Aufwallen der Gefühle von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Pubertät...und plötzlich verändert sich dein Leben ------------------------------------------------------------- Titel: Pubertät...und plötzlich verändert sich dein Leben Teil: 1/?? Autor: Ju-Chan86 Genre: Shounen-ai, Romantik, Drama Pairing: Seto x Joey Kommentar: Mir war mal wieder nach einer FF mit den Beiden. Disclaimer: Alles von Yu-Gi-Oh, gehört nicht mir und wer was anderes behauptet, der lügt! Kapitel 1: Pubertät...und plötzlich verändert sich dein Leben Verstohlen drehte sich Joey auf seinem unbequemen Holzstuhl um. Sein Blick fiel auf einen jungen Mann, der sich in letzter zeit sehr verändert hatte: Seto Kaiba. Vor noch wenigen Wochen hatten die beiden miteinander gespielt, sie hatten sich getroffen, Eis gegessen und sich mit Yugi getroffen, um sich Filme auszuleihen und anzusehen. „Guck nicht schon wieder hin, wenn er halt da sitzen will, lass ihn doch.“ Joey drehte sich wieder nach vorn und sah zu seinem besten Freund, der neben ihm saß. „Ich versteh das bloß nicht. Es kommt mir wie gestern vor, dass wir zusammen Quatsch gemacht haben.“ Der Blonde neben ihm nickte. „Mir ja auch.“ Joey sah noch einmal zu Seto, der kalt zurücksah. Ohne jede Gefühlsregung, dachte Joey. Was war nur mit dem Braunhaarigen los? In letzter Zeit hatte sich einiges verändert, das konnte er nicht leugnen. Die Mädels fingen plötzlich an, zu kichern, nur noch in Grüppchen aufs Klo zu gehen, sich zu schminken und sich nach Jungs umzudrehen, die ihrerseits fast alle Pickel im Gesicht trugen und einen Schuss in die Höhe gemacht hatten. Viele hatten schon den Stimmbruch mitgemacht. Aber war die Pubertät denn ein Grund, eine Freundschaft aufzugeben? Entschieden schüttelte Joey den Kopf, stand auf und trat nach hinten in den Klassenraum, wo Seto saß. „Hey Seto, willst du nicht neben uns sitzen wie sonst immer?“ Jeden Morgen seit drei Wochen stellte er diese Frage. „Verpiss dich, Wheeler.“ Und jedes Mal bekam er diese Antwort. Verletzt sah Joey sein Gegenüber an. „Ich versteh dich echt nicht! Was ist denn los? Ist irgendwas passiert?“ Er wusste, dass diese Fragen zu nichts führen würden. „Verpiss dich endlich, Wheeler und lass mich in Ruhe.“ Joey tappte entmutigt zurück zu seinem Platz, wo Yugi schon auf ihn wartete. „Und?“ Ein Blick von Joey reichte und Yugi wusste Bescheid. „Ich sag doch, du kannst das lassen. Weiß gar nicht, warum du jeden Tag hinrennst und ihn so dämlich fragst.“ „Damit ich eine Antwort bekomme natürlich.“ Yugi schüttelte den Kopf. „Sinnlos. Die Pubertät wirkt sich bei jedem anders aus. Der is eben mufflig geworden.“ Er zuckte die Schultern und anscheinend interessierte es ihn wirklich nicht, aber Joey interessierte es schon. Mrs. Kamrun betrat den Raum und läutete damit die Biologiestunde ein. Joey konnte sich nicht konzentrieren. Seit drei Wochen ging irgendetwas in Seto vor, das Yugi nicht interessierte, aber ihn dafür umso mehr. Früher hatten sie immer gescherzt, dass sie mal auswandern würden, weg von ihren Eltern, die sie – wie alle Jugendlichen in der Pubertät – einfach nur schrecklich peinlich fanden. Selbst Yugi hatte da mitgemacht. Sie wollten irgendwas Cooles machen, vielleicht eine Strandbar in der Karibik aufmachen, haben sie sich gefragt. Seto war voll dabei gewesen und jetzt? Joey konnte es immer noch nicht fassen. Von heute auf morgen war dieser Traum geplatzt. Und er hatte mal gedacht, Träume würden ewig leben. Die Kamrun redete irgendwas über Blüten und Pollen und Bienen und Bestäubung. Konnte das wirklich nur mit der Pubertät zusammenhängen? Sobald die Stunde vorbei war, sprang Joey auf und ging zu Seto. „Kommst du mit? Yugi und ich wollen noch ein Eis essen.“ „Verpiss dich, Wheeler.“ Es verletzte Joey, immer diese Antwort zu bekommen. Früher hatten sie sich umarmt, früher waren sie sich nahe gewesen, er hatte es geliebt, mit seinen zwei Freunden abzuhängen. Tief seufzte er und ging wieder zu Yugi, der schon mit gepackter Tasche wartete. Wortlos packte Joey seine Schulhefter und -bücher ein. „Ich versteh wirklich nicht, warum du es ständig probierst.“ Wütend funkelte Joey Yugi an. „Ich versteh auch nicht, warum du es nicht probierst, wenn ich ehrlich bin.“ Der Blonde zuckte die Schultern. „Der kriegt sich schon wieder ein. Könnt halt nur ne Pubertät lang dauern. Gehen wir jetzt n Eis essen oder was?“ Joey schnaubte. „Wenn du willst.“ „Na nur wegen dem müssen wir uns doch nicht die Laune verderben lassen.“ „Du hast ja Recht. Lass uns gehen.“ Als sie den Klassenraum verließen, warf Joey einen Blick zu Seto, wie er das immer tat. Und Seto sah ihm genau in die Augen – kalt – wie er das immer tat. *~* „Du wirst das Unternehmen übernehmen, da gibt es gar keine Diskussion.“ „Nein, das werde ich nicht! Du kannst mich nicht dazu zwingen!“ „Natürlich kann ich das, ich bin dein Vater.“ „Du machst mich wahnsinnig mit deiner Arschruhe!“ „Und du mich mit deinem Geschrei. Nimm doch einfach das Angebot an. Es ist deine Chance, in meine Fußstapfen zu treten.“ „Wer hat denn gesagt, dass ich das will?!“ „Du brauchst gar nicht anfangen zu diskutieren.“ „Ich diskutiere aber gern! Was willst du mir denn noch verbieten? Meine Zukunft verbietest du mir, was ist mit der Gegenwart?!“ „Also ehrlich gesagt, gefallen mir deine Freunde nicht.“ „Wie bitte?!“ „Deine Freunde, diese zwei blonden Kerle. Der eine sieht aus wie ein Straßenköter, der andere ist so ein abgebrochener Zwerg.“ „Wehe du sagst was gegen die beiden!“ „Hab ich doch gerade. Sie gefallen mir nicht. Ich möchte eigentlich nicht, dass du weiter mit ihnen verkehrst.“ „Das sind meine Freunde.“ „Bitte, hör auf zu schreien und füge dich endlich dem Willen deines Vaters. Du bist ein Kaiba, benimm dich auch so.“ Wutentbrannt hatte Seto das Zimmer verlassen. *~* Das Eis schmeckte schal. Es sollte nach Schokolade schmecken, tat es aber nicht. Es schmeckte schal. Nach nichts. Nach einem fehlenden Seto. Joey verfütterte den unteren Teil der Waffel an die Spatzen auf der Straße. „Jetzt mach nicht so ein Gesicht, ich sag dir doch, das ist die Pubertät.“ „Und wenn nicht?“, fragte Joey seinen besten Freund. „Dann müssen wir wohl ohne ihn leben.“ „Dir geht das alles am Arsch vorbei oder wie?“ „Nein, tut es nicht. Aber wenn er doch nicht will? Du kannst ihn nicht zwingen, Joey.“ „Das werden wir sehen.“ Sein bester Freund schnaubte. „Wird vernünftig. Ui, guck mal! Die hat aber nen knackigen Hintern!“ Yugi deutete mit seinem leeren Pappbecher auf eine dralle Brünette mit wiegenden Hüften, die in knapper Entfernung an ihnen vorbeilief. Joey konnte nur an Seto denken. Sie hatten doch immer alles zusammen gemacht. Yugi schubste ihn an. „Sag doch mal, wie findsten die?“ „Joa, ganz nett.“ „Ganz nett?“ Joey hob den Blick von den Spatzen und sah Yugi an. „Ist mir eigentlich ziemlich Stulle, die Olle.“ „Also oll war die nun wirklich nicht, die war geil.“ „Und du redest über die Pubertät.“ „Wundert mich nicht, dass die dich noch nicht so eingeholt hat. Ich kann kaum noch still sitzen bei so einer Aussicht.“ Wieder sah Yugi einer Schönheit nach und Joey verzog das Gesicht. Irgendwie war ihm sein Kumpel beinahe eklig. In letzter zeit hatte er nur noch Augen für Mädels. Jetzt pfiff er sogar! „Hey Süße!“ Er schnurrte auch noch. Gott, war das peinlich. „Man, war die heiß.“ „Ich glaube, dir ist heiß.“, blaffte Joey zurück. „Na ja, sind ja auch 25 Grad.“ „Wir haben ja auch Sommer.“ „Wollen wir heute ins Freibad?“ Mit Yugi ins Freibad, der eh nur Augen für Brüste und Ärsche hatte und nicht mit ihm schwimmen wollte, weil seine „Frisur“ dann dahin war? „Nee, lass mal.“ „Spaßbremse.“ „Egal. Ich lern lieber noch etwas.“ „Okay. Wollen wir?“ Joey nickte und sie gingen ihren Weg nach Hause. Von hinten sah man nur zwei tief hängende Rucksäcke, wie sie „in“ waren im Moment. Als sie sich verabschiedeten, waren in Joey Kopf sofort wieder nur die Gedanken an Seto. Warum verhielt der sich so? Irgendwas musste vorgefallen sein. Doch jetzt, nach dem Eisessen mit Yugi kamen noch andere Gedanken hinzu: Warum konnte er sich nicht auch so an Frauen aufgeilen? Die Gedanken an Seto waren dennoch stärker. Wie hätte er auch ahnen sollen, dass es gleichzeitig die Antwort auf die andere Frage war? Zuhause sprang ihm seine kleine Schwester entgegen. Sie trug lustige, geflochtene Zöpfe und fiel ihm sofort auf die Nerven. „Spielen wir heute noch was? Bitte bitte, großer Bruder!“ Er lächelte gütig. „Von mir aus, Serenity.“ *~* „Komm runter essen, es wird sonst kalt.“ „Ich habe keinen Hunger!“ „Von was lebst du denn dann bitte? Von Luft und Liebe?“ „Ja, vielleicht! Esst ihr ruhig allein!“ „Schön, wie du willst. Aber das wird Konsequenzen haben junger Mann.“ „Als würde ich die nicht kennen!“ „Du wirst mich noch kennen lernen, wenn du dich nicht bald zusammenreißt.“ „Lass mich in Ruhe und geh essen.“ „Nicht in diesem Ton.“ Wieder diese Arschruhe, die ihn nur noch mehr provozierte. „Ich rede, wie es mir passt!“ „Aber nicht mit mir. Gab es Noten in der Schule?“ „Alles Einser. Ganz wie du es gern hast!“ „Lüg mich nicht an. Gab es Noten und wenn ja, welche?“ „In Biologie eine drei, in Mathe eine vier.“ „Wie bitte?!“ Ha! Das brachte selbst seinen Vater auf die Palme. *~* Am nächsten Morgen in Chemie stellte sich Joey sofort neben Seto an einen Tisch, diesmal aber ohne etwas zu sagen. „Verpiss dich, Wheeler.“, sagte der dennoch. „Aber du brauchst doch einen Partner.“ Yugi rief von vorne und Joey sah ihn fragend an. „Was?“ „Komm her hier, sonst bin ich ja ganz allein!“ Joey warf einen Blick zu Seto, dessen Miene sich nicht verändert hatte. „Ist das in Ordnung für dich?“ „Verpiss dich, Wheeler.“ Am liebsten hätte Joey ihn geschüttelt, ihn wachgerüttelt, es aus ihm rausgequetscht. Er wollte wissen, was los war, aber er kam nicht mehr an Seto ran. Stattdessen schlurfte er nach vorn und stellte sich neben Yugi. „Morgen.“ „Morgen. Dachtest du wirklich, wir könnten wie früher die einzige Dreiergruppe bilden?“ Joey nickte traurig. „Klar, warum nicht?“ „Weil es schon vorletzte Woche und letzte Woche nicht funktioniert hat?“ „Ja, schon gut. Ich bin ja hier.“ „Boah! Guck mal, Tessa sieht heute aber heiß aus.“ Joey verdrehte die Augen und versuchte sich auf die Anleitung zu konzentrieren, auf das Protokoll, das sie letzte Woche angefangen hatten, aber nicht geschafft hatten. Sie landeten letztendlich bei einer grau-grünen, sprudelnden Masse statt bei einem weißen Nebel. Joey verzweifelte, für Yugi war das alles nicht so schlimm. Für Joey war es die Hölle, wenn er keine Eins bekam, wenn nicht alles klappte. Nur auf die Schule konnte er sich im Moment verlassen, alles andere veränderte sich viel zu schnell für seinen Geschmack. In der Pause auf dem Schulhof ließ er Yugi in seinem tranceartigen Zustand allein, in dem er nur den Mädels nachsah und ging zu Seto, der einsam auf einem Holzpfeiler saß. „Wie geht’s dir, Seto?“ „Verpiss dich, Wheeler.“ Verletzt sah Joey auf den Boden. „Du kannst ruhig mit mir reden, wenn was nicht gut lief oder du Stress Zuhause hast.“ „Verpiss dich, Wheeler.“ „Du sagst nichts anderes zu mir, richtig? Egal, was ich sage.“ „Verpiss dich, Wheeler.“ Seto hatte sich kein Stück bewegt, er hatte nicht mal aufgesehen. Joey wusste, er war der einzige, der zu Seto ging und mit ihm sprach. Alle anderen hatten es schon aufgegeben, nach einer Woche hatten sie das Theater satt gehabt. Wenn die anderen nämlich mit dem Braunhaarigen sprechen würden, würden auch sie nur diesen kurzen patzigen Satz hören – angepasst durch den Nachnamen. Langsam und mit einem besorgten Blick zurück auf seinen, das musste er sich eingestehen, Ex-Freund, ging er wieder zu Yugi, der sich kaum retten konnte vor der Traube Mädels, die um ihn herumschwänzelte. Joey ertrug das nicht und ging schon in den Physikraum. Das war die reinste Strafe, diese beiden Fächer hintereinander zu legen. *~* Harte Schläge mit der flachen Hand auf seinen nackten Arsch. Böse Worte, lautes Klatschen, bittere Tränen. Und doch ertrug er es wortlos. „Dass du mir nicht noch mal mit solchen Noten nach Haue kommst.“ Sein Vater war immer noch so ruhig. Diesmal konnte er ihm keine saftige Antwort geben. Er musste sich zurückhalten, nicht vor Schmerzen zu schreien. *~* Joey starrte an die Decke seines kleinen Zimmers. Nebenan hörte er seine Mutter telefonieren. Seit Kurzem machte sie das schrecklichste, was er, Joey, sich hätte für sie wünschen können: Telefonsex. Mit fremden Männern, die sie nicht kannte. Nicht, dass es ihr Spaß machte, das hatte sie Joey versichert, aber es brachte viel Kohle rein und sie konnte arbeiten, wann sie wollte. Er konnte nur hoffen, dass Serenity immer schon schlief, wenn sie abends damit anfing und fast die ganze Nacht damit verbrachte. Joey wollte sich nicht ausmalen, was passierte, wenn Serenity mal einen bösen Traum hatte, der sie weckte und statt ihrer sie tröstenden Mutter fand sie dann dieses Sexmonster am Telefon. Joey stand noch einmal auf, tappte rüber zu dem Zimmer seiner Schwester und sah nach, aber sie schlief seelenruhig in ihrem Bettchen mit der rosafarbenen Bettwäsche. Zum Glück. Joey hatte sich nicht lange mit seiner Mutter gestritten, das brachte doch nichts. Sie war alt genug, sie musste wissen, was sie tat. Nur kam es Joey auch ein wenig wie Verrat vor. Verrat an seinem Vater, der vor acht Jahren gestorben war. Joey drehte sich auf die Seite und dachte an den braunhaarigen Jungen aus seiner Klasse. Am Anfang hatte Seto Angst davor gehabt, mit ihm befreundet zu sein. „Wir sind so unterschiedlich.“, hatte er gesagt, aber Joey hatte nur darüber gelacht. „Man kann doch trotzdem befreundet sein.“, hatte er geantwortet. Seitdem hatten sie dieses Thema nie wieder angeschnitten. Tränen stiegen in die Augen des Dreizehnjährigen. In der Schule durfte man nicht heulen, sonst war man gleich die Heulsuse der ganzen Schule, aber hier in seinem Bett fühlte er sich sicher. Seine Mutter kam derweil im Wohnzimmer mit schrillen Schreien zum Höhepunkt. Manchmal fragte er sich, ob sie auch Spaß dran hatte. Kapitel 2: Veränderung oder alles wie immer? -------------------------------------------- Titel: Veränderung oder alles wie immer? Teil: 2/?? Autor: Ju-Chan86 Genre: Shounen-ai, Romantik, Drama Pairing: Seto x Joey Kommentar: Mir war mal wieder nach einer FF mit den Beiden. Disclaimer: Alles von Yu-Gi-Oh, gehört nicht mir und wer was anderes behauptet, der lügt! Kapitel 2: Veränderung oder alles wie immer? Joey wählte beinahe schon blind Yugis Nummer aus seinem Handy und drückte den grünen Hörer. Nach dem dritten Klingeln nahm sein bester Freund ab. „Hey Alter. Was gibt’s?“ „Freibad? Es ist verdammt heiß.“ „Ganz schlecht, man. Ich treff mich heut noch mit Trish. Man, die war echt heiß gestern.“ „Also nicht?“ „Nein. Hab ich doch schon gesagt. Vielleicht wird das ja mal was mit Trish. Wer weiß. Jedenfalls kann ich mir das nicht entgehen lassen.“ „Schon klar, ja. Also dann sehn wir uns Montag?“ „Klar, Joey.“ Damit legte sein bester Freund auf. Und Joey? Der saß jetzt einsam an einem Samstagmorgen bei draußen brütender Hitze in seinem beinahe noch kalten Zimmer und wusste nicht, was er tun sollte. Langsam blätterte er sein Telefonbuch im Handy durch. Er hatte nur Lust gehabt, mit Yugi was zu machen. Jetzt saß er dumm rum. Kurz warf er einen Blick auf die Uhr. Kurz nach acht. Viel zu früh für seine Mutter, die wieder die Nacht durchgearbeitet hatte. Serenity hörte er nebenan schon fleißig spielen, laut las sie ihren Kuscheltieren irgendeine Geschichte von irgendeiner Lillifee vor. Er wollte nicht frühstücken, er wollte nicht mit seiner Schwester spielen. Er wollte raus, an den Baggersee oder ins Freibad! Plötzlich hielt Joey in seiner Bewegung inne, mit der er immer noch durch sein Telefon blätterte. ‚Seto’ stand da auf dem Display, darunter eine ihm vertraute Nummer. Joey schnaubte. Seit drei Jahren redete Seto nicht mit ihm, seit drei Jahren war ihre Freundschaft vorbei, nichts mehr da von ihrer Vertrautheit. Warum hatte er diese Nummer überhaupt noch? Entschlossen drückte Joey auf ‚löschen’. ‚Wollen Sie diesen Kontakt wirklich löschen?’, stand jetzt auf seinem Display und Joeys Fingerspitze tippte auf ‚Ja’, aber er brachte es nicht über sich. „Das ist doch lächerlich!“, sagte Joey wütend an sein Handy gewandt und schmiss es dann auf sein bett. Warum konnte er die Nummer nicht löschen? Seto hatte ihm nie gesagt, was damals vorgefallen war. Sie hatten nie wieder miteinander gesprochen. Immer, wenn er Seto angesprochen hatte, hatte er nur diesen dämlichen Satz gehört: „Verpiss dich, Wheeler.“ In den letzten drei Jahren waren verschiedene Variationen hinzugekommen: „Lass mich in Ruhe, elendes Hündchen.“, zum Beispiel. Joey seufzte und stand auf, tapste barfuß und nur in Shorts ins Bad gegenüber des Flurs und besah sich im Spiegel. Wie immer standen ihm die strohblonden - Seto nannte sie straßenköterblond – Haare in allen Richtungen vom Kopf ab. Mit ein paar Bewegungen versuchte er sie zu plätten, bewirkte stattdessen nur das Gegenteil. *~* „Wie läuft das Geschäft?“ „Wie immer.“ Sein Vater schlürft unnatürlich laut an seiner Kaffeetasse. „Bald bist du bereit, die Kaiba Corporation zu übernehmen.“ „Du weißt, dass ich das nicht will.“ „Du hast keine andere Wahl.“ „Sagt wer?“ „Der Vater eines 17 Jahre alten Jungen. Vergiss nicht, dass ich über dich entscheiden kann.“ Nur noch zwei Jahre, dachte Seto. * ~* Am Montag setzte sich ein müder Yugi neben den Blonden. „Morgen.“ Joey lächelte seinen besten Freund an. „Morgen. Wie geht es dir?“ Yugis Kopf fiel neben ihm auf den Tisch. „Miserabel.“ Joey grinste. „Lief wohl nicht so gut mit Trish?“ Ein Grummeln ging von Yugi aus. „Dabei glaube ich wirklich, dass ich sie liebe.“ Die Stirn des Blonden legte sich in Falten. „Du glaubst? Dann tust du es nicht.“ Joey warf einen Blick zu Seto, der wie vor drei Jahren in der letzten Reihe saß. Der kalte Blick aus den eisblauen Augen ließ Joey das Blut in den Adern gefrieren. Mittlerweile wusste Joey, warum er nicht wie Yugi auf Frauen stand, warum er ihnen nicht nachsah, warum ihm ihre Proportionen egal waren. Nur Yugi, der wusste es noch nicht. Niemand wusste es, nicht einmal seine Eltern. Joey stand auf Männer. Er sah gern Männern hinterher, liebte ihre Proportionen. Warum das so gekommen war, konnte er nicht sagen. Er wandte den Blick von Seto ab, den alle nur noch Kaiba nannten und sah nach vorn zur Tafel. Auf seinem Tisch hatte jemand „Fusaka du Schlampe“ gekritzelt. Nach der ersten Stunde schien es, als schliefe Yugi neben ihm, also stand Joey auf und ging langsam nach hinten. Rauchen war zur Zeit der Modetrend an seiner Schule, deshalb war der Raum nicht mal zu einem Viertel gefüllt. Er hatte es Tradition werden lassen, jeden Montag fand er etwas Zeit für das, was er jetzt machte. Selbst in den Ferien. Da schrieb er nur eine SMS, aber musste zugeben, dass ihm das auch leichter fiel. Schwerfällig ließ sich Joey neben Seto auf den Stuhl fallen, der ihn keines Blickes würdigte. „Es ist Montag.“, begann Joey und wie immer hoffte er vergeblich auf eine Antwort. Yugi lachte ihn immer aus, wenn er nicht zu müde dafür war. Joey seufzte. „Ich wollte dir nur sagen, dass du immer zurückkommen kannst. Du musst nur ein Wort sagen, Seto. Wir könnten immer noch befreundet sein.“ Langsam drehte sich der Kopf des braunhaarigen und die eisblauen Augen trafen Joeys braune. Normalerweise schlug Joeys Herz jetzt einen Takt schneller, aber diesmal zierte ein böses Grinsen Setos schön geschwungene Lippen. Das war neu und bereitete dem Blonden eine Gänsehaut. „Wir oft muss ich mir das noch anhören? Jeden Montag dieselbe Scheiße. Verpiss dich, Heulsuse.“ Anders als kalt konnte Joey das schon gar nicht mehr beschreiben. Kalt und böse, nur, dass es diesmal noch schlimmer war. Das Schurren der Stuhlbeine kam ihm übernatürlich laut vor. Traurig ging er zu seinem Platz zurück. „Wie immer?“, fragte Yugi ohne aufzusehen. „Schlimmer.“, antwortete sein bester Freund und dachte im selben Moment: Wenn er die ‚Scheiße’ nicht mehr hören wollte, warum kaufte sich Seto dann nicht ein neues Handy mit einer neuen Nummer? Dann hätte er wenigstens in den Ferien Ruhe. Aber das tat er nicht. Und warum konnte er Yugi, der doch sein bester Freund war, nicht sagen, dass er schwul war? Warum redeten sie überhaupt nur noch selten miteinander? Als der Englischlehrer das Klassenzimmer betrat, schob er seinen Gedanken beiseite. Ihm war immer noch kalt. Seto bekam in dieser Stunde wieder eine Eins. Wie der Braunhaarige das anstellte, interessierte bestimmt nicht nur Joey. Seto war noch nie ein Streber gewesen und doch schien ihm in letzter Zeit alles in den Schoß zu fallen. *~* „Du musst...die Firma übernehmen, hast du gehört?“ Die Stimme seines Vaters war nur noch ein Röcheln. „Ja, Dad.“ Wann hatte er das das letzte Mal gesagt? „Im nächsten Jahr hilft dir...Mr. Sayuke. Du kennst ihn. Dann...liegt alles in deinen Händen.“ Seto nickte, Wut keimte in ihm auf, weil sein Vater nie über seine Krankheit hatte sprechen können. „Ja, Dad.“ „Und dass du mir ja auf Mokuba aufpasst.“ Wer passte denn jetzt auf ihn, Seto, auf? „Ja, Dad.“ Er konnte nicht weinen, er wollte auch gar nicht. „Treib mir das Unternehmen nicht in den Ruin. Mach mich stolz.“ Genau deshalb konnte und wollte er nicht weinen. „Ja, Dad.“ Sein Vater nickte, der schweißbedeckte Körper sackte zurück in die sterilen weißen Krankenhauskissen und dann hörte Seto nur noch ein hohes, lang gezogenes Piepen, das ihm noch Wochen später Albträume bescheren sollte. *~* Sportunterricht. Joey hasste Sportunterricht. Die ganze Zeit sah er sich mit nackter, verschwitzter Haut konfrontiert. Das machte ihn jedes Mal fertig, vor allem, wenn die Jungs – wie jetzt im Sommer – nur kurze Klamotten trugen. Komischerweise hatte es sich Seto nicht abgewöhnt, sich neben ihm umzuziehen. Wie immer beeilte sich Joey und trieb dann Yugi an. Bloß schnell hinter sich bringen, das war sein Ziel. Heute stand Basketball auf dem Plan – was für eine Freude! Die Jungs rissen sich darum, mit Seto in einer Mannschaft zu sein. Nicht etwa, weil der so gut war, sondern weil sie Angst vor seinen Bällen hatten. Joey war es egal. Seto beachtete ihn ja eh nicht, geschweige denn, dass er ihm einen Ball zuwarf oder ihn blockte. Seto war kein Teamplayer, in letzter Zeit noch weniger als sonst. Was auch immer bei dem Braunhaarigen vorging, es hatte sich verschlimmert. Joey glaubte sogar, in Setos Augen so etwas wie Traurigkeit gesehen zu haben – weit hinter des bösen Blicks. Joey kam mit Yugi in eine Mannschaft und konnte sich schon vorstellen, wie die restliche Stunde ablaufen würde. Letztendlich lief das Spiel wirklich so ab wie gedacht: Joey stand sinnlos auf dem Spielfeld rum, wofür er eine schlechte Mitarbeitsnote bekommen würde, und beobachtete das Spiel. Eigentlich beobachtete er Seto. Der trug ein ärmelloses Basketballshirt einer bekannten Marke mit einer großen roten 11 auf dem Rücken und eine, bis kurz über die Knie reichende, Sporthose derselben Marke. Gerade schnappte sich der Braunhaarige den Ball, dribbelte im Alleingang zum gegnerischen Korb, obwohl seine ganze Mannschaft mit nach vorn preschte. Joey rannte mir zurück, aber als Seto von der Drei-Punkte-Linie aus warf, konnte der Blonde nur zusehen, wie der scharfe Ball gegen den Rand des Korbs knallte und davon zurücksprang. Joey hatte nicht mal dem Ball nachgesehen. Das Muskelspiel von Setos Oberkörper war viel interessanter gewesen. Auf seiner Haut glänzte die Anstrengung und... „Joey Ball!“ Ball? Joey folgte der Stimme seines besten Freundes und sah gerade noch den sich drehenden orangefarbenen Ball vor sich, bevor er sich vor Schmerzen die Nase hielt. Tränen schossen ihm in die Augen und er sank auf den Boden. Sofort kniete Yugi neben ihm. „Entschuldige! Ich dachte, du passt auf.“ Vorsichtig nahm Joey die Hand von der Nase. Zum Glück blutete er nicht. Sein Sportlehrer klopfte ihm auf die Schulter. „Geht schon wieder, oder? Setz dich an den Rand.“ Mit hochrotem Kopf setzte sich Joey – von seinem besten Freund gestützt – an den Rand, wischte sich mit dem Ärmel die Tränen ab und hasste sich für seine Unaufmerksamkeit. „Wo warst du denn mit deinen Gedanken?“ „Woanders.“ „Sag schon.“ „Bei Seto.“ Yugi blinzelte und wich leicht zurück, woraufhin Joey seufzte. „Halt einfach die Klappe, sag nichts! Wir können nachher drüber reden.“ Joey näselte stark, ihm tat die Nasenwurzel weh und sein Gesicht puckerte und brannte. „Ich glaube, meine Nase schwillt an.“ Vorsichtig tastete der Blonde seine Nase ab. „Das ist nicht gut.“, antwortete Yugi. „Bekommst du noch Luft?“ Joey probierte es vorsichtig. „Wenig.“ Deswegen näselte er ja auch schon. „Du solltest zum Schularzt gehen. Und heute Nachmittag zu einem anderen.“ „Ja, gute Idee.“ *~* Mr. Kaiba, wir brauchen hier noch Ihre Unterschrift.“ Er nickte und unterschrieb, ohne sich das Dokument durchzulesen. „Sollen wir noch Mr. Sukhdev anrufen?“ Seto runzelte die Stirn. „Wer ist das?“ „Ein indischer Geschäftspartner, Sir. Er hatte heute Nachmittag einen Termin mit Ihrem Vater.“ Setos Blick verhärtete sich. Er hatte sich noch nicht getraut, in den Terminplaner seines Vaters zu sehen, den er weiter benutzen sollte. „Wenn Sie Zeit haben, sollten Sie hingehen.“ „Wie Sie wünschen, Sir.“ Wünschte er sich das? „Noch was?“ Mr. Sayuke vor ihm druckste rum. „Da gibt es noch etwas, ja.“ Seto seufzte. „Was denn?“ „Ihr Vater suchte gerade eine neue Sekretärin. Die Bewerbungsunterlagen liegen in der Schublade.“ Er deutete auf den Schreibtisch, vor dem Seto saß. „Ich sehe sie mir gleich an.“ „Danke, Mr. Kaiba.“ *~* „So, dann erzähl mal.“ Joey trug einen tollen Klebeverband auf seiner Nase. Gebrochen war sie nicht, wohl aber angeknackst. „Was soll ich erzählen?“ Joey näselte immer noch. „Warum du an Kaiba denkst. Doch nicht wirklich noch wegen dieser Sache vor drei Jahren?“ „Du hast das wohl sofort vergessen?“ Natürlich war das nicht der einzige Grund, aber unter besten Freunden durfte man doch auch mal Geheimnisse haben, oder? „Sofort natürlich nicht, aber nach drei Jahren? Nimm’s mir nicht übel, wenn ich ihn abgeschrieben habe.“ „Mach ich ja nicht. Ich musste nur dran denken als ich ihn gesehen habe.“ Yugi blieb stehen, um einer Sahneschnitte nachzusehen. „Du hast ihn angesehen?“ „Quatsch!“ Verdammt. „Dich beobachte ich auch mal.“ „Aha.“ Yugi ging weiter und lächelte dann Joey an. „Vergiss ihn einfach. Er ist doch nur ein blöder Kerl, der uns damals sitzen gelassen hat.“ „Ja, aber warum?“, fragte Joey. „Vielleicht, weil er uns nicht mehr mochte. Hab dir doch schon damals gesagt, dass das die Pubertät ist.“ „Warum guckst du einer Frau nach, wenn du angeblich Trish liebst?“ Yugi zuckte die Schultern. „Für den Notfall.“ „Und du sagst mir was von Pubertät. Du bist unmöglich.“ Jetzt grinste sein bester Freund. „Ich weiß.“ Als Joey nach Hause kam, wurde er sofort bemuttert und betuttelt. Dass er kaum etwas riechen und schmecken konnte, war seiner Mutter egal, sie verwöhnte ihn zum Abendessen mit seinem Lieblingsessen. Die ganze Zeit kam es Joey so vor, als hätte er irgendwas vergessen. Er ging duschen, packte seine Tasche und schmierte seine Stullen – ohne darauf zu kommen, was es war. Erst als seine Haare schon trockneten und er in seinem Bett auf die angeblich anmachenden Worte seiner Telefonmutter lauschte, fiel ihm das blaue Augenpaar ein. Natürlich! Als Yugi seinen Namen gerufen hatte und er dann – Gott wie peinlich! – den harten Basketball ins Gesicht bekommen hatte, da hatte Seto ihn angesehen. Geschockt, hilflos, ängstlich und fragend – alles hinter dem bösen Blick. Ob er sich auch Sorgen gemacht hatte? Eine Traube hatte sich um Joey und Yugi gebildet, zumindest so lange bis der Sportlehrer kam und Seto hatte weit abseits gestanden, aber jetzt konnte sich Joey daran erinnern, dass der Braunhaarige ihn trotzdem gemustert hatte. Joey wälzte sich auf die Seite und schloss die Augen. Er sollte sich nichts vormachen. So schön Setos Augen auch waren, wenn er nicht mehr mit Joey sprach, konnte der auch nicht verhindern, dass die eisblauen Augen für ihn den Glanz verloren. Yugi hatte Recht, er sollte Seto vergessen. Was brachte es ihm, immer an den Braunhaarigen zu denken? Nichts! Nur Verletzungen, Schmerzen, angeknackste Nasen und Verlangen, das nicht gestillt wurde. Vielleicht sollte er es einfach lassen. Am Montag fand Joey trotz Hänseleien der ganzen Schule und trotz seiner eigenen Pläne den Mut, sich in der großen Hofpause zu Seto zu gesellen, der wie immer einsam am Zaun gelehnt stand. Er hatte es nicht tun wollen, aber er konnte sich ja nicht gegen seine Wünsche und Gefühle wehren. „Was willst du, Köter?“ „Heute ist Montag. Ich würde immer noch gern mit dir befreundet sein.“ „Verpiss dich! Lass mich endlich in Ruhe!“ „Nett von dir, dass du dir Sorgen gemacht hast.“ Joey lächelte und sah die Verwandlung in Setos Augen. Der schnaubte. „Würd ich nie machen, hau jetzt ab.“ Joey zog ab und stellte sich zu Yugi, der nur den Kopf schüttelte und Trish ansah. „Ich fass es nicht, dass du noch nicht lockerlässt.“ Ein leises Seufzen drang aus Joeys Kehle. „Ich fürchte, lange halt ich das nicht mehr durch.“ Obwohl es ja im Moment eine Veränderung gab. Der Blonde konnte sich denken, dass die aber nicht lange anhalten würde. Kapitel 3: Trennung auf Lebenszeit? ----------------------------------- Titel: Trennung auf Lebenszeit? Teil: 3/?? Autor: Ju-Chan86 Genre: Shounen-ai, Romantik, Drama Pairing: Seto x Joey Kommentar: Mir war mal wieder nach einer FF mit den Beiden. Widmung: Meiner Betaleserin, dir mir immer gute Kommentare gibt. ;) Danke, Süße. Disclaimer: Alles von Yu-Gi-Oh, gehört nicht mir und wer was anderes behauptet, der lügt! Kapitel 3: Trennung auf Lebenszeit? „Mach schon, mach schon!“ Yugi rüttelte an seiner Schulter. „Trish kommt gleich, nun mach doch!“ Joey grummelte und strich sich durch das immer noch wirre und in den letzten zwei Jahren nur noch strubbeliger gewordene Haar. „Yugi, wir wollten lernen, verdammt!“ Mit der Maus des Computers seines besten Freundes scrollte Joey auf der Internetseite nach unten. „Aber doch nicht, wenn Trish kommt!“ „Ich bin auch gerade mal eine Stunde hier!“ Yugi stöhnte auf. „Dann geh nach Hause lernen oder such dir einen Freund!“ „Na schön!“ Joey klickte die Internetseite weg und ein Foto von Trish erschien auf Yugis Bildschirm. Mit ihr war er seit einem Jahr zusammen. Sowieso hatten sich die beiden Freunde in den letzten beiden Jahren wieder zusammengerauft. Joey hatte Yugi erzählt, dass er auf Männer stand und hatte seinem besten Freund geholfen, mit Trish zusammenzukommen. Sie waren kaum mehr zu trennen, trafen sich oft, auch wenn Yugi auch mal Zeit für dich und Trish beantragte. Das tolerierte Joey auch, auch wenn er keinen Freund hatte. Jetzt stand der Blonde auf und ließ sich von Yugi rauswerfen. „Viel Spaß.“ Yugi grinste. „Werde ich haben.“ Joey winkte noch einmal, doch sein Lächeln verschwand schon, als er um die Ecke bog und hinter einer Hecke verschwand. Er wünschte sich auch einen Freund, wünschte sich jemanden, mit dem er die ersten Schritte in Sachen Intimität proben konnten. Aber so jemanden gab es in Joeys Leben nicht. Er machte an einer Eisdiele Halt, holte sich eine Schokokugel in der Waffel und setzte sich in die Frühlingssonne. Die Abiprüfungen standen vor der Tür und immer, wenn er mit Yugi lernen wollte, kam ihm Trish oder Yugis Faulheit dazwischen. Aber wenigstens konnte er sich später nichts vorwerfen lassen, wenigstens hatte er seinen besten Freund etwas angetrieben. Joey konnte ja verstehen, warum Yugi sich nicht solche Gedanken um seine Zukunft machte. Seit dem Praktikum im letzten Jahr war dem eine Ausbildungsstelle sicher. Bei Joey sah es dagegen noch mau aus. Seine Praktikumsstelle hatte er nicht gemocht und sich deshalb kurzerhand in seiner Jobwahl anders entschieden. Nur bräuchte man genau dafür gute Noten. Joey machte sich – trotz des sicheren Ausbildungsplatzes – auch Sorgen um Yugi. Was, wenn das Unternehmen Pleite ging oder dem der Job nicht mehr gefiel? Wollte er sich dann mit einem 4er-Abizeugnis einen neuen Job suchen? Joey schüttelte den Kopf. Sein bester Freund war eben behütet aufgewachsen – ganz im Gegenteil zu ihm. Dennoch... Auch Joey hatte noch Träume. Den Wunsch vom eigenen Laden hatte er nie vergessen können. Ob es nun eine Strandbar in der Karibik wurde oder ein kleines Straßencafé hier in der Stadt, stand in den Sternen. Träume leben ewig, sagte sich der Blonde und lächelte über die kleinen frechen Spatzen, die unbedingt was von der Waffel wollten. *~* „Mr. Kaiba, wir gratulieren Ihnen hiermit herzlich zu Ihrem ersten alleinigen Geschäftsjahr und freuen uns mit Ihnen über den gelungenen Erfolg.“ Seto lächelte und nickte, ohne das Lächeln ernst zu meinen. „Wir schreiben Gewinn, die so hoch sind wie nie und steigern nicht nur unsere Arbeitnehmer-, sondern auch unsere Produktionszahlen. Die Streiks dieser Umweltjunkees haben wir erfolgreich abgewandt und die Kaiba Corporation ist laut Umfrage das bekannteste Unternehmen Japans.“ Beifall ertönte und Seto fragte sich, warum Mr. Sayuke ihm all das erzählte, was er schon wusste. Bevor der Typ noch so etwas wie ‚Ihr Vater wäre stolz auf Sie.’ sagen konnte, stützte Seto sich hoch. Sofort verstummte der riesige Saal des Tageszentrums und alle Blicke richteten sich auf ihn. „Danke für die Einleitung, Mr. Sayuke.“ Noch konnte er den Trottel gebrauchen, bald würde er ihn feuern. „Ich bin kein Mann großer Worte. Das Buffet ist eröffnet.“ Darauf warteten doch die Leute nur. *~* In der Aula prickelte es vor Spannung. Es roch nach Angst, obwohl sich die Mädels wieder viel zu viel Parfum rangesprüht hatten. Joey legte haargenau seine Stifte bereit: Einen Kugelschreiber, einen Textmarker, einen Bleistift. Zögernd legte er auch noch ein Lineal, einen Anspitzer und einen Radierer bereit. Von seinem Tipp-Ex-Fläschchen ließ er die Finger, das war in den Prüfungen nicht erlaubt. Yugi saß neben ihm, kaute Kaugummi, um seine Gehirnzellen zu stimulieren und wirkte lässig und ruhig wie eh und je. Joey musste grinsen. Er wusste, dass es in Yugi ganz anders aussah, als der nach außen zugab. „Meine Damen und Herren, wenn ich Sie bitten darf, die Plätze einzunehmen.“, dröhnte die Stimme der Mathelehrerin. Es war die dritte Abiklausur – die letzte. Dann wäre es wirklich vorbei. Joey holte tief Luft und ließ seinen Blick über die Menge schweifen. Sie pulsierte vor Nervosität, summte wie ein Hornissennest. Joeys Blick glitt über Seto hinweg als kenne er den Braunhaarigen nicht. In den letzten zwei Jahren hatte er sich von ihm losgeeist – mit Erfolg. „Fühlt sich irgendjemand nicht in der Lage, diese Abiturklausur zu schreiben?“ Irgendjemand kicherte nervös, aber es meldete sich niemand. Und dann gab es die Aufgaben, es wurde hektisch, raschelte und summte noch lauter. Joey kam gut vor an und als er als einer der ersten mit einem Supergefühl auf das Deckblatt ‚Montag, 13.04.2006’ schrieb, wusste er, dass es eine gute Leistung war. Kurz warf einer Blick zu Yugi, der hochkonzentriert wirkte, dann stand er auf und stellte sich hinter Seto an den Lehrerpult. Das Montagsritual existierte schon lange nicht mehr und Joey vermisste es auch nicht. Er konnte sich auch nicht vorstellen, dass Seto es vermisste. Er unterschrieb, schnappte sich seine Tasche und ging so leise wie möglich zum Platz zurück, um seine Sachen zu packen. Insgeheim nannte Joey Seto immer noch bei seinem Vornamen, in der Öffentlichkeit war der Braunhaarige selbst für ihn zu ‚Kaiba’ degradiert. Mucksmäuschenstill verließ Joey nach Seto die Aula und wartete im Flur auf seinem besten Freund. *~* „Aber... Aber... Mr. Kaiba! Das ist nicht möglich. Das kann nicht Ihr Ernst sein!“ „Mein vollster Ernst, Mr. Sayuke.“ „Ich habe Ihnen immer beigestanden! Im letzten Jahr leitete ich praktisch dieses Unternehmen! Ohne mich wären Sie nicht da, wo Sie heute sind!“ Wie der Trottel sich aufregen konnte, brachte Seto zum Grinsen. „Vermutlich. Bis morgen haben Sie Zeit, Ihre Sachen zu packen.“ Er sah die Wut in diesem abscheulichen, glubschäugigen Kerl. „Mr. Kaiba! Ich kann nicht zulassen, dass...“ „Sie haben es selbst gesagt. Ich bin erfolgreich und bekannt. Sie dürfte kaum jemand vermissen.“ „Ihr Vater hätte nicht gewollt, dass Sie so mit mir reden!“ Setos Blick schnellte von einem Dokument auf seinem Schreibtisch nach oben, er sah die Made vor sich zusammenzucken. „Raus! Sofort! Oder Sie räumen Ihren Platz heute noch!“ *~* Joey lächelte sich im Spiegel an. Der Anzug saß wie maßgeschneidert und stand ihm wirklich perfekt. Seine langen Beine kamen zur Geltung und... Er drehte sich um, um die Rückseite zu bewundern. Ja, sein Hintern sah so knackig aus wie er wirklich war. Faszinierend, was Klamotten so aus einem machen konnten. Tief atmete Joey durch und trat aus seinem Zimmer. Draußen warteten schon seine Mutter, die sich extra ein Kleid gekauft hatte, und seine Schwester Serenity, die in ein langes, fließendes, hellgrünes Kleid gehüllt war, das ihm als Bruder fast den Atem raubte. War es denn möglich, dass aus der kleinen Serenity diese junge Frau geworden war? Hatte er das irgendwie verpasst oder warum war sie plötzlich erwachsen? “Ihr seht toll aus.“ Seine Mutter seufzte hingebungsvoll, was ihn an die Jahre erinnerte, in denen sie diesen schrecklichen Telefonsex-Job hatte. Immerhin aber hatte sie da nicht schlecht verdient. „Und du siehst erst toll aus!“ Zur Zeit war seine Mutter Verkäuferin in einem Reisebüro. Kurz zog Joey seine Mutter an sich, dann wandte er sich seiner braunhaarigen Schönheit von Schwester zu. „Serenity... Du siehst auch hübsch aus.“ Verlegen lächelte sie ihn an. „Wir sollten los, oder?“ Der Blonde nickte und trat mit ‚seinen beiden Frauen’ aus der Wohnung, die Stufen im Treppenhaus runter und auf die Straße. Mit einem Leihwagen fuhr die Mutter sie zu den Öffentlichkeiten. In der großen Halle war schon eine Menge los, einige Schüler standen auf der Bühne, um noch einmal das Programm zu proben, dem sich Joey erfolgreich entziehen können. Ein Blondschopf trat neben ihn. „Findest du den Anzug auch so schrecklich unbequem wie ich?“ Joey grinste Yugi an. „Geht so. Ungewohnt, aber irgendwie schick.“ Yugi nickte. „Trish hätte mich vorhin fast gefressen. Ungelogen. Sie meinte, ich sähe scharf aus mit Anzug. Kann ich nicht nachvollziehen, aber wenn sie meint.“ Joey lachte leise. „Also ich seh auch verdammt gut aus. Außerdem stehen Frauen darauf.“ Yugi runzelte die Stirn und mit einem Winken begrüßte Joey Yugis Eltern. Yugi tat es ihm gleich. „Männer etwa auch?“ Sofort nickte Joey. „Bestimmt ziemlich viele. Vor allem, wenn sich der Hintern so gut absetzte wie bei mir.“ Sein bester Freund schnaubte. „Der ist bestimmt nicht so knackig wie meiner.“ Joey musste grinsen. „Da wäre ich mir nicht so sicher.“ In der Halle wurde es immer voller, Eltern begrüßten sich – so wie Joeys und Yugis – Familien suchten ihre Tische, die Mädels bewunderten ihre Kleider, die Jungs bewunderten die Mädels. Trish tauchte neben Yugi auf. „Tanzt du nachher mit mir?“ Sofort schüttelte er den Kopf. „Auf keinen Fall! Ich mach mich doch nicht zum Deppen.“ Trish schlug die Augen nieder und langsam wieder auf, setzte all ihre Reize ein. „Bitte bitte. Ich bitte dich doch sonst nie um einen Gefallen.“ Augenblicklich war es um Yugi geschehen. „Na gut, wenn’s sein muss. Aber nur einen Tanz.“ Trish wirkte glücklich und Joey lächelte. „Ich geh zu meinen Frauen.“ Die beiden nickten und kaum war Joey weg, küssten sie sich. Manchmal war es eben schwierig. Sie versuchten, sich in seiner Gegenwart nicht zu nah zu kommen und er versuchte sie seinerseits oft genug allein zu lassen. Um Serenity hatte sich eine Traube gebildet, die hauptsächlich aus Kerlen bestand und sich auflöste, sobald Joey sich setzte. Eine angestellte Kellnerin kam angehechtet. „Wollt ihr was trinken?“ Fragend sah Joey in die Runde, seine Mutter bestellte Wasser, seine Schwester Cola und er bestellte sich eine Sprite. Die Kellnerin kam mit dem Gesagten und drei Gläsern Sekt zurück. Und dann wurde es richtig voll, auf der Bühne ging geschäftiges Gewusel in pures Chaos über und schließlich begann der erste Teil des Programms – der, der vor der Zeugnisausgabe lag. Es war ein Mix aus Schülerauftritten, Gesang, Theater und Lehrerpräsenz und dafür, dass er nicht mitgemacht hatte, war es gut geworden. Joey sah sich um, entdeckte Yugis Familie und die von Trish am selben Tisch. Der Blonde musste lächeln. Die beiden passten wirklich zusammen und er hoffte für sie beide, dass es noch lange hielt. Hoffentlich kam Yugi in 10 Jahren nicht immer noch zu ihm, wenn er eine Idee für ein Geburtstagsgeschenk brauchte. Joey sah sich weiter um und entdeckte plötzlich einen schwarzhaarigen Jungen, den er auf 12 bis 14 schätzte. Irgendwoher kamen ihm das zottelige Haar und die braunen Augen bekannt vor. Am Tisch saß nur noch eine einzige Person: Seto Kaiba. Und der sah so aus als wäre er lieber ganz woanders. Angestrengt versuchte sich Joey an den Namen von Setos kleinem Bruder zu erinnern, den er damals ach so nervig gefunden hatte und dem er jetzt anscheinend aus der Hand fraß. Wem sonst hatte Seto zu verdanken, dass er im Anzug hier bei der Zeugnisfeier saß? Mit W? Nein... Verdammt, wie war denn noch gleich... Mokuba! Genau! Mokuba Kaiba, der ebenfalls erwachsener geworden zu sein schien. Hatte Seto nicht auch einen Vater gehabt? Er wusste es nicht genau, bei ihm Zuhause hatten sie sich nie getroffen. Er zuckte die Schultern und sah nach vorn. Der Schulchor gab gerade sein gesamtes Repertoire zum Besten. Irgendjemand sang schief, aber das schien im Saal niemanden zu interessieren. Irgendwann – gefühlte acht Stunden später – begann dann auch die feierliche Übergabe der Zeugnisse. *~* „Hallo Papa. Na, wie geht’s dir?!“ Seto verdrehte jetzt schon die Augen, blieb aber neben Mokuba stehen. „Sieh mal, wir haben dir Blumen mitgebracht.“ Wütend schmiss Seto die Blumen von der Tanke vor den Grabstein. Warum hatte er eigentlich zugestimmt herzukommen? „Seto!“ Sein Bruder fiel auf die Knie wie ein Engel und fischte die Blumen vom fast leeren Grab. Irgendwann hatten sie mal Efeu gepflanzt, der sich ausgebreitet hatte. „Wir stellen sie dir hier hin.“ Vorsichtig stellte Mokuba die Blumen in eine der Plastikvasen. Es machte Seto sauer, dass Mokuba nie etwas von dem bösen Mann kennen gelernt hatte. Für ihn war der Vater, den Seto nur hassen konnte, der liebste Papa der Welt. Er machte seinem Bruder keine Vorwürfe – wohl aber seinem Vater. Kein Wunder, dass Mokuba oft her wollte, um das Grab ihres Vaters zu besuchen. *~* „Meinst du denn, wir bleiben befreundet, auch wenn wir an anderen Unis studieren?“ Skeptisch sah Joey seinen besten Freund an, der gerade mal nicht mit Trish allein sein wollte, sondern mit ihm. Das machte Joey glücklich. Seit einer Stunde saßen sie in Joeys Zimmer, ignorierten Serenitys penetrantes Gesabbele am Telefon und quatschten über Unis. Welche toll waren, welche nicht, auf welche Yugi womöglich mit Trish zusammen konnte. „Klar bleiben wir Freunde. Niemand, den ich dort kennen lernen könnte, könnte dich je ersetzen.“ Nach nur 20 Minuten war klar geworden, dass Yugis Pläne und Joeys Pläne völlig auseinander driften. Jetzt staunte er nicht schlecht als Joeys bester Freund so offen über Gefühle sprach. Das kommt durch Trish, sagte sich Joey. „Und du willst wirklich studieren?“ „Ja, ich hab’s mir noch mal überlegt. Dann hat man einfach bessere Chancen und das alles. Und Trish findet es auch besser.“ Ach so lief der Hase. „Studiert sie auch?“ Yugi nickte. „Klar, wir wollen zusammen studieren.“ Joeys Stirn runzelte sich. „Beide dasselbe?“ Wieder ein Nicken. So war das also. Na Trish hatte ihren Yugi ja super unter Kontrolle. „Jedenfalls bekommen wir das hin, Joey. Heute gibt’s doch E-Mail, Telefon, Post, Fax, SMS, Handygespräche, Wochenenden...“ Yugi grinste sein blondes Gegenüber an. „Wir finden schon einen Weg.“ So langsam begann selbst Joey das zu glauben. „Ich fänd’s toll. Immerhin sind wir schon so lange befreundet.“ Yugi winkte ab. „Das wird schon.“ Er lehnte sich zurück an die Wand, an der Joeys Bett stand. „Und du... Wirklich Unternehmensführung, ja?“ „Ja, ich will mich nicht von meinem Traum verabschieden.“ Yugi grinste wieder. „Das eigene Geschäft.“ „Bingo.“ „Ich hätte nicht gedacht, dass du das damals schon ernst gemeint hast. Wir waren ja fast noch Kinder.“ Yugi klaute sich einen der Brausepulverlollis, die bei Joey im Großpack rumstanden. „Tja, ich wusste schon immer, was ich will.“ „Apropos: Was macht die Liebe?“ Joey lachte herzhaft über den Themenwechsel. „Nicht viel. Es ist nicht so leicht, einen gut aussehenden, schwulen Kerl zu treffen.“ Yugi nickte. „Trish sagt immer, alle gut aussehenden Kerle seien vergeben oder schwul.“ „Sagt sie das? Dann hat sie sich aber geschnitten, ich kann das nicht bestätigen.“ „Tut mir ja Leid, aber ich möchte wirklich auch nicht mit in diese Schwulenbar. Wir können aber gern woanders zusammen hin.“ Joey lächelte seinen besten Freund an. „Ich weiß. Ich würde dich auch nie dazu zwingen, mitzukommen.“ *~* Mr. Kaiba?“ Er hasste diese vorsichtige Person, die gerade den Kopf zur Tür hereinstellte. „Miranda, das Anklopfen. Ich hatte doch gesagt, Sie sollen klopfen!“ Seine Sekretärin zuckte zusammen. „Natürlich Mr. Kaiba, Sir. Entschuldigen Sie.“ Er würde Sie feuern müssen und sich jemand neues suchen, das stand fest. Nur fehlte ihm im Moment die Zeit für solche Kleinigkeiten. „Was gibt es denn nun?“ Wieder dieser ängstliche Blick. „Draußen wartet ein junger Mann, er sagte, es sei dringend und ich solle sagen... Ich solle sagen, er habe das Passwort ‚Honey’. Sie wüssten wohl etwas damit anzu...“ Er unterbrach seine Sekretärin rüde. „Bringen Sie ihn her und stellen Sie in den nächsten zwei Stunden keine Gespräche zu mir durch. Und keine Besuche.“ Miranda nickte. „Jawohl, Sir.“ Damit verschwand sie und trat kurz darauf mit Setos viel zu gut bezahlter Unterhaltung wieder ein. *~* Joey hielt den Brief in den Händen und starrte auf das fett gedruckte Wort ‚Congratulations!’ Er hatte sich setzen müssen, jetzt griff er nach seinem Handy und drückte ein paar Tasten. „Joey, was gibt’s?“, fragte sein bester Freund. „Ich bin angenommen.“, sagte Joey, selbst noch verdutzt über die Nachricht. „Was?! Echt? Wie geil! Freu dich doch, Alter!“ „Mach ich ja! Ich kann’s...nur nicht wirklich glauben.“ „Ich hab’s gleich gewusst!“ Joey hörte das Grinsen aus der Stimme seines besten Freundes. „Ich bin so neidisch! Meine Unis haben sich noch nicht gemeldet.“ Joey legte den Brief aus seinen Händen. „Das kommt schon noch. Also mein bester Freund, ich habe noch diesen Sommer, dann ziehe ich weg. Was wollen wir machen?“ Yugi lachte. „Bei der Hitze draußen...bin ich für den Baggersee. Was sagst du?“ Joey nickte. „Klingt super. Kommt Trish mit?“ Yugi schwieg einen Moment. „Nein.“, sagte er dann zögerlich. „Wir gehen allein.“ Glücklich sah Joey auf seine Füße. „Danke Yugi. Wirklich nett von dir, dass wir allein sind.“ „Ach, kein Problem.“ „Ich weiß doch, wie schwer dir das fällt.“ „Hm.“ Yugi seufzte. „Hör mal, wir können sie auch mitnehmen.“ „Nein nein.“, widersprach sein bester Freund. „Wir gehen allein. Sagen wir...in...einer halben Stunde bei dir? Mit dem Fahrrad?“ „Okay. Ich freu mich schon!“ „Bis gleich!“ Yugi legte auf und Joey blätterte durch sein Handy. Er war immer noch perplex, aber langsam trat die Freude doch in den Vordergrund. Der Blonde stutzte. ‚Seto’ zeigte sein Display an, darunter eine Nummer, die mittlerweile sicherlich veraltet war. Wie schon vor zwei Jahren einmal drückte Joey auf ‚löschen’ und wie damals erschien die Frage, ob er den Kontakt wirklich löschen wolle. „Also echt!“ Er drückte auf ‚abbrechen’ und dann schob er sein Handy zurück in die Tasche seiner kurzen Hose, um aufzustellen. Wie auf Watte lief es sich, wie auf Wolken. Er war angenommen! Er würde umziehen und das studieren, was er wollte. Dann würde er zurückkommen und seinen Laden bekommen. Schnell packte er seine Sachen, es war ja gerade später Vormittag. Auf einen Zettel kritzelte er eine kurze Nachricht: ‚Bin angenommen! Yugi und ich sind am Baggersee.’ Joey legte den Brief von der Universität dazu und schnappte dann seine gepackte Tasche, um das Haus zu verlassen. Kapitel 4: Das Klassentreffen ----------------------------- Titel: Das Klassentreffen Teil: 4/?? Autor: Ju-Chan86 Genre: Shounen-ai, Romantik, Drama Pairing: Seto x Joey Kommentar: Mir war mal wieder nach einer FF mit den Beiden. Disclaimer: Alles von Yu-Gi-Oh, gehört nicht mir und wer was anderes behauptet, der lügt! Kapitel 4: Das Klassentreffen „Wirklich, ich möchte nicht. Mir geht es nicht gut, das weißt du doch.“ Joey lag im Doppelbett seiner Wohnung, hatte die Decke über sich gezogen und lauschte auf die melancholische Musik eines Violinespielers, die aus dem Lautsprecher seiner Anlage drang. „Aber das ist unser erstes Klassentreffen, Joey! Da lass ich dich doch nicht Zuhause sitzen!“ Schade eigentlich, man, Yugi war aber auch stur! „Ich hab keine Lust, Yugi, wirklich nicht.“ „Was machst du grad? In Selbstmitleid baden unter deiner Bettdecke, irgendeine traurige CD im Player?“ Joey schnaubte. „Du bist fies! Ich darf ja wohl im Selbstmitleid baden?! Das hab ich mir verdient!“ „Jetzt hör auf, an den Kerl zu denken, zieh dir was Hübsches an und dann holen wir dich ab.“ „Ich will nicht! Verstehst du das nicht?“ „Doch, aber ich lasse dir keine Wahl. Los, mach schon, wir haben extra die Kinder zu Trishs Eltern gebracht.“ Joey seufzte. „Dann macht euch doch lieber einen schönen Abend und grüßt alle schön. Ich bleib hier.“ Der Blonde hörte Geraschel am anderen Ende und dann Trishs Stimme. „Du bist keine 12 mehr, zieh dich an und los geht’s. Kann nicht schaden, wenn du mal rauskommst. Außerdem habe ich keine Lust, nur wegen dir meinen muffeligen Mann am Hals zu haben.“ Grummelnd schlug Joey die Decke zurück und starrte sofort auf ein eingerahmtes Foto von Yuri Kamatsu – seinem Exfreund. Wütend schlug er das Bild runter auf den Nachttisch, um nicht mehr das dämliche Grinsen des Mannes, mit dem er fünf Jahre zusammen gewesen war, anzusehen. Von dem ließ er sich doch nicht die Stimmung vermiesen! „Okay. Wann seid ihr hier?“ Trish lächelte, das konnte er hören. „In einer halben Stunde. Bis dann.“ Joey legte auf und stand schwerfällig auf. Eigentlich ließ er sich doch die Stimmung vermiesen. Er wollte da nicht hin, nicht ohne Begleitung. Er war bestimmt der einzige, der allein zum Klassentreffen ging. Klar, 10 Jahre waren ja auch genug Zeit, die Liebe für’s Leben zu finden. Bei einigen stand die Liebe schon vor 10 Jahren fest... Joey dachte an Yugi und Trish, glücklich, verheiratet, zwei kleine Kinder, einen Jungen, ein Mädchen – die perfekte Traumfamilie. Joey schnaubte. Er hätte auch gern eine Traumfamilie. Nur eben mit einem Mann. Schien schwieriger zu sein als eine Frau zu finden. Langsam schälte sich der 28jährige aus den Schlabberklamotten, die er heute trug. Sobald er sich von seinem kleinen Laden loseisen konnte, schlüpfte er in diese Sachen. Zumindest hatte er es seit zwei Wochen so getan. Yuri, dieser Arsch! Wütend zog Joey eine Jeans und ein langärmeliges Hemd mit tiefem Ausschnitt aus dem Schrank. Er würde sich hübsch machen. Dass man ihm seine Homosexualität ansah, war ihm egal, damit kam er schon lange klar. *~* „Referenzen?“ „Ich kann welche besorgen, Sir. Ich war in Sydney bei einem großen Unternehmen anstellig.“ „Warum sind Sie das nicht mehr?“ „Ich habe ein Kind bekommen, Mr. Kaiba.“ Setos Augenbrauen flogen nach oben. „Noch weitere Kinder geplant?“ „Das muss ich Ihnen nicht beantworten.“, sagte die Rothaarige vor ihm. Clever... Klar, als Sekretärin hatte sie früher selbst solche Gespräche geführt. „Hm. Warum jetzt Japan?“ „Persönliche Gründe.“ Sie schlug die Beine übereinander. „Scheidung? Fernweh?“ „Wie ich bereits sagte...“ Seto unterbrach die Bewerberin rüde. „Schon gut. Wir sind fertig.“ Er erhob sich und sah ihr fest in die Augen. „Wir geben Ihnen dann Bescheid.“ Völlig verdutzt stand die Frau auf und griff nach ihrer Handtasche. Als sie ihn ansah, schien sie sich wieder gefangen zu haben. „In Ordnung, danke.“ Erschöpft ließ sich Seto Kaiba auf den Chefsessel fallen. Die ging gar nicht. Erstens wollte sie noch Kinder, zweitens war sie viel zu dominant. Er wollte jemanden, den er lenken konnte. Und genügend Bewerberinnen gab es ja. *~* Yugi parkte die Familienkutsche in einer Nebenstraße in einer 30er-Zone. Für ihr Klassentreffen hatten die Zuständigen aus ihrer Ex-Klasse ein gemütliches italienisches Restaurant in der Nobelgegend der Stadt ausgewählt. Joey trat auf die Straße, Yugi und Trish hatten während der Fahrt über Phil und Tsatsu – ihren Sohn und ihre Tochter – gesprochen und er war froh, jetzt an die frische Luft zu kommen. Trish hatte bei ihrem Sohn darauf bestanden, ihm einen englischen Namen zu geben. Bei der gemeinsamen Tochter hatte Yugi alles gegeben, um ihr einen japanischen Namen geben zu dürfen. Wie ungerecht das den Kindern gegenüber gewesen war, war ihnen dabei nicht aufgefallen. Glücklicherweise gab es keine Streitereien, jedes der Kinder war zufrieden mit seiner Namensgebung. Auf dem Weg ins Restaurant schienen sich die ach so glücklichen Eltern zusammenzureißen, keiner sprach mehr von den Kindern. Vielleicht lag es ja auch daran, dass Joey so ruhig geworden war. Er mochte die Kinder, aber er hatte einfach nur schlechte Laune im Moment. Gerade dachte er daran, dass er doch hätte Zuhause bleiben sollen. Was hatte er denn vorzuweisen? „Du hast doch auch was, was bestimmt keiner sonst hat.“, sagte Yugi als hätte der seine Gedanken gelesen. „Eine einsame Wohnung, ein einsames Bett, wenig Geld für ein Leben zu zweit...“ „Aber du hast deinen eigenen Laden! Erinnerst du dich? Das war doch dein Traum, dein Ziel.“ „Ja klar.“, motzte Joey. Lächelnd stieß Trish ihn an. „Du hast sicher genauso viel zu erzählen wie wir. Jetzt lächle ein bisschen, dann siehst du gleich noch hübscher aus.“ Sie hatte ja Recht. Als sie das Lokal betraten, hatte Joey ein gewinnendes Lächeln aufgesetzt. Er hatte sein kleines Straßencafé, das sollte ihm erstmal jemand nachmachen. Und außerdem konnte er die Gelegenheit hier nutzen, um Werbung zu machen. War doch perfekt! Vor den in einem freundlichem Orangeton gestrichenen Wänden mit den toskanischen Bildern hatten sich kleine Männchengrüppchen gebildet: Alles Ehemalige mit ihren Anhängseln, alles Menschen, mit denen Joey und Yugi mal in eine Klasse gegangen waren, stellte der Blonde fest. Er hätte nicht gedacht, dass überhaupt so viele kommen würden, aber sie waren da. Trish legte als einzige ihre Jacke ab, weil sie die einzige war, die eine trug. Aus dem Stimmengewirr, das ihm so gegensätzlich erschien zu seiner stillen Wohnung, hörte er Gesprächsfetzen: „...machst du heute?“ „...und drei Kinder.“ „Und du?“ „...makler. Möchte mich selbständig machen.“ Er hätte doch nicht herkommen sollen. Alle waren so aufgeregt, so nervös und gespannt. Im Grunde war das Leben doch nur ein einziger Wettkampf. Gerade hier zeigte sich, wer es zu etwas gebracht hatte und wer nicht. Hier zeigte sich, ob man Geschäftsmann oder ein Familienmensch war, hier zeigte sich, wer besser war als die anderen. Da Yugi und Trish schon besser waren als er, machte sich Joey keine großen Hoffnungen. „Joey Wheeler und Yugi Mutô!“ Eine junge Frau trat auf sie zu und Yugi grinste. „Mia! Schön ist es geworden. Darf ich dir meine Frau Trish vorstellen?“ Trish trat vor, die Frauen reichten sich die Hände und plauderten sofort drauf los. Yugi grinste und sah seinen besten Freund an. „Was wollen wir machen?“ Joey zuckte nur die Schultern. „Ach komm schon, wir wollten uns doch amüsieren.“, argumentierte Yugi, dann schien er jemanden zu entdecken. „Schau mal, da ist Hamaru! Hu, ob das seine Frau ist?“ Joey rollte mit den Augen. „Wer denn sonst? Seine Schwester ist es bestimmt nicht.“ „Du bist miesepetrig, komm, wir gehen hin und reden ein wenig mit den beiden.“ Der Blonde seufzte. „Okay.“ *~* „Referenzen?“ „Natürlich, Mr. Kaiba, Sir.“ Ein Stapel Blätter landete vor seiner Nase, den er kurz durchblätterte. „In Ordnung. Ich sehe, Sie waren eine Zeit lang in Europa tätig?“ „Jawohl Mr. Kaiba, Sir.“ „Warum wollen Sie jetzt hier in Japan arbeiten?“ „Ich bewundere Sie und Ihr Unternehmen, Sir.“ Oh Himmel! Was sollte er denn damit anfangen? „Aha. Aber warm Japan?“ Sie blinzelte. „Ich verstehe nicht, Sir.“ Seto schlug sich innerlich mit der Hand an den Kopf. „Verheiratet?“ „Ja, Sir?“ Wie aufrecht und steif sie schon dasaß. „Kinder?“ „Nein, Sir, noch nicht, aber warum...“ „Kinder geplant?“ „Nicht, wenn Sie das nicht wollen, Sir.“ Seto erhob sich. „Wir sind fertig. Ich melde mich dann bei Ihnen.“ „Oh... Ja.“ Die junge Blondine erhob sich und schubste beinahe vor Nervosität den Stuhl um. „Natürlich, vielen Dank.“ Als sie den Raum verlassen hatte, nahm Seto einen großen Schluck Kaffee. Arschkriecher konnte er auch nicht gebrauchen, schon gar nicht solche. * ~* „Und Joey, was machst du so?“ Gerade hatte er gegähnt, da hatte Mia auf sich aufmerksam gemacht. „Ich hab ein Straßencafé.“, sagte er stolz wie ein kleiner Junge. Mia war früher immer schon die Schülersprecherin gewesen, jetzt musterte sie ihn lange und blieb schließlich an seinen Händen hängen. „Echt? Cool. Wo denn? Ich komm gern mal vorbei.“ Joey versteckte seine Hände. „Am Markt direkt, nicht zu verfehlen.“ Er war immer noch stolz. Viele hatten schon zugesagt, ihn mal besuchen zu kommen. So richtig wollte er das nicht, aber es würde Geld bringen und das – nur das – zählte. „Ah! Und...sonst so?“ Er beobachtete wie sie sich umsah, wahrscheinlich suchte sie Rettung in einem neuen Gesprächspartner. „Falls du einen Ring suchst, ich habe keinen. Ich bin nicht verheiratet, weil ich nicht auf Frauen stehe.“, sagte er schließlich trocken. Zufrieden sah er die Veränderung in ihrem Gesicht und dann das allmähliche Verstehen. „Ach...so! Deshalb! Hab mich schon gewundert.“ Joey nickte nur. „Hab ich gesehen.“ „Bist du deshalb auch so schick angezogen?“ Der Blonde sah an sich herunter. Die schwarze Jeans, das weiße, weit offene Hemd. Sah man denn wirklich gleich, dass er schwul war? War das Outfit zu übertrieben? „Gefällt’s dir?“ „Sieht super aus, steht dir. Du hast Geschmack.“ „Danke.“ „Kein Problem. Oh, ich seh grad, dahinten kommen Kenny und seine Freu. Amüsier dich!“ Joey sah der kurzhaarigen Brünetten nach und wandte sich dann der Bar zu. Was er jetzt brauchte, war eine schöne kalte Cola. Er trank keinen Alkohol, hatte er noch nie. Sein Vater hatte getrunken vor seinem Tod. Joey würde das mit Sicherheit nicht machen. Niemals. „Hey, da bist du ja. Yugi sucht dich schon überall.“ Die Frau seines besten Freundes stand neben ihm, ein gefülltes Weißweinglas in der Hand. „Ach ja?“ Der hatte ihn ja stehen lassen, also geschah ihm das nur recht. „Ja, er hat es sofort bereut, dich stehen gelassen zu haben.“ So ein Mist! Joey schnappte sich seine große Cola. „Dann lass uns zu ihm gehen.“ Trish nickte und zusammen gingen sie zu Yugi, der sich tatsächlich suchend umsah. „Sieh mal, wen ich gefunden habe!“, protzte Trish und ihr Mann drehte sich zu ihnen um. „Da bist du! Ich hab dich schon gesucht!“ „Ach, ich hab mich nur etwas umgesehen und mir was zu trinken geholt.“ Joey hielt sein Glas hoch und Yugi nickte. „Ich dachte schon du wärst wieder nach Hause gegangen.“ „Noch nicht.“ Joey nahm einen Schluck Cola, der ihm im Mund kribbelte. „Na toll.“ Trish stieß Yugi an und deutete auf eine junge Frau. „Also kommst du klar?“ Joey nickte. „Ich komme mehr als klar.“ Der Blonde sah seinen besten Freunden und Stammkunden nach. Die hatten schon wieder jemanden zum Reden gefunden. Joey machte sich wieder daran, Werbung für sein Straßencafé zu machen. Er hatte jetzt keine Flyer dabei, aber die meisten wohnten noch hier in der Nähe und kannten daher den Markt. Bald würde sein Café voll sein, das würde ein guter Monat werden. Nach einer Stunde Erklärungen trat Joey vor die Tür. Er wollte mal nicht verqualmte, saubere und kühle Luft einatmen. Mittlerweile war es spät am Abend, der Himmel über dem Blonden war pechschwarz und glitzerte vor Sternen. Einen Mond sah er nicht, vielleicht war ja sogar Neumond, er wusste es nicht. Als Joey sich umdrehte, sah er eine große Silhouette vor sich im Schatten. Der Mann sah genauso erschrocken aus wie er und es dauerte eine Weile, bis Joey ihn erkannte. „Seto!“ *~* „Sehr gut, das gefällt mir.“ Seto nickte zufrieden. „Freut mich, Mr. Aiko.“ „Haben Sie den Vertrag da, dann machen wir gleich alles fertig.“ Der braunhaarige Geschäftsführer zog aus einer schwarzen Tasche mehrere Seiten Papier. „Natürlich, ich habe alles dabei.“ Mr. Aiko nickte, zog sich die Blätter ran und las sie sich aufmerksam durch, während Seto einen Schluck Kaffee trank. „Über die Beteiligung lässt sich nicht reden. 80% gehen an mich.“ Sein neuer Geschäftspartner blinzelte. „50, 50.“ Seto schüttelte den Kopf. „80, 20.“ „60, 40.“ „80, 20. Es bleibt dabei.“ „70, 30?“ „Nein, 80, 20.“ Mr. Aiko schnaubte wütend, aber Seto wusste, was er wert war, beziehungsweise was seine Produkte wert waren. Und Seto wusste, dass Mr. Aiko dringend jemanden suchte, der mit ihm Geschäfte machte. Nicht umsonst hatte er dem japanischen Lieferanten den Deal vorgeschlagen. *~* Joey starrte seinen ehemaligen Schulkameraden an. Vor ihm stand tatsächlich Seto Kaiba! Und der starrte ihn, Joey, genauso verdutzt an. Er sah aus als ob Joey ihn bei irgendwas Verbotenem erwischt hatte. „Was machst du denn hier?“, fragte der Blonde und Seto zuckte zusammen. Wie lange hatte Joey nicht mehr an seinen ehemaligen Freund denken müssen? Und jetzt hatte er ihn auch noch beim Vornamen genannt! Nun bewegte sich der Braunhaarige, ging auf eine Bank zu, die in der Nähe stand und setzte sich. „Das ist auch mein Klassentreffen, Wheeler.“ Seto wirkte erschöpft, aber schien sich wieder gefangen zu haben. Er trug einen dunklen Anzug, sein Haar lag eleganter als früher und Joey wusste nicht wieso, aber in diesem Moment waren all die Gefühle von damals wieder da. „Ja klar.“ Wie angewurzelt war Joey stehen geblieben. Jetzt dachte er, dass sich niemand in dem italienischen Restaurant Seto vermisste. Und Joey dachte auch daran, dass er jetzt nicht mehr der einzige war, der allein hier war. „Überlegst du noch, ob du reingehst?“ Seto hob den Blick und sah Joey in die Augen. Wie früher, dachte der, immer noch genauso kalt. „Lass mich in Ruhe, Wheeler.“ Joey musste grinsen. „Nach 10 Jahren hast du mir nichts anderes zu sagen?“ „Ach komm, verpiss dich einfach.“ Die Anspannung des Blonden fiel ab, er trat auf Seto zu und setzte sich einfach neben ihn. „Wir sind 10 Jahre älter, ich bitte dich.“ „Ich meine es ernst.“ Fest sah Joey Seto in die Augen. Nur von den Sternen angeleuchtet wirkten sie richtig gefährlich. „Ich auch. Also was machst du so?“ „Halt die Klappe!“ „Wozu?!“ Plötzlich war die Wut da, die Wut von damals mit der von heute. Wut darüber, dass Seto einfach aufgehört hatte, mit ihm zu sprechen, Wut über die Beendigung der Freundschaft, die sie gehabt hatten und Wut darüber, dass es heute noch genauso war. „Du bist nicht der einzige Mensch auf der Welt, Seto Kaiba! Ich seh gar nicht ein, warum ich schweigen sollte! Nur damit du deine verdammte Ruhe hast?! Die hattest du 15 Jahre lang!“ Seto schnaubte. „Hast du ein Problem?“ Wütend stand Joey auf. „Ob ich ein Problem habe?! Du bist es, der hier Probleme hat! Du mit deiner ach so tollen Firma, mit deiner superreichen Familie, mit Limousinen und Häusern und weiß ich nicht noch was!“ Joey blieb vor Seto stehen. „Aber weißt du, was dir fehlt?“ Seto sah ihn unbewegt an. „Freunde, Seto. Wahre Freunde. Das war es dir Wert? Deshalb hast du Yugi und mich fallenlassen?“ Mit einem Sprung war Seto auf den Beinen. Einen Augenblick dachte Joey, Seto wolle ihn schlagen. „Du hast doch keine Ahnung!“, flüsterte der Braunhaarige böse und wandte sich zum Gehen. „Wie sollte ich auch?!“, brüllte ihm Joey hinterher. „Da drin...“ Mit dem Finger deutete er auf das Restaurant. „...vermisst dich keiner. Alle sind glücklich, erzählen sich von ihren Frauen oder Männern, von ihren Kindern, ihren Hunden und Häusern!“ Noch mehr Wut stieg in Joey auf, diesmal auf die Menschen im Italiener, sogar auf Yugi und Trish und er wurde richtig zornig. Erst als Seto sich umdrehte, ein fieses Grinsen auf den Lippen, wusste Joey, dass er dem Braunhaarigen einen Anhaltspunkt gegeben hatte. „Und du? Was machst du hier draußen, wenn es da drin doch so toll ist?“ Setos Stimme war leise und kalt wie Eissplitter, die Joey ins Herz schnitten. „Ich...wollte an die frische Luft.“ „Dann viel Spaß.“ Seto Kaiba drehte sich zum schmiedeeisernen Tor um und unvorhergesehen verschwanden Joeys Wut und Zorn. „Nicht!“ Der Braunhaarige blieb stehen, drehte sich aber nicht um. „Bitte, nicht gehen. Wenn du gehst, dann...bin ich wieder allein hier.“ Er kam sich vor die Dori aus „Findet Nemo“, er hörte Setos verächtliches Schnauben, sprach aber weiter. „Du hast doch überlegt, ob du reingehst, ich habe es gesehen. Du musst nicht reingehen, aber bitte bleib noch.“ „Wozu?“ Setos Hände verschwanden in den tiefen Taschen seiner Anzughose. Ob er aus dem Büro direkt hierher gekommen war? Vielleicht ganz spontan? Wenn ja, musste er ja ziemlich viel Arbeit haben. „Warum bist du denn hergekommen?“, fragte Joey zurück. Seto zögerte, er konnte nicht antworten, das konnte Joey erkennen. „Das ist ein Klassentreffen, ist doch Scheiße, wenn jemand fehlt.“ Ein Lächeln legte sich auf Joeys Züge. „Setzen wir uns doch und du erzählst mir, was du grad so machst.“ Vorsichtig trat der Blonde einen Schritt auf Seto zu, der jetzt über seine Schulter sah. Joey erstarrte als ihn der blaue Blick traf. Es lag etwas in Setos Augen, das er so deutlich eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte: Bedauern. Weiches, menschliches Bedauern. Mit dem nächsten Satz würde Joey wissen warum. „Ich kann nicht.“, flüsterte Seto, drehte den Kopf weg und verschwand aus dem Tor und im Dunkel der Nacht, bevor Joey ihn hätte aufhalten können. *~* „Nein, Mokuba, hast du gehört?!“ „Es interessiert mich nicht, was du gesagt hast, ich werde hingehen, mit oder ohne deine Zustimmung!“ Setos Hände flogen auf den Schreibtisch. „Das wirst du nicht tun! Ich bin dein Vormund, junger Mann.“ „Ich bin 24, Seto! Du bist nicht mein Vater! Selbst wenn, würde ich nicht auf dich hören!“ Kurz stutzte Seto. „Das ist mir egal, du wirst heute hier bleiben!“ „Du kannst mir gar nichts mehr sagen!“ „Schön, dann brauchst du aber gar nicht mehr zu kommen!“ „Drohst du damit, mich rauszuwerfen?!“ „Ja genau! Sieh doch zu wie du klarkommst!“ „Du spinnst doch!!!“ Seto hörte Mokuba die Treppe runter trampeln und dann unten die Tür fliegen und lauschte auf das laute Geräusch, das Mokubas Autoreifen auf dem Schotterplatz machte. Erschöpft fuhr er sich durchs Haar. Er hatte seinem Bruder ein Zuhause, einen Job und alle materiellen Dinge gegeben, die er gebraucht hatte. In letzter Zeit stritten sie sich nur noch. Denn eines, das konnte Seto Mokuba nicht geben: Liebe. Er war schon genau wie sein Vater... * ~* „Joey! Da bist du ja! Mensch, wir suchen dich schon überall. Was machst du denn hier draußen?“ Er war einfach gegangen. Seit 15 Jahren hatte Joey jetzt das erste Mal wieder ein Gefühl in Setos Augen gesehen und der war einfach gegangen. Wie in Stein gemeißelt stand der Blonde da und starrte auf das Tor, durch das Seto Kaiba verschwunden war. Etwas rüttelte an seiner Schulter. „Joey? Hey, alles in Ordnung? Joey?“ Er hörte seinen Namen. Irgendjemand rief ihn, jetzt rüttelte es stärker an ihm und plötzlich sah er Yugis Gesicht vor sich. „Yugi!“ „Was war denn mit dir los, du warst ja völlig abwesend.“ „Ja? Kann schon sein.“ Kurz sah Joey zum Tor, aber Seto würde wohl nicht wiederkommen. „Wolltest du mal Luft schnappen?“, fragte Trish. „Ja. Wollt ihr noch bleiben, ich möchte lieber nach Hause.“ Fragend sah Joey seinen besten Freund und dessen Frau an. „Ich...weiß nicht, lass uns Trish fragen.“ „Ja, okay.“ Joey folgte Yugi in das Restaurant, wo sie auf Trish stießen. Die schien sofort zu sehen, dass es Joey nicht gut ging und war deshalb einverstanden, dass sie nach Hause fuhren. In seinem Bett starrte Joey an die Decke. Bis vor ein paar Stunden war er wütend und traurig gewesen, weil sein Freund ihn verlassen hatte. Joey drehte sich auf die Seite und sah das niedergelegte Bild vor sich. Langsam griff er nach dem Bilderrahmen, hob das Foto vor seine Augen und sah in das lachende Gesicht seines Exfreundes. Die braunen, glatten Haare umrahmten sein Gesicht, die Augen – grau, das wusste er – hatte er geschlossen vor Lachen. Tränen stiegen in Joeys Augen. Fünf Jahre, einfach so vorbei, über den Haufen geworfen. Der erste wirklich Vertraute, der erste feste Freund – weg. Ziemlich viele Verluste in seinem jungen Leben. Setos blaue Augen kamen ihm in den Sinn, der Blick, den er Joey zugeworfen hatte... Der Blonde ließ das Bild sinken, schließlich fiel es auf den weichen Bettvorleser. Bis vor wenigen Stunden war er einfach nur wütend und traurig gewesen, jetzt war er... Ja was? Verwirrt, eindeutig. Seine Gefühle waren völlig in Aufruhr, er konnte sie nicht kontrollieren. Genauso wenig konnte er kontrollieren, dass er nicht mehr an Yuri, sondern nur noch an Seto dachte. Er stellte sich den früheren Seto vor, in der Umkleide, sah die schlanken, muskulösen Beine, den flachen Bauch, die ausgebildete Brust – Muskeln, die sonst noch kein anderer Junge so ausgeprägt hatte. Die kurzen braunen Haare, die weichen Lippen, die starken Oberarme. Ob sich Seto sehr verändert hatte? Viel zu verbessern gab es ja nicht. Joey versuchte, sich ein Bild vom heutigen Seto zu machen. Im Anzug hatte er eine verdammt gute Figur abgegeben. Mit der flachen Hand schlug sich Joey gegen die Stirn. „Was denkst du denn da? Aus dem Alter bist du doch längst raus. Du hattest ihn abgeschrieben, Joey, bleib dabei.“ Außerdem sollte er eher an Yuri denken, nicht an Seto! Und trotzdem... Bestimmt sah Seto noch genauso gut aus. Bestimmt würde der Anblick seiner braunen Haut Joey heute noch aus der Fassung bringen. „Herrgott, du sollst das nicht denken! Du darfst nicht!“ Sonst würde alles wieder von vorn beginnen und er würde nur wieder enttäuscht werden. Das hielte er nicht aus, nicht noch einmal, nicht schon wieder. Er sollte froh sein, Single zu sein, seine neue Freiheit genießen, ausgehen, neue Männer kennen lernen, Spaß mit ihnen haben, tanzen, Sex... Vielleicht später, dachte Joey und drückte den Schalter seiner Nachttischlampe. In der Dunkelheit schloss er die Augen und schon war da wieder dieses Bild von einem hellblauen Augenpaar, das ihn voller Bedauern ansah. Kapitel 5: Rückschläge ---------------------- Titel: Rückschläge Teil: 5/?? Autor: Ju-Chan86 Genre: Shounen-ai, Romantik, Drama Pairing: Seto x Joey Kommentar: Mir war mal wieder nach einer FF mit den Beiden. Disclaimer: Alles von Yu-Gi-Oh, gehört nicht mir und wer was anderes behauptet, der lügt! Kapitel 5: Rückschläge „Warum hast du mir das denn nicht gleich gesagt?“ Yugis Stimme klang verzogen aus dem Telefonhörer. „Ich wusste nicht, wie du reagieren würdest.“ „Ach Joey, das ist doch Quatsch! Du hättest es mir sagen sollen!“ „Was denn? ‚Hey Yugi, da war Seto, der hat mich komisch angeguckt.’?“ „Er hat was?“ Joey winkte ab. „Egal. Er war da, wir haben uns gestritten, dann ging er weg und ich war völlig verwirrt.“ „Genau das hättest du mir sagen sollen!“ „Das hätte auch nichts geändert.“ „Aber vieles erklärt!“ Joey seufzte. „Bist du jetzt etwa sauer auf mich? Da war doch nichts dabei. Ich hab Seto gesehen, das ist alles. Du hättest auch nichts tun können.“ Joey hatte Yugi nie davon erzählt, dass er Seto mal toll gefunden hatte. „Ja ja, ist ja schon gut, du hast alles geregelt, hab’s ja verstanden.“ „Ja, hab ich auch.“ „Schön.“ „Du bist wirklich sauer, oder?“ Joey ließ sich auf einen Sessel fallen, im Moment war im Café wenig los. „Ja, irgendwie schon. Dich hat das damals schon fertig gemacht.“ „Aber mir geht es wirklich gut, es ist ja nichts passiert.“ Yugi seufzte, im Hintergrund waren Kinderrufe zu hören. „Stimmt. Ihr habt also gestritten? Wie früher?“ Joey nickte. „Ja, wie früher. Das heißt... Er hat mehr geredet als früher, aber nur böse Sachen.“ Bis auf den Blick. ‚Ich kann nicht.’ Joey schauderte. „Wollte er etwa zum Klassentreffen kommen?“ „Er hat überlegt, denke ich.“ Yugi schwieg eine Weile und Joey hörte Trish die Kinder ermahnen. „Wäre schön gewesen, wenn er gekommen wäre.“ Ein Lächeln legte sich auf das Gesicht Joeys. „Ja, stimmt.“ „Ich muss leider Schluss machen, Joey, die Kinder verlangen nach Aufmerksamkeit.“ „Klar, wir telefonieren ja auch schon lange.“ Eine halbe Stunde, das war mehr als Joey erwarten konnte. „Ich meld mich wieder.“ „Okay! Mach’s gut.“ Eine Weile lauschte Joey auf das Tuten im Hörer, dann legte er ihn auf die Telefonstation und sah sich im Café um. So oft er konnte packte er selbst mit an, kellnerte, wusch Teller ab, spülte Gläser und Tassen. Der Blonde stand auf, kontrollierte die Zuckerdosen und sah auf die Uhr. Mittags halb zwölf. Yugi und Trish hatten Urlaub, die Kinder Ferien, in einer Woche würden sie mit ihnen in die Berge fahren, wandern, schwimmen, Rad fahren. Joey entglitt ein Seufzen. Ja, er hätte das auch gern! Glück Zufriedenheit, Liebe. Eine ältere Dame betrat das Café und kam lächelnd und leicht wackelig auf den Beinen auf ihn zu. „Mr. Wheeler!“ Joey freute sich ernsthaft, sie zu sehen und drückte sie kurz. „Mrs. Sanaké. Wie schön. Einen Tee?“ Das mochten die Menschen an ihm: Er kannte alle mit Namen, zumindest alle, die er einmal bedient hatte, und kannte ihre Leidenschaften. „Schwarzen bitte.“ Die freundliche Frau ließ sich in einen Sessel plumpsen, Joey musste grinsen, während er den Teekessel aufsetzte. Darauf hatte er auch bestanden: Gemütliche Möbel, sodass man Stunden bleiben wollte und alte Küchenutensilien. Sicher, er hatte auch eine sehr moderne Kaffeemaschine, aber vor allem die älteren Menschen schätzten die Tradition. Darin lag ja auch Joeys Erfolg. „Wie läuft die Kunst?“ Als Antwort hob Mrs. Sanaké ihre bunten Finger. „Zwei Bilder heute, ich hatte richtig Lust darauf.“ Joey setzte sich mit dem Kännchen zu seiner einzigen Kundin, nachdem er den pfeifenden Kessel vom Herd genommen hatte. „Also können wir doch ab nächsten Freitag Ihre Bilder hier ausstellen, richtig?“ „Vollkommen richtig. Noch zwei Bilder, dann sind alle Plätze belegt.“ „Das freut mich.“ „Na mich erst, Jungchen!“ Die ältere Dame musterte Joeys Gesicht mit einem wissenden Blick. „Wo drückt der Schuh?“ „Ich äh... Was?“ Das hatte sie noch nie gefragt, so tiefsinnig waren ihre Gespräch sonst nicht. „Ich seh Ihnen doch an der Nasenspitze an, dass Sie was bedrückt. Also nur raus damit.“ „Es ist nichts, wirklich.“ Joey winkte ab. „Alles in Ordnung.“ „Sie wollen mich wohl verschaukeln? Los, raus damit, ich kann auch schweigen.“ Joey sah in ein weichherziges graues Augenpaar – ganz anders und doch so ähnlich dem von Yuri – und konnte nicht an sich halten. „Ich habe gestern jemanden getroffen, mit dem ich mal befreundet gewesen war. Es war...komisch.“ Nicht mal 24 Stunden hatte er es durchgehalten, Yugi nichts von Seto zu erzählen... Trotzdem hatte er einiges für sich behalten, so wie er auch jetzt viel für sich behalten würde. „War da mal mehr als Freundschaft?“ Die Frau musste wirklich einen unglaublichen Spürsinn haben. Joey beugte sich vor und goss ein Tässchen voll aromatischen Darjeeling und schüttelte dabei den Kopf. „Nicht von mir aus.“, gab er dann leise zu. Mrs. Sanaké war so freundlich, so offenherzig, so...nett! Er konnte sie nicht anlügen. Die Frau griff nach der Teetasse und blieb vorsichtig gegen den heißen Tee. „Aha.“ Sie dachte nach, das sah man nur zu deutlich an den Augenbrauen, an den Augen, die zweifelnd die Blickrichtung wechselten, als würden sie ‚Andererseits...’ sagen. „Er hat damals die Freundschaft aufgegeben?“ Joey nickte und kam sich vor wie beim Seelenklempner. „Warum?“ Joey zuckte die Schultern, lehnte sich zurück und beobachtete die Frau interessiert. „Er hat seitdem nur böse Sachen zu mir gesagt, wir reden nicht mehr ernsthaft miteinander.“ Mrs. Sanaké nickte, nippte an ihrem Tee und sah in eine, Joey unbekannte, Ferne. Er kannte sie schon seit er hier eröffnet hatte, sie war eine seiner ersten Kundinnen gewesen. Langsam breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Joey runzelte die Stirn, wartete aber ab. Da sah sie ihn an. „Wenn wir uns so verhalten, als würden unsere weltlichen Bindungen nicht existieren, werden sie dennoch weiterhin ihren Tribut fordern, sogar um einen gehörigen Strafzoll erhöht. Der Versuch, Fesseln zu ignorieren, die real sind, wenn auch vergänglich, stärkt sie nur.“ Mrs. Sanaké zwinkerte. „Sagte mal ein großer indischer Dichter.“ Im ersten Moment dachte Joey, die Frau würde spinnen. Er fragte sich, was das mit ihm und Seto zu tun hatte – nichts, wie er meinte. Aber langsam kam dem das Verstehen und er begriff, wie Recht sie hatte! Deshalb dachte er jetzt nur noch öfter an Seto. Er hatte versucht, die Beziehung, die Verbundenheit zu ihm zu ignorieren, was die Nähe zu dem Braunhaarigen nur noch gestärkt hatte. „Gilt das für jeden von uns, was meinen Sie?“ Die Grauhaarige lachte. „Für jeden jawohl!“ Also auch für Seto... Empfand der wirklich genauso? Dachte er auch an Joey? *~* „Tut mir Leid, dass ich so ausgerastet bin letztens.“ “Schon okay.“ Seto steckte das Foto zurück in den Schuhkarton. Er wollte nicht, dass Mokuba es sah. „Was machst du denn hier oben?“ Seto sah kurz auf. Spinnweben und Gerümpel versperrte ihm beinahe die Sicht auf seinen kleinen Bruder. „Hab nur was gesucht. Du weißt, dass ich dich nie rauswerfen würde, oder?“ Der Schwarzhaarige nickte. „Ich geh auch nicht, aber...“ Er seufzte. „Seto, ich bin 24, du kannst mir nicht sa...“ „Schon gut, das kommt nie wieder vor. Ich hab mich vergessen.“ Mokuba wusste, dass er mehr als das nicht von Seto bekommen würde. Eine Entschuldigung stand außer Frage, so etwas hatte er noch nie von seinem großen Bruder gehört, also gab er sich damit zufrieden. „Was hast du da gefunden? Fotos?“ „Ja auch. Eigentlich wollte ich ein Zeugnis finden, tja...“ „Zeugnisse sind doch unten in deinem Arbeitszimmer in dem roten Ordner.“, sagte Mokuba zögernd. Verdammt, kannte der sich hier aus. „Ach ja! Hab ich vergessen.“ Seto erhob sich, wieder erwartete Mokuba kein Danke, so etwas wie Höflichkeit schien es hier nicht zu geben. Seto ging an Mokuba vorbei und verschwand im unteren Geschoss, während sein jüngerer Bruder aufmerksam auf die Szene vor sich sah und den Schuhkarton musterte, als würde er ihn sich gut einprägen wollen. *~* „Vielleicht solltest du ihn fragen, warum er damals die Freundschaft aufgegeben hat.“ Joey kam sich lächerlich vor. Jeder hatte einen Vorschlag, jeden bat er um Hilfe – jetzt sogar Serenity. „Warum sollte er mir darauf antworten?“ Seine Schwester zuckte die Schultern und strich sich mit der einen Hand durchs Haar. Die andere lag auf ihrem gewölbten Bauch. „Aber es muss damit was zu tun haben...“ „Nur, weil du zwei Semester Psychologie studiert hast, musst du nicht glauben, du wüsstest alles.“ „Hey ja! Ich studiere im Prinzip immer noch. Meine Pause ist nicht gerade freiwillig.“ Joey warf einen Blick auf den Bauch. „Wie geht’s dir?“ „Besser als am Anfang. Wo wir grad dabei sind... Hast du was zu Essen da?“ Der Blonde seufzte. Schwangere... „Klar, im Kühlschrank.“ Serenity nickte, stützte sich hoch und dackelte in die Küche. Joey sah sich dazu verpflichtet, ihr sicherheitshalber zu folgen. „Vielleicht solltest du in seine Firma fahren und ihn da zur Rede stellen. Da kann er nicht weg.“ Joey blinzelte und setzte sich an den Tisch. „Schwangere kommen echt auf blöde Ideen.“ Als Serenity sich mit Käse, Nutella und Brot neben ihn setzte, lachte er. „Saublöde Ideen.“ „Das ist nicht blöd, das ist lecker. Bad bist du Onkel.“ „Ich freu mich schon auf die Kleine.“ „Hm, ich mich auch. Jetzt mal im Ernst, fahr da hin. Mehr als ein ‚Verpiss dich.’ Kann’s doch nicht werden, oder?“ Eine Weile sah Joey Serenity beim Essen zu. Käse und Nutella auf Brot... Also echt! Zum Glück musste er das nie mitmachen. Letztlich seufzte der Blonde. „Du hast ja Recht, es kann nicht viel passieren. Ich bin mir nur nicht sicher, ob...ich das machen will.“ Serenity lachte und verschluckte sich. Schnell sprang Joey auf und klopfte ihr auf den Rücken. Hustend und lachend winkte sie ab und er setzte sich wieder. „Wenn jemand so lang von jemandem redet, über ihn nachdenkt und selbst fremde, alte Damen damit belästigt, dann will er denjenigen, glaub mir.“ Joey blies empört die Wangen auf. „Sie wollte es doch hören!“ „Lenk nicht ab.“ Joey grummelte. „Okay okay, aber will ich ihn für eine Beziehung oder will ich nur wissen, warum er mich damals hat sitzen lassen? Und Yugi natürlich.“, fügte er abwinkend hinzu. „Das musst nun wirklich du wissen, Brüderchen, aber...“ Seine Schwester stand auf und räumte die Sachen in die Schränke zurück. „...wenn du Yugi schon so außen vorlässt, obwohl es ihn damals genauso betroffen hat, dann...“ Was dann war, ließ sie offen. „Ihn hat es damals doch kaum interessiert!“ Serenity schnaubte und ließ sich auf den Stuhl fallen. „Red keinen Quatsch. Yugi hat sich schneller damit abgefunden, das ist alles. Und zwar, weil er weniger für Seto empfindet.“ „Hm.“, machte Joey nur. Es klingelte an der Tür und Joey sah verwundert auf. Noch jemanden hatte er nicht eingeladen. Dafür erhob sich seine braunhaarige Schwester. „Das muss Mike sein. Ich hab gesagt, er soll mich von hier abholen, wir wollen noch Babysachen kaufen. Dauert ja nicht mehr lang.“ Lächelnd stand Joey auf und folgte ihr in den Flur. „Hoffentlich, sonst passt du bald nicht mehr durch die Tür.“ Mit nicht geahnter Schnelligkeit drehte sich Serenity um und verpasste ihrem Bruder einen Schlag. „Sag so was nicht!“ „Wah! Hey!“ Joey lachte und übergab die Schwangere dann in die Hände ihres Mannes. Er musste jetzt dringend die Wohnung Yuri-frei machen. Zum Glück war der ausgezogen. War es wirklich wie Serenity sagte? Hatte das ganze Seto-Drama schon damals seinen Ursprung gehabt? Vor 15 Jahren? Joey bekam Mitleid mit dem Braunhaarigen, an den er immer dachte. *~* „Was wollen Sie heute essen, Mr. Kaiba? Italienisch?“ „Nein.“ Seto legte den Stift weg und lehnte sich abwartend zurück. „Japanisch?“ „Nein.“ Ungeduldig sah er seine Sekretärin an. „Griechisch?“ „Nein.“ „Türkisch?“ Seto rollte mit den Augen. „Herrgott, ist das so schwer?! Ich will nichts essen!“ „Entschuldigen Sie die Frage.“ „Wenn Sie jetzt bitte weiterarbeiten.“ „Natürlich, Sir.“ „Sehr freundlich.“ Seto wandte sich wieder dem Dokument zu, vor dem er saß. *~* „Ich glaube nicht, dass ich hier stehe.“, flüsterte Joey zu sich selbst. Langsam hob er den Blick und sah das große Gebäude hinauf und schluckte schwer. „Ich fass es nicht, das ich das wirklich mache.“, grummelte der Blonde. Er sah auf die riesigen Lettern. ‚KAIBA CORPORATION’. Wieder schluckte Joey. „Was tust du hier, Joey Wheeler?“ Seto zur Rede stellen, Seto fragen, was das damals sollte, was er beim Klassentreffen wollte. Sagen, dass er ihn liebte. „Quatsch!“ Joey schüttelte energisch den Kopf. Er wollte Antworten, ja, aber er würde Seto nicht irgendwelchen Quatsch sagen, den er nicht mal selbst glaubte. Wieder musste er schwer schlucken, der Kloß in seinem Hals aber blieb. Tief seufzte der Blonde. Er wollte Antworten, er brauchte Antworten. Er brauchte sie gegen die Wellen von Gefühlen, die ihn seit dem Klassentreffen überschwemmten. Immer öfter, immer heftiger. „Nur wird das nichts bringen, weil es gar nicht die Antworten sind, die ich brauche. Die lösen ja nicht die Gefühle aus.“ Eine Stimme rief ihn wach. „Klingt ganz schön kompliziert.“ Joey wirbelte herum und sah in ein grünes Augenpaar in einem schönen markanten Gesicht. „Äh...“ war das Einzige, was er herausbrachte. Der Mann vor ihm lächelte. „Entschuldigen Sie, aber ich musste einfach mithören.“ Joey wurde aus einem ihm unbekannten Grund rot. „Ich war sicher zu laut.“ „Ja schon, aber ich hab keine Ahnung, von wem Sie reden.“ Der Blonde winkte ab. „Das ist auch nicht so wichtig.“ Kurz musterte Joey den feinen Anzug des Braunhaarigen vor ihm. „Arbeiten Sie da?“ Er deutete auf das hohe Gebäude in seinem Rücken. Der Mann nickte. „Ja, das tue ich durchaus.“ „Unter Mr. Kaiba?“ Joey wusste nicht, warum ihn dieser rattenscharfe Mann nicht anmachte. Er sah in ihm nur eine Gelegenheit, eine Chance, an Seto ranzukommen. „Ja. Warum fragen Sie das?“ „Wo arbeitet er? Da ganz oben?“ „Warum fragen Sie das?“ „Ich...kenne ihn von früher und würde ihn gern besuchen.“ Der Fremde lächelte nur undurchsichtig. „Ach so ist das... Ja, ganz da oben. Ich bekomme ihn selten zu Gesicht, muss ich gestehen.“ Joey nickte. „Das passt zu ihm.“ Leise lächelnd sah er nach oben. „Schade eigentlich...“, holte ihn der Braunhaarige aus seiner Welt. „Hm, was?“ „Dass Sie gedanklich nur bei ihm und nicht bei mir sind.“ Mit plötzlich heißen, hochroten Wangen starrte Joey den Mann an, der ihm nett zulächelte und an ihm vorbei in das Gebäude ging, in dem er arbeitete. Vielleicht sollte er dieses Treffen mit Seto lieber verschieben? Trotzig schob er die Unterlippe vor. Jetzt erst recht! Wenn Seto ihn dazu brachte, dass er so einen tollen Mann sausen ließ, dann brauchte er die Antworten dringender als gedacht. Wütend stapfte der Blonde los, stellte sich mutig in einen der drei Fahrstühle, in dem schon Platz- und Luftmangel herrschte und drückte als einziger die höchste Zahl. Alles glänzte und blitzte und überall konnte man erahnen, wie reich die Kaibas sein mussten. Erst als nur noch zwei Anzugträger bei ihm standen, bemerkte er, dass sie ihn anstarrten. Die fragten sich sicher, was er hier wollte, was so einer beim Chef wollte. Pah! Dann war er allein. Seine Hände zitterten, seine Kehle war trocken und der Trotz...war irgendwo zwischen der 23. und der 34. Etage stecken geblieben. Leise plingten die Türen und er trat aus dem Fahrstuhl. Joey fand sich in einem kleinen, beschäftigten Vorzimmer mit Wartezimmercharakter wieder. Eine blonde Frau, etwa in seinem Altern, sprang sofort auf. „Da sind Sie ja! Du meine Güte, wo waren Sie denn?“ Sie lief förmlich auf ihn zu – Joey war sicher, sie wäre gerannt, wenn sie gedurft hätte – und schob ihn zu einer Tür. „Mr. Kaiba wartet schon! Sie haben sich aber auch verspätet, jetzt aber schnell! Sagen Sie ihm, dass ich in den nächsten zwei Stunden wie vereinbart keinen Anrufer oder Besucher durchstelle, ja?“ Damit öffnete sie die Tür und schob den völlig verdutzten Joey vor sich her. „Sehen Sie mal, wer gerade herein geschneit ist, Mr. Kaiba!“ Sie zwinkerte Joey zu, der ihr nachstarrte und nicht wusste, ob er heulen oder lachen sollte und verschwand wieder rückwärts aus der Tür. Joeys Herz raste. Ab und zu glaubte er, es aussetzen zu spüren. Seto Kaiba. Genau genommen sein Rücken, denn der Braunhaarige saß auf seinem Chefsessel, ein bauchiges Glas mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit in der Hand. Er sah aus dem Fenster. Aus der Fensterfront. Joey wurde schwindelig. „Mach’s die schon mal auf dem Sofa dort hinten bequem.“ Seine Worte erlaubten keine Widerworte, also setzte sich Joey auf das Sofa. Ihm schwirrte der Kopf. Dieses riesige Büro mit dieser riesigen Fensterfront und dem riesigen Schreibtisch! Da wirkte Seto ja beinahe winzig gegen. Unruhig scharrten seine Füße auf dem dunklen Parkett. Er sollte was sagen, oder? „Also, ich hab’s gern ruhig und hart, klar?“ Von was genau sprach der Mann? Konnte er wirklich ahnen, dass es Joey war, der hier saß? Er sollte etwas sagen. „Die Ruhe wirst du haben, ich soll die nämlich sagen, dass...“ Seto schien seine Stimme zu erkennen, denn er sprang auf und starrte Joey an. Die Flüssigkeit in dem nun abgestellten Glas schwankte. Er hatte definitiv nicht gewusst, dass es Joey war, der hier war. „Also ich soll dir sagen, dass diese blonde Frau, deine Sekretärin, keine Anrufe und Besucher durchstellt. In den...nächsten zwei Stunden.“ Stille machte sich breit, während Setos stählerner Blick den Joeys durchbohrte. „Was auch...immer das heißen mag.“ Seto schien zu verdutzt, um etwas zu sagen. Wieder setzte Joeys Herz einen Schlag aus, nur um danach doppelt so schnell zu schlagen. Mit drei großen Schritten stand Seto vor ihm. „Was zur...verdammten Hölle tust du denn hier?!“, schrie er dann. Joey seufzte. „Ich will mit dir reden. Wen hast du eigentlich erwartet?“ Setos Augen verengten sich zu Schlitzen. „Das geht dich gar nichts an!“, zischte er böse, ging energisch zurück zu seinem Pult und drückte eine Taste. „Nicht! Seto, bitte nicht!“ Joey sprang auf, rannte durch den Raum und schubste Seto vom Schreibtisch weg. „Sie kann nichts dafür!“ In Setos Augen lag ein wilder Ausdruck, als er zu Joey trat und der glaubte, gleich würde es knallen und er würde am Boden liegen. Dass es dann tatsächlich so geschah, wunderte ihn dann doch. Durch einen heftigen Schlag von Setos Rückhand landete er auf dem dunklen Parkett, seine Wange brannte wie Feuer. Mit einer Hand an der schmerzenden Stelle rappelte Joey sich wieder auf und griff fest nach Setos Hand, um sie von dem Multifunktionstelefon wegzuziehen. „Schick mich nicht weg! Sie kann doch nichts dafür! Schick mich nicht weg! Lass mich erst erklären, Seto! Bitte!“ „Lass mich los, du Ratte!“ Entgegen Joeys Kraft verwandelte Seto den Griff des Blonden in einen Schlag. Er traf dieselbe Stelle wie eben und diesmal sah Joey Sterne, er taumelte, blieb aber vor dem Telefon stehen. Mit hastigen Bewegungen riss er die Kabel aus dem hinteren Teil und schmiss sie durch den Raum, dann hörte er schon Setos Stimme. „Du kleines Miststück, was fällt dir eigentlich ein?!“ Joey überlegte fieberhaft, ob die Sekretärin Kaffee holen war oder nur Angst hatte, wie sie sich verhalten sollte. Mr. Kaiba wünschte ja keine Störung. „Jetzt beruhig dich doch mal!“ „Ich zeig dich an, Wheeler! Verschwinde!“ In Joey arbeitete es. Er funktionierte nur, das Adrenalin musste in hohen Dosen durch sein Blut schießen, denn er bemerkte den pochenden Schmerz kaum. „Nein! Ich will endlich Antworten, Seto! Ich brauche Antworten! Warum hast du damals plötzlich aufgehört, mit uns zu reden, zu spielen?“ Joey schrie leise auf, als Seto ihn hart an den Oberarmen packte und zur Tür zog. Mit all seiner Kraft wehrte der sich, hielt sich zunächst am Tisch fest. „Lass los, du Köter!“ „Nenn mich nicht so! Ich hab doch nur ein paar Fragen!“ „Aber ich hab keine Antworten!“ Seto löste Joeys Finger von der Tischplatte. „Ah!“ Durch den Zug Setos fiel Joey aufs Parkett. „Bitte Seto!“ Der griff schon wieder nach ihm. Einer Eingebung folgend nahm Joey Setos Gesicht in die Hände und sah ihm bittend in die Augen. „Nur die Fragen, ich schwör’s! Danach siehst du mich nie wieder!“ *~* „Wie du bekommst ein Kind?!“ Seto starrte Mokuba an. „Na nicht ich, sondern Cynthia. Aber ich hab’s gemacht.“, sagte der stolz. „Spinnst du? Hast du sie noch alle?!“ Seto sprang auf und lief in seinem Arbeitszimmer auf und ab. „Wie lange kennst du die denn schon?“ Mokuba räusperte sich. „Drei Jahre?“ „Für so was ist hier gar kein Platz!“ „Braucht es ja auch nicht.“ „Das Kind braucht sehr wohl Platz!“ „Das meinte ich nicht! Wir ziehen in eine eigene Wohnung.“ Seto starrte seinen Bruder an. „Ihr macht was?!“ „Mal abgesehen davon wäre hier nun wirklich genug Platz.“ „Ihr... Du ziehst aus?!“ „Sagte ich doch.“ „Aber das geht doch nicht!“ „Seto... Bitte, ja? Nicht wieder wie damals. Ich bin mittlerweile Mitte 20. Ich darf sehr wohl allein entscheiden, dass ich ausziehe.“ *~* „Dann stell halt deine verdammten Fragen! Hauptsache, ich bin dich dann los.“ Joey nickte. „Warum hast du damals aufgehört mit uns zu reden, zu spielen?“ Er klang wie ein kleiner Junge, aber in seiner Verletztheit war er genau das. Vorsichtig setzte er sich auf. Dass Büro sah aus wie ein Saustall: Der Tisch verschoben, die Kabel und das Telefon im Raum verteilt, Spuren der Sohle seiner Turnschuhe auf dem Boden. „Mein Vater verbot es mir. Ich musste die Firma übernehmen.“ „Ach so... Das wolltest du doch aber gar nicht.“ „Noch mehr Fragen?“ „Äh... Wo war dein Vater beim Abiball?“ Joey spürte das Pochen jetzt in seiner Wange. „In seinem Grab.“ „Oh Gott, mein Beileid! Das wusste ich nicht!“ Seto grinste. Es ließ Joey schaudern und zum ersten Mal konnte er Setos Gefühle nicht nachvollziehen. „Nein, das wusstest du nicht. Was noch?“ Seto lehnte sich an den Schreibtisch. „Was wolltest du beim Klassentreffen.“ „Meine Klasse treffen?“ „Mich eingeschlossen?“ Seto zögerte eine Sekunde, was Joey mit Genugtuung mitbekam. „Notgedrungen.“ Der Blonde seufzte. „Warum hast du auf deinen Vater gehört? Warum hast du dich einlullen lassen?“ „Er war eben mein Vater. Ich hatte keine Wahl.“ „Hat er dich geschlagen?“, fragte Joey leise und das Mitleid war wieder da. Die Wut war wie verflogen. „Das hätte er.“ „Aber weil du gehört hast, da...“ „Noch was, Wheeler?“ Joey überlegte angestrengt. Er hatte doch so viele Fragen gehabt, wo waren die denn alle hin? „Nein.“, sagte er dann zögernd. „Doch! Heute bist du doch schlauer, oder?“ Er stand auf und spürte ein Stechen in der Seite auf die er vorhin gefallen war. „Warum änderst du dich nicht?“ Fragend sah er Seto an. „Eine Firma braucht kein Weichei als Leiter.“ „Aha...“ Ihm fiel noch eine Frage ein. „Auf wen hast du gewartet?“ „Auf eine Nutte.“, antwortete Seto trocken. „Aber die Blondine hat mich doch gleich...“ Setos Blick traf ihn wie Eisblitze. „Auf eine männliche Nutte.“ Joey blinzelte, dann errötete er schlagartig und senkte die weit geöffneten Augen. „Oh... Du bist schwul?!“, fragte er völlig fassungslos. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. „Der Schreibtisch ist metrosexuell.“ Joey grummelte und hob den Blick in die blauen Augen, die ihm heute noch Schauder über den Rücken laufen ließen. „Ja, ich bin schwul.“, sagte Seto und sah ihn abwartend an. „War’s das jetzt?“ Gab es für ihn einen Grund hier zu bleiben? Oh ja, jetzt gab es den. Joey würde das erst verdauen müssen. „N...Nein.“ „Dann auf nimmer Wiedersehen.“ „Machst du das öfter?“ „Mit Nutten schlafen?“ Joey nickte, immer noch rot. „Sehr oft, ja. Sooft ich es eben brauche.“ „Aha. Bist du schon krank?“ „Wolltest du dich nicht verabschieden?“ Leise seufzte Joey. Das hatte doch eh keinen Sinn. Er hatte die Antworten, aber wie er es sich gedacht hatte, befriedigten die ihn nicht. „Ja.“, flüsterte er. Dass Seto schwul war, musste auch erstmal in seinen Kopf. Er drehte sich um und ging zur Tür. „Mein Bruder bekommt ein Baby.“, hörte er plötzlich eine Stimme hinter sich sagen, die nicht nach Setos klang, aber Setos sein musste. Ganz anders als eben. Joey blieb stehen. Kapitel 6: Verunsicherung ------------------------- Titel: Verunsicherung Teil: 6/?? Autor: Ju-Chan86 Genre: Shounen-ai, Romantik, Drama Pairing: Seto x Joey Kommentar: Mir war mal wieder nach einer FF mit den Beiden. Disclaimer: Alles von Yu-Gi-Oh, gehört nicht mir und wer was anderes behauptet, der lügt! Kapitel 6: Verunsicherung „Meine Schwester bekommt auch eins.“, sagte Joey dann und hoffte, dass es das Richtige war. „Na ja, nicht Mokuba, sondern Cynthia, seine Frau.“ „Hmh.“ Joey wusste nicht, was er noch hätte sagen sollen. „Bei mir ist es wirklich meine Schwester.“, fiel ihm sinnvollerweise noch ein. „Schon klar.“, motzte Seto, aber er klang nicht annähernd so böse wie sonst. Langsam drehte Joey sich zu dem Braunhaarigen um. „Wann...wirst du denn Onkel?“ Seto blinzelte und Joey fragte sich, ob er das erste Mal hörte, dass er Onkel wurde. „Keine Ahnung.“ Der Blonde runzelte die Stirn. „Freust du dich nicht?“ Vorsichtig lehnte er sich mit dem Rücken an die Tür, seine Wange tat weh, die Seite und der Ellbogen schmerzten. Seto hob den Blick und sah Joey in die Augen. „Nein.“ Joey lächelte ihn an. „Doch bestimmt. Ich freu mich auch, Onkel zu werden.“ Seto schlug mit beiden Händen auf den Tisch, woraufhin Joey zusammenzuckte. „Nein hab ich gesagt!“ „Schon gut!“, rief Joey und sofort puckerte seine Wange. Er legte eine Hand auf die schmerzende Stelle und schloss die Augen. Seto schien etwas sagen zu müssen. „Ich bin noch nicht krank.“ Joey runzelte die Stirn, öffnete die Augen und sah gerade noch wie sich sein Gegenüber an dem Durcheinander im Raum zu schaffen machte. „Dann sieh zu, dass das so bleibt.“ Seto antwortete nicht, sortierte Blätter auf seinem Schreibtisch. „Ja?“ „Das kann dir egal sind.“ „Ist es mir aber nicht!“ Joey zuckte vor Schmerz zusammen. „Au! Verdammt!“ Es klopfte und Seto schien die Gelegenheit nur recht zu kommen, denn er nutzte sie sofort. „Ja?“ Joey musste zur Seite treten. Eine verstörte Sekretärin betrat vorsichtig den Raum. „Ähm, Mr. Kaiba, entschuldigen Sie. Ich fürchte, mir ist vorhin...ein Fehler unterlaufen.“ Unruhig warf sie einen Blick zu Joey. „Allerdings.“ Joeys Kopf flog zu Seto rum, dessen Stimme wieder eiskalt war. „Ja ähm... Entschuldigen Sie! Ich habe mich gewundert, dass es hier so laut ist, aber das ist ja nichts Ungewöhnliches.“ Joey riss die Augen auf und errötete. War das peinlich! „Jedenfalls...wartet draußen jetzt der richtige junge Mann, den sie erwarteten.“ Seto lächelte. „Wie schön. Wir sind hier auch fertig.“ Joey sah fragend zu Seto. Warf der ihn jetzt wirklich raus? Die Blondine sah sich derweil im Raum um und ihr Blick sprach Bände: ‚Dass Sie hier fertig sind, glaube ich aufs Wort.’ „Du... Du wirst mich raus?“ Seto nickte. „Wir waren fertig.“ Wortlos starrte Joey sein Gegenüber an und er verfluchte die Sekretärin. „Darf ich Sie hinaus begleiten?“, fragte die und unfreiwillig nickte er und folgte ihr. „Komm nicht wieder, hörst du, Wheeler? Das war die Abmachung.“ Joey antwortete nicht. Dass er die Abmachung kaum einhalten konnte, jetzt, wo sein Traum wahr geworden war, jetzt, wo er wusste, dass Seto schwul war, sagte er nicht. Stumm verließ er das Büro. *~* „Was ist los? Alles in Ordnung?“ Seto sah auf den Knaben runter, der vor ihm kniete. „Mach weiter.“ Er drückte den Knaben zu seiner Körpermitte zurück und der tat, was sein Job war. War doch nicht zu fassen, einfach unterbrechen! Ja, er war nicht richtig bei sich, dieser blonde junge Mann ging ihm nicht aus dem Kopf. Joey Wheeler. Einfach aufgetaucht war er und hatte ihn völlig verwirrt. In seiner Verwirrung hatte er dummes Zeug geredet und auch noch die Fragen des Hündchens beantwortet. „Gut so?“, fragte das Kerlchen vor ihm. „Nein.“ Seto griff hart nach den Schultern des Jungen und zog ihn auf die Füße. Wütend riss er ihm die Hose vom Leib. „Was... Was machst du denn jetzt? So war das nicht abgemacht!“, rief der empört. „Ich bezahle es dir gut.“ Er wirbelte den Jungen herum, drückte seinen Oberkörper nach unten und begann, sich das zu holen, was er brauchte. *~* „Du meine Güte, wie sehen Sie denn aus?“, rief Mrs. Sanaké, die gerade ihre Bilder aus seinem Café entfernte. „Sieht schlimmer aus als es ist.“ Doch die Dame nahm ihn schon beiseite. „Es sieht aus als hätte Sie jemand geschlagen und das ist durchaus sehr schlimm.“ Joey seufzte. „Mrs. Sanaké...“ Er wusste ja, dass seine Wange blau angeschwollen war und an seiner Schulter und seinen Rippen trug er auch blaue Flecken. Am offensichtlichsten war sicher sein Gesicht. „Nichts da! War das dieser Mann, von dem Sie mir erzählt haben?“ „N...Nein. Nicht direkt.“ Die ältere Frau kniff die Augen zusammen. „Lügen Sie mich nicht an. Ich hab es nicht gern, wenn man mich anlügt.“ Joey sah der Frau in die grauen Augen und schluckte schwer. „Ja, er war es. Ich bin zu ihm gegangen und... Wir haben geredet.“ Joey zuckte die Schultern. „Davor ist er ausgerastet, weil ich unangemeldet kam und ihn angeschnauzt habe.“ Mrs. Sanaké seufzte. „Sie Armer. Sie müssen viel für ihn empfinden, wenn Sie ihn noch decken, obwohl er Sie geschlagen hat.“ Joey errötete und zum Glück ging die Tür, denn nun konnte er sich um den nächsten Gast kümmern. Doch die ältere Dame ahnte bereits mehr als ihm lieb war und das Herz rutschte ihm gänzlich in die Hose als er Phil und Tsatsu auf sich zustürmen sah. „Joey!“ Lächelnd ging Joey in die Knie und fing die beiden auf. Ihnen folgte ihr Vater. „Joey hey.“ Langsam hob der Blonde den Blick und er sah das Erschrecken in Yugis Augen. „Was...“ Joey hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen, dann wandte er sich an die Kinder, die ihn mit Bitten löcherten. „Dürfen wir eine heiße Schokolade?“, fragte Tsatsu gerade und Joey nickte lächelnd. „Geht zu Lisa rüber, die macht euch eine, ja? Und schön lieb sein.“ Als die beiden lachend davon gestoben waren, stand er auf und sah seinem besten Freund in die Augen. „Tu mir einen Gefallen. Frag nicht nach.“ Dann begann er zu erklären. Wieder mal. Und wie Yugi es versprochen hatte, fragte er nicht nach, warum Joey bei Seto gewesen war, warum er es nicht einfach hatte auf sich beruhen lassen. Er hätte es auf Serenity schieben können, aber danach stand ihm nicht der Sinn. Als Yugi mit den Kindern wieder gegangen war, atmete Joey tief durch. Den Blick seines Kumpels hatte er kaum aushalten können. Vorwurf und Frage hatten in Yugis Augen gestanden, dennoch konnte Joey nicht alles erzählen. Der Blonde trat auf die Straße, Nebel waberte um die Häuser und fröstelnd zog er die Schultern hoch. Es war Abend geworden, in den letzten Stunden war er allein im Café gewesen. Er drehte sich um, schloss die Tür ab und seufzte. Er war müde, seine Wunden taten weh und seine Füße verlangten nach Ruhe. Durch seinen dünnen Pulli drang die Kühle des Abends, irgendwo bellte ein Hund. Stille... Joey lächelte. Den ganzen Abend über war viel los gewesen, er hatte die Galerie von Mrs. Sanaké auflösen müssen – alle Bilder waren verkauft – und er hatte aufräumen müssen. Jetzt wollte er nur noch nach Hause, das war ja um die Ecke, duschen und ins Bett. Warmes Wasser konnte er sich abschminken, um diese Zeit heizte es nicht mehr. „Warum tust du mir das an?“ Joey schreckte zusammen und drehte sich um. Dann erschrak er noch mehr. „Seto!“ „Warum kommst du nach so langer Zeit und tust mir das an?“ Joey versuchte, etwas in Setos Augen lesen zu können, aber die Nacht war zu dunkel und Mond und Sterne leuchteten zu schwach. „Was... Ich...“ Verdutzt schüttelte er den Kopf, drehte sich um und zog schnell das Gitter vor den Laden, das er abschloss. Setos Stimme ließ ihn schaudern, so tief drang der Schmerz darin, die Verzweiflung, zu ihm durch. Doch als er etwas sagen wollte und sich umdrehte, war von Seto nichts mehr zu sehen. „Was...?“ Joey blickte zu beiden Seiten die Straße entlang. Hatte er sich Setos Besuch nur eingebildet? War da ein Auto gewesen? Joey legte hilflos die geschlossenen Hände an seine Brust. „Seto...“, flüsterte er und sein Atem schlug sich weiß in der Luft wieder. *~* Seto starrte die Topfpflanze vor sich an. Was die wohl hatte, dass sie ihm auch noch den Dienst versagte? Ließ die Blätter hängen als wäre sie traurig. „Seto?“ Der Angesprochene hob den Blick und sah Mokuba in der Tür. „Alles in Ordnung bei dir?“ Seto fegte mit einem Arm die Blume in den Papierkorb. „Ja.“ Seine Stimme klang wenig überzeugend. Mokuba schnaubte denn auch und schloss die Tür hinter sich. Langsam trat er näher und setzte sich ihm gegenüber. „Seto...“ „Es ist nichts!“ Tief atmete der Braunhaarige durch. „Ich komme schon klar. Wie geht’s Cynthia?“ Unwillkürlich lächelte sein Bruder. „Gut soweit. Das ist auch der Grund, warum ich hier bin.“ Seto sah auf. „Hm?“ „Wärst du damit einverstanden, wenn ich Dr. Hamato für uns...beschlagnahme?“ „Stimmt etwas nicht mit der Schwangerschaft?“ „Ich würde nur gern sicher gehen.“ „Ach so. Ja, kein Problem.“ Forschend sah Mokuba ihn an. „Und du willst nicht darüber reden?“ Seto schüttelte nur den Kopf und Mokuba wunderte sich über die fehlenden Widerworte. *~ * Joey lag in seinem Bett, das für ihn allein immer noch viel zu groß schien, und starrte an die Decke. Draußen rief ein Vogel, den er nicht kannte, laut und beinahe schrill durchbrach seine Stimme die Stille in Joeys Wohnung. Der Blonde starrte in die Dunkelheit und lauschte auf die ihm vertrauten Geräusche der Wohnung. Das leise Brummen des alten Kühlschranks, das er sogar durch die Tür hörte, das Knacken des Holzes seiner Wohnzimmermöbel, der Wind, der durch das geöffnete Fenster durch seine weichen Gardinen fuhr. Joey legte einen Arm hinter seinen Kopf und seufzte. Er konnte nicht schlafen, schon seit Stunden lag er wach. Er konnte sein Hirn nicht beruhigen, zehntausend Gedanken gingen ihm durch den Kopf und immer wieder hörte er Setos Stimme als wäre der noch immer da, als würde er ihm immer noch Vorwürfe machen. „Warum tust du mir das an?“ Joey wusste nicht einmal, was er Seto Kaiba antat. Vorsichtig berührte er seine Wange, strich über den blau-grünen Fleck, der ständig puckerte und das Gewebe über seinem Wangenknochen anschwellen hatte lassen. Warum er Seto was auch immer antat, wusste er dafür nur zu gut. Die Verletztheit in Setos Stimme hatte ihm beinahe das Herz zerrissen. Noch nie hatte er einen Mann so sprechen hören und dann ausgerechnet Seto Kaiba! Nicht einmal Yuri hatte so offen seine Gefühle gezeigt. Hatte er sowieso selten, irgendwie schien Joey auf solche Eisbrocken zu stehen. Langsam drehte sich der Blonde auf die Seite und rollte sich ein wie ein Embryo im Mutterleib. Was hatte er Seto denn getan? Diese Frage ging ihm nicht aus dem Kopf. Er hatte doch nur Fragen gestellt und die Antworten bekommen, die er so dringend gebraucht hatte. Dummerweise halfen ihm die auch nicht weiter, weil er jetzt wieder neue Fragen hatte. Wieder strich Joey über seine Wange. Setos Hans war so kalt gewesen wie seine Stimme, als er ihn in seinem Büro angeschrieen hatte. „Sie müssen viel für ihn empfinden, wenn Sie ihn noch decken, obwohl er Sie geschlagen hat.“ War es so? Empfand er nach all den Jahren noch was für Seto? Damals war es eine Verliebtheit gewesen und als diese hatte er sie auch abgetan. Jetzt, wo alles wieder hochkam, war er sich da nicht mehr so sicher. Aufgrund dieser Unsicherheit erzählte er auch Yugi nichts von alldem. Er wusste nicht mal, was er ihm hätte sagen sollen. Natürlich empfand er etwas für Seto, nur was, das wusste er noch nicht so genau. Was...brachte ihn dazu, sich schlagen zu lassen? Was brachte ihn dazu, Seto aufzusuchen, obwohl er wusste, was das mit sich brachte? Was brachte ihn dazu, jetzt wach zu liegen und über Setos Stimme nachzudenken? Er sollte schlafen, morgen würde wieder ein anstrengender Tag werden. Joey hatte gedacht, das Fenster zu öffnen würde helfen, stattdessen lag er immer noch wach und dachte nach. Sollte er noch einmal zu Seto gehen? Sollte er ihn fragen, was er ihm angetan hatte? Oder bildete er sich Setos Besuch nur ein? So was sollte es geben. Joey war sich wirklich nicht sicher, obwohl Setos Stimme so real war. Real und doch unwirklich, denn ein Seto Kaiba hätte doch nie so gesprochen! Frustriert stöhnte Joey auf und wälzte sich zurück. Wieder starrte er an die Decke. Sein Wecker warf in roten Zahlen 3:49 Uhr an die Decke. „Warum tust du mir das an?“ Wenn er doch nur wüsste, was! Es war keine Einbildung, das war real gewesen! Es waren reale Sekunden seines Lebens gewesen. Er sollte noch einmal zu Seto fahren. Joey verzog das Gesicht beim Gedanken an ihre letzte Begegnung. Noch einmal so eine Behandlung und er würde als Prügelknabe gelten. Unbewusst strich er über seine Oberarme, die jeweils fünf kreisrunde blaue Flecken trugen. Sollte er darauf warten, dass Seto noch einmal zu ihm kam? Das würde wohl kaum passieren. Warum hatte er sich nur umgedreht?! Joey seufzte, schlug die Decke zurück und schwang sich aus dem Futonbett. Der Blonde trat ans Fenster und sah hinaus auf die stille, nachtschwarze Stadt. „Was tust du mir denn an?“, fragte er leise. Wieder hatte er Fragen, wieder brauchte er Antworten, wenn auch diesmal ganz anderer Art. Was sollte er nur tun? Angriff oder Verteidigung? Leicht schüttelte Joey den Kopf, wandte sich ab und setzte sich auf die Bettkante. Seto hätte es nicht verdient, wenn er wieder zu ihm ging. Er hatte es nicht mal verdient, dass Joey jetzt an ihn dachte! Andererseits: Was blieb ihm anderes übrig? Ewig schlaflose Nächte und unbefriedigende Gedanken. Joey schauderte, er schnappte sich seinen Laptop, klappte ihn auf und kuschelte sich unter die Bettdecke. Bot Seto vielleicht eine E-Mail-Adresse auf seiner Webpräsenz an? *~* Wütend lief Seto in seinem Büro auf und ab. Er griff nach dem Locher, der auf seinem Schreibtisch neben dem Computerbildschirm stand. Seto Kaiba lief auf die Tür zu und drückte mit einer Hand immer wieder den Locher. Was war nur in ihn gefahren, diesen Köter aufzusuchen! Er hatte getrunken, aber das war doch kein Grund! Zornig warf Seto den Locher auf den Boden. Jetzt schien der Alkohol völlig verflogen zu sein. Seto schob die Hände in die Hosentaschen. Er trank selten so viel wie er heute getrunken hatte, vielleicht war ihm das zu Kopf gestiegen? Seto drehte eine Runde um seinen Schreibtisch. Er bekam den Blonden einfach nicht aus seinem Kopf und das wurmte ihn gewaltig. Nicht einmal Spaß am Sex konnte er noch haben! Sex war sein Ausgleich, ohne Sex konnte er sich nicht konzentrieren, er konnte sich nicht abreagieren. Und jetzt musste er damit klar kommen, dass er ausgerechnet an Joey Wheeler dachte, wenn er normalerweise an nichts dachte. Er war das nicht gewohnt, er kannte solche Gefühle gar nicht! Woher auch?! Damals hatte er auf seinen Vater gehört und das hatte er nun davon! Wut auf seinen Vater stieg in dem Braunhaarigen auf, doch die Wut auf ihn selbst war größer. Hätte er das damals gleich geklärt, wäre es so weit nie gekommen. Er sollte das dringend nachholen. *~* Yugi und Trish saßen draußen an einem der kleinen Bistrotische und Joey wurde mulmig. Auf seinem Tablett standen zwei Latte-Macchiato, die er jetzt vor den beiden abstellte. „Hier ihr zwei. Lasst es euch schmecken.“ Die Kinder waren bei Oma und Opa, in drei Tagen wären seine besten Freunde im Urlaub. „Und du kommst wirklich ohne uns klar, Joey?“ Trish griff nach dem großen Glas und wärmte sich die Hände. Es hatte sich in den letzten Tagen etwas abgekühlt, obwohl die Sonne vom Himmel schien. „Natürlich.“ „Ich meine wegen Seto.“ Joey lächelte. „Ich weiß schon, was du meinst. Ich komm klar.“ Er hatte Yugi und Trish nichts von Setos Besuch erzählt, weil er es nicht für nötig hielt. Was sollte das denn bringen, wenn er es ihnen sagte? Sie würden sich wundern, genau wie er und irgendwann würden sie es vergessen. Yugi sah Joey in die Augen. „Wenn was passiert, kannst du jederzeit anrufen.“ Der Blonde kaute auf der Innenseite seiner Wange. Er bekam ein schlechtes Gewissen, wollte aber dennoch nichts erzählen. „Okay.“ Yugi nickte und schnell verkroch sich Joey im Laden, wo ja auch noch Gäste saßen, die er gern bediente. Als sich seine besten Freunde verabschiedeten, wurde ihm klar, dass er jetzt mit seinen Problemen zwei Wochen allein war. Fünf Wochen Urlaub! Da konnte man ja fast neidisch werden. Lange sah er Yugi und Trish nach, bis diese um eine Ecke verschwanden. Tief atmete Joey durch. Er hatte es geschafft! Er hatte Yugi etwas verheimlicht, ohne schwach zu werden und es ihm zu erzählen. Joey war beinahe stolz auf sich. Noch einmal würde er die beiden vor der Abfahrt nicht sehen und das war auch gut so, sonst würde er sich garantiert verplappern. Joey wusste auch nicht so genau, was ihn davon abhielt, Yugi von Setos plötzlichem Auftauchen zu erzählen. Vielleicht tat er es nicht, weil er sich selbst nicht sicher war, was er davon halten sollte. Vielleicht wollte er sich erst sicher sein, dass Seto es ernst gemeint hatte. Vielleicht wollte er erst wissen, was Seto gemeint hatte. Wenn er das wusste, würde er Yugi davon erzählen, da war sich Joey sicher. Kapitel 7: unentschlossene Entschlossenheit ------------------------------------------- Titel: unentschlossene Entschlossenheit Teil: 7/?? Autor: Ju-Chan86 Genre: Shounen-ai, Romantik, Drama Pairing: Seto x Joey Kommentar: Mir war mal wieder nach einer FF mit den Beiden. Disclaimer: Alles von Yu-Gi-Oh, gehört nicht mir und wer was anderes behauptet, der lügt! Kapitel 7: unentschlossene Entschlossenheit Jetzt war er also endgültig allein. Joey warf einen Blick auf die Uhr. Sonntag, er saß in seinem Café, obwohl das nicht mal geöffnet hatte. Sonntags hatte er generell zu, das war so, seit er das Café besaß. Samstags dagegen war Hochbetrieb. Missmutig tunkte Joey den Wischer ins Wasser, drückte ihn aus und knallte ihn auf den Boden, um weiter zu wischen. Ungefähr eine Woche war vergangen, seit Seto vor seinem Laden gestanden hatte, seitdem hatte er nichts von ihm gehört. Joeys Wut war verflogen, er dachte zwar noch darüber nach, was geschehen war, aber er machte sich keine Hoffnung, dass er Seto noch einmal wieder sah. Er tunkte den Wischer wieder ins Wasser, um ihn auszuspülen und mit sauberem Wischer weiterzuputzen. Seto, Seto, Seto. Seit tagen ging ihm nichts anderes durch den Kopf. Nachts schlief er schlecht, oft wachte er mitten in der Nacht schweißgebadet auf und wusste nicht mehr, was er geträumt hatte. Leicht schüttelte Joey den Kopf. In den letzten Minuten hatte er auf derselben Stelle geschrubbt! Er sollte Seto einfach vergessen, dann gab es keine Probleme mehr und er konnte sich wieder auf die Arbeit konzentrieren, auf sein Leben. Im Moment hatte er kein wirkliches Leben. In den letzten Tagen hatte er sich immer wieder gefragt, woher Seto seine Adresse gehabt hatte. Ob der auch wusste, wo Joey wohnte? Bestimmt, immerhin hatte Seto viele Kontakte, da bekam er sicher in kürzester Zeit eine gesamte Akte auf den Tisch. Joey stellte sich die Akte vor: Name, Geburtsname, -ort, Schullaufbahn, Abschlussnoten, Beruf heute, Familienstand, Adressen, Telefonnummern. Angaben zur Familie, zur Herkunft, Namensdeutung, Ahnenforschung. Joey schnaubte, drückte den Wischer aus und trat mit dem Eimer vor die Tür, um das dreckige Wasser an die Blumenkübel vor seinem Café zu schütten. Ging Seto wirklich so weit, Ahnenforschung zu betreiben? Joey traute ihm das zumindest zu. Manchmal machte ihm Setos Macht Angst. Wenn der nämlich wirklich auch Informationen zu seiner Familie hatte, war es sicherlich nicht gut, sich mit ihm anzulegen. Hatte Joey sich schon mit Seto Kaiba angelegt? Das wäre gefährlich, aber er hatte es ja schon büßen müssen. Der Blonde brachte den Eimer und den Wischmopp in die Abstellkammer. Seine blauen Flecken hatten sich ins gelblich-grünliche verfärbt, aber wenn er sie berührte, taten sie immer noch weh. *~* Dieser...dämliche...Vogel! Wütend schlug Seto die Bettdecke zurück, schwang seine Beine aus dem großen, weichen Bett und stand auf. Mit zwei Schritten war er am Fenster, riss es auf und starrte in die frühe Morgendämmerung hinaus. Drei Uhr morgens! Es war ja nicht so, dass er überhaupt geschlafen hatte in dieser Nacht, aber gerade das machte ihn noch zorniger. Und jetzt dieses nervtötende Geflötet! Viel zu früh, viel zu wach, viel zu... Argh! Seto suchte die Bäume ab, musterte jeden einzelnen Ast. Welcher Vogel hatte es denn nötig, so zu singen? Die Frauen beeindruckte das sicherlich nicht und die Konkurrenten schliefen noch. Jedenfalls hörte Seto keinen anderen Vogel flöten. „Wo bist du, du kleines, mieses...“, flüsterte Seto und musste prompt an Joey denken. Früher hatte er den so genannt, jetzt ließ er seine Wut an dem Vogel aus. Wut über sein Leben, seinen Vater, Joey. Der Blonde fehlte ihm – als Ventil. Nur zu gern würde er ihm anschreien, ihn wegschicken, mit Nichtachtung strafen, ihm wehtun. Seto liebte den Ausdruck der Verletztheit in den braunen Augen, die ihm so bekannt waren wie seine eigenen. Nur in letzter Zeit fand er keinen Spaß daran. Die Vorstellung gefiel ihm, aber es dann wirklich zu tun, war nicht mehr so befriedigend wie früher. Joey körperlich wehzutun war noch schlimmer gewesen. Der Gedanke daran ließ Seto schaudern. Er musste das unbedingt klären, dann würde es ihm besser gehen. Dann sah er den Blonden eben nie wieder, suchte sich ein neues Sündenböckchen und hatte dafür aber wieder seine Ruhe. *~* Joey wischte über die Tischplatte. Schon zum dritten Mal war er alle Tische und den Tresen abgegangen, hatte gewischt und desinfiziert in der Hoffnung, es würde ihn ablenken. Entmutigt ließ der Blonde den Lappen liegen, richtete sich auf und streckte sich. Inzwischen war es Nachmittag und es hatte Joey nicht eine Minute abgelenkt. Wütend schnappte er sich den hellblau-weiß-karierten Lappen und durchquerte den Raum zum Tresen. Von dort aus warf er das schon dünn gewordene Teil in die Spüle, stützte sich mit dem Ellbogen auf die klinisch reine Tresensteinplatte und legte den Kopf in die Hände. In letzter Zeit fragte sich Joey oft, ob die Jahre mit – oder besser ohne – Seto bei ihm einem psychischen Knacks hinterlassen hatten, denn manchmal kam er sich wirklich wahnsinnig vor. Psychisch labil war Joey von Natur aus, das hing wohl mit seiner ganzen Familiensituation zusammen. Ständig fragte er sich, was er eigentlich in seinem Leben erreicht hatte, ohne das Wunder zu bedenken, dass er sein eigenes Café besaß mit eigenen Mitarbeitern. Damals hätte er das sicherlich auch nicht allein geschafft, aber dank seiner Großeltern mütterlicherseits – die nie etwas von dem dubiosen Job erfahren hatten, den ihre Tochter, Joeys Mutter, eine zeitlang ausgeübt hatte – hatte er das Geld zusammenbekommen. So gesehen war das Leben des Blonden doch der reinste Glücksgriff. Nur machte das Joey nie wirklich glücklich. Der Traum hatte damals mit ‚wir drei’ – Yugi, Seto und Joey – begonnen und bis heute fehlte Joey die Nummer drei. Zumal Yugi einen anderen Traum verfolgt hatte, als er Trish kennen gelernt hatte. Seinen Traum hat der sich wiederum erfüllt. Tief seufzte der Blonde, löste sich aus seiner Position und schob sich schließlich mit beiden Händen vom Tresen weg. Sein Blick fiel auf ein Buch, das er angefangen hatte zu lesen. Es handelte von einem schwulen Pärchen, das dem Alltagstrott verfallen war und sich nicht mehr jeden Tag neu entdecken konnte. Der Autor beschrieb beeindruckend genau die kleinen Streits, die fast täglich wiederkehrten und wie starr das Paar schon in sich war. Oft genug hatte sich Joey geschworen, dass ihm so etwas mit einem Mann nie passieren würde und doch war es Yuri gewesen, dem es zu langweilig geworden war. Ursprünglich hatte er sich ja auch versprochen, dass ihm so etwas mit Seto nie passieren würde, korrigierte sich Joey, griff nach dem Buch und schlug die Seite auf, in der das Lesezeichen lag. Nachdem er den letzten Satz noch einmal gelesen hatte, erinnerte er sich, setzte sich gemütlich an einen der blank geputzten Tische und begann mit dem nächsten Kapitel. Als Joey das nächste Mal auf die Uhr sah, war es früher Abend. Er blinzelte, konnte es nicht so richtig glauben und hob den Blick zum Fenster. Draußen kündigte sich aber tatsächlich der Abend an: Es dämmerte zwar noch nicht, aber die Sonne hatte deutlich an Kraft verloren. Joey klappte das Buch zu, in das er die letzten Stunden vertieft gewesen war. Einige Passagen hatten ihn doch stark an Yuri erinnert. Ein Lächeln legte sich auf Joeys Lippen. Die Trennung hatte er seltsamerweise gut überstanden, seit Seto wieder in sein Leben getreten war. Wie lange er gebraucht hatte, genau den zu vergessen und mit Yuri ein ziemlich normales Leben zu führen! Und dann kam Seto daher, nicht einmal absichtlich, und... Joeys Gedanken wurden von einem drängenden Klopfen an der Tür unterbrochen. Im fahlen Licht, das mittlerweile drinnen herrschte, konnte der Blonde nur eine Silhouette erkennen. Wer das wohl sein konnte? Joey erwartete noch ein Paket von seinem Teehändler, aber die Post lieferte sonntags bekanntlich auch nicht. Langsam erhob er sich und stellte sich vor die geschlossene Tür. „Wer ist da?“ Statt einer Antwort hörte Joey Folgendes: „Lass mich rein!“ Für einen Moment setzte sein Herzschlag aus als er die Stimme erkannte und alles um ihn rum verschwamm, doch dann fing er sich wieder und verschränkte die Arme vor der Brust. „Damit du mich wieder zusammenschlagen kannst, Seto? Nein, vergiss es!“ Bis heute wehrte sich Joey dagegen, ‚Kaiba’ zu sagen statt ‚Seto’. Einmal hatte er sich vorgenommen, nur noch ‚Kaiba’ zu sagen, aber schon nach kurzer Zeit fand er, dass es kindisch war und sich blöd anhörte, irgendwie verlogen. Also sagte er wieder ‚Seto’. „Ich schlag dich nicht wieder zusammen. Bitte, lass mich rein.“ Der Blonde blinzelte. ‚Bitte’? Verdutzt öffnete er die Tür, nicht minder abgeneigt, Seto eine zu geben als eben. „Was willst du? Du bist doch sonst nie höflich.“ Seto schob mit einer Hand die Tür auf und trat an Joey vorbei, dem nichts anderes übrig blieb als die Tür hinter dem Braunhaarigen zu schließen. „Sonst hättest du mich doch nie rein gelassen.“ „Du kennst mich zu gut.“, antwortete Joey bitter und fragte sich im gleichen Moment, woher Seto ihn kennen sollte. „Ich will das jetzt ein für alle Male klären, damit wir Ruhe vor uns haben.“ Seto setzte sich auf einen Stuhl und sah Joey abwartend an. *~* Missmutig starrte Seto auf die Tropfen, die am Fenster hinab rannen. Dass das Telefon in einer Tour klingelte, störte ihn in keiner Weise. Seto mochte Regen, er sah ihm gern zu und mochte den frischen, nassen Geruch. Seiner Sekretärin hatte er aufgetragen, die wütenden Aktionäre abzuwimmeln und zu beruhigen, die heute den ganzen Tag angerufen hatten. Sekretärin bei der Kaiba Corporation zu sein, konnte mitunter sehr anstrengend sein. Die jungen Frauen mussten vor allem wortgewandt sein. Vielleicht hätte er die Aktionäre fragen sollen, aber das hatte Seto einfach nicht gewollt. Er war der Geschäftsführer und Aktionäre hatten nicht viel zu sagen. Mit dem Zeigefinger strich Seto die Spur eines Tropfens nach. *~* Joey brauchte ein paar Sekunden, um sich zu fangen. „Was fällt dir eigentlich ein, hierher zu kommen und so zu tun als wäre nichts gewesen?!“, fuhr er den Braunhaarigen an, der etwas verdutzt wirkte. „Aber klar, nach Seto Kaibas Pfeife müssen ja alle tanzen. Wenn Seto Kaiba ‚jetzt’ sagt, müssen alle springen, was?“ Joey lief auf den Tisch zu, an dem Seto saß und schlug die flachen Hände auf den Tisch. „Ich verrat dir mal was! Ich springe nicht. Stell dich auf den Kopf, aber nur, weil dir spontan einfällt, dass du das mit mir ja mal klären könntest, werde ich das bestimmt nicht...“ Seto hob die Hand und Joey verstummte. Keine Sekunde später hätte er sich dafür schlagen können. Der Firmenchef schlug die Beine übereinander. „Ich fang einfach noch mal an. Es tut mir Leid, dass ich dich geschlagen habe.“ Setos Blick traf den von Joey. „Das sollte es auch, das hat nämlich verdammt wehgetan! Und noch mal würde ich mir das...“ Der Blonde hielt inne, als ihm Setos Worte bewusst wurden. „Wiederhol das.“, sagte er harsch. In Setos Augen blitzte es amüsiert auf. „Es tut mir Leid, dass ich dich geschlagen habe.“ Joey blinzelte. Hatte er sich verhört?! „Sag’s noch mal.“ Ein weicher Ton lag nun anstelle der Wut in seiner Stimme. Seto dagegen runzelte die Stirn. „Zweimal reicht ja wohl. Also jedenfalls würde ich es damit gern auf sich beruhen lassen.“ Plötzlich schlug Joeys Herz schneller. „Was meinst du damit?“, presste er hervor. Seto lachte auf. „Genau genommen müsste ich nicht einmal hier sein. Du hast ja versprochen, nach deiner Fragestunde in meinem Büro nicht mehr aufzutauchen.“ Verletzt drehte Joey sich weg, damit Seto nicht sah, wie es um seine Gefühle stand. „Warum bist du dann hier?“ Seine Stimme klang nicht annähernd so fest wie sie sollte. „Weil ich hoffe, das es mir dann besser geht.“ Joeys Finger krallten sich Hilfe suchend in den Schlüsselbund, den er von der Tür mitgenommen hatte. „Dir...geht es schlecht, weil du mich geschlagen hast?“ Langsam drehte er sich wieder um und sah Seto in die Augen. „Ja, so war noch eine Entschuldigung offen, aber das haben wir ja erledigt.“ Damit erhob sich der Braunhaarige und Joey stand ungläubig vor ihm. „Hast du sie eigentlich noch alle?!“, wetterte er los. „Wieso? Ich hätte auch gar nicht herkommen müssen.“ Joey lachte rau auf. „Und trotzdem bist du hier.... Faszinierend, oder?“ Er lief um den Braunhaarigen herum, als wollte er ihm drohen. „Glaubst du wirklich, dass es dir jetzt besser gehen wird? Glaubst du, mit einer Entschuldigung ist das alles getan? Ich hätte dich für schlauer gehalten.“ Setos wütender Blick traf ihn unerwartet. „Willst du damit sagen, dass ich dumm bin, Wheeler?“ In der Stimme des Braunhaarigen lag tief gehende Wut. „Ich weiß nicht genau. Vielleicht.“ Joey seufzte als er den Ausdruck in den blauen Augen sah, die er so mochte. „Seto... Das, was du hast, ist ein schlechtes Gewissen. Das geht nicht mit einer simplen Entschuldigung weg. Das kann man auch nicht mit Geld beruhigen.“ Joey stand jetzt vor Seto und sah ihm von unten in die Augen. Unter anderen Umständen hätte das durchaus romantisch werden können. „Du hast Recht, ich sagte, dass ich dich in Ruhe lassen würde und das mache ich auch. Du warst es, der hier plötzlich ankam. Glaub mir, wenn ich dir sage, dass es dich nicht in Ruhe lassen wird.“ Seto schwieg, sah dem Blonden in die Augen und wusste nicht, was er sagen sollte. Joey wollte gerade den Kopf schütteln und Seto damit fallen lassen, als dieser die Hand hob und die Fingerspitzen an den gelblich-grünen Fleck auf Joeys Wange legte. Leicht zuckte der Kleinere zusammen. „Tut es sehr weh?“ “Nicht mehr.“, presste Joey hervor und kam sich blöd vor, weil ihm die Röte in die Wangen stieg. Auf seine Worte hin zuckte Setos Hand weg, doch Joey griff sofort nach ihr und legte sie zurück auf seine Haut. „Ich fürchte, ich kann dich doch nicht in Ruhe lassen.“, flüsterte er. Seto stand regelrecht unbeholfen da und wusste nicht, was er sagen sollte. Er fühlte sich auf einmal so unsicher, so unwissend. „Warum nicht?“, war das erste sinnvolle, was ihm einfiel. Joey ließ Setos Hand sinken. Er hatte eine Vermutung, die er jetzt aussprechen würde. „Weil du noch nicht einmal um deinen Vater getrauert hast.“ In Setos Augen blitzte es kurz auf. „Das geht doch nichts an, Wheeler.“ Joey seufzte. „Ich verstehe ja, dass du sauer auf ihn bist und was er damals getan hat war nicht gerade väterlich, aber er war nun mal dein Vater.“ „Ich hab gesagt, das geht dich nichts an!“ Joey verdrehte die Augen. „Ich wollt’s ja nur mal sagen. Wir waren mal sehr gut befreundet, Seto, ich will dir doch nichts Böses.“ „Lass mich in Ruhe.“ Joey grinste. „Geh doch. Warum bist du noch hier, Seto? Denk mal drüber nach. Dir liegt was an mir, das wissen wir beide. Nur so kommt nämlich ein schlechtes Gewissen zustande.“ Der Blonde ging zur Tür und öffnete sie. „Du musst nicht gehen, Seto, aber es ist deine Entscheidung.“ Tief sah Joey dem Braunhaarigen in die Augen. Auch wenn er äußerlich ruhig wirkte, schlug ihm das Herz bis zum Hals und er hoffte inständig, dass Seto bleiben würde. Dieser machte zwei Schritte auf die Tür zu, blieb dann jedoch stehen. „Nimmst du meine Entschuldigung an?“ Joey schüttelte den Kopf. „Nein.“ Er schloss die Tür wieder. „Warum nicht?“ Seto setzte sich erneut. „Weil du damit nur dein schlechtes Gewissen beruhigen wolltest.“ „Ich versteh nicht, was du noch willst.“ „Dass du es ernst meinst.“ Joey trat hinter die Theke und setzte Wasser in einem Kessel auf. Er hörte Seto hinter sich seufzen. „Tee oder Kaffee?“ „Was auch immer.“, antwortete Seto. Joey hängte Pfefferminztee in die Kanne un d lehnte sich dann mit dem Rücken an die Arbeitsplatte. „Wie geht es deinem Bruder und seiner Frau?“ „Lass uns über das hier reden.“ Joey hob die Hände. „In Ordnung.“ Seto nickte, hob den Blick und sah Joey in die Augen. „Warum war es dir nicht egal, ob ich krank bin?“ Joey räusperte sich. „Weil...ich mir Sorgen gemacht habe. Wolltest du die Firma übernehmen? Das hast du mir das letzte Mal nicht beantwortet.“ „Nein, wollte ich nicht, aber ich musste.“ „Weil er dich sonst geschlagen hätte und du davor Angst hattest.“ Seto zögerte, nickte dann aber. Der Teekessel quietschte los und Joey goss das heiße Wasser über die Teebeutel in die Kanne. Mit zwei Teegläsern und zwei Löffeln sowie der Teekanne setzte er sich zu Seto an den Tisch und stellte alles ab. „Meinst du nicht, du würdest es schaffen, Arbeit und Privates zu trennen? Dann könntest du in der Firma knallhart sein und m normalen Leben wie früher.“ Seto schnaubte. „Ich bin keine 13 mehr.“ „Wie 29 benimmst du dich aber auch nicht gerade.“ Der Braunhaarige grinste schief. „Aber du. Was ist das?“ Er deutete auf die Kanne. Joey lächelte. „Tee, Pfefferminztee. Der schmeckt gut.“ „Ich trink normalerweise keinen Tee.“ „Ich hab extra gefragt.“ „Ziemlich schwul, Tee zu trinken.“ Joey machte große Augen und schluckte schwer, er konnte nichts antworten. Seto hatte augenscheinlich eine andere Reaktion erwartet, forschend sah er Joey in die Augen. ‚Ich muss mich wieder fangen.’, dachte der Blonde und straffte die Schultern. „Dann passt es ja zu dir.“, konterte er und goss vorsichtig den heißen Tee in die Gläser. „Cynthia geht es gut. Sie steht unter ständiger Beobachtung, aber es geht ihr gut. Mokuba verliert langsam die Nerven.“ Joey griff nach dem Zuckerstreuer. „Vielleicht sollte ich mal meine Schwester bei ihr vorbei schicken, dann können sie Frauengespräche führen.“ Seto sah skeptisch auf den Tee vor ihm und nickte dann abwesend. „Vielleicht... Ich kann dir die Adresse geben.“ Joey nickte, schüttete Zucker in den Tee und rührte um. Angestrengt sah er auf die kleinen braunen Krümel, die sich langsamer auflösten als weißer Zucker. „Ich... bin wirklich schwul.“ Seto schwieg lange und Joey hatte schon Angst, er würde eine abfällige Bemerkung machen oder einfach gehen. „Das hätte ich mir denken können, so wie du an mir hängst.“ Joeys Kopf schnellte hoch und er starrte sein gegenüber an. „Was soll das denn heißen? Ich hänge überhaupt nicht an dir!“ Setos Lächeln war undurchdringlich. „Tust du. Seit der ersten Klasse.“ Joey senkte den Blick auf sein Teeglas. „Weißt du noch als ich damals den Ball an den Kopf bekommen habe? Im Sportunterricht?“ Seto schnaube belustigt. „Du hast ‚n ganz schön blödes Gesicht gemacht. Warst völlig in Gedanken.“ Joey nickte. „Du hast mich angesehen, direkt danach.“ Langsam hob Joey den Blick in Setos Augen. „Den Ausdruck in deinen Augen werde ich nie vergessen.“ Seto wandte den Blick ab und sah scheinbar desinteressiert an die gegenüber liegende Wand. „Woran hast du damals gedacht?“ Plötzlich fühlte sich Joey unendlich müde, er wollte nicht mehr lügen müssen, wollte nichts mehr verheimlichen. „An dich. Ich war damals endlos verliebt in dich.“ Und ich bin es noch heute, flüsterte eine Stimme in ihm, die er geflissentlich überhörte. Als er in Setos Augen sah, wusste er nicht, was er denken sollte, denn der Braunhaarige sah ihn beinahe schockiert an. „Warum hast du mir nie etwas gesagt?“ Joey konnte nicht glauben. was er da hörte. Setos Stimme war tatsächlich emotional! „Also... Zunächst mal hatte ich Schiss. Und dann hätte es dich nicht die Bohne interessiert. Dachte ich zumindest.“ Seto schüttelte ungläubig den Kopf. „Hätte ich das früher gewusst, dann...“ Der Blonde schnaubte. „Was denn? Machen wir uns nichts vor, Seto, es wäre nie anders geworden als jetzt.“ Entschlossen hob Joey die Tasse an seine Lippen und nippte an dem heißen Getränk. Er war froh, Tee gekocht zu haben, denn so konnte er jetzt das Gefühl genießen, mit dem sich der Tee heiß in seinen Magen legte und er hatte etwas zum Festhalten. Tee machte solche Augenblicke erträglicher. „Woher willst du das wissen?“ Seto schien aufgebracht. „Ich hatte ein Recht darauf, es zu erfahren!“ Er klirrte leise, als Joey die Tasse abstellte und die Finger um das wärmende Glas legte. „Erstens hatte ich nicht gerade Lust, es dir zu sagen, bei den Beleidigungen, die ich mir von dir anhören musste, zweitens tust du gerade so als sei ich schwanger von dir gewesen und hätte dir dein Kind verschwiegen. Jetzt beruhig dich mal, ist ja nun schon etliche Jahre her.“ Hasste sich trotzdem nicht viel verändert, befand Joey. „Ja...“ Seto schien immer noch durcheinander. „Trink etwas Tee, das hilft.“ Seto folgte etwas widerwillig seinem Rat und für einen Augenblick schwiegen sie beide. Joey trank ebenfalls noch einen Schluck. „Ich kann nicht um ihn trauern. Du verstehst das nicht, du bist wohlbehütet aufgewachsen, aber ich kann nicht um ihn trauern, weil ich nicht wüsste, was es da zu betrauern gibt.“ Joey schnaubte. „Also ich hatte nie einen Vater, aber ich kann mir vorstellen, dass es da durchaus auch gute Momente gibt.“ Herausfordernd sah er Seto an, der blinzelte. „Ja, wahnsinnig behütet also.“ Der Braunhaarige seufzte. „Hab...ich das nur vergessen oder hast du es...?“ Joey unterbrach ihn. „Nein, du wusstest es, du musst es wohl über die Jahre vergessen haben.“, erwiderte er bitter. Seto schwieg und wieder tranken beide einen Schluck Tee. „Es gab keine guten Momente. Jedenfalls keine, an die ich mich erinnern könnte.“ Sofort bekam Joey ein schlechtes Gewissen. „Tut mir Leid. Nur...ohne ihn wärst du nicht mal hier, da gäbe es dich einfach nicht. Bist du nicht wenigstens manchmal froh, am Leben zu sein?“ Der Blonde zog die Füße zu sich auf den bequemen Stuhl und beobachtete Setos Reaktion. „Nein. Es gibt eher Tage, an denen ich mir wünsche, nicht zu leben.“ Das bestürzte Joey nun wirklich. „Sag so was nicht.“ „Es ist nur die Wahrheit.“, sagte Seto achselzuckend. „Die Wahrheit kann grausam sein. Du hättest mich anlügen sollen.“ „Warum?“ Seto sah auf. „Weil ich mir jetzt wieder Sorgen um dich mache.“ Setos Gesichtszüge verdunkelten sich unmerklich und er erhob sich plötzlich. Joey stand ebenfalls auf und sie standen sich gegenüber und sahen sich an. „Tu das nicht.“ „Mir Sorgen machen?“, fragte Joey. „Da kann ich nichts dafür, das kommt ganz von allein.“ „Verlieb dich nicht wieder in mich, Joey.“ Der Blonde erstarrte und auch Seto sagte nichts mehr. Dann drehte er sich abrupt um. „Ich sollte jetzt gehen.“ Er trat auf die Tür zu und Joey folgte ihm mit wackeligen Knien. „Ich kann mir die Adresse deiner Schwägerin abholen.“, sagte er nur und Seto, der gerade die Tür öffnete, hätte sich ohrfeigen können für seine Zustimmung in der Sache, dennoch nickte er knapp, bevor er endgültig ging. Joey blieb in der Tür zurück und sah dem eleganten schwarzen Mantel noch lange nach. Er prägte sich das Bild genau ein: Den hoch geklappten Kragen, den edlen Anzug, das kreideweiße Hemd mit der champagnerfarbenen Krawatte. „Zu spät.“, flüsterte er in die Dunkelheit hinein. Kapitel 8: Familie kann helfen ------------------------------ Titel: Familie kann helfen Teil: 8/?? Autor: Ju-Chan86 Genre: Shounen-ai, Romantik, Drama Pairing: Seto x Joey Kommentar: Mir war mal wieder nach einer FF mit den Beiden. Disclaimer: Alles von Yu-Gi-Oh, gehört nicht mir und wer was anderes behauptet, der lügt! Kapitel 8: Familie kann helfen *~* Seto schälte sich aus dem Anzug, zog sich das Hemd vom Körper und kam nicht umhin, an eine Zwiebel zu denken, die zu lange auf dem Grill gelegen hatte und glasig geworden war. Angewidert verzog der Braunhaarige das Gesicht. Er hasste dieses schwül-warme Wetter der letzten Tage, kein Lüftchen ging und dennoch musste er Anzüge tragen, die er in diesen Tagen regelmäßig verfluchte. Er trug gern Anzüge, sah gern gut aus, aber wenn einem der Schweiß das Hemd vom Nichtstun durchtränkte, wollte er sie sich oft genug vom Körper reißen und nackt zur Arbeit gehen. Seto drehte das kalte Wasser an und stellte sich unter die Dusche. Genüsslich seufzte er auf. Hier ließ es sich doch leben. *~* Träge hing Joey an der Wand des Pools und sah in den blauen Himmel. Mike, Serenitys Mann, schwamm vor ihm seine Runden, aber selbst das war dem Blonden zu anstrengend. Serenity betrat vorsichtig das Becken, um sich von den 35° Celsius etwas abzukühlen. Man sah an der Vorsicht wie sie ihre Füße auf die nassen Fliesen setzte, dass sie bemüht war, nicht auszurutschen. Über ihren sich immer mehr wölbenden Bauch konnte sie kaum mehr ihre Füße sehen, die regelmäßig anschwellten. Die Tatsache, dass er an seiner Schwester sah, wie schnell die Zeit verging, machte Joey beinahe wütend, denn sie erinnerte ihn daran, dass er immer noch nicht bei Seto gewesen war. Plötzlich wurde sein Gesicht abgedunkelt. „Ist alles okay bei dir?“, hörte er Serenity fragen, die sich gerade in sein Gesichtsfeld schob. Bis eben hatte er Mike zugesehen und über ihn in längeren oder kürzeren Abständen den Kopf geschüttelt. Jetzt sah er in das gesunde, runde Gesicht seiner Schwester. „Nicht wirklich.“ Serenity lehnte sich neben ihn an die stabile Beckenwand und legte in einer für Schwangere völlig selbstverständlichen Geste die Hand auf den Bauch. Joey vermutete, dass den schwangeren Frauen das nicht einmal mehr richtig bewusst war. „Sag nicht, es ist immer noch dieser Seto.“ Joey machte ein unbestimmbares Geräusch, das etwas wie ‚Hmpf‘ klang und das schien seiner Schwester vollkommen auszureichen. „Was hast du jetzt schon wieder angestellt?“ Dass alle immer davon ausgingen, er hätte irgendwas angestellt! Er erklärte seiner Schwester, was vorgefallen war, während sie so etwas wie Nilpferdsport machte – es sah aus, als wolle sie unter Wasser einen Marathon rennen – und sah sie dann fragend an. „Das ist nicht nur gut gegen Cellulitis und für die Figur, sondern hält mich auch fit, also guck mich nicht mit diesem Blick an. Mike sagt auch, dass das unmöglich aussieht.“ Joey verkniff sich ein Grinsen. „Also, was sagen Sie, Frau Psychologin?“ Serenity sah ihn lächelnd an. „Ist doch easy, du fährst hin und fragst ihn nach der Adresse seiner Schwägerin. Übrigens nett von dir, dass du da an mich gedacht hast.“ Ihr Bruder blinzelte sie verständnislos an. „Ich soll…einfach hinfahren und nach der Adresse fragen?“ Serenity nickte. „Das und nichts weiter. Nicht mehr und nicht weniger.“ „Aber…“ Die Braunhaarige seufzte. „Joey, es ist doch mit euch Männern nicht anders wie mit uns Frauen: Läuft man euch nach, findet ihr uns langweilig, läuft man vor euch weg, rennt ihr uns hinterher.“ Joey hob ansatzweise eine Schulter und ließ die Worte auf sich wirken. War es so? Er wusste es nicht. Seine Gedankengänge wurden durch das Auftauchen von Mike unterbrochen, der sich lächelnd und schwer atmend zu ihnen gesellte. „Na ihr zwei. Alles in Ordnung bei euch?“ Er legte einen Arm um Serenity, die sich bereitwillig an ihn lehnte und sah Joey fragend an. „Wird schon wieder.“, antwortete der und lächelte zurück. „Nur die Hitze macht mir zu schaffen. Und du, Mike? Machst du nächstes Jahr bei Iron-Man mit?“ Sein Schwager lachte. „Ehrlich gesagt hab ich drüber nachgedacht, aber nächstes Jahr werde ich wohl mit anderen Dingen beschäftigt sein.“ Noch während er das sagte, tätschelte er Serenitys Bauch. Joey seufzte. „Muss Liebe schön sein. Ich schwimm ne Runde.“ Damit drehte er sich weg von den ach so Verliebten und paddelte unmotiviert im Wasser herum. Dass seine Schwester ihm erzählt hatte, dass sie in der Schwangerschaft immer wieder richtig Lust auf Sex hatte, auch mal zwischendurch, hatte ihn ab da an in solchen Situationen Reißaus nehmen lassen. Verlieb dich nicht wieder in mich, Joey. Leise seufzte der Blonde. Es war tatsächlich schon zu spät. Kaum, dass Seto das ausgesprochen hatte, hatte Joey gewusst, dass er sich wieder einmal in den kaltblütigen, hartherzigen Geschäftsmann und seinen ehemaligen besten Freund verliebt hatte. Es schien ihm eine halbe Ewigkeit her zu sein, dass er mit Seto zusammen Tee getrunken hatte und noch länger, dass der ihn geschlagen hatte und noch viel viel länger, dass sie befreundet gewesen waren und doch konnte sich Joey an all das erinnern, als wäre es erst heute passiert. Der Blonde drehte am Ende der Bahn um und schwamm in die andere Richtung. Oder hatte er nie aufgehört, den Braunhaarigen mit den eisblauen Augen zu lieben? Setos Augen… Wieder entfuhr Joey ein Seufzen als wäre er gerade 13 Jahre alt und das erste Mal richtig verknallt. Manchmal kam es ihm vor, als könne er in Setos Augen versinken, als könne er von dort aus in eine andere Welt fallen, vielleicht eine aus Eis, in einer Höhle, in der es tropfte und in der einen die Kälte zittern ließ. Aber Joey erinnerte sich auch an Momente, in denen er gedacht hatte, Setos Augen wären eine Mauer aus Eis, hinter die er nicht schauen konnte, die so lang war, dass er sie nicht umrunden konnte und so glatt, dass er immer daran abrutschte, sobald er versuchte, sie zu erklimmen. Er hätte sich wirklich nicht wieder in ihn verlieben sollen. Das würde ihm noch großes Unglück bringen, er sah es kommen. Das ließ sich in Setos Gegenwart auch kaum vermeiden, aber so wütend, zornig und aggressiv er Seto oft fand, so verletzlich, verlassen, einsam und einfühlsam war er auch. Eine plötzliche Wut ergriff den Blonden und er schob das Wasser mit kräftigen Zügen vor sich her. An allem war Setos Vater Schuld! Dass sich Mike und Serenity derweil über ihn unterhielten, hörte er nicht, so sehr war er in Gedanken. „Wie geht es ihm?“, fragte Mike besorgt. Ihrer beider Blicke lagen auf Joey. „Er ist heillos verliebt.“ Mikes Blick glitt zu seiner Frau, fragend, eine Ausführung fordernd. „Ich bekomm das schon hin.“, versicherte sie ihrem Mann lächelnd. „Er bekommt das auch hin. Auch wenn sein Auserwählter nicht gerade die perfekte Wahl ist und sogar ziemlich verkorkst, kriegen wir das hin.“, sagte sie noch einmal fester. Mike nickte zufrieden. „Ich vertrau dir, Schatz, aber bitte, überanstreng dich nicht, hörst du?“ Serenity schüttelte den Kopf. „Hab ich dir schon gesagt, dass du mich bald öfter mal los bist?“ Ihr Mann sah sie unter nassen schwarzen Haaren fragend an und wieder bedarf es keiner Worte, damit die beiden sich verstanden. „Die Schwägerin von Joeys Schwarm ist auch schwanger und wenn ich erst ihre Adresse habe, dann können wir uns lange über Milch, Erziehung, Windeln, Wiegen, die Geburt und Babysachen unterhalten.“ Mike verzog das Gesicht. „Uäh, na zum Glück muss ich mir das dann nicht mehr anhören.“ Serenity lachte ihr helles Lachen und küsste Mike auf die Wange. „Nein, musst du nicht. Tust du mir einen Gefallen?“ „Hm?“ „Setzt du Teewasser auf?“ Mike nickte lächelnd. „Klar. Ich deck auf der Terrasse, kommt nach, wenn ihr hier fertig seid.“ Serenity nickte und sah ihm nach, wie er in geschmeidigen Bewegungen das Wasser verließ. Sie hätte ja auf der Stelle schon wieder... Aber jetzt ging es ja erstmal um ihr Brüderchen. Das kam gerade auf sie zu geschwommen, außer Atem und ausgepowert. „Wo ist Mike?“, war das erste, was er raus bekam, nachdem er sich etwas beruhigt hatte und mit einer Gänsehaut auf den Armen am Pool hing. „Tee kochen.“, kam prompt die Antwort und Joey lächelte, strich sich das blonde Haar aus der Stirn. „Scheint in der Familie zu liegen das mit dem Tee.“ Seine Schwester lachte. „Ja, scheint so.“ Sie lehnte ihren Kopf zurück und sah in den Himmel. Joey konnte den Duft ihres Shampoos riechen, starrte aber nur auf den vertrockneten Rasen. „Ich fahre also zu ihm und frage ihn nach der Adresse.“, sagte er nach einer Weile leise in die Stille hinein. Langsam drehte er den Kopf zu seiner Schwester. Serenity lächelte ihn an und nickte. „Genau. Und innerhalb einer Woche steht er bei dir vor der Tür.“ „Hm. Wer garantiert mir das?“ Seine Schwester grinste. „Niemand. Bei seinem Sturkopf könnte es auch länger dauern, aber glaub mir, er kommt.“ Joey seufzte und schwieg wieder, sah zu einem noch kleinen Kirschbaum, dessen Blätter schlapp der Sonne trotzten. „Ich fahre also zu ihm und frage nach der Adresse.“, wiederholte er irgendwann, dann stellte er die Beine auf den Boden, nahm seine Schwester am Arm und führte sie aus dem Becken, um mit ihr und seinem Schwager Kuchen zu essen und Tee zu trinken. *~* Seto sah auf das Glas in seinen Händen, in dem sprudelndes Wasser leise hin und her schwappte, wenn er es schwenkte und seine Gedanken schweiften ab, sogen ihn in einen Strudel aus Erinnerungen, reisten mit ihm weit in die Vergangenheit und blieben dann abrupt an einem Nachmittag stehen, an dem es genau so heiß war. Als Außenstehender sah Seto auf die Szene vor ihm und er erinnerte sich: Es war der Nachmittag, an dem er mit Joey noch einmal in die Schule musste, um für ein Theaterstück zu proben. „Ich hab aber keine Lust!“, maulte der junge Seto, während sich der ältere fragte, wie alt sie damals waren. Acht? Zehn? „Du musst aber! Das zählt in unsere Endnote ein und du willst doch gut abschneiden.“ „Aber nur, weil wir dann unser Café aufmachen können.“ „Ja genau, also komm!“ Der junge Seto war stehen geblieben, aber Joey griff ihn an der Hand und zog ihn weiter. Warum war Yugi noch mal nicht dabei gewesen? Es wollte Seto nicht einfallen. War er nicht in der AG gewesen oder war er krank? Er wusste es nicht mehr. Der Anblick schien so vertraut, die beiden Jungen Hand in Hand, beste Freunde… Seto hätte sich ewig daran erinnern können, doch… „Mr. Kaiba, was halten Sie davon?“, riss ihn die kalte Stimme eines Erwachsenen aus seinem Tagtraum und plötzlich fand sich der Braunhaarige in dem Beratungszimmer wieder, alle Augen auf ihn gerichtet. Kurz strich er sich durchs Haar. „Könnten Sie Ihren Vorschlag noch einmal wiederholen, Mr. Karusatra?“ Dieser nickte und begann von vorn und Seto musste sich angestrengt konzentrieren, um dem Mann zu folgen und nicht wieder in Erinnerungen zu versinken. *~* Unschlüssig stand Joey vor dem hohen Gebäude, wie er es schon einmal getan hatte. Sollte er wirklich? Zögerlich machte er einen Schritt vorwärts, dann wieder einen zurück. Es war schon 22 Uhr durch und doch konnte er sich nicht vorstellen, Seto nicht hier anzutreffen. Natürlich wollte er es gern, natürlich wollte er einfach da hoch gehen und mit ihm reden, ihn in den Arm nehmen und… Aber Serenity hatte gesagt, er solle nur die Adresse holen. Würde er das können? Der Blonde schüttelte den Kopf. Würde er nicht… Musste er aber! Es gab jetzt kein Zurück mehr, nun war er schon mal hier, also würde er sich jetzt auch die Adresse holen! Unerwartet entschlossen trat er in das Gebäude und auf dem glatten Boden klangen seine Schritte unnatürlich laut. Er drückte auf den Knopf, um den Fahrstuhl zu holen und wartete. Konnte ja schon mal eine Weile dauern bei einem so hohen Gebäude und so vielen geschäftigen Menschen. Joey kam sich in der Masse der Geschäftsmänner klein und einsam vor, unzugehörig und fühlte sich, als würde er untergehen. Er hätte ja auch nicht gedacht, das um diese Uhrzeit hier noch so viel los war. Als der Fahrstuhl ankam, musste er mehrere Schritte zurücktreten, um die übermüdeten und mürrischen Männer durchzulassen – tatsächlich sah Joey nur eine Frau. Dann jedoch blieb sein Blick plötzlich an einem blauen Augenpaar hängen, das er unter Hunderten erkannt hätte. „Seto.“, flüsterte er und hielt dem Blick stand, sah dem Mann entgegen, der aus dem Fahrstuhl trat. „Da mögen Sie vielleicht Recht haben, Riley, aber ich bin dennoch anderer Meinung, was das Thema betrifft. Bright und Söhne sind eine angesehene Firma, wir sollten es uns überlegen, ihr Angebot anzunehmen.“ Wie erstarrt stand Joey da, sich seiner kalten Hände nur zu bewusst, und sah Seto an, der wie zufällig neben ihm stehen blieb. „Wir können das ja auch morgen noch diskutieren, aber denken Sie darüber nach.“ Dieser Riley, ein kleiner zarter Mann mit umso größerer Brille, nickte und verstand den Wink. „Dann einen schönen Abend noch, Mr. Kaiba.“ Seto erwiderte nichts, stattdessen wartete er, bis die Menschenmassen sich gelichtet hatten, bevor er in Joeys Richtung nur einmal kurz mit dem Kopf ruckte und dann vorauslief zum Firmenparkplatz. Joey, der die Richtung nicht kannte, folgte ihm verwirrt und unsicher. „Was willst du hier?“, fragte Seto, als sie sich an der frischen Luft befanden und der nach Abgasen riechende Wind sie umwehte. Joey straffte die Schultern. Nicht mehr und nicht weniger, sagte er sich. „Nur die Adresse deiner Schwägerin. Du kannst sie mir ja eben aufschreiben.“ Seto blieb neben einem nachtschwarzen Gefährt stehen, dessen Marke Joey nicht kannte und sah den Blonden kurz mit einem zweifelnden Blick an. „Natürlich.“, sagte er dann als hätte er sich nicht eine Sekunde gefragt, warum Joey nicht reden wollte. Der wusste natürlich längst, dass Seto sich genau das gefragt hatte und jetzt an seinem Verstand zweifelte. Er zückte einen Stift und einen Zettel aus seiner Hosentasche und hielt beides Seto entgegen. „Hier.“ Seto griff nach den Utensilien ohne eine Sekunde lang die Miene zu verziehen, dann begann er, Namen, Adresse und Telefonnummer zu notieren. „Nichts weiter?“, fragte er dann doch noch einmal nach, als er Joey den Zettel und den Kugelschreiber zurückgab. Lass mich dich lieben, bettelte Joey im Stillen, doch äußerlich schüttelte er nur den Kopf. „Nichts weiter.“, sagte er mit belegter Stimme, die ihm selbst unheimlich zittrig vorkam. Seto nickte, ein angedeutetes Lächeln in den Mundwinkeln, das Joey aufgrund seiner Seltenheit beinahe den Mut verlieren ließ. „Na dann.“ Joey nickte knapp und drehte sich auf dem Absatz um. Er hielt die Luft an, bis er wieder in dem noblen Gebäude war, in dem ihm die stickige Wärme des Tages entgegenschlug, die ihm eben nicht aufgefallen war. Seine Handinnenflächen waren jetzt feucht und er seufzte erleichtert auf. Bis eben hatte er Setos Blicke auf seinem Rücken gespürt, jetzt ließ er die Schultern sinken. Seine Knie zitterten und er tat einen wackeligen Schritt vor den anderen. Joey suchte Rettung in einem Sitzmöbel, das nicht nur unbequem war, sondern auch muffig nach Zigarrenrauch roch. Geschlagene fünf Minuten blieb er ruhig sitzen, dann lobte er sich grinsend für seinen Mut und seine Standhaftigkeit, auch wenn er noch nicht wusste, ob Serenitys Plan aufgehen würde. Als er sich langsam erhob und durch die Tür nach draußen trat, fühlte er sich schon wesentlich besser. Gleich am darauf folgenden Donnerstagnachmittag machte er sich auf den Weg zu seiner Schwester, um ihr von seinem gelungenen Abenteuer zu erzählen und die war nicht nur glücklich über die Adresse, sondern auch stolz auf ihren älteren Bruder. Auch ältere Brüder brauchten mal einen Anstoß – oder gerade die? „Ich sag dir, in ein paar Tagen steht er in deiner Tür und fragt, warum du nicht noch mehr wolltest.“ Joey schüttelte energisch den Kopf. „So ist Seto nicht.“ Serenity stopfte sich das selbst gemachte Sandwich in den Mund – Salat, Mayonnaise, Ketchup, Senf und eine Scheibe Wurst dazwischen, auf die sie vorher geflissentlich Marmelade geschmiert hatte – und grinste ihren Bruder an. „Abwarten.“, sagte sie mit vollem Mund. Joey lächelte und tippte auf den Zettel mit Setos Schrift. „Meldest du dich bei ihr?“ Serenity nickte. „Klar. Wir müssen zusammenhalten, wir Schwangeren.“ Joey nickte nur und sah noch eine Weile auf Setos eckige, kantige Schrift. Als würde sie seinen Charakter wiedergeben, dachte er. Schon den gestrigen Abend hatte er damit verbracht, sie zu analysieren, auch wenn dabei natürlich nicht viel rauskommen kann. Er fühlte sich aber unheimlich gut dabei, Setos Schrift bei sich zu haben als hätte dieser ihm geschrieben. Es vergingen zwei Tage, in denen Serenity sich überhaupt nicht meldete, dann vergingen drei, in denen sie täglich anrief, sich nach Seto erkundigte und von ihrer neuen Bekanntschaft Cynthia erzählte und es vergingen noch einmal drei, in denen sie bei jedem Telefonat mit Joey an sich selbst zweifelte und ihren Plan verteufelte, Psychologin zu werden, aber Joey hatte jedes Mal nur ein und dieselbe Nachricht für sie, auch, wenn er es gern ändern würde. Seto kam nicht, er meldete sich, wahrscheinlich hatte er mit dem ganzen Kapitel Joey Wheeler abgeschlossen, weil der ja augenscheinlich das Interesse verloren hatte. Joey verfiel mit den Tagen in eine Trauer, die der gleichkam, wenn man einen Teil von sich selbst verlor. Sein Café lief auf Hochtouren, was auch damit zu tun hatte, dass er im Sommer kalte Tees als Spezialität anbot, die sehr gut erfrischten und sich auch zu Wassereis verarbeiten ließen, das er ebenfalls anbot. Es waren Ferien, Touristen waren in der Stadt und er hatte schon vor einem Jahr dafür gesorgt, dass sein Café auch in Stadtführern, -rundfahrten und Flyern vorgestellt wurde, was jetzt dazu führte, dass er kaum genug Aushilfen hatte für die Arbeit, die zu tun war. Er selbst zog sich zurück, bediente zwar freundlich und zuvorkommend, aber nicht mit der Selbstverständlichkeit, die er früher an den Tag gelegt hatte. Zum Glück fiel das den Saisongästen nicht sonderlich auf, nur seine Stammkunden warfen ihm skeptische Blicke zu und fragten sogar die Aushilfen nach ihm, die genauso wenig wussten wie die Gäste. Eines Abends schloss er sein Café noch später als sonst, zog die Gitter vor die Fenster und hängte ihnen das Schloss um. Langsam trottete er um die Ecke zu dem hohen weißen Wohnhaus, in dem er wohnte. Gerade wollte er in die Tasche greifen, um seinen Schlüssel hervorzukramen, da entdeckte er eine Gestalt vor der Tür stehen, die Hände in den Taschen, scheinbar ruhig. Joey erstarrte in der Bewegung, sah einen Moment nur Seto an, der in diesem Augenblick einen Schritt nach vorn unter die Straßenlaterne tat. Dem Blonden stockte der Atem, so intensiv traf ihn der Blick aus den diesmal so tiefen Augen. Bedächtig, beinahe vorsichtig ging er weiter, auf den Braunhaarigen zu, dessen Auftauchen er so lange herbeigesehnt hatte. Nicht einmal ließ er Seto aus den Augen, nicht einmal zögerte er jetzt noch und alle Zweifel an Serenitys Plan waren vergessen. Dennoch erinnerte er sich an ihren Rat, den sie ihm gegeben hatte für den Fall, dass Seto noch auftauchte. Also ging Joey direkt an ihm vorbei, suchte nun doch den Schlüssel hervor und nahm seinen Hausschlüssel zwischen die Finger, als wolle er im nächsten Moment die Tür aufschließen. Unnatürlich laut klangen Kleinigkeiten wie das Blätterrauschen, der Wind in Setos Mantel, seine schlürfenden Schritte, das Klirren des Schlüsselbundes und das weit entfernte Bellen eines Hundes in seinen Ohren. Joey hatte schon den Schlüssel im Schloss stecken, als er Seto einatmen hörte. „Darf ich mit rauf kommen?“ Nur eine Sekunde zögerte der Blonde, dann drehte er den Schlüssel im Schloss. „Was willst du denn?“ Hartbleiben, sagte er sich, standhaft und sicher. Wie er sich fühlte, darüber wollte er lieber nicht nachdenken. Es war aber mit Sicherheit alles andere als sicher. „Mit dir reden.“ „Worüber?“ Joey schob die Tür auf und trat in den Flur, in dem sofort Licht ansprang. Einen Moment lang fand er das schade. Er hörte, wie Seto hinter ihm sich in die Tür schob, damit diese nicht wieder ins Schloss fiel. „Neulich Abend.“ Joey trat zwei Stufen nach oben und warf Seto dann einen kurzen Blick zu. „Dann komm halt mit, wenn’s sein muss.“ Sein Herz raste, als er die Treppen zählte. Es waren vier Stück bis zu seiner Wohnung, einmal hatte er sogar die Stufen gezählt, aber die Zahl war ihm entfallen. Seto schwieg, aber Joey hörte seine schweren Schritte hinter sich, hörte das leise Rascheln seines Mantels, wenn dieser sich aufgrund der Bewegungen an Setos Beinen rieb oder an der Wand entlang strich. Es war eine verwirrende Mischung aus Angst, Glück, Hoffnung, Zuversicht und einigen anderen Gefühlen, die Joey nicht näher benennen konnte, die ihn beherrschte, als er die Tür zu seiner Wohnung aufschloss und zur Seite trat, um Seto hinein zu lassen. Kapitel 9: Sex als Heilung? --------------------------- Titel: Sex als Heilung? Teil: 9/?? Autor: Ju-Chan86 Genre: Shounen-ai, Romantik, Drama Pairing: Seto x Joey Kommentar: Mir war mal wieder nach einer FF mit den Beiden. Disclaimer: Alles von Yu-Gi-Oh, gehört nicht mir und wer was anderes behauptet, der lügt! Kapitel 9: Sex als Heilung? „Also?“, fragte Joey, trat hinter Seto in seine Wohnung und legte den Schlüssel in eine Schale auf dem Sideboard neben der Tür. „Was also?“ „Du wolltest reden, also rede.“, sagte Joey fest, immer noch mit der Hoffnung, diese Stärke beizubehalten, solange Seto da war. Langsam ging er an dem Braunhaarigen vorbei, zog vor dem hölzernen Schuhregal seine Turnschuhe aus und sah Seto an. „Zieh dir bitte die Schuhe aus.“ Der Angesprochene blinzelte, folgte dann aber Joeys Aufforderung. Der Blonde nickte und ging in die kleine Küche, in der ein Bartisch mit zwei Barhockern stand. Auf einen von denen setzte er sich jetzt und wie er es erwartet – oder gehofft – hatte, folgte ihm Seto, ohne sich richtig umzusehen und setzte sich ihm gegenüber. „Möchtest du mir nicht etwas zu trinken anbieten?“, fragte Seto, doch Joey schüttelte den Kopf. „Du wolltest reden, nicht einen mit mir trinken. Aber du kannst den Mantel noch ablegen, wenn du willst.“ Innerlich jubelte sich Joey ja zu, feuerte sich an und freute sich über jeden kleinen Erfolg, den sein Verhalten Seto gegenüber zu bringen schien. Der Braunhaarige schüttelte den Kopf. „Ich will dich nicht zu lange aufhalten. Es hat mich gewundert, dass du bei unserem letzten Treffen nicht wieder reden wolltest, mich nicht ausgequetscht hast oder Fragen gestellt hast.“ Joey runzelte die Stirn und sah in die blauen Augen, die er unter tausenden erkennen würde. „Gewundert im Positiven oder im Negativen?“ „Gewundert eben.“, erwiderte Seto. Innerlich grinste Joey. „Und warum? Es dürfte dich doch eher gefreut haben. Du wolltest mich doch nicht mehr wiedersehen.“ Seto sah ihn fest an. „Will ich ja auch immer noch nicht.“ Joeys Augenbrauen flogen in die Höhe. „Dann verrate mir mal, warum du hier bist.“ Seto war auf Abwehrhaltung gegangen und das spürte Joey nur zu deutlich. „Weil ich dich fragen wollte, warum du dich plötzlich so von mir distanzierst.“ Joey schüttelte den Kopf. „Weil du mich nicht mehr sehen wolltest, Seto, hast du das vergessen oder warum fragst du so seltsame Sachen?“ Seto öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Joey hob eine Hand und brachte ihn damit zum Schweigen. „Deine Worte haben Folgen. Ich habe fast mein gesamtes bisheriges Leben damit verbracht, dir hinterherzurennen, deinen Worten zu widersprechen, gegen dich zu handeln. Aber damit ist jetzt Schluss, ich muss mich von dir lösen, so schwer mir das auch fällt. Ich kann dir nicht mein gesamtes Leben widmen, Seto, das geht nicht. Ich muss auch mal wieder leben und wenn das nur ohne dich möglich ist, dann muss ich das eben auf mich nehmen. Also…“ Er zuckte mit den Schultern und sah auf seine Hände. „Du wolltest, dass ich mich nicht in dich verliebe, du wolltest nicht, dass ich noch einmal vorbeikomme, also frage ich mich, was du hier für Fragen stellst, was dein Besuch hier überhaupt soll.“ Joeys Herz schlug ihm bis zum Hals, als er seiner Wut endlich mal Luft gemacht hatte, doch als er den Blick in Setos Augen hob, erstarrte er und alle Farbe wich ihm aus dem Gesicht. „Bitte gib mir noch eine Chance, Joey.“ Setos Augen bettelten förmlich, in ihnen stand so viel Gefühl wie seit Jahren nicht mehr. Joey schnappte hörbar nach Luft und starrte Seto eine Sekunde lang an, bevor es aus ihm herausplatzte. „Du bettelst mich an?!“ Seto schnaubte, aber der Ausdruck in seinen Augen veränderte sich nicht. „Wenn das der einzige Weg ist, dich umzustimmen.“ „Aber… Aber…du bist Seto Kaiba! Du kannst mich nicht anbetteln, das ist…nicht fair!“ Seto runzelte die Stirn. „Joey, bitte. Du würdest mir fehlen, deine Fragen würden mir fehlen. Sie haben mir ja schon jetzt gefehlt. Es war so komisch, dass du nicht richtig mit mir geredet hast, als du das letzte Mal da warst.“ Joey schüttelte den Kopf und wich auf dem Barhocker so weit von Seto zurück wie es ihm möglich war. Das konnte doch nicht wahr sein! Da kam der Kerl hierher und warf seine gesamte Abwehr über den Haufen. „Geh jetzt bitte.“ Doch Seto lächelte undurchdringlich und schüttelte den Kopf. „Nein. Ich werde bestimmt nicht gehen.“ Joey sprang auf und drehte sich zu dem kleinen Fenster seiner Küche, durch das nur die Dunkelheit des Abends zu sehen war. „Du solltest besser gehen. Geh einfach, bitte, geh weg!“ Joeys Hände zitterten, er hörte hinter sich das leise Scharren des Barhockers und dann feste Schritte, als Seto hinter ihn trat. „Nein.“, sagte der Braunhaarige leise und stellte sich noch ein wenig dichter an Joeys Rücken heran. „Du solltest es besser tun, sonst…“ Joey atmete tief ein, schloss die Augen und lehnte sich an Setos Brust. Die leichte Berührung ließ seine Abwehr gänzlich fallen. „Sonst was?“, fragte Seto leise ohne sich zu bewegen. „Sonst könnte es doch passieren, dass ich mich wieder in dich verliebe.“ Entschlossen drehte sich Joey um und sah in Setos Augen, in denen er genau das sah, was er sehen wollte: Angst. Seto senkte den Blick ruckartig. „Ich sollte wirklich gehen, ich rede nur Unsinn.“ Joey biss sich auf die Unterlippe. Verdammt, so hatte er das auch nicht gewollt. „Nein, redest du nicht. Ich fand es schön, was du gesagt hast.“ „Aber du sollst dich nicht in mich verlieben.“ Joey bekam Kopfschmerzen von dem heillosen Durcheinander ihrer beider Gefühlswelten. Fest strich er sich über die Schläfen und die Stirn. „So geht das nicht. So kann das gar nicht gehen. Warum bist du hier, Seto?“ „Weil ich dir sagen wollte, dass du wiederkommen sollst. Ab und zu, zu mir.“ Joey schüttelte den Kopf. „Ich fehle dir. Du vermisst mich. Weißt du, was das heißt?“ Die Erkenntnis machte ihm selbst gerade ein wenig Angst. „Dass…Nein, ich habe keine Ahnung.“ „Das heißt, dass dir etwas an mir liegt. Das habe ich dir schon mal klarmachen wollen, als du nämlich ein schlechtes Gewissen hattest. Da hast du mir schon nicht geglaubt und jetzt wirst du es auch wieder nicht tun, also…“ Seto unterbrach ihn. „Doch, ich glaube dir.“ „Na siehst du, hab ich doch gesagt, also stehen wir vor dem Problem, dass du mir nicht glaubst, was ich weiß und wir beide am selben Punkt stehen wie vorher, weil…“ „Joey, ich glaube dir ja.“ „Was?“ Joey starrte den Braunhaarigen an. Der lächelte. „Ich glaube dir. Mir liegt etwas an dir, anscheinend ja sogar ziemlich viel, so wie du mir fehlst und...“ Joey blinzelte, völlig verwirrt. Er drehte sich erst jetzt vollständig um, um dem Braunhaarigen in die Augen zu sehen. In denen sah er etwas anderes als sonst, etwas Weicheres. Langsam trat er noch einen Schritt auf Seto zu und genauso langsam legte er seine Hände an die starke Brust. Immer noch trug sein Gegenüber den Mantel, aber selbst der strahlte Wärme aus. Joey hatte gedacht, wenn er Seto mal berühren würde, wäre der kalt wie ein Fisch, aber er war im Gegenteil warm wie ein gemütliches Kaminfeuer. Joey warf einen verwirrten Blick auf seine Hände, dann sah er auf in Setos Augen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als er sich reckte und seine Lippen auf die Setos legte. Der Braunhaarige zuckte nicht zusammen, er bewegte sich nicht, unternahm aber auch sonst nichts weiter. Joey bewegte seine Lippen gegen die des Anderen, die wiederum wirklich kühler waren als er gedacht hätte. Mit einem Ruck packte Seto ihn an den Schultern und schob ihn von sich weg, um ihn daraufhin verdutzt anzusehen. „Leugne nicht, dass du genauso fühlst wie ich.“, flüsterte der Blonde, der nur auf seine Hände sah, die sich in den weichen Stoff des Mantels gegraben hatten. Woraus der wohl gemacht war? Kälte- und wasserabweisend und doch so weich. Joey beobachtete fasziniert, wie seine Hände zu den großen Knöpfen glitten und einen nach dem anderen öffneten ohne ein Wort von Seto zu vernehmen. Dessen Hände strichen irgendwann von Joeys Schultern hinab und legten sich wie von selbst auf dessen Hüfte. Joey hob den Blick, sah in zwei eisblaue Juwelen und schob dann den Mantel von den breiten Schultern, die er schon so lange kannte. Kaum war der Mantel zu Boden gefallen, schien eine höhere Macht Seto zu ergreifen. Leidenschaftlich riss er Joey den Pulli vom Leib und als er mit dem T-Shirt dasselbe vorhatte und der Kleinere zurückwich, zog er ihn am Gürtel wieder zu sich, sah ihm tief in die Augen und ließ dann Shirt Shirt sein. Stattdessen wandte er sich gleich der Jeans zu, mit einem Ruck öffnete er erst den Gürtel, dann den Knopf und zog schließlich den Reißverschluss hinunter. Joey stand da und fühlte sich wie ein Außenstehender, der dieser Szene nur unbeteiligt beiwohnte. Ab und zu wollte er den Protagonisten zurufen ‚Was tut ihr denn da?!‘, aber er brachte kein Wort über die Lippen. Langsam schien er zu sich zurückzufinden, doch statt von dem ganzen Unterfangen abzulassen oder es zu unterbrechen, beugte er sich zu Setos Hals, um ihn mit Küssen zu bedecken. Wild rissen seine Finger an dem Verschluss von Setos Hose, schoben sie schließlich entschlossen von dessen Hüfte. Er hörte ein raues Lachen des Braunhaarigen, nahm es aber kaum richtig wahr. Seine Sinne waren vom Duft der weichen Haut betört, von dem Gefühl, das ihm Setos Haut unter den Lippen und den Fingerspitzen beschaffte. Joey konnte durch den Stoff die Hitze in Setos Shorts spüren und ruckartig zerrte er sie von den langen, kräftigen Beinen, nur um dann beide Hände auf die deutliche Erregung zu legen und in blaue, von Leidenschaft dunkle Augen zu sehen. Seto gab keinen Laut von sich, aber das Zucken seines Gliedes sagte Joey genug. Auf dem Gesicht des Blonden erschien ein erregtes Lächeln, als er von Seto abließ, sich freiwillig von seiner Retroshorts trennte und sich vornüber über den Tisch beugte. Es dauerte auch keine zwei Sekunden, bis er einen Schritt und schließlich heiße Hände auf seiner Hüfte spürte. Seto drang mit einem einzigen harten Stoß in ihn ein. Der Blonde vor ihm stöhnte erstickt auf und suchte Halt am anderen Ende der Tischplatte, während Seto sich aus ihm zurückzog und ohne einen Laut von sich zu geben mit noch mehr Härte und noch tiefer in ihn eindrang. Kurz sah Joey schwarz, bevor ihn eine kleine Ohnmacht überkam, aus der er beim nächsten Stoß Setos wieder erwachte. Der Braunhaarige ließ nicht von ihm ab, in schnellem Tempo und ständig ändernden Winkeln holte er sich das, was er hier nie erwartet hätte zu finden. Als sich Joey dann unter ihm wand wie ein Wurm und um mehr bettelte, wusste er, dass er den richtigen Punkt gefunden hatte. Schweißperlen standen auf der Stirn des Jüngeren und sein Haar war mittlerweile völlig durcheinander. Jetzt behielt er genau diesen Winkel bei, zog sich immer wieder fast vollständig aus ihm zurück, um beinahe brutal in die verführerische Enge vorzudringen. Kurz schloss er die Augen, genoss das Gefühl vollkommener Erregung. Joey steigerte sich immer weiter, rief seinen Namen, stöhnte unvollständige Sätze und bettelte um Erlösung. Dass Seto ihm Schmerzen bereiten könnte, darüber machte sich der Braunhaarige keine Gedanken. Als Joey in immer kürzeren Abständen nach Luft schnappte, griff Seto um den Blonden herum und strich mit dem Daumen einmal ganz sanft über die kleine Öffnung auf der Spitze seiner Körpermitte. Joey riss die Augen auf und kam erstickt stöhnend, um gleich darauf in eine tiefe Ohnmacht zu fallen, sodass er nicht mitbekam, wie Seto noch zweimal in ihn stieß und dann zitternd zum Höhepunkt kam. Sofort zog sich der Ältere aus Joey zurück, fing den dünnen Leib des Blonden auf und trug ihn wie er war durch die Wohnung. Mit dem Ellbogen öffnete Seto eine Tür nach der anderen, bis er das kleine Schlafzimmer fand, wo er Joey auf das Bett fallen ließ und zudeckte. Mit einem entschuldigenden Blick strich er Joey die feuchten Haare aus der Stirn, der daraufhin flatternd die Lider öffnete. „Was…?“ „Schlaf jetzt.“ Ein seliges Lächeln trat auf Joeys Lippen. „Ja…“ Und er schloss die Augen und fiel in einen tiefen Schlaf oder eine weitere Ohnmacht, Seto war ja kein Arzt, er konnte es also nicht genau bestimmen. Leicht schüttelte er den Kopf über sich und diesen jungen Mann, der vor ihm lag, dann verließ er das Schlafzimmer, ging in die Küche, suchte dort seine Sachen vom Boden und zog sich an. Auf lautlosen Sohlen floh er aus der kleinen, gemütlichen Wohnung. *~* Nachdenklich lief Seto nach Hause. Was hatte er sich eigentlich dabei gedacht, hierherzukommen? Was hatte er sich nur dabei gedacht, mit Joey Wheeler Sex zu haben? Selbst, wenn es der Blonde gewollt hätte – und so entschlossen wie der gewesen war, hatte er es definitiv gewollt – hätte er es niemals tun dürfen. Das würde nur Probleme geben, viele Probleme, die dann wieder eine Lösung brauchten. Lag ihm wirklich etwas an diesem blonden Hündchen? Er hatte ihm gefehlt, das auf jeden Fall und laut Joey hieß das, dass er etwas für ihn empfand. Und was? Ein brummiges Schnauben drang aus seiner Kehle. Er war ein Idiot! Er hatte doch tatsächlich mit Joey Wheeler geschlafen. *~* Joey schlug blinzelnd die Augen auf. Wo war er denn? Und was roch hier so merkwürdig? Er rieb sich die Augen, drehte seinen Kopf und sah auf seinen Radiowecker. 3:49 leuchtete es ihm entgegen. „Oh man.“, flüsterte er und versuchte sich aufzusetzen. Ein stechender Schmerz durchzuckte ihn und mit einem Schmerzenslaut auf den Lippen ließ er sich zurückfallen. Wo der Schmerz herkam, wurde mit ihm mit einem Schlag bewusst. Es war also kein Traum gewesen? Joey griff sich an die Wange und zwickte sich ordentlich, doch auch das brachte nur weitere Schmerzen und nicht das ersehnte Wachwerden. „Verdammt.“, murmelte er, schob eine Hand zu seinem Hintern und fühlte schon auf dem Laken etwa Feuchtes. Als er seine Hand vor Augen führte, glänzte sie feucht und rötlich im Mondlicht, das durch das Fenster hineinschien, vor dem kein Vorhang hing wie sonst in jeder Nacht. Joeys Herz schlug schneller. Blut. Da war Blut an seiner Hand. Sein Blut, wie ihm schnell nur zu deutlich wurde und eine Wut auf Seto überkam ihn, bis… Ja, bis er an den Orgasmus dachte, den er dank des Braunhaarigen gehabt hatte. Irgendwie schaffte es Joey, wenn auch nicht schmerzfrei, aufzustehen und sich ins Bad zu schleppen, wo er Wasser ins Waschbecken laufen ließ. Er verfluchte sich für seinen tiefen Schlaf, denn nun hatte er nur noch kaltes Wasser, doch das war ihm egal. Und bevor er sich‘s versah, ließ er das Wasser wieder aus dem Porzellanbecken und stieg unter einigen Anstrengungen unter die Dusche. Er fühlte sich dreckig und brauchte jetzt unbedingt eine Dusche, auch wenn sie kalt sein würde. Zitternd und frierend, wütend vor sich hin brummend und schließlich sogar – als das Duschbad seine empfindliche Stelle berührte – laut fluchend wusch er sich, um dann in die Küche zu tapsen, seine Shorts zu suchen und anzuziehen. Nach einer kurzen Verschnaufpause im Stehen sammelte er auch noch seine Hose und seinen Pulli ein und ging zurück ins Schlafzimmer, wo noch mehr Arbeit auf ihn wartete: Das Bettzeug war dreckig. Blutig und voll mit… Joey wollte gar nicht daran denken. Wütend zog er sein Bett ab und ignorierte die Schmerzen, die jeden Winkel seines Körpers durchzogen. Es waren nicht nur die üblichen Schmerzen, die man bekam, wenn jemand unvorbereitet mit ihm schlief. Auch jeder Muskel tat ihm weh, vor allem aber der Bauch, der ständigen Druckkontakt zur Tischplatte gehabt hatte und die Finger, mit denen er so sehr Halt gesucht hatte, dass sie ihm jetzt wehtaten wie einer rheumakranken Frau. Warum noch mal hatte er mit Seto geschlafen? Über sich selbst den Kopf schüttelnd suchte Joey neues Bettzeug und ein neues Laken hervor. Ihm tat alles weh, aber er musste das jetzt erledigen. Jetzt dachte er noch wenig darüber nach, jetzt war er noch sauer, morgen würde er keinen Finger mehr an die Schaustätte des Vergehens legen können. Es musste jetzt sein, wo er noch so entschlossen war, es wegzuräumen. ‘Leugne nicht, dass du genauso fühlst wie ich.‘ Kurz hielt Joey in der Bewegung inne, ließ seine Hände sinken, mit denen er gerade die Knöpfe des Kopfkissens schloss. Seto hatte es nicht geleugnet. Aber war denn klar gewesen, was Joey eigentlich gemeint hatte? Tief seufzte der Blonde, schüttelte den Kopf und nahm seine Arbeit wieder auf. Er wollte jetzt nicht darüber nachdenken. Noch nicht. Morgen würde er sich so oder so den Kopf darüber zerbrechen, würde unkonzentriert sein und nicht mal richtig laufen können. Von sitzen konnte gar keine Rede sein, sitzen war für die nächsten Tage gestrichen. Verdammt, Seto hatte es drauf, musste sich Joey eingestehen. Zum Glück war morgen Sonntag, da hatte er wenigstens diesen Tag, um sich von Setos Härte zu erholen. Nur von Zärtlichkeit, Liebe, Vertrauen und Einfühlsamkeit hatte der Braunhaarige keine Ahnung. Vielleicht… Joey schüttelte sofort entschlossen den Gedanken ab. Nein, er würde es Seto bestimmt nicht beibringen. Oder? Wollte er es denn? Vor diesem Abend hätte er sofort ja gesagt. Ja, wenn ich die Chance hätte, würde ich versuchen, es ihm beizubringen, aber jetzt war er sich da nicht mehr so sicher. Er musste dringend nachdenken, doch zunächst… Joey ließ sich in das frisch bezogene Bett fallen und zog sich die kühle Decke frierend bis zum Hals. Zunächst musste er schlafe. Würde ihn nicht wundern, wenn er auch noch krank werden würde bei der eiskalten Dusche. Kurz vorm Wegdämmern kam ihm Seto in den Sinn, seine Berührungen, seine Stöße, seine Erregung, die nur in den Augen erkennbar gewesen war. Nur einmal kurz hatte Joey einen Blick in diese von Erregung gefüllten Augen erhaschen können und der Anblick hatte ihn einerseits glücklich gemacht, andererseits hatte er ihm auch Angst bereitet. Trotzdem fiel Joey mit genau diesem Bild vor Augen in einen tiefen, traumlosen Schlaf, aus dem er erst am späten Vormittag wieder erwachte. Sofort wünschte er sich nichts sehnlicher, als einfach wieder einzuschlafen und erst wieder aufzuwachen, wenn die Schmerzen und Probleme Vergangenheit waren. Joey zuckte stark zusammen, als das Telefon klingelte. „Oh Gott…“ Er rollte sich aus dem Bett und landete auf allen Vieren auf dem Boden. „Na toll.“ Aus der Position würde er erst in ein paar Stunden wieder hochkommen. „Mist.“ Wie entwürdigend war es bitte, durch seine eigene Wohnung auf Händen und Füßen über den Boden zu robben wie ein krabbelndes Kleinkind?! „Ich bring ihn um. Ich muss ihn nur zu fassen kriegen und dann bringe ich ihn um.“, schwor sich der Blondhaarige. „Oder ich mache genau das Gegenteil und küsse ihn, bis er mich noch einmal so hart ran nimmt. Wäre ja nicht das erste Mal, dass ich so was Beklopptes mache.“ Endlich war er am Telefon im Wohnzimmer angekommen – War der Weg schon immer so lang gewesen? – und konnte sich davor kauern. „Wheeler?“, sagte er erschöpft in den Hörer in seiner Hand. „Joey? Hey, ich bin’s, dein Schwesterherz!“ „Hey, was gibt’s denn?“ „Hör mal, Cynthia hatte heute Vorwehen, es wird bei ihr wohl nicht mehr lange dauern.“ Joey blinzelte seine Couch an. „Und was soll ich jetzt dazu sagen?“ Serenity lachte ein klares Lachen. „Nichts, ich dachte nur, vielleicht interessiert es dich ja. Wegen diesem Seto.“ Sie holte Luft und Joey ahnte, was nun zwangsläufig folgen musste. „Wo wir gerade beim Thema sind: Wie sieht‘s aus, hat er sich gemeldet?“ Joey am anderen Ende schwieg. Hätte seine Schwester nicht einen Tag später anrufen können, wenn er das Geschehene wenigstens ein bisschen verarbeitet hatte? „Äh, ja, stell dir vor! Er war gestern am Laden, als ich zugemacht habe und kam dann mit mir. Er will mich wieder sehen. Dein Plan ist also aufgegangen.“ Joey hoffte nur, dass er so freudig klang wie er sich mies fühlte. „Wirklich?! Ich fass es nicht! Mein Plan ist aufgegangen! Ha! Hab ich’s doch gewusst. Ist noch was vorgefallen?“ „Nein nein, es war nur ein kurzer Besuch. Er hat ja nicht einmal seinen Mantel ausgezogen.“ Joey hatte Angst, aus Versehen bei seiner Schwester die Wehen einzuleiten, wenn er ihr die Wahrheit erzählte, also blieb er lieber bei dieser abgeschwächten Variante. „Aber sag mal, was anderes: Weißt du zufällig, ob Seto von deinem Kontakt zu Cynthia weiß?“ „Hm… Doch, ich glaube schon.“, sagte Serenity, offenbar mit vollem Mund. „Hat er nämlich gar nicht erwähnt, komisch.“ „Hm, ja komisch. Aber na ja, er hatte dir ja auch Wichtigeres zu sagen.“ Sie klang ausgelassen und das freute Joey. „Ja, da hast du natürlich Recht. Also…war das dein täglicher Anruf? Ich muss noch ein bisschen was erledigen und die Nacht war kurz, weil ich…äh…so viel nachgedacht habe über Seto und mich.“, versuchte Joey seine Schwester abzuwimmeln. „Oh ja klar, natürlich, ich lass dich in Ruhe.“ Joey musste trotz allem lächeln. „Danke, Schwesterchen. Ich meld mich wieder bei dir, sobald es etwas Neues zu berichten gibt, okay?“ „Das will ich auch hoffen, immerhin bin ich letztendlich diejenige, die euch wieder vereint hat.“ Wenn sie doch nur wüsste, wie Recht sie mit dem hat, was sie da sagt, dachte Joey. „Bis dann!“ Er legte auf, strich sich seufzend durchs Haar und begann dann damit, seinen geschundenen Körper in eine senkrechte Position zu hochzuhieven. Nachdenken. Und zwar dringend und schnell. Was war in ihn gefahren? Was war in Seto gefahren? Was war in sie beide gefahren? Hatten sie es so nötig oder hatten sie es wirklich beide gewollt? Wenn ja, warum hatten sie es beide gewollt? Wie sollte es jetzt weiter gehen? Joey musste Seto auf jeden Fall besuchen, um das alles zu klären. Außerdem war es ja angeblich genau das, was sich der Braunhaarige wünschte. Joey schnaubte. „Wird schon noch sehen, was er davon hat. Au…“ Kurz zuckte er zusammen. Vielleicht sollte er mit seinem Besuch noch zwei oder drei Tage warten, bis er sich wieder richtig bewegen konnte. Kapitel 10: Brückenschlag der Gefühle ------------------------------------- Titel: Brückenschlag der Gefühle Teil: 10/?? Autor: Ju-Chan86 Genre: Shounen-ai, Romantik, Drama Pairing: Seto x Joey Kommentar: Mir war mal wieder nach einer FF mit den Beiden. Disclaimer: Alles von Yu-Gi-Oh, gehört nicht mir und wer was anderes behauptet, der lügt! Kapitel 10: Brückenschlag der Gefühle Joey betrat das hohe Gebäude, mittlerweile wusste er ja schon, wo er hinmusste, also steuerte er geradewegs den Fahrstuhl an, betrat ihn und fuhr mit ihm nach oben. In der richtigen Etage stieg er aus und sah sich wieder dieser jungen Frau gegenüber, die er schon einmal kennen gelernt hatte. Sie telefonierte und feilte sich nebenbei die Nägel – dass Seto so jemanden einstellte, darüber konnte Joey nur den Kopf schütteln. Er trat sicheren Schrittes auf die Frau zu. „Ich möchte zu Mr. Kaiba.“, sagte er fest, als sie aufgelegt hatte. Die Frau sah auf. „Haben Sie einen Termin?“ „Nein, aber wenn Sie ihm sagen, wer hier ist, wird er mich hereinbitten wie beim letzten Mal.“ Kurz erschien eine Falte zwischen den Augenbrauen der Frau, dann musterte sie Joey genauer und nickte dann. „In Ordnung, ich melde Sie an. Warten Sie bitte kurz hier.“ Joey nickte und setzte sich auf einen der Stühle. Hier sah es wirklich aus wie in einem Wartezimmer. Er sah der jungen Frau nach, die in Setos Büro verschwand und kurze Zeit später wieder auftauchte und ihm zulächelte. „Sie können jetzt herein.“ Joey nickte und stand auf. „Danke.“ Immerhin machte sie ihre Arbeit hier gut, das musste man ihr wohl lassen. Joey ging zu der Tür, atmete noch einmal tief durch und öffnete dann die Tür, um einzutreten. Hinter sich schloss er die Tür wieder und schon spürte er Setos Blick auf sich ruhen. „Joey.“ Der Angesprochene nickte, trat näher und setzte sich vorsichtig auf den Stuhl, der Setos gegenüber stand. Sitzen tat ihm immer noch weh, obwohl die Sache jetzt schon vier Tage her war. „Du hast dich nicht noch einmal gemeldet.“, sagte er ernst. Seto nickte. „Ich hätte nicht gedacht, dass du das möchtest.“ Der Braunhaarige musterte sein Gegenüber ganz genau. „Doch, genau das hätte ich mir gewünscht. Genauso wie ich mir gewünscht hätte, dass du dich etwas mehr um mich kümmerst nach dem, was du mir angetan hast.“ „Du wolltest es auch.“ Seto schlug die Beine übereinander und legte die Fingerspitzen aneinander. „Das hat damit doch nichts zu tun, du Idiot.“ Joey versuchte wirklich, ruhig zu bleiben, aber seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. „Es wäre einfach schön gewesen, wenn du noch…da gewesen wärst.“ „Das klingt, als hättest du dich tatsächlich in mich verliebt.“ „Seto, jetzt hör doch mal auf, Angst davor zu haben, dass ich mich in dich verlieben könnte. Warum bist du gegangen?“ „Du hättest mich umgebracht, wenn du aufgewacht wärst.“ Joey nickte. „Das…könnte gut sein.“ Er winkte ab. „Wie dem auch sei.“ „Geht es dir gut?“, fragte Seto. „Nein.“ Fest sah der Blonde in das blaue Augenpaar vor ihm. „Sitzen tut noch weh. Was hast du denn gedacht? Dass ich danach aufspringe und fröhlich jubele, weil du mir Schmerzen zugefügt hast?“ „Du hast es auch gewollt.“, wiederholte Seto und Joey seufzte nur. „Pass mal auf. Du wolltest doch, dass ich wieder öfter herkomme, oder?“ Seto nickte. „Gut, dann musst du auch was dafür tun.“ Joey stand auf, griff nach dem Kugelschreiber, der vor Seto auf dem Schreibtisch lag und kritzelte auf dessen Schreibtischauflage seine Handynummer. „Wenn du das nächste Mal willst, dass ich vorbeikomme, ruf mich an.“ Er hob den Blick, legte den Kuli weg und sah dem Braunhaarigen ins Gesicht. „Ist das in Ordnung?“ Seto runzelte die Stirn. „Wenn’s denn sein muss.“ Er zuckte die Schultern und Joey verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich erklär dir mal was. Beziehungen zwischen Menschen funktionieren nur, wenn sich beide anstrengen. Wenn Gefühle nur von einer Seite kommen, wird das niemals klappen. Also streng dich gefälligst an, du weißt ja jetzt, dass du für mich etwas empfindest. Oder hast du dich wieder umentschieden?“ Herausfordernd sah Joey Seto an. „Nein, habe ich nicht. Du hast Recht damit, dabei bleibe ich.“, gab der regelrecht kleinlich zu. „Aber glaub ja nicht, dass ich mich deswegen von dir unterbuttern lasse.“ Joey schnaubte, trat um den Tisch herum und lehnte sich gegen die Tischplatte. „Du bist ein Idiot, weißt du das? Bist du schon immer gewesen. So was wie vor vier Tagen wirst du mir nie wieder antun.“ Setos Augenbrauen flogen in die Höhe. „Wer sagt das?“ „Ich. Mach es noch einmal, Seto und du siehst mich nie wieder. Überleg es dir.“ Mit einem Ruck stieß er sich von der Tischplatte ab und ging langsam zur Tür. Im Stillen beglückwünschte er sich zu seiner Standhaftigkeit und seiner Strenge. Genauso hatte er es sich vorgestellt. „Joey?“ Die leise, beinahe unsichere Stimme Setos riss den Blonden aus seinen Gedanken und er blieb stehen, ließ die Arme sinken und drehte sich halb um. „Hm?“ „Jetzt, wo du schon mal hier bist… Kannst du nicht noch ein bisschen bleiben?“ Joey war drauf und dran nein zu sagen, aber da hob Seto den Blick und sah direkt in seine Augen. „Bitte.“, flüsterte der Braunhaarige. Schwer schluckte Joey, dann schloss er einen Moment die Augen. Seine Abwehr schmolz gerade endgültig dahin. Er drehte sich ganz um. „Warum willst du, dass ich hierbleibe?“, fragte er leise. Seto dachte nach, das konnte Joey sehen. „Es ist so ein Gefühl, dass du nicht gehen sollst.“ *~* „Bitte Papa, geh nicht! Lass mich nicht allein!“, flehte der Siebenjährige. „Seto, jetzt hör auf zu weinen. Es gibt keine Monster, schon gar nicht in deinem Schrank. Ich muss jetzt zu einem dringenden Geschäftstermin.“ „Aber es ist da, ich weiß es! Du sagst ja selbst, dass es Monster gibt! Schau doch mal nach, bitte Papa!“ „Du bist sieben, nicht mehr drei, Seto Kaiba. Schau selbst nach. Ich muss wirklich los.“ „Aber… Aber…ich hab Angst. Ich trau mich nicht nachzusehen.“, flüsterte der kleine Braunhaarige von seinem Bett herüber, Tränen in den großen blauen Augen. „Du meine Güte, was bist du nur für eine Memme! Ich schicke Bertha nach oben, damit sie nachsieht.“ „Nein! Guck du nach! Bitte Papa! Nicht Bertha, die kennt sich doch nur mit Putzen aus.“ Der kleine Seto zog sich die Decke bis zur Nasenspitze. „Ich sagte doch, ich muss los. Bertha kann dir genauso gut zeigen, dass da kein Monster im Schrank ist. Wenn ich wiederkomme, schläfst du, verstanden? Bis nachher.“ *~* Seto runzelte bei dieser Erinnerung die Stirn, während Joey seufzte und wieder zum Tisch zurückkam. „An was denkst du?“ Seto erklärte ihm kurz die Erinnerung, allerdings ohne jegliches Gefühl, sondern ganz pragmatisch. Der Blonde schüttelte ungläubig den Kopf. „Das ist grausam… Ein guter Vater hätte auch fünfmal im Schrank nachgesehen.“, sagte er leise und setzte sich kurzerhand auf Setos Schoß. Dessen verblüfftes Gesicht war Belohnung genug. „Kann schon sein. So hat es mich härter gemacht.“ „Viel zu hart.“, erwiderte Joey. „Angst zu haben ist für einen Siebenjährigen ganz normal. Ich wette, du hast seitdem nie wieder zugegeben, wenn dir etwas Angst gemacht hat.“ Seto schnaubte nur und drehte seinen Kopf zur Seite, um aus dem Fenster zu sehen. „Seto?“ „Bin ich so leicht zu durchschauen?“ Joey lachte leise. „Nur für mich, falls dich das beruhigt.“ „Hast du dich in mich verliebt, Joey?“ Seto sah ihn immer noch nicht an, aber er wusste, wie ernst diese Frage gemeint war. Er wusste, welche Mimik Setos Gesicht tragen würde, wenn er ihn jetzt ansehen würde. Joeys Herz begann zu rasen. Er kannte die Antwort und sein langes Zögern würde Seto reichen. Er hatte zwar nicht viel mit Gefühlen am Hut, aber er führte beinahe täglich Verhandlungen. So nickte der Braunhaarige denn auch. „Aber warum?“ Jetzt runzelte Joey die Stirn. „Was meinst du?“ Seto drehte den Kopf wieder zu dem Blonden auf seinem Schoß zurück, den er nicht weiter berührte. „Wie konntest du dich nur in mich verlieben? An mir ist nichts Liebenswertes.“ Prompt musste der Kleinere lächeln. „Im Moment nicht, nein. Wenn du lernen könntest, so unbeschwert und leicht zu sein wie früher, dann würden dich viel mehr Menschen mögen. Ich weiß, das ist schwer für dich, nach allem, was passiert ist und mit der Firma kannst du natürlich nicht butterweich werden, aber…“ Er zuckte die Schultern. „Es gibt viel, was liebenswert an dir ist.“ Seto nickte nachdenklich. „Warum hast du solche Angst davor?“, fragte Joey leise. „Ich hab keine Angst.“ Joey schnaubte. „Wem willst du das klarmachen?“ Aber auch jetzt zuckte Seto nur die Schultern. Er wusste es selbst nicht genau, es war zu tief in ihm begraben, um es jetzt an die Oberfläche zu holen. „Darf ich dich noch was fragen?“ Joey hob langsam die Hand und strich Seto eine Strähne aus dem Gesicht, was der erst über sich ergehen ließ, doch dann schob er Joeys Hand weg und nickte knapp. „Warum hast du die Corporation behalten und sie nicht verkauft oder so? Warum machst du genau das, was dein Vater von dir verlangt hätte?“ Seto senkte den Blick. „Was blieb mir anderes übrig? Ich musste Mokuba versorgen. Auf Bewerbungen schreiben hatte ich keine Lust. Ich wollte das nutzen, was mein Vater angefangen hatte.“ „Ohne es zu ändern?“, hakte Joey nach. Mit einem Stirnrunzeln hob Seto den Blick und Joey lächelte leicht. „Aus unternehmerischer Sicht war alles perfekt so.“ „Und menschlich?“ Er würde Seto schon dazu bringen, in die richtige Richtung zu denken. Seto zuckte die Schultern. „Menschlich hab ich’s eher verschlechtert, denk ich.“ Jetzt musste der Blonde lachen und Seto sah ihn erstaunt an. „Was ist?“ Joey schüttelte den Kopf. „Ich dachte, ich könnte dich dazu bringen, zu sagen, dass man wirklich etwas verändern könnte, aber…“ Er lächelte nur und sah in Setos Gesicht, dann schubste er ihn mit der Schulter an. „Ich hab gehört, du wirst bald Onkel? Weißt du mittlerweile, was es wird?“ „Nein.“ Es erschien doch tatsächlich so etwas wie ein Schmunzeln in Setos Gesicht. „Mokuba ist ganz aufgelöst gewesen als die Vorwehen eingesetzt haben. Aber es war nur falscher Alarm.“ „Trotzdem, lange wird es dann nicht mehr dauern.“ „Stimmt. Hat dir Serenity davon erzählt?“ Joey nickte. „Die beiden scheinen sich gut zu verstehen. Cynthia schwärmt richtig von ihrer neuen Freundin.“ „Stört es dich, dass sie deine Schwägerin ab und zu besucht?“ „Wenn, dann hätte ich damals nicht zugestimmt, dass sie sich kennen lernen sollten.“ „Ja.“ Joey lächelte glücklich und plötzlich begann sein Herz schneller zu schlagen. Er saß in Seto Kaibas Büro, auf Seto Kaibas Schoß und redete mit Seto Kaiba! Das war wirklich unglaublich. Eine ganz gewöhnliche Unterhaltung und er saß auf seinem Schoß! „Was ist?“, fragte Seto auch gleich. „Was soll sein?“, gab Joey zurück. „Du grinst so dämlich.“ „Okay, erste Regel: Keine Beleidigungen.“ „Ich bin hier derjenige, der Regeln aufstellt.“ Joey rollte nur mit den Augen und strich dann wieder durch Setos Haar. „Lass das.“, sagte der Braunhaarige leise, aber Joey hörte nicht auf. „Hör auf damit, Wheeler.“ Okay, jetzt wurde der Ton schon wesentlich aggressiver. „Was machst du, wenn ich nicht aufhöre, zärtlich zu dir zu sein?“ Seto griff hart nach Joeys Handgelenk und verdrehte es, sodass der Blonde vor Schmerz leise aufschrie, doch bevor Joey sich wehren konnte, spürte er Setos Lippen auf seinen liegen und vergaß den Schmerz. Er vergaß alles um sich herum, erwiderte nur den Druck der weichen Lippen. Wie oft hatte er sich vorgestellt, Seto mal zu küssen… Sein Handgelenk war vergessen, jetzt zählte nur noch die Tatsache, dass Seto Kaiba ihn gerade küsste. Der Braunhaarige bewegte sanft die Lippen gegen Joeys, dem gerade das Herz aufging. Doch ebenso plötzlich wie der Kuss begonnen hatte, löste Seto ihn wieder und gleichzeitig ließ er Joeys Handgelenk los. „Wenn ich sage ‚Lass das.‘, dann solltest du es lassen, verstanden?“ Joeys Blick hing noch an den rosigen Lippen. Warum waren die schon weg? Er nickte nur. „Krieg ich jetzt jedes Mal einen Kuss, wenn du mir wehtust?“ „Halt die Klappe, Wheeler.“ Joey sah immer noch auf Setos Mund. „Keine Beleidigungen, hatte ich doch gesagt.“ „Was machst du, wenn ich dich weiter beleidige?“ Joey runzelte die Stirn und sah auf. Da war ein seltsamer Ton in Setos Stimme, ein beinahe verlangender. Als er das kalte Feuer in den blauen Augen sah, legte er die Arme um Setos Nacken, beugte sich über ihn und küsste ihn noch einmal leidenschaftlich. Dass Seto ihn dazu brachte, so unentschlossen zu sein, so unbeständig in seiner Meinung, machte ihn richtiggehend wütend auf sich selbst, aber er konnte und wollte jetzt nicht darüber nachdenken. Stattdessen genoss der Blonde das Gefühl, Seto küssen zu dürfen und weil der Braunhaarige den Kuss erwiderte, erlebte Joey gerade ein Glück, das ihm fremd war. „Ich sollte besser gehen.“, brachte er atemlos hervor, nachdem er den Kuss gelöst hatte. „Nein, du bleibst noch.“ Joey nickte erst, schüttelte dann aber den Kopf. „Nein, ich muss gehen.“ Er machte Anstalten, sich von Setos Schoß zu erheben. Mit einem schnellen Griff zog der Braunhaarige ihn zurück auf seine Oberschenkel. „Du bleibst noch.“, sagte er drohend und strich mit beiden Händen zu Joeys Hosenbund und schließlich in seinen Schritt. Joey fing an, die Zwölferreihe durch zu multiplizieren. „Seto, nicht. Noch nicht. Du würdest die Schmerzen nur noch schlimmer machen.“ Wo war nur Joeys Wut hin? Warum konnte dieser Kaiba ihn in jeder Situation erregen? Bei seinen Worten hielt Seto inne und nahm schließlich die Hände weg. Ohne ein Wort zu sagen, stand er auf, sodass Joey sich auf seine Beine rettete. Ein brennender Ausdruck lag in den blauen Augen, als Seto den Blonden ansah. Joey schnappte beinahe nach Luft, als Seto ihn hochhob und auf den Schreibtisch setzte. „Seto, bitte, tu es nicht. Du tust mir weh damit.“ Die Erregung in seiner Stimme konnte Joey nicht unterdrücken. Seto grinste in sich hinein, öffnete schnell den Knopf an Joeys Jeans und zog sie ihm samt Shorts von den Hüften. Der Blonde bekam kaum Luft und sofort stieg das Blut in seine Wangen. Er war tatsächlich schon erregt! Nur von der kurzen Berührung und von den Blicken Setos! Das war doch nicht normal! Verärgert setzte er sich auf. „Seto. Schluss jetzt.“, sagte er fester als er gewollt hatte, doch der Braunhaarige drückte ihn nur zurück. „Keine Sorge.“, sagte er geheimnisvoll. Schob Joeys Pullover hoch und strich über die Brustwarzen. Noch waren sie weich und samtig wie die Blätter einer Rose, aber sie wurden bald hart. Joey legte sich zurück, zerknüllte vor Erregung ein Blatt Papier. Seto beugte sich über ihn und nahm die Kuppe von Joeys Glied in den Mund. Genüsslich schloss er die Augen und genoss das kehlige Stöhnen, das dem Blonden entwich. Schnell bewegte er sich auf und ab, drückte Joey an seinen Gaumen und leckte über seine gesamte Länge. Lange wehrte sich Joey gegen seine Gefühle, gegen die Scham, die ihn beinahe auffraß, aber Setos Mund war so heiß und so geschickt, dass er nicht anders konnte als alles um sich zu vergessen. Er bog den Rücken durch, legte die Arme über den Kopf und hielt sich an der Tischplatte fest. Das Papier war vergessen, die Tatsache, dass jeden Moment das Telefon klingeln könnte, jemand zur Tür hereinkommen könnte, egal. Mit einem blechernen Geräusch fiel eine Stiftdose zu Boden. Seto drückte seine Zunge gegen Joeys Spitze und erstickt stöhnend kam der Blonde in Setos Mund. Außer Atem öffnete er die Augen und starrte die Decke an. Ab und zu veränderten schwarze Flecken das Bild vor seinen Augen. „Seto…?“, keuchte Joey fragend, aber der Unternehmer hatte sich von ihm zurückgezogen und zog ihm jetzt seine Kleidung hoch. Joey setzte sich angestrengt auf und sah nur den Rücken Setos vor sich. „Seto, was…?“ Der Braunhaarige war noch zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Was hatte er da getan? Hatte er nicht einmal gesagt, so etwas würde er nie tun? Aber warum hatte er es dann gerade getan? Joey erhob sich langsam, zog sich an und nur das Geräusch eines Reißverschlusses durchdrang die Stille. Plötzlich stand Joey vor Seto, sah ihn lächelnd von unten an. „Du bist ein Schatz.“, flüsterte er. Er wusste, dass sich ein Seto Kaiba zu so etwas nur dann herabließ, wenn er verliebt war. „Halt die Klappe Wheeler.“, murmelte Seto und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Würde er Joeys Geschmack jemals loswerden? „Ich liebe dich auch.“, sagte Joey grinsend, legte die Arme um Seto und drückte sich an ihn, doch der Braunhaarige erwiderte die Geste nicht. Joey würde sich daran gewöhnen müssen. Fortsetzung folgt… Kapitel 11: Zeit verändert nichts --------------------------------- Titel: Zeit verändert nichts Teil: 11/?? Autor: Ju-Chan86 Genre: Shounen-ai, Romantik, Drama Pairing: Seto x Joey Kommentar: Mir war mal wieder nach einer FF mit den Beiden. Mir hat's echt weh getan, den Beiden so was anzutun... Disclaimer: Alles von Yu-Gi-Oh, gehört nicht mir und wer was anderes behauptet, der lügt! Kapitel 11: Zeit verändert nichts Missmutig trat Joey gegen eine Blechdose, die ein nachlässiger Mensch auf dem Bürgersteig liegen gelassen hatte. Etwas Coca Cola spritzte aus der kleinen Öffnung und an Joeys Jeans und an die Winterschuhe. „Mist!“, rief der Blonde und blieb stehen. Mit einer schnellen Bewegung wischte er die Tropfen breit, aber das machte es nur noch schlimmer, ein größerer Fleck seiner Jeans war jetzt bräunlich verfärbt und seine Hand klebte wie Uhu-Klebstoff. „Na toll.“ Fröstelnd richtete sich Joey auf und zog die Winterjacke enger um sich. Ein halbes Jahr war vergangen, es war tiefster Winter, der sich bis jetzt aber nur mit Minusgraden bemerkbar machte. Joey lief weiter, stieg schließlich die Treppenstufen zu seiner kleinen Wohnung hinauf und schloss mit vor Kälte roten und steifen Fingern die Wohnungstür auf. Nachdem er sich aus der Jacke und den Schuhen gepellt hatte, ließ er sich müde aufs Sofa fallen. Wie so oft in letzter Zeit dachte er an Seto. Leise schnaubte er. Die „letzte Zeit“ dauerte eigentlich schon Jahre. Seit er Seto kannte, dachte er ständig an den Braunhaarigen und es ging ihm selbst auf die Nerven. Aber in den letzten Monaten hatte sich so gut wie nichts verändert. Nach dem „Gespräch“ in Setos Büro war immer noch alles beim Alten. Seto Kaiba hatte sich nicht verändert. Wie hatte er, Joey Wheeler, auch jemals glauben können, dass das geschehen würde? Nichts war geschehen. Für Sex war er Seto gut genug und seltsamerweise waren das die einzigen Momente, in denen Seto wenigstens den Ansatz von Gefühl zeigte. Sie redeten nicht darüber, generell redeten sie wenig und wenn, dann nur über Unwichtiges. Über die Wahlen, die stattgefunden hatten, über ein riesiges Naturschutzgebiet, das ausgeschrieben wurde, über die nächsten Wahlen, über ein neues Geschäft, das aufgemacht hatte und das sie dann doch nie gegangen waren… Anfangs hatten Joey diese kleinen Gespräche gefallen. Er hatte gedacht, dass man in einer Beziehung auch über unwichtige Dinge sprechen können musste. Und der Meinung war er auch immer noch. Nur…sprachen Seto und er dafür ja nie über sich, nie über die Geschäfte, nie über Mokuba, die Familie oder Interessen. Jedenfalls nicht lange. Natürlich hatten sie nach der Geburt der Kinder über Serenity und Cynthia gesprochen und auch kurz über Susi-Marie und Jeremy, die neuen Erdenbürger. Joey hatte sich über die niedlichen Hände und die kleinen Zehen ausgelassen und spekuliert, wer wem ähnlich sah – so wie es jeder Mensch tun würde. Seto dagegen hatte nur die Meinung geäußert, dass er Jeremy, Cynthias Sohn, hübscher fand als Serenitys Tochter, worauf Joey gesagt hatte, dass das überhaupt nicht vergleichbar sei, denn immerhin seien sie nicht gleichen Geschlechts. Doch Seto hatte nur stumm da gesessen und das war es dann gewesen. Joey grummelte, griff nach der Fernbedienung und schaltete die Flimmerkiste ein. Die Hoffnung, dass ihn das ablenken würde, war schnell im Nichts verschwunden. Er griff nach einem Kissen, dass er umarmen konnte. Wenn es nur das Reden wäre! Aber sie machten ja nie was zusammen, sie gingen nie aus, sie besuchten nie gegenseitig ihre Familien, sie gingen nie schwimmen oder ins Kino oder zu einer Ausstellung. Seit einem halben Jahr trafen sie sich in Setos Büro, bei Joey oder bei Seto daheim, um Sex zu haben. Das war alles. Sie waren nicht mal irgendwo essen gewesen! Joey presste sich das weiche Kissen fest aufs Gesicht, bis er kaum noch Luft bekam. Das machte er, damit er merkte, dass er noch lebte. Ja, das tat er. Setos Verhalten war also kein endloser Traum oder irgendeine dämliche Phantasie von ihm. Von wegen „Mit der Zeit wird alles besser.“ Oder „Die Zeit heilt alle Wunden.“! Auf solche Sprüche konnte er gut und gern verzichten. Nichts hatte die Zeit gebracht. Wenn Seto ihm doch wenigstens mal eine kleine Aufmerksamkeit zukommen ließe, Blumen, Pralinen oder so was. Joey riss sich das Kissen vom Gesicht und schnappte nach Luft. Aber nein, dafür war sich der Herr ja zu fein für. Seine Wangen brannten und er wusste, es fehlte nicht viel und er würde wieder anfangen zu weinen. Am Anfang hatte er sich gesagt, dass das zu viel verlangt sei. Dann jedoch ist ihm klar geworden, dass es das nicht war. Er wollte ja nicht viel. Er wollte nur, dass Seto ihm mal ein liebes Wort sagte, er wollte…ein verträumtes Lächeln des Braunhaarigen, wenn dieser ihn ansah, dass er mal ausgelassen lachte! Und das konnte wirklich nicht zu viel verlangt sein. Ein tiefes Seufzen setzte sich gegen die Comicgeräusche aus dem Fernseher durch. Joeys Blick richtete sich kurz auf den Bildschirm. Der Roadrunner war gerade unterwegs, pickte dann ein paar Körner und rannte so schnell weiter, dass ihn wie immer der Steinklotz von oben nicht traf. Joey konnte nicht mal lächeln, geschweige denn lachen. Der Fernseher verschwamm vor seinem Blick und er starrte ins Leere. Er kam sich vor, als würde er nur noch vegetieren. Leben jedenfalls war etwas anderes. „Und das sollte ich langsam mal ändern…“, flüsterte er und angelte hinter sich nach dem schnurlosen Telefon. Aus dem Telefonbuch wählte er Yugis eingespeicherte Nummer, dann warf er einen Blick auf die Uhr. Noch war es in Ordnung, wenn er anrief. Als er sich den Hörer ans Ohr hielt und dem Tuten lauschte, bereute er es beinahe wieder, diesen Schritt zu tun, aber es musste sich einfach was ändern. „Hier bei Mutô?“ Die Hintergrundgeräusche waren wie immer die reinste Folter. „Hey Trish, ich bin’s. Ist Yugi da?“ „Äh… Ja, hier irgendwo müsste er sein. Ich geh kurz gucken, bleib dran, ja?“ „Klar.“ Er wartete, bekam aber alles mit, was passierte. „Yugi? Wo bist du?“, rief Trish. „Ich bin doch hier in der Küche, Schatz!“, antwortete der Gesuchte. „Ah. Kommst du mal, Telefon für dich!“ Es knackte in der Leitung und dann hörte Joey nicht die erwartete, sondern zwei andere Stimmen. „Hallo?“ Joey lächelte. „Hallo Tsatsu!“ „Onkel Joey!“ „Gib mir mal den Hörer!“ Joey konnte das Gerangel der Kinder mit anhören, bis Yugi kam und streng mit ihnen redete und ihnen dann das Telefon wegschnappte. „Joey?“ „Japp. Wieder mal viel los bei euch.“ „Wie immer. Du kennst das ja. Ist alles okay? Du klingst niedergeschlagen.“ Ein Lächeln entstand auf Joeys Lippen. „Ja. Nein, es ist nicht alles okay. Er hat sich nicht geändert.“ Eine Weile herrschte Stille am anderen Ende – von den Hintergrundgeräuschen abgesehen. „Ach?“ Joey seufzte. „Ja, schon gut, du hattest Recht mit deiner Vermutung, okay? Er hat sich nicht geändert.“ Der Blonde stöhnte und setzte sich auf. „Was soll ich denn jetzt machen, Yugi?“ Sein bester Freund seufzte. „Was weiß ich denn? Du weißt, dass ich nicht viel von ihm halte. Such dir jemand anderen?“ Joey rollte mit den Augen. „Wie lange willst du mir das noch vorschlagen?“ „Bis du ja sagst.“ „Ich liebe ihn, Yugi. So wie du Trish liebst. Und ich werd nicht aufgeben, das weißt du doch aber auch. Also hilf mir endlich!“ „Aaaaah!“ Joey riss den Hörer von seinem Ohr weg. Das war nicht Yugi… Das war auch nicht Trish, nein es war Phil, der da so schrie. „Phil Mutô! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass Schreien in diesem Haus nicht erlaubt ist?“, rief Yugi und dann war er wieder deutlicher zu hören. „Entschuldige Joey…“ Der hielt sich den Hörer wieder ans Ohr. „Ich weiß nicht, rede doch mal mit ihm. Bring ihn dazu, dir zuzuhören, hast du doch schon mal geschafft. Sag ihm, dass es dir nicht gut damit geht und stell ihn vor die Wahl, entweder er ändert sich oder er verliert dich.“ Joey verzog das Gesicht. „Ich hasse so was. Meinst du, dass das gut ist?“ „Na besser, als wenn du dir ständig Gedanken drüber machst. Aber Joey, nur mal so: Wenn du Stunden damit beschäftigt bist, darüber nachzudenken, ob du die Beziehung willst oder ob du sie nicht willst, dann ist es sowieso falsch.“ Der Blonde nickte. „Aber das mache ich nicht. Ich denk nur an Seto.“ „Ja und was er alles falsch macht.“ Leise seufzte Joey. „Ja, wie auch immer. Ich weiß auch nicht. Klar, wäre reden das beste, aber er hört mir bestimmt nicht zu und dann werden wir wieder streiten und das will ich nicht.“ Dass Yugi die Augen verdrehte, konnte Joey ja nicht sehen und es war sicherlich auch besser so. „Da musst du meiner Meinung nach durch. Das gehört dazu, vor allem, wenn du willst, dass er sich verändert.“ „Aber das will ich gar nicht! Ich will, dass er so ist, wie er wirklich ist. Das ist…doch nicht verändern, oder?“ „Keine Ahnung, ist das wichtig?“ Joey nickte sofort. „Ja, klar. Wenn ich jemanden verändern will, damit ich mit ihm glücklich bin, dann ist das doch völlig falsch. Dann muss ich mich selbst ändern.“ Yugi seufzte. „Dann müsstest du…völlig ignorant werden und gefühlskalt wie er es im Moment ist. Das tust du dir bitte nicht an.“ „Ja… Also nein. Ach, was auch immer, du weißt schon. Gut, du hast sicher zu tun, also leg ich jetzt wieder auf. Danke, ja?“ „Kein Problem. Wirklich Joey, red mit ihm. Du machst dich ja völlig fertig.“ „Kann schon sein. Bis bald, ich melde mich!“ Joey drückte den roten Knopf und strich sich dann durchs Haar. Machte er das richtig? Einige Minuten später war er unterwegs zu Seto Kaiba – wo er genau genommen vor einer halben Stunde hergekommen ist. Es half nichts, er musste das jetzt tun, Streit hin oder her. Yugi hatte Recht, er machte sich fertig und darauf hatte nicht mal mehr er selbst Lust. An der noblen Adresse ließ ihn der Pförtner bereitwillig durch, weil er Joey kannte. Seto hatte ihn nicht vorgestellt und jetzt warf der ältere Mann ihm einen seltsamen Blick zu, als wundere er sich, was er noch mal hier wollte. Doch dann klarte sich seine Miene auf und er grinste und nickte Joey zu. Der war völlig durcheinander. Was der Mann dachte, wollte er lieber nicht wissen. Stattdessen fuhr er mit dem Fahrstuhl in den Flur, von dem zwei teure Wohnungen abgingen, eine davon war Setos: sehr hell, aber streng, architektonisch und kalt eingerichtet, so wie man es erwarten würde. Keine Farbe an den Wänden, keine bunten Teppiche, sogar nur eine Grünpflanze. Er klopfte entschlossen an die stabile Tür und wartete. Seto war da, er wusste es, weil er ihn telefonieren hörte. Die Stimme kam näher und schließlich öffnete sich die Tür vor Joeys Nase. Seto blinzelte ihn erstaunt an, trat aber beiseite und nachdem er einen Blick über den Gang geworfen hatte, um zu kontrollieren, ob es auch sonst niemand mitbekommen hatte, schloss er die Tür hinter dem Blonden. Der hatte sich schon Schuhe und Jacke ausgezogen und lief durch ins Wohnzimmer, wo er sich auf die sterile Ledercouch setzte und wartete. Seto folgte ihm und redete immer noch mit wem auch immer. Als er dann auflegte, setzte er sich neben Joey. „Was machst du denn hier?“ Joey schnaubte verächtlich. Schon diese Begrüßung! Sollten Verliebte nicht froh sein, sich zu sehen? „Ich muss mit dir reden.“ Setos Brauen flogen nach oben. „Na das klingt nach einem schlimmen Ende.“ „Äh, was?“ Joey setzte sich bequemer hin und sah fragend in Setos Augen. „Mit „Ich muss mit dir reden.“ beginnen 90% der letzten Gespräche einer Beziehung.“ „Du denkst, ich würde mit dir Schluss machen wollen? Und woher weißt du so was überhaupt?“ Seto grinste. „Hab ich gelesen. Anscheinend willst du nicht „Schluss machen“.“ Er zeichnete doch tatsächlich die Anführungsstriche in die Luft, als hätten sie nicht mal eine richtige Beziehung! „Nein. Ich möchte mit dir reden. Darüber, dass ich unglücklich bin.“ „Und?“ „Ich bin es wegen dir!“ „Na hör mal, ich geb dir ja wohl alles, was du brauchst.“ Joey schüttelte den Kopf. So mies war Seto lange nicht gegen ihn angegangen. „Denkst du da, ja?“ Er stand auf und lief vor dem Sofa auf und ab – genügend Platz war ja da. „Denkst du das wirklich? Hm.“ Wütend blieb er vor Seto stehen. „Nein, verdammt, das tust du nicht! Ich würde gern mal hören, dass ich dir wichtig bin, ich…würd gern ausgehen. Mit dir. Ein paar Geschenke wären auch nicht schlecht, weißt du? Kleine Aufmerksamkeiten, wenigstens etwas, damit ich sehe, dass du dich bemühst!“ Der Braunhaarige blinzelte erst, dass grinste er. „Vorhin wolltest du auch mehr, aber da hab ich es dir gern gegeben.“ Joey holte aus und so schnell, dass Seto sich nicht wehren konnte, hatte er dem Unternehmer eine Backpfeife verpasst. Setos Kopf flog rum und gleich danach hielt er sich verblüfft die Wange. „Es ist mir Ernst, Seto Kaiba!“, schrie Joey, doch Seto hing immer noch an dem, was gerade passiert war. Langsam, sehr langsam, erhob er sich, baute er sich vor Joey auf, der immer kleiner wurde unter dem harten, eisblauen Blick. „Hast du mich gerade geschlagen, Wheeler?!“ Joey zog scharf die Luft ein. Das war ein Rückschlag. So hatte Seto ihn sehr sehr lange nicht genannt. Leicht schüttelte er den Kopf und als Seto blitzschnell nach seinen Handgelenken griff und sie noch oben verdrehte, gab er einen leisen Schmerzenslaut von sich. „Seto…“ „Nein, nichts Seto, mein Lieber. Wag es noch einmal und du lernst mich kennen, haben wir uns verstanden?“ Joey nickte schnell, doch Seto ließ nicht locker. „Fein, dann red mal weiter.“ Joey wandte sich unter dem harten Griff, versuchte, seine Handgelenke freizubekommen, doch Setos Griff wurde nur noch härter wie ein Schraubstock. „Ich… Es tut mir Leid, ich wollte dich nicht schlagen. Aber mir geht es nicht gut, Seto! Du wolltest dich doch ändern und…au…das hast du nicht getan. Bitte, lass mich los, ja?“ Bittend sah er in Setos Augen und der ließ ihn ruckartig los. Joey rieb sich die schmerzenden Gelenke. „Ich hab nie gesagt, dass ich mich ändern werde.“ „Aber ich bin davon ausgegangen, weil…“ Setos Blick war immer noch eiskalt. „Weil?“ Joey lächelte bei der Erinnerung. „Weil wir über uns gesprochen haben. Weil…du mir damals einen geblasen hast und du meintest, du rufst an, wenn du mich sehen willst.“ Seto nickte. „Und hab ich das nicht getan?“ „Doch, hast du.“, gab Joey kleinlich zu. Immer noch hatte er mit dem brennenden Schmerz zu kämpfen. „Also?“ Abwartend sah ihn sein Gegenüber an. „Also? Äh. Ich dachte, ich sprech’s mal an. Sieh mal, wir waren doch schon so weit. Ich will doch nur, dass du akzeptierst, dass du verliebt bist. Ich will nur den Seto von damals wieder. Den, der nicht verbittert über seinen Vater ist. Den ausgelassenen, fröhlichen. Ich weiß, das wird schwer und du wirst sicher nie wieder vollkommen so, aber wenigstens ein bisschen. Wir waren noch nie essen. Oder im Kino. Wollen wir das nicht mal tun?“ „Nein.“ Seto verschränkte die Arme vor der Brust. „Das wollen wir nicht mal tun. Ich find’s gut, wie es ist. So hatte ich mir das vorgestellt. Guter Sex, das bringt uns beiden doch was. Ich muss mich nicht ständig um neue Kontakte bemühen und du kannst in meiner Nähe sein. Für ein paar Stunden. Klingt nach einem sehr guten Kompromiss.“ Fassungslos starrte Joey den Braunhaarigen an und seine Handgelenke waren für den Moment vergessen. Am liebsten hätte er Seto die nächste ausgeteilt! „Ach, na wenn das so ist, Mr. Kaiba, dann bin ich froh, mit Ihnen Geschäfte gemacht zu haben. Meine Unterlagen können Sie gern behalten. Wenn Sie sich wieder mit mir in Kontakt setzen wollen, wird Ihnen meine Sekretärin gern einen Termin geben!“, fauchte er sarkastisch. Seto runzelte die Stirn. Er schien es nicht zu verstehen. „Was redest du da für einen Sülz?“ *~* „Was redest du da für einen Sülz, Seto?“ Der 16jährige Seto verschränkte bockig die Arme vor seiner Brust. „Ich will ein Motorrad, so eins, wie es die anderen auch alle haben!“ Sein Vater lachte seine dreckige, tiefe Lache. „Ich bin mir sicher, dass das nicht alle haben. Außerdem, was willst du damit?“ Seto lächelte. „Ich werde den Führerschein machen und es fahren. Ich werde daran basteln und es ständig putzen.“ Sein Vater blinzelte amüsiert. „Und wann, Seto?“ Der Teenager blinzelte. „Wann neben der Schule und neben der Firma, frage ich dich. Hast du vergessen, dass du auch noch einen kleinen Bruder hast, der deine Aufmerksamkeit verlangt?“ Seto ließ den Kopf hängen, doch dann bäumte er sich noch einmal auf. „Aber ich will diese Maschine!“, rief er und stampfte mit dem Fuß auf, bevor er aus dem Zimmer stürmte. Das Lachen seines Vaters verfolgte ihn noch in seinen Träumen. *~* „Du klingst, als hätten wir ein Geschäftsverhältnis!“, brüllte Joey. Seto zuckte die Schultern. „So etwas ähnliches.“ „Wie bitte?! Hast du sie noch alle? Wir führen eine Beziehung! Das ist etwas völlig anderes! Du kannst mich nicht einfach so benutzen!“ „Hat bisher ganz gut geklappt.“ Seto ging zur Minibar und goss sich einen Whisky in ein Glas. Joey folgte ihm. „Auch einen?“ Was Folgte war ein Schnauben Joeys. „Nein, ich will keinen verdammten Drink! Entscheid dich, Seto. Entweder ich gehe und komme nie mehr wieder oder wir reden jetzt endlich mal richtig miteinander und du änderst dich!“ Seto nahm genüsslich einen Schluck des Alkohols, der ihm warm die Kehle hinunterlief. „Du kommst schon wieder, da bin ich mir sicher.“ Joey starrte seinen angeblichen Freund an und wusste nicht, was er von seinem Verhalten halten sollte und was er, Joey, jetzt tun sollte. Doch dann fiel ihm etwas ein, etwas, mit dem Seto nicht rechnen würde. Er trat auf den Braunhaarigen zu und stellte sich auf die Zehen. Zärtlich küsste er Seto auf die Lippen, schmeckte den starken Whisky und wie er es sich gedacht hatte, sah er nur Überraschung auf dessen Gesicht. „Ich liebe dich Seto und deshalb werde ich nicht mehr wiederkommen. Leb wohl.“ Traurig sah er seinem…Exfreund – das Wort klang so falsch für ihn – noch einmal in die Augen, bevor er sich umdrehte und ging. Joey ließ einen Seto Kaiba zurück, der tiefer getroffen war, als der Blonde vielleicht ahnte. „Was bist du nur für ein Idiot?“, flüsterte Seto und im nächsten Moment flog das leere Whiskyglas durch die Wohnung. Als sich die winzig kleinen Kristallsplitter auf dem hochwertigen Parkett verteilten, die von der Qualität des Kristalls zeugten, schluckte Seto hart an dem letzten großen Whisky, den er genommen hatte, bevor er das Glas von sich geschleudert hatte. Joey konnte das Zersplittern des Glases aus zwei Gründen nicht mehr hören. Erstens stand er schon im Fahrstuhl, auf dem Weg nach unten. Zweitens weinte er so laut, dass er es auch direkt vor der Wohnungstür Setos nicht gehört hätte. Der Pförtner warf ihm diesmal einen noch verwirrteren Blick zu und diesmal konnte er sich keinen Reim auf den, wie er vermutete, jungen Prostituierten machen, der Mr. Kaiba verließ. Fortsetzung folgt… Kapitel 12: Tränen lügen nicht ------------------------------ Titel: Tränen lügen nicht Teil: 12/?? Autor: Ju-Chan86 Genre: Shounen-ai, Romantik, Drama Pairing: Seto x Joey Kommentar: Mir war mal wieder nach einer FF mit den Beiden. Disclaimer: Alles von Yu-Gi-Oh, gehört nicht mir und wer was anderes behauptet, der lügt! Kapitel 12: Tränen lügen nicht „Was soll ich denn jetzt machen?“, schluchzte Joey an die Schulter seiner Schwester. Serenity klopfte ihm sanft auf den Rücken. „Er hat mich nur als Affäre betrachtet, für ihn war es nichts ernstes, nicht mal annähernd! Wie konnte ich nur so blind sein, Serenity?“ Die Angesprochene seufzte und ignorierte zum wiederholten Male das Geschrei ihres Kindes, um das sich zurzeit nur Mike kümmerte. Seit einer Stunde hielt sie ihren Bruder in den Armen wie ein kleines Kind, das sich wehgetan hatte. „Das hätte doch niemand gedacht, Joey.“ „Doch! Ich hätte es wissen müssen, ich kenne ihn doch schon so lange!“ Joey löste sich von seiner Schwester und schnäuzte in ein Taschentuch, das sie ihm reichte. „Danke.“ Doch auch das konnte die Tränen Joeys nicht aufhalten. „Ich bin so dämlich! Von wegen er will er sich ändern! Nichts will er, außer ein bisschen Sex.“ Serenity fing an, mit zu gehaltenen Ohren zu singen und Joey sah sie mit gerunzelter Stirn an. Sie hörte auf seinen Blick hin auf zu singen. „Entschuldige, bisher hat mir das ja nichts ausgemacht, jedes Detail von dir und deinem Liebesleben zu hören, aber ich kenne Seto auch noch, er ist eine zeitlang sogar bei uns Zuhause ein und aus gegangen. Die Vorstellung von ihm und dir brauche ich wirklich nicht.“ Joey seufzte und zog die Nase hoch, dann nickte er. „Entschuldige, ich bin so ein Trottel!“ Schon fing er wieder an zu weinen und Serenity rollte mit den Augen. Mike trat mit der Kleinen in den Raum. „Entschuldigt, aber ich glaub, sie hat Hunger.“ Erleichtert stand Serenity auf und trat zu Mike heran. Während Joey damit beschäftigt war, sich wieder die Nase zu schnäuzen, nahm sie ihrem Mann Susi-Marie ab. „Red du doch mal mit ihm.“ „Was?! Was soll ich denn sagen?“ „Was weiß denn ich, ihr seid doch Männer! Redet halt!“ „Aber...“ „Nichts aber, geh jetzt hin und tröste ihn ein bisschen! Er braucht das jetzt!“, zischte Serenity und Mike gab seufzend auf. Von diesem kleinen Disput bekam Joey nichts mit außer Zischen, Tuscheln und Flüstern und er konnte jetzt auch nicht darüber nachdenken, weil er viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt war. Schließlich trat Mike zu ihm. „Hey... Tut mir Leid, was da passiert ist, aber das renkt sich schon alles wieder ein, hm?“ Freundschaftlich klopfte er Joey auf die Schulter, der sofort wieder anfing Sturzbäche zu weinen. Mike – in seiner Not allein gelassen – setzte sich neben seinen Schwager und versuchte ihn so gut er es konnte zu trösten. So richtig wollte es ihm nicht gelingen, aber wenn nicht mal seine Frau es konnte, war wohl sowieso jede Hoffnung verloren. Serenity machte sich derweil im Kinderzimmer, in dem sie ihre Tochter stillte, die größten Sorgen um Joey. Sie hatte ja gewusst, dass dieser Seto zu nichts taugte, aber selbst sie hätte solche Unverfrorenheit und Kälte nicht erwartet. Sie hatte Angst, dass es ihrem Bruder für immer das Herz brechen würde und er nie wieder eine funktionierende, liebevolle Beziehung eingehen konnte. An allem war nur dieser Seto Schuld und wenn sie nicht im Moment so viel um die Ohren hätte, würde sie ihm persönlich in den arroganten Hintern treten. Leider würde daraus nichts werden, weil sie sich so wie sie aussah, nicht auf die Straße traute. Susi-Marie machte ihnen das Leben schwer. Sie schrie viel, Gott sei Dank aber nicht immer und zu allem Überfluss hatte sie einen Leistenbruch erlitten, der erst vor kurzem operiert worden war. Jetzt sollten sie sie gar nicht mehr schreien lassen, was das Kind verwöhnte. Sie ahnte schon, dass sie in den nächsten zwei Jahren mit ihrer strubbeligen Frisur und ihrem allgemein vernachlässigtem Äußeren würde leben müssen. Zum Glück konnte wenigstens Mike arbeiten gehen, auch wenn er fast genauso oft wie Serenity in der Nacht aufstand, um Susi-Marie wieder in den Schlaf zu wiegen. „Ich liebe ihn doch aber so!“, hickste Joey derweil im Wohnzimmer vor Mike und wedelte mit seinem zusammen geknüllten Taschentuch herum. „Ich dachte wirklich, er würde mich auch lieben. Aber er liebt mich nicht!“ Mike sah hilflos Richtung Kinderzimmer, aber Serenity hatte immer noch damit zu tun, ihre Tochter satt zu kriegen und wieder schlafen zu legen. Hätte er gewusst, dass Joey noch bis nach Mitternacht bei ihnen sitzen würde, wäre er geflohen. Einige Kilometer entfernt saß ein niedergeschlagener Seto Kaiba auf seinem Drehstuhl; die Beine übereinander geschlagen und die Fingerspitzen aneinander gelegt starrte er missmutig auf sein eigenes Spiegelbild in der Fensterscheibe. Die Falten auf seiner Stirn und zwischen seinen Augenbrauen hatten sich tief in die Haut gegraben. Aus irgendeinem Grund kam er sich leer vor. Nicht, dass es ein neues Gefühl gewesen wäre oder ihn traurig machte, im Gegenteil: Er kannte es, allein zu sein, er kannte es, niemanden zum Freund zu haben und von jedem gehasst zu werden. Aber dass ihm sogar sein eigener Bruder in den Rücken gefallen war und dass er, Seto Kaiba, sich einen Fehler erlaubt hatte, das nahm ihn wirklich mit. Vor einer Stunde hatte Mokuba bei ihm angerufen. Ihm war zu Ohren gekommen, wie schlecht es Joey ging und was sich Seto geleistet hatte. Serenity hatte Cynthia angerufen und ihr davon erzählt. „Joey sitzt immer noch bei ihnen auf der Couch und heult sich die Augen aus! Was hast du denn nur angestellt, Seto?“ Kurz erklärte der Braunhaarige seinem Bruder das Geschehene. Mokuba war zwei Sekunden sprachlos, doch dann brach es aus ihm heraus. „Hast du sie noch alle?!“ Im Hintergrund war Cynthia zu hören, die ihren Mann für seine Ausdrucksweise rüffelte, was den aber nicht im Geringsten interessierte. Er musste jetzt seinen Bruder zusammenstauchen. „Du hast ihn abgestempelt wie einen Prostituierten, wie einen dieser dreckigen Hunde von der Straße, mit denen du ab und zu rum machst! So was Geschmackloses hätte ich nie von dir erwartet, Seto! Er wollte mit dir reden und du machst ihn so fertig! Warum sagst du denn nichts dazu, hm? Ist es dir etwa peinlich? Sollte es tatsächlich jemand geschafft haben, Seto Kaiba zu beschämen?“ Seto hatte an diesem Punkt die Augen geschlossen und war nur noch wütender geworden. „Nein, es ist mir ganz und gar nicht peinlich, Mokuba!“, rief er in den Hörer. „Ich kann mich nicht ändern, schon wegen der Firma nicht und das weißt du genauso gut wie ich!“ Mokuba schnaubte. „Nein, davon will ich nicht mal was wissen! Ich weiß, dass man Geschäftliches gut von Privatem trennen kann! Du hättest ihm entgegenkommen können, über deinen verdammten Stolz hinwegsehen können und dann hättet ihr glücklich werden können! Willst du denn nicht glücklich werden, Seto? Wird es nicht langsam Zeit für dich, anzukommen und sich fest zu binden?“ Seto hatte geschwiegen und bis jetzt wusste er die Antworten auf diese Fragen nicht. „Eins sage ich dir, Seto, wenn du dich weiter gegen Joey wehrst, wirst du nie glücklich werden. Dieser Junge will nur das Beste für dich, für euch beide und er verdient den höchsten Respekt dafür, dass er sich überhaupt mit dir abgibt. Solltest du dich weiter so benehmen, hast du es dir auch mit mir verspielt!“ Dann hatte Seto nur noch das Tuten in der Leitung gehört, das ihm überraschend laut vorgekommen war. So hatte er seinen Bruder noch nie erlebt. Er war wirklich wütend gewesen. Seto hatte gedacht, er wäre wütend, aber Mokuba war noch eine Spur schärfer. Ohne Mokuba hatte er noch nie leben müssen. Konnte sein Bruder denn Recht haben mit seinen Vermutungen, dass er ohne Joey nicht glücklich werden konnte? Wollte er überhaupt glücklich werden. So ein Unsinn! Wer brauchte schon Glück? Er hatte Geld, das musste doch reichen, immerhin konnte er sich alles leisten, was er wollte. Zur Not auch eine Nacht mit einem hübschen jungen Mann. Das waren die Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen, während er sich selbst in die blauen Augen sah. Je länger er das tat, desto klarer wurde ihm, was für einen großen Fehler er da gemacht hatte und wie unsinnig und kindisch es jetzt von ihm war, sich etwas Gegenteiliges einzureden. *~* „Seto?“ Der Braunhaarige blickte auf den kleinen Wurm auf seinem Schoß. „Mokuba?“ „Ich hab dich lieb!“, rief der Siebenjährige und Seto lachte. „Ich dich auch, Kleiner.“ Sanft strich er seinem kleinen Bruder durch das schwarze Haar. Mokuba rutschte von Setos Schoß und damit auch von dem Stuhl, auf dem sie gesessen hatten und schlich sich zum Obstteller in der geräumigen Küche. „Ich finde es nicht gut, wenn Papa so lange arbeitet. Dann hat er nie Zeit für uns!“ Er suchte sich einen Apfel aus und schob sich kurze Zeit später wieder auf den Schoß seines großen Bruders. „Versprichst du mir was?“ „Was denn?“ „Dass du nie so lange arbeitest, dass du uns vernachlässigst? Oder jemanden, den du magst?“ Mokuba begann, seinen Apfel an Setos Shirt zu polieren. „Versprochen.“ „Versprichst du mir noch was?“ „Was diesmal?“ Amüsiert beobachtete er seinen Bruder bei der Putzaktion. „Dass wir uns nie streiten? Na sagen wir nie doll.“ Seto lachte und nickte. „Versprochen.“ Glücklich sah Mokuba mit großen braunen Augen zu ihm auf und dann hielt er seinem Bruder den Apfel hin. „Schneidest du mir den?“ Lachend hob Seto den kleinen Kerl von seinem Schoß, stand auf und ging in die Küche, um den Apfel zu schneiden. *~* Cynthia ging es nach dem Telefongespräch nicht viel anders als Seto. So hatte auch sie Mokuba noch nicht erlebt. Nur löste es bei ihr ganz andere Gefühlsregungen aus. Sie trat hinter ihn, als er den Hörer auf die Gabel geschmissen hatte und legte die Arme um ihn. „Ich bin stolz auf dich.“, flüsterte sie. „Richtig stolz. Das war genau richtig. Eigentlich wollte ich dich ja erst davon abhalten, aber vielleicht braucht er das mal.“ Mokuba nickte nur. Es nahm ihn mit, dass er seinen Bruder anschreien hatte müssen, aber anders würde Seto es nie verstehen und das wusste er. Leicht legte er seine Hände auf die Arme seiner Frau und strich über die weiche Haut, die so liebte. „Danke.“ Cynthia sah wie sehr es ihn mitnahm, drehte ihn sanft zu sich herum und küsste ihn zärtlich auf die Lippen. „Es wird wieder gut werden, er wird sich zusammennehmen und verstehen, was du ihm sagen wolltest, vertrau mir.“ Mokuba lächelte und nahm seine Frau in die Arme, sodass ihr Kopf an seiner Brust lag. Der Duft ihres fruchtigen Shampoos wehte ihm in die Nase. „Ich hoffe, dass du Recht hast.“ „Ach und weißt du...“ Cynthia strich über das Shirt, das Mokuba trug. „Du bist richtig sexy, wenn du so männlich schreist.“ Mokuba lachte auf. „Jeremy schläft gerade, wollen wir nicht...?“ Sie löste sich von ihrem Mann und zog ihn grinsend mit ins Schlafzimmer. Es vergingen drei gute Wochen, in denen auf keiner Seite etwas geschah. Joey weinte sich oft in den Schlaf, spielte immer wieder das Gespräch in Gedanken durch und bildete sich manchmal ein, etwas falsch gemacht zu haben. Manchmal allerdings sah er alles so deutlich vor sich, dass er Seto alle Schuld am Ausgang des Gesprächs gab, wie es wohl jeder Mensch getan hätte, der auch nur ein bisschen Herz hatte. Lange Spaziergänge und viel frische Luft halfen ihm bald, dass er besser einschlief, aber in seinen Träumen verfolgte ihn ein braunhaariger, blauäugiger Mann und über all die Wochen hinweg konnte er kaum an etwas anderes denken. Joey war sich sicher, dass er nie wieder so für jemanden empfinden konnte, dass er nie wieder so jemanden wie Seto Kaiba treffen würde. Er war seit der Schulzeit sein Traummann, so wenig er sich das auch erst eingestehen wollte, so viele Fehler Seto auch je haben mochte, er war es einfach und er würde es bleiben. Auf Lebenszeit und vielleicht darüber hinaus. Joey wusste sich in dieser Zeit nicht anders zu helfen, als viel selbst im Café mitzuarbeiten, zu putzen und viel bei seiner Schwester oder Mokuba zu sein. Von dem hatte er per Telefon die vollste Unterstützung und seitdem war er auch oft bei ihm und seiner Frau Cynthia und bei dem kleinen Jeremy. Oft unternahmen sie auch was zu siebent: Mokuba, Cynthia, Jeremy, Mike, Serenity, Susi-Marie und er. Sie gingen ins Kino, auf den Spielplatz, in den Zoo oder einfach nur spazieren. Natürlich ließ auch Yugi immer wieder von sich hören und auch, wenn es ihm peinlich gewesen wäre, vor seinem besten Freund zu weinen, erzählte er ihm doch unter Tränen, was passiert war und was in ihm vorging. Die Unterstützung war ihm also von seiner ganzen Bekanntschaft sicher und – dessen war er sich bald sicher – nur deshalb überstand er die ganze Sache überhaupt. Im Gegensatz dazu hatte Seto bald nach den Geschehnissen wieder die Arbeit aufgenommen, die ihn so ausmachte und beeinflusste. Doch diesmal sollte etwas anders sein, denn so sehr er sich anstrengte, er bekam den Gedanken nicht aus dem Kopf, seinen größten Fehler gemacht zu haben. Dass er überhaupt einen Fehler gemacht hatte, war unverzeihlich, aber dann noch so einen großen, durch den er auf einen Streich nicht nur Joey, sondern auch noch seinen Bruder verloren hatte... Von Mokuba hörte er über all die Wochen nichts, auch nicht von Cynthia oder sonst wem. Er war einsamer als jemals zuvor und das wurmte ihn mehr, als er im Moment noch zugeben wollte. Seine Arbeit half ihm nicht über den Schmerz hinweg und nichts, was er tat, schien seinem Gewissen zu genügen. Er spendete Geld, half einem älteren Herrn über die Straße, aber das schlechte Gewissen blieb. Er hatte etwas falsch gemacht. Noch konnte er nicht recht ausmachen, was genau, aber wenn er seinen Gedanken erstmal auf die Schliche kam, dann würde es ihm überraschen, was in seinem gefühlsverrosteten Körper noch alles überlebt hatte. Denn Gefühle waren auch in dem kältesten Menschen vorhanden, wenn er sie nur zulassen wollte. Kapitel 13: Der Sumpf des Vergessens ------------------------------------ Titel: Der Sumpf des Vergessens Teil: 13/?? Autor: Ju-Chan86 Genre: Shounen-ai, Romantik, Drama Pairing: Seto x Joey Kommentar: Mir war mal wieder nach einer FF mit den Beiden. Disclaimer: Alles von Yu-Gi-Oh, gehört nicht mir und wer was anderes behauptet, der lügt! Kapitel 13: Der Sumpf des Vergessens „Jetzt hören Sie mir mal zu, Sie dämliches Wesen! Wenn ich Ihnen sage, dass ich zu Seto Kaiba möchte und dass es dringend sei, dann lassen Sie mich gefälligst durch, oder sprechen Sie unsere Sprache noch nicht?!“ Die Tür zu Setos Büro flog auf und der Braunhaarige sah überrascht auf. „Aber ich habe Ihnen doch gesagt, dass es nicht geht! Mr. Kaiba wünscht keine Störung! Mr. Kaiba, es tut mir Leid, Sir, ich konnte ihn nicht aufhalten.“ Entschuldigend sah sie in Setos kalte Augen. Der betrachtete seinen Besucher und sah dann zu seiner Sekretärin. „Es ist schon in Ordnung, danke Laura.“ Die Arme musste ja denken, dass sie ja sonst was falsch gemacht hatte, dabei war es gerade ihr zweiter Tag hier. Laura biss sich auf die Lippen. „Wirklich ich konnte nichts dafür! Er ist einfach an mir vorbei in Ihr Büro gestürmt, Sir und ich…“ Seto hob die Hand und mit einem leisen Winsellaut schwieg die Blonde. „Gehen Sie. Auf der Stelle.“ Laura funkelte den blonden Eindringling böse an, bevor sie auf ihren hohen Pumps davon stakste. Seto hatte ihr nachgesehen und richtete jetzt seinen Blick wieder auf seinen Besucher. „Ich bin mir sicher, dass es nicht Lauras Fehler war, dass du jetzt hier bist.“ Yugi verschränkte die Arme vor der Brust. „Nein. Ich wage mich freiwillig in die Höhle des Löwen, denn irgendwer muss dir ja mal den Kopf waschen.“ Seto nickte und deutete auf die beiden Stühle vor seinem Schreibtisch. „Setz dich doch.“ Eher widerwillig als aus dem Bedürfnis heraus zu sitzen setzte sich Yugi auf den Stuhl – und stellte fest, dass er scheußlich unbequem war. Nach diesem Tag brauchte er nicht nur eine Massage, sondern auch therapeutische Hilfe, so viel stand jetzt schon fest. Seto beobachtete jeden seiner Schritte. „Es geht um Joey.“ „Ja genau.“ Yugi blickte ernst drein. „Das war keine Frage. Was könnte einen Yugi Mutô sonst hierher bringen?“ Yugi schnaubte. „Ja, ich hätte dich auch gern anders wieder gesehen, aber die Dinge liegen im Moment so, dass ich nicht länger warten kann.“ Immer noch hatte er stur die Arme vor der Brust verschränkt. Seto wurde jetzt allerdings hellhörig. „Wie genau liegen die Dinge denn?“ Yugi kniff die Augen zusammen. „Joey liegt im Krankenhaus.“, sagte er dann trocken und beobachtete mit Genugtuung wie Seto Kaiba vor seinen Augen zusammenzuckte und sich aufrechter hinsetzte. Ihm war eindeutig unwohl zumute. „Wieso das denn?“ Jetzt hielt es Yugi nicht länger nicht auf den Beinen, er atmete lautstark aus und sprang auf, warf die Arme in die Luft. „Ja, wieso wohl. Lass mich einen Augenblick lang überlegen, Seto.“ Er lief vor dem Schreibtisch auf und ab. „Also mal sehen. Der Blinddarm ist es nicht. Blasensteine? Nein, auch nicht. Eine Hautkrankheit, nein, das war es auch nicht.“ Er schaukelte sich hoch, bis er durch einen lauten Knall unterbrochen wurde, stehenblieb und Seto anstarrte. Der hatte mit seiner Faust so kräftig auf die Platte seines Tisches geschlagen, dass er Boden unter Yugis Füßen mit erzittert war. „Noch eine Krankheit Mutô und ich prügel die Antwort aus dir raus.“, sagte er und selbst Yugi erkannte eine seltsame Unregelmäßigkeit, eine Unruhe in der Stimme des Braunhaarigen. Ernst beugte sich Yugi über den Schreibtisch und sah Seto fest in die Augen. „Er ist zusammengebrochen. Er hatte einen Schwächeanfall, weil er zu wenig gegessen, getrunken und geschlafen hat. Und woran das lag, muss ich dir wohl nicht erklären, oder soll ich dir die Einzelheiten noch mal erläutern?“, fragte er grimmig. Als von Seto keine Antwort kam, schüttelte er den Kopf. Joey hätte im Gegensatz zu Yugi jetzt erkannt, was sich hinter der ausdruckslosen Miene des Unternehmers verbarg, doch Yugi interpretierte es völlig falsch. „Also, um dir die Eckdaten noch einmal zu nennen. Es ist jetzt knapp zwei Wochen her, da habt ihr euch gestritten, obwohl Joey dich nur weiter unterstützen wollte, weil du dich angeblich ja ändern wolltest. Ich hab ihm ja gleich gesagt, dass das nicht bringen würde und dass es nie wahr werden würde. Jedenfalls hast du ihn als Prostituierten hingestellt, ja als männliche Hure sozusagen. Für dich war er nur so etwas wie eine kleine Abwechs…“ Ruckartig erhob sich Seto und seine Hand schnellte vor. Hart zog er Yugi am Revers seines Hemds zu sich, ganz nah vor sein Gesicht. „Wie geht es ihm?“, fragte er, sichtlich beherrscht, nicht noch etwas zu sagen. Yugi schluckte schwer und schob Seto streng zurück. „Es ist kritisch. Er ist viel zu schwach und schläft die meiste Zeit. Aber das Schlimmste… Das Schlimmste ist, dass er keinen Lebenswillen mehr hat. Nicht mal Serenity kann ihn dazu bringen, zu kämpfen.“ Seine Stimme hatte sich in ein Flüstern verwandelt. Als er jetzt den Blick von der Tischplatte hob und Seto in die Augen sah, waren seine mit Tränen gefüllt. „Glaub mir, wenn ich auch nur eine Chance gegen dich hätte, würde ich dich prügeln bis du grün und blau wärst.“ Der Tonfall seiner Stimme zeigte jetzt deutlich, wie ernst ihm diese Aussage war. Plötzlich drehte er sich um und lief wieder auf und ab. „Aber ich weiß, dass du der Einzige bist, der ihn jetzt da raus holen kann.“ Seto sank derweil auf seinen Stuhl zurück und rieb sich fest übers Gesicht. „Das…habe ich so nicht gewollt.“ Yugis Wut brach wieder durch. „Ja, das sagt sich leicht, nicht wahr?! Hättest du darüber nicht vorher schon mal nachdenken können, Seto? Bevor du ihn eine Hure schimpfst! Er hat’s so gut mit dir gemeint, er hat dich geliebt!“, brüllte er. „Und du machst alles mit deinem Stolz und deiner ach so tollen Unbeugsamkeit zunichte! Du zerstörst ihn, merkst du das eigentlich?!“ Yugi bemerkte gar nicht, wie ihm die Tränen über die Wangen liefen. Ihm war heiß vor Zorn und auch jetzt schlüge er Seto am liebsten aus aller Kraft. Seto starrte auf den Kugelschreiber auf seinem Tisch, den er eben noch in der Hand gehalten hatte, mit dem er eben noch geschrieben hatte. In einem einzigen kurzen Augenblick hatte sein Leben eine andere Dimension angenommen. Es hatte eine Kehrtwende gemacht und rannte jetzt vor ihm weg und er wusste nicht, wie er ihm so schnell folgen sollte. Wo sollte er lang? Welches war der kürzeste Weg zurück in die Bahnen seines sicheren Lebens? Wieso fühlte er sich plötzlich so hilflos, so allein gelassen? Ihm brach der kalte Schweiß aus, sein Herz klopfte hart gegen seinen Brustkorb und Yugis letzte Worte verschwammen in einem undurchdringlichen Rauschen. Yugi bemerkte durchaus, was mit seinem Gegenüber geschah. Schnell trat er um den Tisch herum, griff Seto an den Schultern und schüttelte ihn heftig. „Seto!“, rief er. Der Braunhaarige richtete seinen Blick auf Yugi. Ihm war immer noch schwindelig. „Seto!“, rief Yugi wieder. „Du musst etwas unternehmen, hörst du? Er braucht dich jetzt!“ *~* „Seto?“ Die raue Kinderstimme rief nur schwach nach ihm, doch er stand ja am Fenster, direkt neben dem Bett, aus der die kratzige Stimme zu ihm drang. Mit zwei langen Schritten war er neben seinem Bruder, kniete sich neben das Bett und griff nach der zerbrechlich wirkenden Hand. „Hey Kleiner. Ich bin ja hier. Wie geht es dir?“ Mokuba schüttelte den Kopf, selbst sein zerstrubbeltes Haar sah krank aus und die dunkle Farbe ließ das Gesichtchen noch blasser wirken als es eh schon war. „Ich weiß nicht genau.“ Seto nickte und strich über die papierdünne Haut. „Du wirst wieder gesund, das weiß ich. Schlaf noch ein bisschen, hm? Wenn du wieder aufwachst, geht es dir bestimmt wieder besser.“ Ein zaghaftes Lächeln begegnete ihm, gefolgt von einem schweren Hustenanfall, der den kleinen Körper so sehr schüttelte, dass Seto Angst hatte, ob Mokuba den Anfall überleben würde. „Sch… Ruhig.“ Er strich ihm behutsam über den Rücken und langsam wurde es besser. Schließlich fiel sein kleiner Bruder schwer in die Kissen zurück und schloss erschöpft die Augen. Schweiß stand auf seiner Stirn. Seto schluckte bei dem Anblick. „Versuch zu schlafen. Ich bin da, wenn du aufwachst.“ Der Braunhaarige sammelte den Waschlappen vom Bett und tauchte ihn in eine Schüssel mit kaltem Wasser, die bereit stand. Vorsichtig legte er ihn zurück auf die heiße Stirn, woraufhin Mokuba schauderte und sofort in einen leichten Schlaf fiel. Erleichtert erhob sich Seto und strich sich müde durchs Haar. „Mami…“, hörte er Mokuba im Schlaf und im Fieber reden und überrascht sah er wieder zu seinem Bruder. „Mami, wo bist du denn? Ich brauch dich doch jetzt.“ Die Worte waren so leise, dass Seto genau hinhören musste und als er sie verstand, zerrissen sie ihm fast das Herz vor Schmerz. *~* Setos Gedanken hellten sich bei dieser Erinnerung auf und er nickte und schob Yugi weg, der jetzt langsam begriff, was mit Seto wirklich vor sich ging. Erstaunt trat er ein paar Schritte zurück. „Wo ist seine Mutter, Yugi? War sie schon bei ihm?“ Der Angesprochene war so erstaunt von dieser vertrauten Anrede, dass er nur den Kopf schüttelte. „Sie… Sie ist mit ihrem neuen Freund weggezogen. Großer Streit, schon Jahre her.“, stammelte er und beobachtete Seto dabei, wie er entschlossen aufstand. „Wohin?“ „Ein… Ein paar Stunden von hier.“ „Und sie ist nicht hergekommen?“ „Er wollte sie nicht sehen. Kein Kontakt seit dem Streit. Äh, du…?“ Seto winkte ab. „Okay, du scheinst zu wissen, wo sie wohnt. Komm mit.“ Mit langen Schritten verließ Seto sein Büro und ein völlig verdutzter Yugi folgte ihm. Was hatte dieser Seto Kaiba da eigentlich vor? Wollte er nicht erst mal selbst ins Krankenhaus? Denn eines stand selbst für Yugi inzwischen fest: Seto liebte Joey. So ungern er das auch zugab, aber Seto war dem Blonden tatsächlich verfallen. Als sich Yugi das nächste Mal bewusst umsah, saßen sie in einem noblen Auto, schwarzer Lack, champagnerfarbene Ledersitze, ein Fahrer vorn. Warum saßen sie eigentlich hinten? Und warum sah Seto ihn so fragend an. „Lymington Road 44.“, sagte er stockend und wusste nicht einmal, ob es das war, was hier anscheinend alle wissen wollten. Doch Seto nickte und lehnte sich zurück. Das Auto, Yugi bemerkte jetzt erst, dass es eine Limousine war, fuhr an und als er Seto etwas fragen wollte, sah er, wie dieser aus dem Fenster sah. Doch seine Augen standen still, starrten einfach nur hinaus. Yugi tat es ihm gleich, er hatte genug, worüber er die nächsten Stunden nachdenken konnte. Und doch, ganz so lange hielt er es nicht aus. Schon nach anderthalb Stunden überlegte er, wie er ein Gespräch in Gang bringen konnte. „Du liebst ihn.“, sagte er schließlich leise in Setos Richtung und der Fahrer fuhr einen seltsamen Schlenker. „Roland!“ „Entschuldigung Sir, da… Da stand ein Reh oder ein Hase oder so was ähnliches. Tut mir Leid.“ Seto schnaubte verächtlich und ließ die Trennscheibe nach oben, bevor er Yugi fest in die Augen sah. „Du erschreckst mein Personal.“ Der Blonde blinzelte. „Wir… Warum…?“ „Wir holen sie und fahren dann gleich ins Krankenhaus.“, sagte der Unternehmer entschlossen. Yugi runzelte die Stirn. „Aber er wollte sie nicht sehen.“ Setos Blick ging plötzlich ins Leere. „Er braucht sie jetzt.“ Yugi betrachtete seinen ehemaligen Schulkameraden und musste dann trotz allem lächeln. „Du liebst ihn wirklich. Ich hätte nie gedacht, dass das möglich ist.“ Seto antwortete nicht darauf, er sah ihn nicht mal an und Yugis Lächeln verging mit der Zeit. Dunkelheit. Tagelange Dunkelheit. Wie in einem Sumpf, tief unter der schlammigen Oberfläche. Er versuchte Luft zu holen, doch es drang nur Wasser in seine Lungen. Dunkles Wasser, das ihn allmählich zu einem Teil der Dunkelheit machte. Er hasste diese Dunkelheit. Ab und zu ein Licht, undeutlich wie eine mit beiden Händen geschützte Kerze im Nebel. Ein Hoffnungsschimmer. Doch dann wieder die sumpfige Dunkelheit. Die Piranhas haben das Licht gefressen. Er versucht an die Oberfläche zu tauchen, doch er schafft es nicht, ist zu schwach. Oben, da wäre es hell. Das Seufzen bringt nur literweise neues dunkles Schlammwasser. Hilfloses Strampeln. Ein Versuch, den Schlingpflanzen am Grund zu entkommen. Stattdessen verheddert er sich nur noch mehr. Seine Tränen vermischen sich mit dem Sumpfwasser, sind bald nicht mehr auszumachen. Ein stummer Schrei, noch einmal Aufbäumen. Dann ist er frei, paddelt an die Oberfläche, Wärme und Hoffnung durchströmen ihn. Die Oberfläche kommt näher. Das Wasser wird nicht heller, die Pflanzen umgeben ihn immer noch. Die letzte Luft in seinen Lungen wird knapp. Plötzlich durchbricht er die Oberfläche. Wieder Dunkelheit. War es Nacht? Wo war er? Suchende Blicke nach einem Licht, doch…nichts. Nur endlose Dunkelheit. Die Tränen kehren zurück, brennen in seinen Augen. Er spürt eine Schlingpflanze, die nach seinem Fuß greift. Ein heller Schrei schallt. Er wird zurückgezogen in die sumpfige Masse, versucht sich zu wehren. Nichts hilft. Der Schrei erstirbt im Wasser. Immer tiefere Dunkelheit. Und alles beginnt von vorn. „Joey?“ Eine blonde Frau mittleren Alters steht an seinem Bett, sie sieht älter aus als sie ist. Die grauen Strähnen in ihrem hellen Haar fielen kaum jemandem auf. Sie hatte Glück, dass die Ärzte sie durchgelassen hatten, doch die Männer hatten ihr ja geholfen. Vor allem der Braunhaarige. Ihr Sohn reagierte nicht und sie machte sich wirklich Sorgen um ihn. Hätte sie gewusst, dass es so ernst war, wäre sie natürlich sofort gekommen. Ihr Joey sah schwach aus, sehr blass, mit tiefen Augenringen und abgemagert. Eine Schwester hatte ihr erklärt, er bekäme alle Nährstoffe über den Tropf, dessen Kanüle in Joeys Hand verschwand. Sie könnte sofort wieder anfangen zu weinen, riss sich jetzt aber zusammen. Nicht so wie in der Limousine, in der sie in Tränen ausgebrochen war, als Yugi ihr erzählte, wie es um Joey stand. Auch den Braunhaarigen hatte sie erkannt, wenn auch nur vage. Von Seto Kaiba musste auch die Limousine sein, denn Yugi war ein einfacher Mann und selbst, wenn er reich wäre, würde er seinen Reichtum nicht so zeigen. Aber die Limousine hatte sich als nützlich erwiesen, ihnen wurde oft Platz gemacht und deshalb waren sie schneller hergekommen. Joeys Mutter erinnerte sich an auch an Yugis Worte über Serenity. Sie kam wohl jeden Tag her und redete mit ihrem Bruder, zeigte ihr die kleine Susi-Marie, die sie selbst auch noch nicht oft gesehen hatte. Sie war ja froh, dass Serenity überhaupt Kontakt zu ihr hielt nach diesem riesigen Streit. Die Frau schüttelte den Kopf und ärgerte sich über ihre eigenen Gedanken. Zärtlich legte sie eine Hand auf Joeys Schulter – sie war ganz knochig! – und drückte sie leicht. „Joey? Joey, ich bin’s, deine Mama. Ich bin jetzt hier.“ Ihre Stimme erstickte vor Tränen. Helle Sachen tauchten ins Wasser, er konnte sie sehen, wusste aber nicht, was sie waren. Von weit her drangen Worte durch die schlammige Substanz. Die hellen Dinger zogen ihn langsam nach oben und da erkannte er, dass es Arme waren. Die Worte wurden klarer, er erkannte die Stimme. Aber das konnte nicht sein. Die Arme zogen immer weiter, obwohl er nicht einmal mehr wusste, ob er das wollte. Ein Bein hing in einer Schlingpflanze fest. Die Arme zogen und zogen, bis sie schließlich abriss und von seinem Bein rutschte. Schließlich die Oberfläche. Er hustete und als er seine verklebten Augen aufmachte, sah er schöne, leuchtende Helligkeit. „Joey.“ Seine Mutter lächelte ihn an und strich ihm das blonde Haar aus der Stirn. „Da bist du ja. Du bist wach. Wie geht es dir?“ Liebevoll strich sie ihm über die Wange. Joey blinzelte gegen die ungewohnte, neue Helligkeit an, die von der Frau vor seinem Bett ausging. Nur langsam klarte sich das Bild auf. „Mama?“ Seine Mutter nickte, erschrocken darüber, wie schwach selbst seine Stimme war und wie ihn das Sprechen anzustrengen schien. „Ja. Ich bin jetzt hier. Ich bin da.“, flüsterte sie und beugte sich zu ihm, küsste ihn auf die Wange und auf die Stirn. „Aber… Wie kannst du…“ Müde blinzelte Joey. „Sch. Nicht jetzt. Du musst gesund werden, hörst du? Ich kümmer mich um dich, ich bin jetzt da, Joey, hörst du?“ Der Angesprochene brachte ein halbes Lächeln zustande. „Nja.“, murmelte er und ließ die schweren Lider unten. Die Küsse und Berührungen seiner Mutter taten gut, viel zu gut. Er wollte nicht zurück in den Sumpf. „Nhg…“ Angestrengt öffnete er die Augen wieder. „Mama?“ „Ja mein Schatz?“ „Bist du da?“ Die Frau lächelte, einige Fältchen zeigten sich neben ihren Augen und um ihre Mundwinkel. „Natürlich bin ich da. Die Ärzte wollten mich erst nicht durchlassen, weil du so schwach bist. Du musst stärker werden, hörst du? Damit ich immer hier sein kann. Damit du nach Hause kannst.“ Joey schloss die Augen wieder. „Ja.“, flüsterte er. „Weg vom Sumpf.“ „Sumpf? Welcher Sumpf, Schatz?“ Doch bevor Joey antworten konnte, verfiel er in einen tiefen, traumlosen Schlaf, aus dem er erst einen Tag später erwachte. Und als er die Augen öffnete, war seine Mutter immer noch da. Er hätte nicht gedacht, dass er sie so sehr brauchen würde und doch war er unendlich froh, sie immer zu sehen, wenn er erwachte. Immer war sie da und das gab ihm mehr Kraft als der Schlaf es hätte tun können. Demjenigen, der sie hergebracht hatte, war er jetzt schon auf ewig dankbar. Kapitel 14: Ars vivendi - Die Kunst zu leben -------------------------------------------- Titel: Ars vivendi – Die Kunst zu leben Teil: 14/?? Autor: Ju-Chan86 Genre: Shounen-ai, Romantik, Drama Pairing: Seto x Joey Kommentar: Mir war mal wieder nach einer FF mit den Beiden. Disclaimer: Alles von Yu-Gi-Oh, gehört nicht mir und wer was anderes behauptet, der lügt! Kapitel 14: Ars vivendi – Die Kunst zu leben Das Telefon machte ein nerviges Geräusch und der Braunhaarige ging so schnell ran wie er nur konnte. „Ja? Ich hab doch gesagt, keine Anrufe, Linett. Ja, genau. Ja, die liegen in der obersten Schublade, ich hab sie heute noch unterschrieben. Linett und jetzt keine Anrufe mehr, sonst mach ich das Handy aus!“, zischte Seto flüsternd, dann steckte er sein Handy weg und sah wieder auf das Krankenbett, neben dem er saß. Joey sah immer noch blass aus, aber in den letzten Tagen hatte er sich so sehr erholt, dass jetzt auch Yugi und Seto mal zu ihm konnten, nicht nur die Angehörigen. Seto sah sich angewidert um. Er hasste Krankenhäuser und so schön die gelbe Wand und die lindgrünen Vorhänge und das Tulpenbild auch waren, so konnten sie doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ein Krankenhaus war, in dem er saß. Vorsichtig legte Seto seine Hand auf die von Joey. In der steckte noch die Kanüle vom Tropf, durch den der Blonde die Nährstoffe bekam, die sein Körper brauchte. Mit dem Daumen strich der Unternehmer über die Haut, die ihm wie dünnes Papier vorkam. Joey schlief viel. Er war stärker geworden und schlief nicht mehr so viel wie am Anfang, aber das hatte man auch nicht Schlaf nennen können. Jetzt öffnete er schon öfter mal die Augen und einmal hatte er seine Mutter sogar angelächelt. Seto war zum ersten Mal seit seinem ersten Besuch länger als fünf Minuten hier und weil er vormittags da war, war er allein. Dafür ließ er sogar die Firma sausen, auch wenn sein Handy nur selten stillstand. „Hey.“, hörte er es dann leise flüstern und als Seto aufsah, sah er in ein Paar bernsteinfarbener Augen, das er, wie er jetzt merkte, vermisst hatte. „Hallo.“, antwortete er. Joey setzte sich vorsichtig auf und räusperte sich leise. „Kannst du mir bitte das Wasser reichen?“ Seto griff sofort nach der Karaffe, die auf dem Nachtschrank stand, goss etwas in ein hohes Glas und reichte es Joey vorsichtig in die schwachen Hände. „Danke.“ Der Blonde trank vorsichtig und in kleinen Schlucken. Als das Glas leer war, reichte er es Seto zurück, der es wieder auf den Nachttisch stellte. „Was tust du hier, Seto?“ Der Braunhaarige lächelte und sah auf die dünne Bettdecke, die über Joeys Beinen lag. „Ich besuche dich.“ „Ja, aber wieso?“ Seto zuckte die Schultern. „Yugi war bei mir.“, begann er leise und sah dann auf und in Joeys erstauntes Gesicht. „Als du zusammengebrochen bist, kam er zu mir ins Büro. Er war wütend, richtig wütend und er sagte, dass nur ich dich retten könnte. Dass du mich bräuchtest.“ Er beobachtete wie sich Joeys Wangen rot färbten und er den Mund öffnete und wieder schloss. Joey fragte sich, was sich Yugi nur dabei gedacht hatte, doch dann kam ihm eine Frage in den Sinn, die er unbedingt stellen musste. „Warum bist du denn dann erst jetzt da?“ Seine Stimme klang als hätte er sie lange nicht benutzt und genau das war ja auch der Fall. „Hm?“ Fragend sah Seto ihn an. „Wie meinst du das?“ „Na ja, wenn...Yugi gleich bei dir war, warum bist du dann erst jetzt hier und nicht schon mal früher?“ Seto lächelte. „Erstens, weil man mich wie Yugi nicht rein gelassen hätte und zweitens...“ Doch Seto schüttelte den Kopf. „Frag einfach Yugi, wenn er das nächste Mal kommt.“ Joey runzelte die Stirn, nickte aber nach einer Weile trotzdem. „Wie geht es dir?“, fragte Seto. „Von Tag zu Tag besser. Vor allem, weil meine Mutter jeden Tag kommt.“ Seto nickte und sah erst jetzt, dass er seine Hand unwillkürlich wieder auf Joeys gelegt hatte, nachdem er ihm eingegossen hatte. Langsam nahm er sie weg. „Ja, ich hab sie kennen gelernt.“ „Wann?“ „Ich war ab und zu schon mal hier, aber nur kurz. Sie haben uns ja erst auch nicht zu dir gelassen.“ „Uns?“, fragte Joey lächelnd. „Ja. Yugi und mich.“ Joey nickte. „Ich weiß schon, aber es hat mich gewundert. Du hättest dich und Yugi vor ein paar Wochen nicht in einem Atemzug zusammen genannt.“ „Kann schon sein.“ Joey rutschte tiefer und griff schwach nach Setos Hand. „Schön, dass du hier bist.“ Er gähnte. „Entschuldige, ich bin immer so müde.“ Er lächelte mit halb geschlossenen Augen. Seto ging bei diesem Anblick das Herz auf, auch wenn er es nicht zeigte. „Ist doch klar. Schlaf ruhig.“ „Hm... Ich weiß nicht, bist du denn noch da, wenn ich wieder aufwache?“ „Wenn du...mich noch sehen willst, bin ich da.“ Joey überlegte und nickte dann. „Ja, ich will, dass du dann noch da bist.“ Seto nickte und strich kurz über Joeys Hand. „Dann schlaf jetzt.“ Ein paar Stunden später, Joey schlief immer noch, ging leise die Tür auf und Yugi trat ein. Er sah Seto nur kurz an, dann flog sein Blick zu Joey und er setzte sich an die andere Seite des Bettes. „Wie geht’s ihm?“, fragte er leise. „Geht so. Er war vorhin kurz wach, aber er ist wohl sehr müde.“ Yugi nickte und sah jetzt wieder zu Seto. „Wie lange bist du schon da?“ „Seit...ein paar Stunden. Seit heute Vormittag.“ Yugis Augenbrauen flogen in die Höhe. „Und als er wach war, habt ihr euch da...unterhalten?“ „Nur kurz.“, sagte Seto ausweichend und stand auf. Er war schon an der Tür, als er innehielt. „Willst du auch etwas zu trinken?“ Yugi sah auf. „Oh, ich dachte, du würdest gehen.“ Seto gab keine Antwort. „Ein Wasser bitte.“ Seto nickte knapp und verließ das Zimmer, um zwei Wasserflaschen zu besorgen. Gerade hatte der Braunhaarige das helle Zimmer verlassen, da wachte Joey mit einem leisen Seufzer auf und sah sich um, während er sich die Augen rieb. Als er Yugi entdeckte, lächelte er und setzte sich auf. „Hey. Bist du schon lange da?“ Yugi lächelte zurück. „Nein. Wie geht es dir?“ „Besser von Tag zu Tag. Nur die Müdigkeit will nicht richtig weggehen.“ Sein bester Freund nickte. „Du musst anfangen zu essen und mal wieder aufstehen, damit dein Körper in Schwung kommt. Hast du denn Hunger?“ „Schon irgendwie. Angeblich soll ich ja alles über den Tropf bekommen, aber Hunger hab ich trotzdem.“ Suchend sah sich Joey im Zimmer um und als Yugi ihn dabei beobachtete, wusste er genau, was sein Freund suchte. „Er ist noch da.“, sagte er deswegen leise. „Hm?“ Fragend sah Joey ihn an. Yugi schnaubte. „Ach komm, ich weiß doch, dass du dich nach ihm umsiehst. Er ist gerade raus, was zum Trinken holen.“ Joey lächelte nur und schloss die Augen. „Und wie geht’s dir?“ „Wir machen uns alle Sorgen um dich, aber sonst geht es allen gut.“ „Was machen die Kinder? Verpasse ich viel?“ Yugi lachte leise. „Nur das übliche Geplärre und den üblichen Streit. Aber ich glaube, bei Susi-Marie verpasst du was.“ Joey nickte, öffnete die Augen und sah seinen besten Freund an. „Vielleicht hast du Recht mit dem Essen.“ Yugi nickte und in dem Moment kam Seto zurück, in der Hand zwei kleine Flaschen Wasser. Erst bekam er nicht mit, dass Joey wach war, er hielt Yugi nur die Flasche hin. „Hier.“ „Danke.“, sagte der und nahm ihm das Wasser ab. Joey beobachtete die Szene und runzelte die Stirn. Seto setzte sich mit einem Seufzer wieder auf den Stuhl und stellte die 0,5-Liter-Flasche auf Joeys Beistelltisch, da bemerkte er, dass der Blonde wach war. Er sah ihm tief in die Augen. „Du bist ja wieder wach.“ Joey nickte. „Und du warst was zu Trinken holen.“ Diesmal nickte der Braunhaarige. „Pass auf, ich hol dir gleich mal was zu essen, wenn du meinst, dass das eine gute Idee ist. Schön wach bleiben, ja?“ Lächelnd nickte Joey und sah dann seinem besten Freund nach. „Du bist noch da.“, sagte er, als Yugi die Zimmertür hinter sich geschlossen hatte. „Ja.“, gab Seto etwas zögerlich zu. „Du wolltest es doch.“ „Genau. Und du hast Yugi was zu trinken mitgebracht.“ Seto drehte den Kopf weg und starrte die orangefarbenen Tulpen auf dem rahmenlosen Bild an. „Das war nett von dir.“ Seto gab ein Geräusch von sich, das einem Grunzen nahe kam. Joey lächelte. „Red mit mir, du musst mich wach halten, damit ich gleich was essen kann, ich zu Kräften komme und aufstehen kann.“ Seto seufzte und sah dem Blonden in die schimmernden Augen. „Ja, ich bin hier, weil du es wolltest und ja, ich habe Yugi was zu trinken geholt. Vielleicht war das nett von mir, kann schon sein.“ Joey nickte. „Und du willst was essen?“ „Ja. Ich will nicht mehr ständig schlafen.“ „Gute Entscheidung.“ Seto lächelte ihn doch tatsächlich an. „Soll ich euch allein lassen?“ „Musst du denn schon gehen?“ Seto nickte und Joey zuckte die Schultern. „Dann lässt du uns wohl allein.“ „Ich komm bald wieder. Dann kannst du vielleicht schon aufstehen und laufen. Weiter als bis zur Toilette.“, fügte er zwinkernd hinzu und Joey grinste. Seto hob die Hand und fuhr dem Blonden durch das verstrubbelte Haar. „Werd wieder gesund. Du hast uns allen einen ziemlichen Schrecken eingejagt.“ Seto erhob sich, schnappte sich die Flasche von dem sterilen Tischchen und sah dann auf, als Yugi die Tür öffnete, eine kleine Schale in der Hand. „Ich hab dir Suppe mitgebracht.“ Seto sah noch einmal auf den Patienten. „Na dann guten Appetit. Bis bald.“ Joey nickte. „Ja... Bis bald.“ Er sah dem Unternehmer zu, der schnellen Schrittes das Zimmer verließ. Yugi stellte derweil die Suppe auf das Tischchen und drehte es über Joeys Bett, damit der leichter ran kam. „Danke. So richtig Appetit hab ich ja nicht auf Suppe, aber...“ „...es ist ein Anfang.“, beendete Yugi den Satz und Joey nickte und griff kraftlos nach dem Löffel. Während er die Suppe löffelte, überkam ihn wieder Müdigkeit, aber diesmal gab er ihr nicht nach. „Yugi?“ „Joey? Schmeckt’s denn?“ Der Blonde nickte. „Geht so. Sag mal... Seto meinte, du wärst bei ihm gewesen?“ Yugi räusperte sich und setzte sich auf den unbequemen Stuhl. „Ja, war ich.“ „Stimmt es auch, dass du ihm gesagt hast, dass...ich ihn bräuchte und nur er mich retten könne?“, fragte Joey zwischen zwei Löffeln. „Ähm... Ja, so was Ähnliches hab ich wohl gesagt.“ „Also warum war er dann nicht von Anfang an hier, sondern erst heute das erste Mal länger?“ „Man hat uns nicht früher zu dir gelassen.“ Joey nickte. „Das hat er auch gesagt, aber er meinte, es gäbe noch einen Grund.“ Yugi runzelte die Stirn und dachte kurz nach, dann lächelte er. „Wahrscheinlich...wollte er, dass du dich erst unter den Augen deiner Mutter erholst.“ Joey schob die leere Schüssel zurück. „Wie meinst du das?“ Er ließ sich in die Kissen zurücksinken und atmete tief durch. „Na ja. Er war es, der...mit mir zu deiner Mutter gefahren ist, sie überredet hat, mitzukommen und sie dann schließlich hergebracht hat. Obwohl, eigentlich hat er sie erst mitgenommen und in der Limousine hat er dann erklärt.“ Joey blinzelte seinen besten Freund an. „Er... Was? Er hat...meine Mutter hergeholt? Ich dachte, das wärst du gewesen?“ „Nja, ich war dabei. Als ich bei Seto im Büro war, hat er mich geschnappt und wir sind gleich los. Ich weiß auch nicht, er schien auf einmal kurz abwesend zu sein, als würde er vor sich hin träumen oder so und dann hat er gefragt, ob deine Mutter bei dir wäre und...“ Yugi schüttelte den Kopf. „Es war verwirrend und ich hab keine Ahnung, wie er darauf gekommen ist, aber wir sind los, ich musste ihm den Weg zeigen und dann haben wir sie geholt. Sie war erleichtert und ihm so dankbar! Als sie hier war, sagte sie, sie wäre schon früher gekommen, hätte sie gewusst, wie es dir geht.“ Joey sah seinen Freund lange an, dann sah er zu dem Stuhl, auf dem Seto bis eben noch gesessen hatte. Lange Zeit versanken die beiden in stummen Überlegungen zu Setos Verhalten, aber keiner stieg so Recht dahinter, was es damit auf sich hatte. „Er war noch hier, weil ich ihn darum gebeten habe.“, flüsterte Joey irgendwann und dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus, ganz langsam und noch zögerlich, aber es wurde stärker und wärmer. Mit diesem Lächeln sah er seinen besten Freund an. „Er liebt mich, Yugi.“ Sein Gegenüber lächelte zurück. „Und du liebst ihn immer noch.“ „Ich habe nie aufgehört, ihn zu lieben, sonst läge ich jetzt nicht hier. Du hast ihm sicher auch begreiflich gemacht, dass er daran Schuld ist, so wie ich dich kenne.“ Yugi kratzte sich am Kopf. „Ich wollte nur, dass es dir besser geht und es war mir egal, was ich dafür tun musste.“ Joey lachte und drückte Yugis Arm, kräftiger als in den letzten Tagen. „Hol mir noch eine Suppe, ja?“, fragte er mit glänzenden Augen. Yugi seufzte auf. „Gott, endlich wirst du wieder vernünftig.“ Er stand sofort auf und lief los, um Joey eine frische Suppe zu holen. Das Eis schien wirklich gebrochen und ab jetzt würde es nur noch aufwärts gehen mit Joeys Gesundheitszustand, dafür würde er, Yugi, schon sorgen. Auch, wenn das hieß, sich wieder mit Seto Kaiba anzulegen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)