Maskenkönig von Mullana ================================================================================ Kapitel 1: Der Sturz -------------------- Ein König saß auf seinem Thron. Das helle Klingen der Metallringe, mit denen sein Szepter geschmückt war, schien den ganzen Saal zu erfüllen und drängte die Geräusche, die von der Ferne heranwogten, für Sekunden in den Hintergrund. Verträumt wiegte er das Szepter in seinen Händen hin und her. Ching. Chiling... Das Lärmen von draußen wurde lauter. Man konnte deutlich hören, wie es immer näher kam. Die beiden Leibwächter zu seinen Seiten zogen ihre Waffen. Der König ließ das Szepter neben sich auf den Thron gleiten. Chililing. „Nicht.“ Seine Stimme klang ruhig und sanft. „Es hat keinen Sinn, ihr würdet euer Leben nur sinnlos vergeuden. Es sind zu viele als dass ihr etwas ausrichten könntet. Legt eure Waffen nieder und tretet zurück.“ Der König musste sich gar nicht erst umdrehen um zu wissen, wie die Gesichter seiner Leibwachen aussahen. Sie waren da gewesen, so lange er sich erinnern konnte und kampflos aufzugeben war ganz sicher nicht nach ihrem Geschmack. Dennoch gehorchten die beiden wortlos den Befehlen ihres Königs. Drei Augenpaare wandten sich zum Eingangsportal des Thronsaales, vor dem das Getrappe und die wütenden Stimmen der Meute ihren Ursprung fanden. Mit einem Ruck wurde die mächtige Tür aufgestoßen und der Mob - bewaffnet mit allem, was nur irgendwie als Waffe dienen konnte - strömte in den Thronsaal. Allen voran schritt ein älterer Mann mit kurzem, grau meliertem Haar und Vollbart. Trotz seiner einfachen Kleidung wirkte er irgendwie erhaben und seine Augen strahlten Weißheit aus. So musste wohl ein Anführer aussehen. Der Mann blieb stehen und auch seine Gefolgschaft hatte nun ihren Platz in dem großen Saal gefunden. Für einen flüchtigen Augenblick kehrte schier gespenstische Ruhe in die Szene ein. Nur das Wirbeln des Staubes in den Lichtkegeln der hohen Fenster zeugte von den Bewegung, die bis vor kurzem in dem Raum geherrscht hatte. Der Mann sprach: „Wollt ihr euch nicht zu uns gesellen, oh Großer Maskierter?“ Der König rührte sich nicht. Durch die Maske aus weißem Porzellan, die er auf dem Gesicht trug, war nicht zu erkennen ob er irgendeine Regung zeigte. „Wie ihr wollt, Maskenkönig.“ sagte der Mann. Seine Augen funkelten. Er hob seine Stimme: „Dann muss ich euch wohl persönlich einladen!!“ Mit diesem Satz überwand er blitzschnell die wenigen breiten Stufen, die ihn noch von dem Thron trennten, packte den überraschten König am Kragen und zerrte ihn mit einem Ruck nach vorn. Getrieben von der Wucht des Angriffs stürzte der König unsanft die Stufen hinab und blieb dort unten liegen. Seine Krone war ihm vom Kopf gerutscht und beschrieb nun einen weiten Bogen durch den Saal bis sie schließlich kippte und zum liegen kam. Das erste, was der König aber wahrnahm, war seine Maske, die nicht weit von ihm am Boden lag. Das Band musste durch den Sturz gerissen sein, doch glücklicherweise hing ihm sein langes Haar wirr ins Gesicht. Wenn er die Maske nur rechtzeitig erreichen konnte! Vorsichtig streckte er seine Hand nach vorn. Er hörte, wie der Bärtige hinter ihm langsam die Stufen hinabtrat, begleitet vom Klingen des Szepters, das wohl mit vom Thron gerissen worden war und nun lautstark seinen Weg die Stufen hinab fand. Der König hatte tatsächlich seine Maske zu fassen bekommen und wollte sie schnell zu sich her ziehen, doch auf halbem Weg wurde seine Bewegung vom Stiefel des bärtigen Mannes gestoppt, der plötzlich neben ihm stand und auf die Maske trat. Der König wollte erschrocken auffahren, als er das leise Knirschen vor sich hörte, doch besann sich im letzten Augenblick eines Besseren. „Was ist es, dass euch diese Maske so wichtig macht? Was wollt ihr dahinter verbergen?“ hörte er die tiefe Stimme über sich. „Wisst ihr, wir einfachen Leute haben auch Dinge, die uns wichtig sind. Uns ist es zum Beispiel wichtig, das wir unsere Familien ernähren können.“ Zum Schrecken des Königs verlagerte der Mann sein Gewicht noch mehr auf die Maske. „Durch eure drakonisch hohen Steuern nehmt ihr uns diese Möglichkeit. Und das hier entspricht nicht mal annähernd dem, wie sich das anfühlt!“ Mit einem Ruck brachte er die Maske zum Bersten. Der König musste das Gesicht abwenden, als die Splitter zu ihm herangeschlittert kamen. Und schon spürte er die Hand des Mannes, die ihn am Schopf packte und unbarmherzig nach oben zog. Er kniff die Augen zusammen. Nicht nur vor Schmerz, er konnte auch die Vorstellung nicht ertragen, in die Gesichter der Menschen vor sich sehen zu müssen. Ein entsetztes Raunen wogte in der Menge auf. „Sehr ihr?“ rief der Mann seinen Anhängern zu. „Diese Maske hat nichts magisches oder dämonisches an sich.“ Er wischte die Scherben demonstrativ mit dem Stiefel von sich. „Und dahinter verbirgt sich auch nur ein gewöhnlicher, wenn auch außergewöhnlich hässlicher Mensch!“ Jubelschreie klangen auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)