loszufahren. Ich müsste mir dementsprechend nur eine Möglichkeit suchen, alleine nach Hause zu kommen. Ich stand neben dem Flügel und hatte mich zu Claire gedreht, als sich von hinten auf einmal zwei Arme um meine Taille schlangen und ein Kinn auf meiner Schulter abgestützt wurde. „Edward…“ stellte ich überrascht fest. Mein Puls beschleunigte sich und meine Hände legten sich wie von selbst auf seine, vor meinem Bauch verschränkten Arme, obwohl ich wirklich überrumpelt war von dieser unerwarteten Aktion. Claires Gesicht hatte den gleichen Ausdruck wie meines. Kein Wunder, ich hatte ihr ja gerade gesagt, dass Edward etwas auf Abstand gegangen war. Sein Verhalten widerlegte das gründlich. Vielleicht sollte ich mich das nächste Mal mit ihm absprechen. Edward hatte seine Augen geschlossen und ich konnte hören, wie er laut die Luft einsog. „Hm… das Wasser hatte auch was positives“, murmelte er. „Du duftest noch… angenehmer.“ Ich runzelte die Stirn. „Was soll das denn heißen?“ Er lachte leise in mein Ohr. „Nicht das, was du denkst.“ Ich drehte meinen Kopf zur Seite, konnte ihn aber trotzdem nicht richtig ansehen. „Ich liebe dich“, flüsterte er plötzlich mit ernster Stimme. Ich hielt den Atem an und lockerte seine Umarmung etwas, um ihn mit geweiteten Augen direkt ansehen zu können. Es klang so ehrlich und aufrichtig, dass ich im ersten Moment geschockt war. Man hörte es ständig in Filmen, erkannte es auf Bildern und betrachtete es im Theater, doch jetzt hatte es eine viel intensivere Wirkung. Und es lag vor allem daran, dass mir das noch nie jemand gesagt hatte. Trotzdem wusste ich am Ende, dass es nur dem Schauspiel diente. Edward war perfekt in seiner Rolle. Abgesehen von seinem Timing. Und das war es doch, oder? Eine Vorführung. Ein leichtes Lächeln bildete sich auf seinem Mund. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich Claires verdattertes Gesicht. Als würde er mein Erstaunen nicht bemerken, legte er sanft seine Lippen auf meine Stirn und verharrte eine halbe Ewigkeit so, was mich unausweichlich die Augen schließen ließ. Claire räusperte sich. „Soll… ich dir ein paar trockene Sachen geben, Bella?“ Abrupt drehte ich mich wieder ihr zu und schaute sie fragend an. Bis mir wieder einfiel, was sie überhaupt meinte. „Oh… mach dir keine Umstände deswegen. Ich wollte sowieso los. Zuhause kann ich mir was Neues anziehen. Edward kann ja hier bleiben, wenn er möchte. Dann könnt ihr noch ein bisschen mit dem Klavier üben.“ „Und wie willst du dann zurückkommen?“ fragte mich dieser. „Ich kann mir ein Taxi bestellen, oder ich laufe zur nächsten Haltestelle und warte auf die Straßenbahn.“ „Viel zu gefährlich für dich“, konterte Edward und grinste mich an. „Ich fahre dich.“ Ich verdrehte die Augen. „Du hast keine Möglichkeit, dich zu widersetzen. Ich werde dich einfach mitschleifen“, neckte er. „Ja, also… wenn ich ehrlich bin, hab ich auch noch was wichtiges zu erledigen“, meldete sich Claire zu Wort und klang plötzlich sehr in Eile, als sie schnell aufstand und uns mehr als deutlich signalisierte, das Zimmer zu verlassen. Edward - seine Hand an meiner Taille - schob mich hinaus, während meine Freundin hinter uns ungeduldig folgte. „Alles in Ordnung?“ fragte ich sie, als wir unten im Foyer standen. Sie wirkte leicht nervös, als wäre ihr die ganze Situation unangenehm. Vielleicht hatte sie sich ja bereits ein wenig in ihn verschossen. Natürlich würde sie mir das niemals sagen, schließlich war Edward ja immer noch mein Freund. „Ich ruf dich an, okay?“ kam es von ihr, wobei ihre Augen für eine Sekunde zu Edward huschten. „Und danke noch mal, dass ihr Roxy vorbeigebracht habt.“ Ich nickte. Gerade als wir hinausgehen wollten, hielt uns eine Kinderstimme auf. „Wollt ihr schon los?“ hörten wir Claires Nichte hinter uns. Ich drehte mich zu ihr um und lächelte. „Leider ja… Aber ich denke, das wir uns noch oft genug sehen werden.“ Noch ehe sie etwas erwidern konnte, hatte Rosalie, die mit verschränkten Armen plötzlich im Eingang des Wohnzimmers auftauchte, bereits das Wort ergriffen. „Deine Hausaufgaben sind noch nicht erledigt. Also geh bitte sofort in dein Zimmer, Roxy.“ Ihre Tochter sah sie hilflos an, dann machte sie sich auf den Weg die Treppen hoch und winkte uns noch einmal zu, bevor sie ganz verschwand. „Bis morgen in der Schule“, verabschiedete ich mich jetzt auch von Claire, während Edward seinen Arm um meine Schultern legte. „Ja, bis dann“, lächelte Claire verhalten. Die Heimfahrt verlief relativ schweigsam. Ich hatte einen Arm ans Fenster gestützt und meinen Kopf dagegen gelehnt. Wir hielten nur wenig Small Talk, wobei das meiste von Roxy handelte. Sie war wirklich ein nettes Mädchen und sehr aufgeweckt. Allerdings wurde ihre Energie etwas von der kalten Art ihrer Mutter gebremst. Sie tat uns wirklich ein wenig leid. Ob diese Frau wohl jemals auftauen würde? Den überwiegenden ruhigen Teil der Autofahrt hing ich meinen Gedanken hinterher. Immer wieder tauchte Edwards Satz in meinem Kopf auf. “…Ich liebe dich…“ Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich es sogar geglaubt, so überzeugend klang es. Doch wieso sollte Edward Cullen sich in mich verlieben? Das war so sicher, wie ein Treffen zwischen Sonne und Mond. Er war genauso wie Claire und Tayk. Vollkommen. Für das Beste gab es nur das Beste. Ohne Ausnahme. Und die beiden Letzterwähnten waren auch der Grund, warum es unmöglich war. Edward wollte etwas von Claire, genauso wie ich hinter Tayk her war. Meine Augen wanderten automatisch zu ihm herüber. Sein Profil sah sogar von der Seite fehlerlos aus. Nein, jemand wie er konnte sich nicht in mich verlieben. An mir gab es nichts, das so eine Person begehrenswert finden könnte. Gar nichts. Noch nicht einmal Geld. Ich war Mittelmaß und er Elite. Die Vorstellung, wir würden wirklich zusammen sein, war zwar abwegig, doch insgeheim hatte sie auch etwas schönes. Wenn er mit all seinen Freundinnen so umging, wie er es jetzt mit mir tat, dann konnte die Auserwählte sich wirklich glücklich schätzen, jemanden wie ihn zu haben. Ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung, mit wie vielen Mädchen er schon zusammen war. Es schien, als würde er in der Öffentlichkeit eine Art Geheimnis um seine Person machen. Klar, er war beliebt, was nicht zuletzt auf seinen gesellschaftlichen Status und sein Aussehen zurückzuführen war. Doch es gab immer eine gewisse Distanz zwischen ihm und den Leuten, bei denen er sich gelegentlich aufhielt. Er war nie der Typ Junge, den ich als potentiellen Freund in Betracht gezogen hätte. Er war einfach zu gut für jemanden für mich. Und wahrscheinlich wusste er das auch. Allein schon diese Tatsache verhinderte bis jetzt eine nähere Betrachtungsweise seiner wahren Persönlichkeit. Komisch nur, dass ich ihn kannte, Tayk mir aber vorher nie aufgefallen war. Dabei schien Edward doch im Schatten seines Kapitäns zu stehen. Außerdem war er erst vor drei Jahren nach San Francisco gezogen. Als er bemerkte, wie ich ihn ansah, schaute er kurz zu mir herüber und lächelte, ehe er sich wieder auf die Fahrbahn konzentrierte. Er wirkte seltsam zufrieden, doch mein Blick schien ihn zu verwirren. „Was ist?“ fragte er schmunzelnd, aber dennoch ernsthaft neugierig. „Ich hab nur nachgedacht“, sagte ich beiläufig. „Worüber?“ „Na ja… Das vorhin war etwas unproduktiv, findest du nicht?“ „Was-“ „Das mit dem Liebesgeständnis“, schnitt ich ihm das Wort ab. Edward biss sich auf die Lippen, während ich weiterredete. „Ich bin sicher, dass Claire es gehört hat und das ist nicht gut. So wird es schwieriger, sie für dich zu gewinnen. Ich glaube, sie hat sich schon ein bisschen in dich verguckt. Und wenn sie denkt, dass wir wirklich glücklich miteinander sind, dann gibt sie vielleicht von vornherein auf.“ „Bella, ich…“ fing er an und hielt inne. Er wickelte seine Finger so stark um das Lenkrad, dass seine Knöchel bereits weiß hervortraten. Ich kam ihm zuvor. „Ich weiß, dass unsere Scheinbeziehung wichtig ist, da Tayk sonst wahrscheinlich nicht darauf anspringt, doch wir müssen auch langsam ein Ende finden, damit Claire sich trauen kann, ernsthafte Gefühle für dich zu entwickeln.“ Für einen Moment drehte er seinen bronzenen Kopf zu mir und sah mich mit großen Augen an. Nur ganz langsam wandte er sich wieder ab und sah verbissen nach vorne. „Edward?“ hakte ich nach, um mich zu vergewissern, dass er damit einverstanden war. Er brummte ein „Hm.“ Das war alles. Nichts weiter. „Du bist sauer wegen der Sache mit Tayk, oder?“ Er gab keine Antwort und das war mehr als genug, um zu verstehen, dass ich richtig lag. „Ich weiß beim besten Willen nicht, was du auf einmal hast. Bis jetzt läuft doch alles reibungslos“, versuchte ich in einem ruhigen Ton die Lage zu entschärfen. „Bella, hör auf. Lass uns einfach nicht weiter darüber reden.“ Stur richtete er seinen Blick nach vorne. Ich hielt kurz die Luft an, dann wandte ich mich ebenfalls ab. Ganz offensichtlich hatte ich ihn verärgert. Ich wusste nur nicht genau womit. Ja, es ging um Tayk, doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass er nur deswegen so aufgebracht war. Irgendetwas hatte ich übersehen. „Sag mal, du wolltest mir doch noch etwas erzählen“, fing ich nach einer Weile wieder an. Der Versuch, die angespannte Lage zu lockern, schlug fehl. „Hat sich erledigt“, antwortete er nur knapp. Mehr würde nicht kommen und so beließ ich es dabei. Ich wollte ihn nicht noch mehr verärgern, als er ohnehin schon war. Als wir bei mir ankamen, verabschiedeten wir uns nur flüchtig, ehe ich mich auf den Weg ins Haus machte. Charlie war noch nicht da. Rasch zog ich mir ein paar frische Sachen an. Nur schwer raffte ich mich auf und bereitete ihm etwas zu Essen zu, das er sich später warm machen konnte. Ich war immer noch müde und ließ das Abendbrot lieber gleich sausen. Und dann kam auch noch Edwards abwehrende Haltung dazu. Sie ging mir einfach nicht aus dem Kopf und ich mochte es nicht, wenn er sauer auf mich war. Ich musste mir irgendetwas einfallen lassen, um es wieder gut zu machen. Nur leider war das nicht so einfach wie gedacht. Was würde helfen, einen Edward Cullen wieder aufzumuntern? Sollte ich etwas basteln oder ihm etwas schenken? Ihn zu etwas einladen oder mich zu seinen Gunsten bei etwas blamieren? Obwohl Letzterwähntes auch ohne beabsichtigtes Zutun seine Chance bekommen würde. Seufzend ließ ich mich aufs Sofa im Wohnzimmer fallen. Plötzlich klingelte das Telefon neben mir und ich fuhr erschrocken zusammen. Nach dreimaligem Ringen nahm ich dann endlich ab. „Swan?“ „Bella?… Ich bin‘s, Claire.“ Durch den Hörer klang ihre Stimme leicht verzerrt. „Oh, hi.“ Sie hatte ja gesagt, dass sie mich noch anrufen wollte. „Was gibt‘s?“ „Eigentlich wollte ich mich noch mal bei dir entschuldigen wegen vorhin“, erklärte sie reumütig. Dass sie immer noch darauf herumritt. Konnte sie das nicht einfach dabei belassen? Schließlich war nichts weiter passiert. Und krank konnte ich von dem bisschen Wasser auch nicht werden. „Ist schon okay…“ seufzte ich. „Weswegen ich auch noch anrufe… Wegen Edward… Hattest du nicht gesagt, dass er sich etwas… auf Distanz hält?“ Ich hatte es gewusst. „Ja, weißt du… Ich glaube, er wollte das vor Anderen nicht so offen zeigen. Wir müssen das erst unter uns klären, denke ich.“ „Ach so. Es war nur…“ Sie stoppte. Allerdings machte mich das erst recht neugierig. „Was?“ „Ach nichts. Nur meine Einbildung… Und sonst? Irgendwas interessantes passiert?“ „Na ja, ich glaube, wir hatten eine kleine… Auseinandersetzung?“ Konnte man das so sagen? Das Wort gefiel mir genauso wenig wie der Gedanke daran. „Oh… worüber habt ihr euch denn gestritten?“ Wir hatten uns ja nicht wirklich gestritten. „Bei dir klingt das so… einschneidend“, meinte ich überrascht. Sie erwiderte nichts. „Also, es waren eigentlich nur ein paar Kleinigkeiten. Lappalien, weißt du?“ Es ging darum, dass du ihm mehr Aufmerksamkeit schenken sollst. „Ach so…“ Sollte ich ihren Ton jetzt positiv oder negativ deuten? „Claire, ist alles in Ordnung bei dir? Du kommst mir irgendwie nervös vor.“ Das durch das Telefon zu erkennen, war schon etwas. Sie schwieg kurz, ehe sie viel zu schnell antwortete. „Nein, nein. Alles bestens… Ich wollte dich auch noch was fragen, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das sollte.“ „Worum geht‘s?“ „Ich sollte das wirklich nicht. Du könntest das falsch verstehen…“ „Claire“, ermahnte ich sie. „Na schön… Also wegen morgen. Da hab ich doch wieder Klavierunterricht mit Edward… Falls er denn überhaupt kommt. Vielleicht wollt ihr ja auch erst einmal eure privaten Angelegenheiten klären…“ „Er wird kommen“, versicherte ich ihr rasch, was sie etwas stutzig machte, doch letztendlich etwas erleichterte, dem lauten Ausatmen nach zu urteilen. „Das ist schön… Da gibt es aber ein kleines Problem…“ „Welches?“ „Roxy.“ „Ich versteh nicht…“ Wie konnte ein Kind ein Problem sein? „Rose ist morgen den ganzen Tag unterwegs. Und wenn ihre Tochter von der Schule kommt, muss ich normalerweise auf sie aufpassen… Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du sie nehmen kannst… Dann kann ich mich besser auf das Spielen konzentrieren, weißt du?“, erklärte sie zögerlich. Ich konnte mir schon ihr schüchternes Gesicht vorstellen, das Angst vor einer Absage hatte. Innerlich schmunzelte ich. Da war wirklich bereits ein ganz kleines Interesse und dass sie dachte, ich würde es ihr übel nehmen, wenn sie mit Edward allein sein wollte, war irgendwie witzig. Okay, eigentlich sollte ich nicht so denken, wenn ich wirklich mit ihm zusammen wäre - und ein wenig fühlte ich mich auch… hintergangen? Das war verwirrend. Vielleicht lag es daran, dass ich Angst hatte, dass es bei all meinen vorherigen Dates genauso war. Aber normalerweise konnte das nicht sein. So wie Claire sich jetzt anhörte, war es ihr selbst unangenehm. Und sollte sie wirklich schon an ihm interessiert sein, musste es sie ziemlich fertig machen, wenn sie daran dachte, dass er mit mir zusammen war. „Kein Problem. Ich werde sie dann nach der Schule abholen“, sicherte ich ihr zu, stöhnte aber plötzlich auf. „Verdammt… Tut mir leid, aber ich kann das doch nicht machen. Ich hab morgen schon was vor…“ erklärte ich schuldig. Morgen war ich mit Tayk verabredet. Wie konnte ich das nur vergessen? „Oh… Ist es sehr wichtig? Oder kannst du sie mitnehmen?“ „Sehr wichtig. Ich würde sie gerne nehmen, aber ich kann wirklich nicht.“ Claire lachte etwas zögerlich. „Das macht doch nichts. Ich hätte dich gar nicht erst fragen sollen.“ Mein Mundwinkel zuckte nach oben. „Also dann. Bis morgen in der Schule.“ „Tut mir ehrlich leid“, wiederholte ich noch mal. „Schon okay.“ „Bis morgen“, verabschiedete ich mich. „Bye.“ Am anderen Ende wurde der Hörer aufgelegt. Ich tat es ihr nach, doch noch ehe ich mich zurücklehnen konnte, klingelte das Telefon erneut. Ich nahm bereits nach dem ersten Mal ab. „Swan?“ „Bella…“ Das war eindeutig Edwards Stimme. „Hi“, grüßte ich ihn und war ein wenig verblüfft. Er hatte mich noch nie Zuhause angerufen. „Was gibt‘s?“ „Ich… wollte dir nur Bescheid sagen, dass ich dich morgen nicht abholen kann. Das Auto meines Vaters ist in der Werkstatt und deshalb nimmt er meins. Ich fahre morgen mit dem Bus zur Schule. Ich weiß, dass das echt kurzfristig ist, aber ich hoffe, du kannst mir verzeihen.“ Ich verdrehte die Augen und musste doch tatsächlich lachen. „Edward, wieso sollte ich dir das übel nehmen? Es ist ja nicht so, als würdest du ein Date absagen. Es geht doch nur um den Schulweg. Den kann ich auch mit dem Fahrrad bewältigen. Das hab ich schließlich schon vorher gemacht.“ Er ging nicht auf meine heitere Stimmung ein, sondern blieb ernst. Womöglich war er immer noch sauer auf mich. Ob das mit dem Auto nur eine Ausrede war, um mich nicht abholen zu müssen? „Wir treffen uns dann wahrscheinlich morgen, nehme ich an“, fuhr er ohne Umschweife fort. „Ja, ich denke schon.“ Freitags hatten wir keine einzige Stunde zusammen, aber in der Cafeteria würden wir uns sicher über den Weg laufen. Das hoffte ich jedenfalls. Ich musste unbedingt noch mal mit ihm reden. „Okay, also bis dann“, verabschiedete er sich trocken und legte auf, noch ehe ich etwas erwidern konnte. Etwas überrumpelt hielt ich den Hörer noch ein paar Sekunden in den Händen und starrte ihn an, ehe ich ihn wieder aufs Telefon packte. Mit einem lauten Seufzer ließ ich mich zurück in die Sofakissen fallen und betrachtete frustriert das Wohnzimmer. Es musste doch etwas geben, um mich bei ihm zu entschuldigen. Irgendetwas. Ich grübelte bestimmt eine ganze Stunde darüber nach. Mein Blick wanderte über die zahlreichen Fotos an der Wand und über dem Kamin. Letztendlich blieb ich bei einem Bild von Renée und Phil hängen. Es wurde draußen aufgenommen. Die Sonne schien und meine Mutter grinste in die Kamera, während sie einen Baseballschläger in der Hand hielt. Ich musste bei unserer kleinen Übungsrunde nach dem Spiel wohl genauso dämlich ausgesehen haben wie sie. Phil stand in seiner Teambekleidung neben ihr und lächelte. Plötzlich fiel mir ein, was ich Edward gutes tun konnte. Ich rannte aus dem Raum und direkt in mein Zimmer. Sofort durchwühlte ich sämtliche Ecken und Winkel. Unter dem Bett, hinter den Vorhängen, in den Schubladen meines Schreibtisches, in und hinter meiner Kommode. Zum Schluss kam der Kleiderschrank an die Reihe. Ich riss die Türen auf - und beinahe aus den Angeln - und durchstöberte ihn von Kopf bis Fuß. Hoffentlich war er hier… Nach ein paar verzweifelten Minuten fand ich endlich, wonach ich gesucht hatte. Zufrieden krabbelte ich aus dem Schrank und hockte mich auf meine Knie, um den Baseballhandschuh genauer zu betrachten. Er war definitiv schon einige Male benutzt worden. Die Verschleißspuren waren deutlich zu erkennen. Hier und da gab es ein paar Kratzer. Doch das Leder war herrlich weich. Vorsichtig fuhr ich mit der Hand herüber, während die letzten Sonnenstrahlen, die sich durchs Fenster stahlen, auf die glatte Oberfläche schienen. In der Innenseite befand sich eine, mit schwarzem Edding geschriebene, sehr verschnörkelte Unterschrift eines bekannten Baseballspielers der New York Yankees, wenn ich es richtig in Erinnerung hatte. Phil hatte ihn mir geschenkt. Damals, als meine Mom ihn kennen gelernt und beschlossen hatte, ihn zu heiraten, war ich sehr wütend auf sie, aber vor allem auf ihn. Ich hatte immer gehofft, sie würde wieder mit Dad zusammenkommen und als sie dann ihren neuen Mann vorstellte, wurde mir klar, dass das niemals passieren würde. Immer wenn ich meine Mutter besucht hatte, ignorierte ich ihn. Wenn er versuchte, mit mir zu reden, gab ich ihm patzige Antworten. Meine Abneigung war offensichtlich und keiner von beiden hatte eine Idee, wie sie mich davon überzeugen konnten, ihre Entscheidung zu akzeptieren. Damals hatte Phil mir diesen Handschuh als Friedensangebot geschenkt. Als ein Zeichen, dass sowohl meine Mutter, als auch ich ihm wichtig waren. Er gehörte einem der bekanntesten und erfolgreichsten Spieler der Baseballgeschichte. Ich mochte gar nicht daran denken, wie viel er wert war, geschweige denn wie wichtig für Phil. Erst mit der Zeit hatte ich sein Opfer zu schätzen gewusst. Mittlerweile verstanden wir uns richtig gut. Und Edward würde jetzt mehr davon haben als ich. Schließlich kannte er sich mit dem Sport aus. Ein kleines Grinsen huschte über mein Gesicht. Jetzt musste ich ihn nur noch einpacken und einen kleinen Zettel hineinlegen. Ich holte schnell ein gelbes Stück Papier, sowie einen Stift von meinem Schreibtisch, dann sprang ich auf mein Bett und fing an, eine kleine Notiz zu verfassen. Hi Edward, Ich weiß, dass du auf mich sauer bist. Und was immer ich getan habe, es tut mir leid. Ich hoffe, du bist mir nicht mehr böse und verzeihst mir. Der Handschuh ist eine kleine Wiedergutmachung. Ich habe ihn von meinem Stiefvater, doch ich kann nichts damit anfangen. Du weißt ja, wie viel ich vom Sport verstehe. Mit ziemlicher Sicherheit kann ich aber sagen, dass du seinen Wert besser einschätzen kannst… Love, Bella Ich betrachtete noch kurz das Stück Papier, dann rollte ich es zusammen und steckte es in die Handöffnung. Jetzt musste ich nur noch etwas zum Einwinkeln finden. Ich sah mich im Zimmer um, doch das Chaos an sich verriet mir schon, dass ich nichts finden würde. Also stand ich auf und ging zurück ins Wohnzimmer, um mich dort etwas umzusehen. Charlie war allerdings nicht gerade der Typ, der oft Geschenke kaufte. Im Endeffekt hatte ich auch hier nichts gefunden. Ich beschloss, noch einmal hinaus zu gehen und in einem Geschenkartikelladen nach etwas geeignetem zu suchen. Als ich fertig angezogen draußen vor der Haustür stand, um abzuschließen, hörte ich plötzlich ein Knacken hinter mir. Nicht direkt hinter mir, eher etwas seitlich hinter dem Fliederbusch, der an unser Haus grenzte. Abrupt drehte ich mich um, konnte aber nichts erkennen. Ich schloss rasch die Tür ab und ging ein paar Schritte darauf zu, hielt dann aber an. Mein Puls fing an zu rasen. Bevor er seinen Höhepunkt jedoch erreichen konnte, kam eine weiße Katze mit einem lauten „Miau“ hervor, und erschrak mich im ersten Moment. Womöglich hörte ich schon Gespenster. Ich redete mir immer wieder ein, dass es nur mein Verstand war, der mir einen kleinen Streich spielte. Mein Herzschlag verlangsamte sich wieder, während ich meine Hand auf meine Brust legte, als versuchte ich damit, es zu beruhigen. Ich steuerte unsere winzige Garage an und holte mein Fahrrad hervor. Die Sonne war bereits untergegangen und der Wind hatte etwas zugenommen. Bis zum nächsten Geschäft dauerte es nur eine halbe Stunde. Der Verkäufer beäugte mich misstrauisch, als ich leise durch die Reihen schlich. Es war schon spät und er wollte wahrscheinlich zumachen. Ich war die letzte. Über eines der Regale konnte ich ihn beobachten und bemerkte, wie er mit schmalen Augen etwas am Außenfenster fixierte und sein Blick dann langsam zu mir wanderte. Als ich ebenfalls nach draußen sah, konnte ich allerdings nichts und niemanden erkennen. Was er wohl gesehen hatte… Ich ließ den Gedanken daran schnell fallen und wandte mich wieder meiner Hauptaufgabe zu. Es dauerte auch nicht lange, bis ich fündig wurde. Es war eigentlich weniger Papier, als mehr eine Art Beutel aus Wildleder, deren Schlaufen man am Ende zuziehen konnte. Gerade groß genug, sodass der Handschuh hineinpasste. Auf den ersten Blick ließ es nicht auf ein Geschenk vermuten. Nur die Aufschrift …For those who search for something special… wies darauf hin. Dafür zwanzig Dollar zu bezahlen, war etwas übertrieben, doch wenn es half, Edward wieder lächeln zu sehen, nahm ich den Preis gerne hin. Schnell ging ich zum Verkäufer und beglich die Rechnung, dann machte ich mich zügig auf den Weg nach Hause. Charlie war immer noch nicht da. Ich ging in mein Zimmer und setzte mich auf mein Bett, wo immer noch der Baseballhandschuh lag. Behutsam steckte ich ihn in den sandfarbenen Beutel und zog die Kordel sorgsam zu. Seufzend legte ich mich auf den Rücken, packte das Geschenk auf meinen Bauch und starrte an die Decke. Ich konnte es kaum erwarten, es Edward morgen zu geben. Auf sein Gesicht war ich besonders gespannt, denn er wusste garantiert, von wem das Autogramm stammte. Selbst etwas geschenkt zu bekommen, war eine Sache, aber jemandem eine Freude zu bereiten, eine noch viel schönere. Anderen Menschen ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern, verursachte ein ungemein wohliges Gefühl. Ich grinste so breit vor mich hin, dass man glatt denken könnte, ich wäre mit dem Joker verwandt. Ohne Vorwarnung musste ich auf einmal gähnen. Es dauerte nicht lange, bis ich ganz eingeschlafen war. „Bella, aufstehen. Es ist schon spät“, hörte ich die Stimme meines Dads. Etwas schwerfällig öffnete ich meine Augen und blinzelte ihn an, dann sah ich auf die Uhr. Mir blieb die Luft im Halse stecken. Ich hatte nicht einmal mehr eine halbe Stunde, bis die Schule anfing. Wie von der Tarantel gestochen sprang ich aus dem Bett und hastete an Charlie vorbei ins Bad. Aufs Frühstück konnte ich getrost verzichten. Ich packte noch schnell das Geschenk in die Tasche, dann verließ ich das Haus. „Kommt Edward heute gar nicht?“ fragte mich mein Dad, als ich dabei war, mein Fahrrad aus der Garage zu holen. Ich hatte nur noch zehn Minuten und eigentlich keine Zeit, mich mit ihm zu unterhalten. „Nein“, antwortete ich atemlos. Das ganze Hetzen machte mir wirklich zu schaffen. Mit einem Mal riss er mir das Fahrrad aus der Hand. „Ich fahr dich. Steig ins Auto, Bells.“ Etwas verdattert starrte ich ihn an, erinnerte mich dann aber wieder daran, mich zu beeilen. Nichtsdestotrotz war ich dennoch zu spät. Wenn mein Vater kein Polizist wäre, und er dementsprechend auch nicht haargenau die Verkehrsregeln beachten würde, hätten wir es vielleicht sogar noch rechtzeitig geschafft. So allerdings durfte ich mit gesenktem Haupt das Schulgebäude betreten. Natürlich waren die meisten Schüler jetzt im Unterricht, nur ein paar hatten offenbar eine Freistunde. Als wüssten sie, dass ich zu spät war, beäugten sie mich und steckten dann ihre Köpfe zusammen, um leise zu tuscheln. Ich dachte mir nichts weiter dabei. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, zu überlegen, was ich dem Lehrer sagen sollte. Ob er mir das mit dem Verschlafen abkaufte? Immerhin war es die Wahrheit. Im Klassenzimmer hörte ich das Gemurmel des Lehrers, welches sofort stoppte, als ich vorsichtig anklopfte und auf das „Herein“ wartete. Als dann endlich eine etwas genervte Stimme antwortete, öffnete ich die Tür und trat ein. Wie schon zuvor auf dem Flur starrten mich auch hier die Schüler an, als hätte ich die Pest. Einige überrascht, andere belustigt, wieder andere finster. Sie schüttelten abfällig die Köpfe. Ein leises Summen erfüllte den Raum, als auch hier alle anfingen, sich mit ihrem Banknachbarn und denen dahinter oder davor zu unterhalten. Hin und wieder schaute jemand verstohlen zu mir herüber oder zeigte unauffällig zu mir. Plötzlich fühlte ich mich unwohl. Was zur Hölle ging hier eigentlich vor? War Verschlafen jetzt ein Verbrechen geworden? Davon hatte Charlie mir gar nichts gesagt… „Schön, dass Sie uns auch noch beehren, Miss Swan. Die Gesetze dieses Landes scheinen Ihnen doch nicht vollkommen gleichgültig zu sein“, durchbrach der Lehrer das Stimmengewirr. Sein finsterer Blick blockierte jede Widerrede. Ich konnte eh nichts antworten, so verwirrt war ich von seinem Kommentar. „Setzen Sie sich endlich hin. Der Rest der Klasse stellt bitte das Reden ein.“ Ich befolgte seine Anweisung und ging zu meinem Platz, während mir argwöhnische Blicke folgten. Die ganze Stunde über versuchte ich wirklich, mich auf den Unterricht zu konzentrieren, doch das war schwerer als erwartet bei dem Gestarre der Anderen. Konnte mich mal bitte jemand aufklären, was los war? Das hatte doch wirklich nichts mehr mit dem Zu-Spät-Kommen zutun. Zu allem Überfluss wurde ich auch noch öfter heran genommen als üblich und als wäre das noch nicht genug, hatte ich sogar vergessen, meine Hausaufgaben zu machen. „Selbst wenn Sie jetzt der Meinung sind, die Schule als unwichtig anzusehen und sie zu vernachlässigen, werden Sie dem Nachsitzen heute nicht entkommen können, Miss Swan“, entgegnete der Lehrer kalt. Nachsitzen? Am Freitag? Womit hatte ich das denn bitte verdient? „Das ist nicht Ihr Ernst“, antwortete ich erschrocken. „Ich war doch nur ein paar Minuten zu spät.“ Seine Augen sprühten förmlich Funken. „…Keine Aufgaben gemacht, dem Unterricht keine Beachtung geschenkt und jetzt auch noch dem Lehrer widersprochen. Solange Sie hier sind, haben Sie die Regeln zu beachten!“ Ich öffnete meinen Mund, doch schloss ihn sofort wieder, ehe ich noch mehr Strafen aufbekam. Der Rest des Vormittages verlief ähnlich. Überall abwertende Blicke und Getuschel. Wo ich auch hinging, wurde leise geflüstert. Am liebsten hätte ich einen von ihnen gepackt und in eine Ecke geschliffen, um zu erfahren, warum sich alle so merkwürdig benahmen, doch dazu hatte ich keinen Mut. Stattdessen suchte ich Flure, in denen sich möglichst wenige Schüler befanden. Wenn es denn nur diese waren. Doch sogar die Lehrer sahen mich abfällig an, als wollten sie mir eine Predigt allein durch ihre Augen mitteilen. Die Vorfreude, die ich gestern noch gespürt hatte, als ich über Edwards Geschenk nachdachte, war völlig verschwunden. Ihn musste ich sowieso noch aufsuchen. Nicht, weil ich ihm den Lederbeutel geben wollte, eher weil ich mit ihm über dieses komische Verhalten der Anderen reden musste. Vielleicht wusste er mehr. Der Weg zur Cafeteria verlief nicht so schleppend wie die zu den Klassenräumen. Ich beeilte mich regelrecht, dort anzukommen. Als ich sie betreten hatte und ungefähr in der Mitte stand, schaute ich mich sofort nach Edward um. Im nächsten Augenblick passierten mehrere Dinge gleichzeitig. Ich hatte meinen Scheinfreund entdeckt und wollte bereits zu ihm laufen; Alice tauchte aus einer anderen Richtung auf und winkte mir überschwänglich zu; und genau hinter mir tauchte die widerliche Stimme Mike Newtons auf. „Ich bin wirklich beeindruckt, Isabella Swan. Und das als Tochter eines Polizisten. Das hätte ich wirklich nicht von dir erwartet“, kicherte er. Langsam drehte ich mich zu ihm um. „Wovon redest du?“ fragte ich herausfordernd und verengte meine Augen. Eine seiner Augenbrauen zuckte nach oben und er wartete einen Augenblick mit seiner Antwort, um mich prüfend zu mustern. „Ach, komm. Glaubst du etwa, so was würde lange geheim bleiben? Ich meine, es reicht doch schon aus, es nur einer einzigen Person zu erzählen, und schon verbreitet es sich wie ein Lauffeuer.“ „Red deutlicher“, zischte ich. Plötzlich fing jemand an zu lachen. Nicht weit entfernt, hinter Mike, stand Lauren, die Arme vor der Brust verschränkt. Etwas mir Unbekanntes schien sie sichtlich zu erheitern. „Swan…“ Sie schüttelte grinsend den Kopf, wobei sie auf uns zukam. „Bist du wirklich so naiv, oder tust du nur so? Es ist doch offensichtlich, dass wenn jemand in ein Baseballstadion einbricht, so was nicht lange ein Geheimnis bleibt.“ Mir stockte der Atem und sie fuhr fort. „Und dann noch die Nacht in einer Zelle zu verbringen… Musste dein Vater bei seiner eigenen Tochter Wache halten?“ Ich war wie gelähmt und konnte sie nur mit offenem Mund anstarren. Woher wusste sie das mit dem Stadion? Aber viel wichtiger war eigentlich, woher sie diese falschen Informationen hatte. Wer hatte so etwas behauptet? Das Verhalten der Schüler kam mir jetzt nur allzu logisch vor. Ich hätte womöglich genauso reagiert, wenn es über jemand anderen so ein Gerücht gab. In der Cafeteria war es totenstill. Sämtliche Augenpaare waren auf uns gerichtet. „Hat dein Vater dich heute zur Schule gefahren, weil er Angst hat, du würdest abhauen?“ Lauren blieb direkt neben Mike stehen, der bei ihrem Anblick anfing, zu japsen. Ich verzog das Gesicht, während diese Frau gar nicht erst auf eine Antwort meinerseits wartete. „Weißt du, es ist mir relativ egal, was du anstellst, aber wie konntest du Edward da mit hineinziehen? Kannst du dir eigentlich vorstellen, was das für ihn und seine Baseballkarriere bedeutet? Vielleicht wird er deswegen ja sogar bei seinem bevorzugten College abgewiesen.“ Sie funkelte mich böse an. „Wir sind nirgends eingebrochen. Wir wurden eingeschlossen“, hörte ich Edwards Stimme auf einmal hinter mir. Ich entspannte mich ein wenig. Mike blickte ihm höhnisch ins Gesicht. „Du musst sie nicht verteidigen. Dieses Mal kannst du sie nicht in Schutz nehmen. Je länger du dich mit ihr abgibst, desto weniger schenken dir die Leute Glauben.“ Edward versteifte sich. Als ich mich umsah, bemerkte ich tatsächlich einige, die ihn genauso verurteilend anblickten, wie sie es mit mir gemacht hatten. „Bitte komm wieder zur Besinnung. Das ist dieses… Miststück doch nicht wert“, flehte Lauren Edward an und erntete sofort ein verachtendes Schnauben von diesem. „Halt den Mund.“ Ich konnte mir gut vorstellen, dass sie sich ihren Teil dazugereimt hatte. Doch irgendjemand musste ihr von dem Abend erzählt haben. Mich ausgeschlossen, gab es in dieser Schule nur drei Leute, die davon wussten. Claire, Alice und Edward. Erstere konnte ich ausschließen. Sie war meine beste Freundin und würde nie etwas so privates an dritte preisgeben. Genauso wenig mein Scheinfreund. Nicht nur, dass er sich selbst damit belasten würde; er hatte mir einfach schon zu oft aus der Patsche geholfen, als dass er mich jetzt ins Messer laufen ließ. Es blieb also nur noch eine übrig. Und die kam gerade auf uns zu. Alice. “Bella, ich dachte, dass ihr nur-” fing sie an, doch ich fiel ihr ins Wort. “Du warst das, oder?” presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. “Du hast das überall herumposaunt.” Ihre Augen weiteten sich. “Wovon redest du?” Ich runzelte die Stirn. Meinte sie das ernst? Wollte sie mich für dumm verkaufen? “Gib’s doch einfach zu. Ich hab dir vertraut und du nutzt das aus und erzählst Lügen über mich. Es gibt niemanden sonst, der von dem Abend wusste und es weitererzählen könnte”, fauchte ich sie an. “Ich weiß gar nicht, wieso ich so was machen sollte.” Ihre Stimme klang winzig. Ich funkelte sie wütend an. “Du bist wirklich ein Freak. Hast du dadurch wenigstens ein paar neue Freunde gefunden, die sich jetzt mit dir abgeben?” Ich hörte mich immer schriller an und Tränen stießen mir plötzlich in die Augen. “Ich hab nie…” Alice brach mitten im Satz ab. “Mit mir unterhält sich doch eh niemand.” “Bella…” fing Edward auf einmal an und legte seinen Arm um meine Taille. Das unerwartete Auftauchen Jaspers an Alice’ Seite verhinderte, dass er weiter sprach. “Hör auf, sie so anzufahren. Ich glaube keine Sekunde lang, dass sie so ein Gerücht in die Welt gesetzt hat. Also sieh dich gefälligst nach anderen Schuldigen um”, verteidigte er sie. “Du nimmst sie doch bloß in Schutz, weil du sie magst”, sagte ich leise und hatte zutun, meine Stimme nicht zu verlieren. “Das ist ein Grund. Ja”, gab er selbstbewusster denn je zurück. “Jasper, lass es”, mischte sich Edward nun ein, doch ich hob meine Hand und legte sie abwehrend gegen seine Brust. “Schon gut. Wenn er meint… Soll er doch denken, was er will.” Ich musste schlucken, um den Kloß in meinem Hals los zu werden. Alice wollte noch etwas sagen, doch ich hielt die Hand hoch, während mein Gesicht sich zu einer Steinmaske verhärtete. Dann ging ich mit eiligen Schritten aus der Cafeteria; ein Dutzend Blicke auf meinem Rücken geheftet. Im Hintergrund war Laurens und Mikes Gekicher zu erkennen. “Bella, warte”, hörte ich Edward. Er folgte mir. Auf dem Flur packte er meinen Arm und riss mich herum. Für einen Moment erstarrte er und seine Augen weiteten sich, als er mein Gesicht sah. Mittlerweile hatten sich meine Tränen verselbstständigt und liefen nun meine Wangen hinunter. Vorsichtig legte er seine Hände an meine Oberarme. “Mach dir wegen dem, was da drin passiert ist, keine Gedanken, okay? Wir wissen, was wirklich wahr. Also kein Grund, deshalb zu weinen”, versuchte er mich mit sanfter Stimme zu beruhigen. Ich wandte meinen Blick ab. Ich wusste ja selbst, dass es idiotisch war, deshalb gleich zu heulen. “Im Übrigen glaub ich auch nicht, dass Alice so etwas sagen würde”, sagte er plötzlich. Ich starrte ihn erschrocken an. “Du… nimmst sie auch in Schutz?” presste ich hervor. Das konnte doch nicht wahr sein. “Nicht aufregen… Mir fällt nur einfach nichts ein, weshalb sie so etwas machen sollte.” “Das ist doch offensichtlich. Weil sie Aufmerksamkeit will und weil sie verrückt ist”, fuhr ich ihn an. Er hob eine Augenbraue. “Du urteilst ganz schön schnell, dafür dass du doch eigentlich die Letzte sein müsstest, die andere Leute nach ihrem äußeren Auftreten bewertet.” “Es gibt aber sonst niemanden, der es erzählt haben könnte.” “Vertraust du Claire so sehr?” sagte er und traf mich damit voll gegen den Kopf. Gerade er sollte doch anders über Claire denken. “Natürlich tue ich das. Sie würde mir nie wehtun. Dazu ist sie ein viel zu guter Mensch”, erklärte ich aufgebracht. “Wenn du es Alice nicht zutraust, dann hast du es wahrscheinlich selbst rum erzählt und es noch ein wenig ausgeschmückt.” Es kam gehässiger und vorwurfsvoller herüber, als beabsichtigt. Edward ließ mich auf einmal los und ging ein paar Schritte zurück. Seine Miene wurde etwas verbittert, als seine Lippen sich zu einer schmalen Linie formten. “So ist das also”, stellte er trocken fest. Mir wurde klar, dass er das viel zu ernst genommen hatte. Wie konnte ich ausgerechnet ihm so etwas an den Kopf knallen? Er war doch derjenige, der mich in letzter Zeit aufbaute, wenn es mir schlecht ging. “Edward, ich wollte nicht-” “Schon gut. Ich hab verstanden.” Abwehrend hob er die Hände und ließ sie gleich darauf kraftlos wieder fallen. Seine Mundwinkel zuckten nach oben, doch es war kein Lächeln. Es sah enttäuschend aus. Ich starrte ihn mit offenem Mund an. “Soll… soll das heißen, das war’s?” stotterte ich brüchig. “Sieht wohl so aus…” Er blickte noch einen Moment zu mir, dann drehte er sich langsam um und ging. Was hatte ich getan? Gestern Abend hätte ich mir nicht im Traum vorstellt, dass der heutige Tag so aussehen könnte. Und jetzt? Mein ganzes Leben hatte sich in nur ein paar Minuten in eine einzige Tragödie verwandelt. Edwards Geschenk in meiner Tasche pulsierte wie ein schlagendes Herz. Dabei hatte es seinen Nutzen doch verloren. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Okay, sämtliche Mordwaffen werden versteckt...Auch bruchsichere Stifte...O.o... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)