Aufwallen der Gefühle von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 8: Familie kann helfen ------------------------------ Titel: Familie kann helfen Teil: 8/?? Autor: Ju-Chan86 Genre: Shounen-ai, Romantik, Drama Pairing: Seto x Joey Kommentar: Mir war mal wieder nach einer FF mit den Beiden. Disclaimer: Alles von Yu-Gi-Oh, gehört nicht mir und wer was anderes behauptet, der lügt! Kapitel 8: Familie kann helfen *~* Seto schälte sich aus dem Anzug, zog sich das Hemd vom Körper und kam nicht umhin, an eine Zwiebel zu denken, die zu lange auf dem Grill gelegen hatte und glasig geworden war. Angewidert verzog der Braunhaarige das Gesicht. Er hasste dieses schwül-warme Wetter der letzten Tage, kein Lüftchen ging und dennoch musste er Anzüge tragen, die er in diesen Tagen regelmäßig verfluchte. Er trug gern Anzüge, sah gern gut aus, aber wenn einem der Schweiß das Hemd vom Nichtstun durchtränkte, wollte er sie sich oft genug vom Körper reißen und nackt zur Arbeit gehen. Seto drehte das kalte Wasser an und stellte sich unter die Dusche. Genüsslich seufzte er auf. Hier ließ es sich doch leben. *~* Träge hing Joey an der Wand des Pools und sah in den blauen Himmel. Mike, Serenitys Mann, schwamm vor ihm seine Runden, aber selbst das war dem Blonden zu anstrengend. Serenity betrat vorsichtig das Becken, um sich von den 35° Celsius etwas abzukühlen. Man sah an der Vorsicht wie sie ihre Füße auf die nassen Fliesen setzte, dass sie bemüht war, nicht auszurutschen. Über ihren sich immer mehr wölbenden Bauch konnte sie kaum mehr ihre Füße sehen, die regelmäßig anschwellten. Die Tatsache, dass er an seiner Schwester sah, wie schnell die Zeit verging, machte Joey beinahe wütend, denn sie erinnerte ihn daran, dass er immer noch nicht bei Seto gewesen war. Plötzlich wurde sein Gesicht abgedunkelt. „Ist alles okay bei dir?“, hörte er Serenity fragen, die sich gerade in sein Gesichtsfeld schob. Bis eben hatte er Mike zugesehen und über ihn in längeren oder kürzeren Abständen den Kopf geschüttelt. Jetzt sah er in das gesunde, runde Gesicht seiner Schwester. „Nicht wirklich.“ Serenity lehnte sich neben ihn an die stabile Beckenwand und legte in einer für Schwangere völlig selbstverständlichen Geste die Hand auf den Bauch. Joey vermutete, dass den schwangeren Frauen das nicht einmal mehr richtig bewusst war. „Sag nicht, es ist immer noch dieser Seto.“ Joey machte ein unbestimmbares Geräusch, das etwas wie ‚Hmpf‘ klang und das schien seiner Schwester vollkommen auszureichen. „Was hast du jetzt schon wieder angestellt?“ Dass alle immer davon ausgingen, er hätte irgendwas angestellt! Er erklärte seiner Schwester, was vorgefallen war, während sie so etwas wie Nilpferdsport machte – es sah aus, als wolle sie unter Wasser einen Marathon rennen – und sah sie dann fragend an. „Das ist nicht nur gut gegen Cellulitis und für die Figur, sondern hält mich auch fit, also guck mich nicht mit diesem Blick an. Mike sagt auch, dass das unmöglich aussieht.“ Joey verkniff sich ein Grinsen. „Also, was sagen Sie, Frau Psychologin?“ Serenity sah ihn lächelnd an. „Ist doch easy, du fährst hin und fragst ihn nach der Adresse seiner Schwägerin. Übrigens nett von dir, dass du da an mich gedacht hast.“ Ihr Bruder blinzelte sie verständnislos an. „Ich soll…einfach hinfahren und nach der Adresse fragen?“ Serenity nickte. „Das und nichts weiter. Nicht mehr und nicht weniger.“ „Aber…“ Die Braunhaarige seufzte. „Joey, es ist doch mit euch Männern nicht anders wie mit uns Frauen: Läuft man euch nach, findet ihr uns langweilig, läuft man vor euch weg, rennt ihr uns hinterher.“ Joey hob ansatzweise eine Schulter und ließ die Worte auf sich wirken. War es so? Er wusste es nicht. Seine Gedankengänge wurden durch das Auftauchen von Mike unterbrochen, der sich lächelnd und schwer atmend zu ihnen gesellte. „Na ihr zwei. Alles in Ordnung bei euch?“ Er legte einen Arm um Serenity, die sich bereitwillig an ihn lehnte und sah Joey fragend an. „Wird schon wieder.“, antwortete der und lächelte zurück. „Nur die Hitze macht mir zu schaffen. Und du, Mike? Machst du nächstes Jahr bei Iron-Man mit?“ Sein Schwager lachte. „Ehrlich gesagt hab ich drüber nachgedacht, aber nächstes Jahr werde ich wohl mit anderen Dingen beschäftigt sein.“ Noch während er das sagte, tätschelte er Serenitys Bauch. Joey seufzte. „Muss Liebe schön sein. Ich schwimm ne Runde.“ Damit drehte er sich weg von den ach so Verliebten und paddelte unmotiviert im Wasser herum. Dass seine Schwester ihm erzählt hatte, dass sie in der Schwangerschaft immer wieder richtig Lust auf Sex hatte, auch mal zwischendurch, hatte ihn ab da an in solchen Situationen Reißaus nehmen lassen. Verlieb dich nicht wieder in mich, Joey. Leise seufzte der Blonde. Es war tatsächlich schon zu spät. Kaum, dass Seto das ausgesprochen hatte, hatte Joey gewusst, dass er sich wieder einmal in den kaltblütigen, hartherzigen Geschäftsmann und seinen ehemaligen besten Freund verliebt hatte. Es schien ihm eine halbe Ewigkeit her zu sein, dass er mit Seto zusammen Tee getrunken hatte und noch länger, dass der ihn geschlagen hatte und noch viel viel länger, dass sie befreundet gewesen waren und doch konnte sich Joey an all das erinnern, als wäre es erst heute passiert. Der Blonde drehte am Ende der Bahn um und schwamm in die andere Richtung. Oder hatte er nie aufgehört, den Braunhaarigen mit den eisblauen Augen zu lieben? Setos Augen… Wieder entfuhr Joey ein Seufzen als wäre er gerade 13 Jahre alt und das erste Mal richtig verknallt. Manchmal kam es ihm vor, als könne er in Setos Augen versinken, als könne er von dort aus in eine andere Welt fallen, vielleicht eine aus Eis, in einer Höhle, in der es tropfte und in der einen die Kälte zittern ließ. Aber Joey erinnerte sich auch an Momente, in denen er gedacht hatte, Setos Augen wären eine Mauer aus Eis, hinter die er nicht schauen konnte, die so lang war, dass er sie nicht umrunden konnte und so glatt, dass er immer daran abrutschte, sobald er versuchte, sie zu erklimmen. Er hätte sich wirklich nicht wieder in ihn verlieben sollen. Das würde ihm noch großes Unglück bringen, er sah es kommen. Das ließ sich in Setos Gegenwart auch kaum vermeiden, aber so wütend, zornig und aggressiv er Seto oft fand, so verletzlich, verlassen, einsam und einfühlsam war er auch. Eine plötzliche Wut ergriff den Blonden und er schob das Wasser mit kräftigen Zügen vor sich her. An allem war Setos Vater Schuld! Dass sich Mike und Serenity derweil über ihn unterhielten, hörte er nicht, so sehr war er in Gedanken. „Wie geht es ihm?“, fragte Mike besorgt. Ihrer beider Blicke lagen auf Joey. „Er ist heillos verliebt.“ Mikes Blick glitt zu seiner Frau, fragend, eine Ausführung fordernd. „Ich bekomm das schon hin.“, versicherte sie ihrem Mann lächelnd. „Er bekommt das auch hin. Auch wenn sein Auserwählter nicht gerade die perfekte Wahl ist und sogar ziemlich verkorkst, kriegen wir das hin.“, sagte sie noch einmal fester. Mike nickte zufrieden. „Ich vertrau dir, Schatz, aber bitte, überanstreng dich nicht, hörst du?“ Serenity schüttelte den Kopf. „Hab ich dir schon gesagt, dass du mich bald öfter mal los bist?“ Ihr Mann sah sie unter nassen schwarzen Haaren fragend an und wieder bedarf es keiner Worte, damit die beiden sich verstanden. „Die Schwägerin von Joeys Schwarm ist auch schwanger und wenn ich erst ihre Adresse habe, dann können wir uns lange über Milch, Erziehung, Windeln, Wiegen, die Geburt und Babysachen unterhalten.“ Mike verzog das Gesicht. „Uäh, na zum Glück muss ich mir das dann nicht mehr anhören.“ Serenity lachte ihr helles Lachen und küsste Mike auf die Wange. „Nein, musst du nicht. Tust du mir einen Gefallen?“ „Hm?“ „Setzt du Teewasser auf?“ Mike nickte lächelnd. „Klar. Ich deck auf der Terrasse, kommt nach, wenn ihr hier fertig seid.“ Serenity nickte und sah ihm nach, wie er in geschmeidigen Bewegungen das Wasser verließ. Sie hätte ja auf der Stelle schon wieder... Aber jetzt ging es ja erstmal um ihr Brüderchen. Das kam gerade auf sie zu geschwommen, außer Atem und ausgepowert. „Wo ist Mike?“, war das erste, was er raus bekam, nachdem er sich etwas beruhigt hatte und mit einer Gänsehaut auf den Armen am Pool hing. „Tee kochen.“, kam prompt die Antwort und Joey lächelte, strich sich das blonde Haar aus der Stirn. „Scheint in der Familie zu liegen das mit dem Tee.“ Seine Schwester lachte. „Ja, scheint so.“ Sie lehnte ihren Kopf zurück und sah in den Himmel. Joey konnte den Duft ihres Shampoos riechen, starrte aber nur auf den vertrockneten Rasen. „Ich fahre also zu ihm und frage ihn nach der Adresse.“, sagte er nach einer Weile leise in die Stille hinein. Langsam drehte er den Kopf zu seiner Schwester. Serenity lächelte ihn an und nickte. „Genau. Und innerhalb einer Woche steht er bei dir vor der Tür.“ „Hm. Wer garantiert mir das?“ Seine Schwester grinste. „Niemand. Bei seinem Sturkopf könnte es auch länger dauern, aber glaub mir, er kommt.“ Joey seufzte und schwieg wieder, sah zu einem noch kleinen Kirschbaum, dessen Blätter schlapp der Sonne trotzten. „Ich fahre also zu ihm und frage nach der Adresse.“, wiederholte er irgendwann, dann stellte er die Beine auf den Boden, nahm seine Schwester am Arm und führte sie aus dem Becken, um mit ihr und seinem Schwager Kuchen zu essen und Tee zu trinken. *~* Seto sah auf das Glas in seinen Händen, in dem sprudelndes Wasser leise hin und her schwappte, wenn er es schwenkte und seine Gedanken schweiften ab, sogen ihn in einen Strudel aus Erinnerungen, reisten mit ihm weit in die Vergangenheit und blieben dann abrupt an einem Nachmittag stehen, an dem es genau so heiß war. Als Außenstehender sah Seto auf die Szene vor ihm und er erinnerte sich: Es war der Nachmittag, an dem er mit Joey noch einmal in die Schule musste, um für ein Theaterstück zu proben. „Ich hab aber keine Lust!“, maulte der junge Seto, während sich der ältere fragte, wie alt sie damals waren. Acht? Zehn? „Du musst aber! Das zählt in unsere Endnote ein und du willst doch gut abschneiden.“ „Aber nur, weil wir dann unser Café aufmachen können.“ „Ja genau, also komm!“ Der junge Seto war stehen geblieben, aber Joey griff ihn an der Hand und zog ihn weiter. Warum war Yugi noch mal nicht dabei gewesen? Es wollte Seto nicht einfallen. War er nicht in der AG gewesen oder war er krank? Er wusste es nicht mehr. Der Anblick schien so vertraut, die beiden Jungen Hand in Hand, beste Freunde… Seto hätte sich ewig daran erinnern können, doch… „Mr. Kaiba, was halten Sie davon?“, riss ihn die kalte Stimme eines Erwachsenen aus seinem Tagtraum und plötzlich fand sich der Braunhaarige in dem Beratungszimmer wieder, alle Augen auf ihn gerichtet. Kurz strich er sich durchs Haar. „Könnten Sie Ihren Vorschlag noch einmal wiederholen, Mr. Karusatra?“ Dieser nickte und begann von vorn und Seto musste sich angestrengt konzentrieren, um dem Mann zu folgen und nicht wieder in Erinnerungen zu versinken. *~* Unschlüssig stand Joey vor dem hohen Gebäude, wie er es schon einmal getan hatte. Sollte er wirklich? Zögerlich machte er einen Schritt vorwärts, dann wieder einen zurück. Es war schon 22 Uhr durch und doch konnte er sich nicht vorstellen, Seto nicht hier anzutreffen. Natürlich wollte er es gern, natürlich wollte er einfach da hoch gehen und mit ihm reden, ihn in den Arm nehmen und… Aber Serenity hatte gesagt, er solle nur die Adresse holen. Würde er das können? Der Blonde schüttelte den Kopf. Würde er nicht… Musste er aber! Es gab jetzt kein Zurück mehr, nun war er schon mal hier, also würde er sich jetzt auch die Adresse holen! Unerwartet entschlossen trat er in das Gebäude und auf dem glatten Boden klangen seine Schritte unnatürlich laut. Er drückte auf den Knopf, um den Fahrstuhl zu holen und wartete. Konnte ja schon mal eine Weile dauern bei einem so hohen Gebäude und so vielen geschäftigen Menschen. Joey kam sich in der Masse der Geschäftsmänner klein und einsam vor, unzugehörig und fühlte sich, als würde er untergehen. Er hätte ja auch nicht gedacht, das um diese Uhrzeit hier noch so viel los war. Als der Fahrstuhl ankam, musste er mehrere Schritte zurücktreten, um die übermüdeten und mürrischen Männer durchzulassen – tatsächlich sah Joey nur eine Frau. Dann jedoch blieb sein Blick plötzlich an einem blauen Augenpaar hängen, das er unter Hunderten erkannt hätte. „Seto.“, flüsterte er und hielt dem Blick stand, sah dem Mann entgegen, der aus dem Fahrstuhl trat. „Da mögen Sie vielleicht Recht haben, Riley, aber ich bin dennoch anderer Meinung, was das Thema betrifft. Bright und Söhne sind eine angesehene Firma, wir sollten es uns überlegen, ihr Angebot anzunehmen.“ Wie erstarrt stand Joey da, sich seiner kalten Hände nur zu bewusst, und sah Seto an, der wie zufällig neben ihm stehen blieb. „Wir können das ja auch morgen noch diskutieren, aber denken Sie darüber nach.“ Dieser Riley, ein kleiner zarter Mann mit umso größerer Brille, nickte und verstand den Wink. „Dann einen schönen Abend noch, Mr. Kaiba.“ Seto erwiderte nichts, stattdessen wartete er, bis die Menschenmassen sich gelichtet hatten, bevor er in Joeys Richtung nur einmal kurz mit dem Kopf ruckte und dann vorauslief zum Firmenparkplatz. Joey, der die Richtung nicht kannte, folgte ihm verwirrt und unsicher. „Was willst du hier?“, fragte Seto, als sie sich an der frischen Luft befanden und der nach Abgasen riechende Wind sie umwehte. Joey straffte die Schultern. Nicht mehr und nicht weniger, sagte er sich. „Nur die Adresse deiner Schwägerin. Du kannst sie mir ja eben aufschreiben.“ Seto blieb neben einem nachtschwarzen Gefährt stehen, dessen Marke Joey nicht kannte und sah den Blonden kurz mit einem zweifelnden Blick an. „Natürlich.“, sagte er dann als hätte er sich nicht eine Sekunde gefragt, warum Joey nicht reden wollte. Der wusste natürlich längst, dass Seto sich genau das gefragt hatte und jetzt an seinem Verstand zweifelte. Er zückte einen Stift und einen Zettel aus seiner Hosentasche und hielt beides Seto entgegen. „Hier.“ Seto griff nach den Utensilien ohne eine Sekunde lang die Miene zu verziehen, dann begann er, Namen, Adresse und Telefonnummer zu notieren. „Nichts weiter?“, fragte er dann doch noch einmal nach, als er Joey den Zettel und den Kugelschreiber zurückgab. Lass mich dich lieben, bettelte Joey im Stillen, doch äußerlich schüttelte er nur den Kopf. „Nichts weiter.“, sagte er mit belegter Stimme, die ihm selbst unheimlich zittrig vorkam. Seto nickte, ein angedeutetes Lächeln in den Mundwinkeln, das Joey aufgrund seiner Seltenheit beinahe den Mut verlieren ließ. „Na dann.“ Joey nickte knapp und drehte sich auf dem Absatz um. Er hielt die Luft an, bis er wieder in dem noblen Gebäude war, in dem ihm die stickige Wärme des Tages entgegenschlug, die ihm eben nicht aufgefallen war. Seine Handinnenflächen waren jetzt feucht und er seufzte erleichtert auf. Bis eben hatte er Setos Blicke auf seinem Rücken gespürt, jetzt ließ er die Schultern sinken. Seine Knie zitterten und er tat einen wackeligen Schritt vor den anderen. Joey suchte Rettung in einem Sitzmöbel, das nicht nur unbequem war, sondern auch muffig nach Zigarrenrauch roch. Geschlagene fünf Minuten blieb er ruhig sitzen, dann lobte er sich grinsend für seinen Mut und seine Standhaftigkeit, auch wenn er noch nicht wusste, ob Serenitys Plan aufgehen würde. Als er sich langsam erhob und durch die Tür nach draußen trat, fühlte er sich schon wesentlich besser. Gleich am darauf folgenden Donnerstagnachmittag machte er sich auf den Weg zu seiner Schwester, um ihr von seinem gelungenen Abenteuer zu erzählen und die war nicht nur glücklich über die Adresse, sondern auch stolz auf ihren älteren Bruder. Auch ältere Brüder brauchten mal einen Anstoß – oder gerade die? „Ich sag dir, in ein paar Tagen steht er in deiner Tür und fragt, warum du nicht noch mehr wolltest.“ Joey schüttelte energisch den Kopf. „So ist Seto nicht.“ Serenity stopfte sich das selbst gemachte Sandwich in den Mund – Salat, Mayonnaise, Ketchup, Senf und eine Scheibe Wurst dazwischen, auf die sie vorher geflissentlich Marmelade geschmiert hatte – und grinste ihren Bruder an. „Abwarten.“, sagte sie mit vollem Mund. Joey lächelte und tippte auf den Zettel mit Setos Schrift. „Meldest du dich bei ihr?“ Serenity nickte. „Klar. Wir müssen zusammenhalten, wir Schwangeren.“ Joey nickte nur und sah noch eine Weile auf Setos eckige, kantige Schrift. Als würde sie seinen Charakter wiedergeben, dachte er. Schon den gestrigen Abend hatte er damit verbracht, sie zu analysieren, auch wenn dabei natürlich nicht viel rauskommen kann. Er fühlte sich aber unheimlich gut dabei, Setos Schrift bei sich zu haben als hätte dieser ihm geschrieben. Es vergingen zwei Tage, in denen Serenity sich überhaupt nicht meldete, dann vergingen drei, in denen sie täglich anrief, sich nach Seto erkundigte und von ihrer neuen Bekanntschaft Cynthia erzählte und es vergingen noch einmal drei, in denen sie bei jedem Telefonat mit Joey an sich selbst zweifelte und ihren Plan verteufelte, Psychologin zu werden, aber Joey hatte jedes Mal nur ein und dieselbe Nachricht für sie, auch, wenn er es gern ändern würde. Seto kam nicht, er meldete sich, wahrscheinlich hatte er mit dem ganzen Kapitel Joey Wheeler abgeschlossen, weil der ja augenscheinlich das Interesse verloren hatte. Joey verfiel mit den Tagen in eine Trauer, die der gleichkam, wenn man einen Teil von sich selbst verlor. Sein Café lief auf Hochtouren, was auch damit zu tun hatte, dass er im Sommer kalte Tees als Spezialität anbot, die sehr gut erfrischten und sich auch zu Wassereis verarbeiten ließen, das er ebenfalls anbot. Es waren Ferien, Touristen waren in der Stadt und er hatte schon vor einem Jahr dafür gesorgt, dass sein Café auch in Stadtführern, -rundfahrten und Flyern vorgestellt wurde, was jetzt dazu führte, dass er kaum genug Aushilfen hatte für die Arbeit, die zu tun war. Er selbst zog sich zurück, bediente zwar freundlich und zuvorkommend, aber nicht mit der Selbstverständlichkeit, die er früher an den Tag gelegt hatte. Zum Glück fiel das den Saisongästen nicht sonderlich auf, nur seine Stammkunden warfen ihm skeptische Blicke zu und fragten sogar die Aushilfen nach ihm, die genauso wenig wussten wie die Gäste. Eines Abends schloss er sein Café noch später als sonst, zog die Gitter vor die Fenster und hängte ihnen das Schloss um. Langsam trottete er um die Ecke zu dem hohen weißen Wohnhaus, in dem er wohnte. Gerade wollte er in die Tasche greifen, um seinen Schlüssel hervorzukramen, da entdeckte er eine Gestalt vor der Tür stehen, die Hände in den Taschen, scheinbar ruhig. Joey erstarrte in der Bewegung, sah einen Moment nur Seto an, der in diesem Augenblick einen Schritt nach vorn unter die Straßenlaterne tat. Dem Blonden stockte der Atem, so intensiv traf ihn der Blick aus den diesmal so tiefen Augen. Bedächtig, beinahe vorsichtig ging er weiter, auf den Braunhaarigen zu, dessen Auftauchen er so lange herbeigesehnt hatte. Nicht einmal ließ er Seto aus den Augen, nicht einmal zögerte er jetzt noch und alle Zweifel an Serenitys Plan waren vergessen. Dennoch erinnerte er sich an ihren Rat, den sie ihm gegeben hatte für den Fall, dass Seto noch auftauchte. Also ging Joey direkt an ihm vorbei, suchte nun doch den Schlüssel hervor und nahm seinen Hausschlüssel zwischen die Finger, als wolle er im nächsten Moment die Tür aufschließen. Unnatürlich laut klangen Kleinigkeiten wie das Blätterrauschen, der Wind in Setos Mantel, seine schlürfenden Schritte, das Klirren des Schlüsselbundes und das weit entfernte Bellen eines Hundes in seinen Ohren. Joey hatte schon den Schlüssel im Schloss stecken, als er Seto einatmen hörte. „Darf ich mit rauf kommen?“ Nur eine Sekunde zögerte der Blonde, dann drehte er den Schlüssel im Schloss. „Was willst du denn?“ Hartbleiben, sagte er sich, standhaft und sicher. Wie er sich fühlte, darüber wollte er lieber nicht nachdenken. Es war aber mit Sicherheit alles andere als sicher. „Mit dir reden.“ „Worüber?“ Joey schob die Tür auf und trat in den Flur, in dem sofort Licht ansprang. Einen Moment lang fand er das schade. Er hörte, wie Seto hinter ihm sich in die Tür schob, damit diese nicht wieder ins Schloss fiel. „Neulich Abend.“ Joey trat zwei Stufen nach oben und warf Seto dann einen kurzen Blick zu. „Dann komm halt mit, wenn’s sein muss.“ Sein Herz raste, als er die Treppen zählte. Es waren vier Stück bis zu seiner Wohnung, einmal hatte er sogar die Stufen gezählt, aber die Zahl war ihm entfallen. Seto schwieg, aber Joey hörte seine schweren Schritte hinter sich, hörte das leise Rascheln seines Mantels, wenn dieser sich aufgrund der Bewegungen an Setos Beinen rieb oder an der Wand entlang strich. Es war eine verwirrende Mischung aus Angst, Glück, Hoffnung, Zuversicht und einigen anderen Gefühlen, die Joey nicht näher benennen konnte, die ihn beherrschte, als er die Tür zu seiner Wohnung aufschloss und zur Seite trat, um Seto hinein zu lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)