Aufwallen der Gefühle von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 4: Das Klassentreffen ----------------------------- Titel: Das Klassentreffen Teil: 4/?? Autor: Ju-Chan86 Genre: Shounen-ai, Romantik, Drama Pairing: Seto x Joey Kommentar: Mir war mal wieder nach einer FF mit den Beiden. Disclaimer: Alles von Yu-Gi-Oh, gehört nicht mir und wer was anderes behauptet, der lügt! Kapitel 4: Das Klassentreffen „Wirklich, ich möchte nicht. Mir geht es nicht gut, das weißt du doch.“ Joey lag im Doppelbett seiner Wohnung, hatte die Decke über sich gezogen und lauschte auf die melancholische Musik eines Violinespielers, die aus dem Lautsprecher seiner Anlage drang. „Aber das ist unser erstes Klassentreffen, Joey! Da lass ich dich doch nicht Zuhause sitzen!“ Schade eigentlich, man, Yugi war aber auch stur! „Ich hab keine Lust, Yugi, wirklich nicht.“ „Was machst du grad? In Selbstmitleid baden unter deiner Bettdecke, irgendeine traurige CD im Player?“ Joey schnaubte. „Du bist fies! Ich darf ja wohl im Selbstmitleid baden?! Das hab ich mir verdient!“ „Jetzt hör auf, an den Kerl zu denken, zieh dir was Hübsches an und dann holen wir dich ab.“ „Ich will nicht! Verstehst du das nicht?“ „Doch, aber ich lasse dir keine Wahl. Los, mach schon, wir haben extra die Kinder zu Trishs Eltern gebracht.“ Joey seufzte. „Dann macht euch doch lieber einen schönen Abend und grüßt alle schön. Ich bleib hier.“ Der Blonde hörte Geraschel am anderen Ende und dann Trishs Stimme. „Du bist keine 12 mehr, zieh dich an und los geht’s. Kann nicht schaden, wenn du mal rauskommst. Außerdem habe ich keine Lust, nur wegen dir meinen muffeligen Mann am Hals zu haben.“ Grummelnd schlug Joey die Decke zurück und starrte sofort auf ein eingerahmtes Foto von Yuri Kamatsu – seinem Exfreund. Wütend schlug er das Bild runter auf den Nachttisch, um nicht mehr das dämliche Grinsen des Mannes, mit dem er fünf Jahre zusammen gewesen war, anzusehen. Von dem ließ er sich doch nicht die Stimmung vermiesen! „Okay. Wann seid ihr hier?“ Trish lächelte, das konnte er hören. „In einer halben Stunde. Bis dann.“ Joey legte auf und stand schwerfällig auf. Eigentlich ließ er sich doch die Stimmung vermiesen. Er wollte da nicht hin, nicht ohne Begleitung. Er war bestimmt der einzige, der allein zum Klassentreffen ging. Klar, 10 Jahre waren ja auch genug Zeit, die Liebe für’s Leben zu finden. Bei einigen stand die Liebe schon vor 10 Jahren fest... Joey dachte an Yugi und Trish, glücklich, verheiratet, zwei kleine Kinder, einen Jungen, ein Mädchen – die perfekte Traumfamilie. Joey schnaubte. Er hätte auch gern eine Traumfamilie. Nur eben mit einem Mann. Schien schwieriger zu sein als eine Frau zu finden. Langsam schälte sich der 28jährige aus den Schlabberklamotten, die er heute trug. Sobald er sich von seinem kleinen Laden loseisen konnte, schlüpfte er in diese Sachen. Zumindest hatte er es seit zwei Wochen so getan. Yuri, dieser Arsch! Wütend zog Joey eine Jeans und ein langärmeliges Hemd mit tiefem Ausschnitt aus dem Schrank. Er würde sich hübsch machen. Dass man ihm seine Homosexualität ansah, war ihm egal, damit kam er schon lange klar. *~* „Referenzen?“ „Ich kann welche besorgen, Sir. Ich war in Sydney bei einem großen Unternehmen anstellig.“ „Warum sind Sie das nicht mehr?“ „Ich habe ein Kind bekommen, Mr. Kaiba.“ Setos Augenbrauen flogen nach oben. „Noch weitere Kinder geplant?“ „Das muss ich Ihnen nicht beantworten.“, sagte die Rothaarige vor ihm. Clever... Klar, als Sekretärin hatte sie früher selbst solche Gespräche geführt. „Hm. Warum jetzt Japan?“ „Persönliche Gründe.“ Sie schlug die Beine übereinander. „Scheidung? Fernweh?“ „Wie ich bereits sagte...“ Seto unterbrach die Bewerberin rüde. „Schon gut. Wir sind fertig.“ Er erhob sich und sah ihr fest in die Augen. „Wir geben Ihnen dann Bescheid.“ Völlig verdutzt stand die Frau auf und griff nach ihrer Handtasche. Als sie ihn ansah, schien sie sich wieder gefangen zu haben. „In Ordnung, danke.“ Erschöpft ließ sich Seto Kaiba auf den Chefsessel fallen. Die ging gar nicht. Erstens wollte sie noch Kinder, zweitens war sie viel zu dominant. Er wollte jemanden, den er lenken konnte. Und genügend Bewerberinnen gab es ja. *~* Yugi parkte die Familienkutsche in einer Nebenstraße in einer 30er-Zone. Für ihr Klassentreffen hatten die Zuständigen aus ihrer Ex-Klasse ein gemütliches italienisches Restaurant in der Nobelgegend der Stadt ausgewählt. Joey trat auf die Straße, Yugi und Trish hatten während der Fahrt über Phil und Tsatsu – ihren Sohn und ihre Tochter – gesprochen und er war froh, jetzt an die frische Luft zu kommen. Trish hatte bei ihrem Sohn darauf bestanden, ihm einen englischen Namen zu geben. Bei der gemeinsamen Tochter hatte Yugi alles gegeben, um ihr einen japanischen Namen geben zu dürfen. Wie ungerecht das den Kindern gegenüber gewesen war, war ihnen dabei nicht aufgefallen. Glücklicherweise gab es keine Streitereien, jedes der Kinder war zufrieden mit seiner Namensgebung. Auf dem Weg ins Restaurant schienen sich die ach so glücklichen Eltern zusammenzureißen, keiner sprach mehr von den Kindern. Vielleicht lag es ja auch daran, dass Joey so ruhig geworden war. Er mochte die Kinder, aber er hatte einfach nur schlechte Laune im Moment. Gerade dachte er daran, dass er doch hätte Zuhause bleiben sollen. Was hatte er denn vorzuweisen? „Du hast doch auch was, was bestimmt keiner sonst hat.“, sagte Yugi als hätte der seine Gedanken gelesen. „Eine einsame Wohnung, ein einsames Bett, wenig Geld für ein Leben zu zweit...“ „Aber du hast deinen eigenen Laden! Erinnerst du dich? Das war doch dein Traum, dein Ziel.“ „Ja klar.“, motzte Joey. Lächelnd stieß Trish ihn an. „Du hast sicher genauso viel zu erzählen wie wir. Jetzt lächle ein bisschen, dann siehst du gleich noch hübscher aus.“ Sie hatte ja Recht. Als sie das Lokal betraten, hatte Joey ein gewinnendes Lächeln aufgesetzt. Er hatte sein kleines Straßencafé, das sollte ihm erstmal jemand nachmachen. Und außerdem konnte er die Gelegenheit hier nutzen, um Werbung zu machen. War doch perfekt! Vor den in einem freundlichem Orangeton gestrichenen Wänden mit den toskanischen Bildern hatten sich kleine Männchengrüppchen gebildet: Alles Ehemalige mit ihren Anhängseln, alles Menschen, mit denen Joey und Yugi mal in eine Klasse gegangen waren, stellte der Blonde fest. Er hätte nicht gedacht, dass überhaupt so viele kommen würden, aber sie waren da. Trish legte als einzige ihre Jacke ab, weil sie die einzige war, die eine trug. Aus dem Stimmengewirr, das ihm so gegensätzlich erschien zu seiner stillen Wohnung, hörte er Gesprächsfetzen: „...machst du heute?“ „...und drei Kinder.“ „Und du?“ „...makler. Möchte mich selbständig machen.“ Er hätte doch nicht herkommen sollen. Alle waren so aufgeregt, so nervös und gespannt. Im Grunde war das Leben doch nur ein einziger Wettkampf. Gerade hier zeigte sich, wer es zu etwas gebracht hatte und wer nicht. Hier zeigte sich, ob man Geschäftsmann oder ein Familienmensch war, hier zeigte sich, wer besser war als die anderen. Da Yugi und Trish schon besser waren als er, machte sich Joey keine großen Hoffnungen. „Joey Wheeler und Yugi Mutô!“ Eine junge Frau trat auf sie zu und Yugi grinste. „Mia! Schön ist es geworden. Darf ich dir meine Frau Trish vorstellen?“ Trish trat vor, die Frauen reichten sich die Hände und plauderten sofort drauf los. Yugi grinste und sah seinen besten Freund an. „Was wollen wir machen?“ Joey zuckte nur die Schultern. „Ach komm schon, wir wollten uns doch amüsieren.“, argumentierte Yugi, dann schien er jemanden zu entdecken. „Schau mal, da ist Hamaru! Hu, ob das seine Frau ist?“ Joey rollte mit den Augen. „Wer denn sonst? Seine Schwester ist es bestimmt nicht.“ „Du bist miesepetrig, komm, wir gehen hin und reden ein wenig mit den beiden.“ Der Blonde seufzte. „Okay.“ *~* „Referenzen?“ „Natürlich, Mr. Kaiba, Sir.“ Ein Stapel Blätter landete vor seiner Nase, den er kurz durchblätterte. „In Ordnung. Ich sehe, Sie waren eine Zeit lang in Europa tätig?“ „Jawohl Mr. Kaiba, Sir.“ „Warum wollen Sie jetzt hier in Japan arbeiten?“ „Ich bewundere Sie und Ihr Unternehmen, Sir.“ Oh Himmel! Was sollte er denn damit anfangen? „Aha. Aber warm Japan?“ Sie blinzelte. „Ich verstehe nicht, Sir.“ Seto schlug sich innerlich mit der Hand an den Kopf. „Verheiratet?“ „Ja, Sir?“ Wie aufrecht und steif sie schon dasaß. „Kinder?“ „Nein, Sir, noch nicht, aber warum...“ „Kinder geplant?“ „Nicht, wenn Sie das nicht wollen, Sir.“ Seto erhob sich. „Wir sind fertig. Ich melde mich dann bei Ihnen.“ „Oh... Ja.“ Die junge Blondine erhob sich und schubste beinahe vor Nervosität den Stuhl um. „Natürlich, vielen Dank.“ Als sie den Raum verlassen hatte, nahm Seto einen großen Schluck Kaffee. Arschkriecher konnte er auch nicht gebrauchen, schon gar nicht solche. * ~* „Und Joey, was machst du so?“ Gerade hatte er gegähnt, da hatte Mia auf sich aufmerksam gemacht. „Ich hab ein Straßencafé.“, sagte er stolz wie ein kleiner Junge. Mia war früher immer schon die Schülersprecherin gewesen, jetzt musterte sie ihn lange und blieb schließlich an seinen Händen hängen. „Echt? Cool. Wo denn? Ich komm gern mal vorbei.“ Joey versteckte seine Hände. „Am Markt direkt, nicht zu verfehlen.“ Er war immer noch stolz. Viele hatten schon zugesagt, ihn mal besuchen zu kommen. So richtig wollte er das nicht, aber es würde Geld bringen und das – nur das – zählte. „Ah! Und...sonst so?“ Er beobachtete wie sie sich umsah, wahrscheinlich suchte sie Rettung in einem neuen Gesprächspartner. „Falls du einen Ring suchst, ich habe keinen. Ich bin nicht verheiratet, weil ich nicht auf Frauen stehe.“, sagte er schließlich trocken. Zufrieden sah er die Veränderung in ihrem Gesicht und dann das allmähliche Verstehen. „Ach...so! Deshalb! Hab mich schon gewundert.“ Joey nickte nur. „Hab ich gesehen.“ „Bist du deshalb auch so schick angezogen?“ Der Blonde sah an sich herunter. Die schwarze Jeans, das weiße, weit offene Hemd. Sah man denn wirklich gleich, dass er schwul war? War das Outfit zu übertrieben? „Gefällt’s dir?“ „Sieht super aus, steht dir. Du hast Geschmack.“ „Danke.“ „Kein Problem. Oh, ich seh grad, dahinten kommen Kenny und seine Freu. Amüsier dich!“ Joey sah der kurzhaarigen Brünetten nach und wandte sich dann der Bar zu. Was er jetzt brauchte, war eine schöne kalte Cola. Er trank keinen Alkohol, hatte er noch nie. Sein Vater hatte getrunken vor seinem Tod. Joey würde das mit Sicherheit nicht machen. Niemals. „Hey, da bist du ja. Yugi sucht dich schon überall.“ Die Frau seines besten Freundes stand neben ihm, ein gefülltes Weißweinglas in der Hand. „Ach ja?“ Der hatte ihn ja stehen lassen, also geschah ihm das nur recht. „Ja, er hat es sofort bereut, dich stehen gelassen zu haben.“ So ein Mist! Joey schnappte sich seine große Cola. „Dann lass uns zu ihm gehen.“ Trish nickte und zusammen gingen sie zu Yugi, der sich tatsächlich suchend umsah. „Sieh mal, wen ich gefunden habe!“, protzte Trish und ihr Mann drehte sich zu ihnen um. „Da bist du! Ich hab dich schon gesucht!“ „Ach, ich hab mich nur etwas umgesehen und mir was zu trinken geholt.“ Joey hielt sein Glas hoch und Yugi nickte. „Ich dachte schon du wärst wieder nach Hause gegangen.“ „Noch nicht.“ Joey nahm einen Schluck Cola, der ihm im Mund kribbelte. „Na toll.“ Trish stieß Yugi an und deutete auf eine junge Frau. „Also kommst du klar?“ Joey nickte. „Ich komme mehr als klar.“ Der Blonde sah seinen besten Freunden und Stammkunden nach. Die hatten schon wieder jemanden zum Reden gefunden. Joey machte sich wieder daran, Werbung für sein Straßencafé zu machen. Er hatte jetzt keine Flyer dabei, aber die meisten wohnten noch hier in der Nähe und kannten daher den Markt. Bald würde sein Café voll sein, das würde ein guter Monat werden. Nach einer Stunde Erklärungen trat Joey vor die Tür. Er wollte mal nicht verqualmte, saubere und kühle Luft einatmen. Mittlerweile war es spät am Abend, der Himmel über dem Blonden war pechschwarz und glitzerte vor Sternen. Einen Mond sah er nicht, vielleicht war ja sogar Neumond, er wusste es nicht. Als Joey sich umdrehte, sah er eine große Silhouette vor sich im Schatten. Der Mann sah genauso erschrocken aus wie er und es dauerte eine Weile, bis Joey ihn erkannte. „Seto!“ *~* „Sehr gut, das gefällt mir.“ Seto nickte zufrieden. „Freut mich, Mr. Aiko.“ „Haben Sie den Vertrag da, dann machen wir gleich alles fertig.“ Der braunhaarige Geschäftsführer zog aus einer schwarzen Tasche mehrere Seiten Papier. „Natürlich, ich habe alles dabei.“ Mr. Aiko nickte, zog sich die Blätter ran und las sie sich aufmerksam durch, während Seto einen Schluck Kaffee trank. „Über die Beteiligung lässt sich nicht reden. 80% gehen an mich.“ Sein neuer Geschäftspartner blinzelte. „50, 50.“ Seto schüttelte den Kopf. „80, 20.“ „60, 40.“ „80, 20. Es bleibt dabei.“ „70, 30?“ „Nein, 80, 20.“ Mr. Aiko schnaubte wütend, aber Seto wusste, was er wert war, beziehungsweise was seine Produkte wert waren. Und Seto wusste, dass Mr. Aiko dringend jemanden suchte, der mit ihm Geschäfte machte. Nicht umsonst hatte er dem japanischen Lieferanten den Deal vorgeschlagen. *~* Joey starrte seinen ehemaligen Schulkameraden an. Vor ihm stand tatsächlich Seto Kaiba! Und der starrte ihn, Joey, genauso verdutzt an. Er sah aus als ob Joey ihn bei irgendwas Verbotenem erwischt hatte. „Was machst du denn hier?“, fragte der Blonde und Seto zuckte zusammen. Wie lange hatte Joey nicht mehr an seinen ehemaligen Freund denken müssen? Und jetzt hatte er ihn auch noch beim Vornamen genannt! Nun bewegte sich der Braunhaarige, ging auf eine Bank zu, die in der Nähe stand und setzte sich. „Das ist auch mein Klassentreffen, Wheeler.“ Seto wirkte erschöpft, aber schien sich wieder gefangen zu haben. Er trug einen dunklen Anzug, sein Haar lag eleganter als früher und Joey wusste nicht wieso, aber in diesem Moment waren all die Gefühle von damals wieder da. „Ja klar.“ Wie angewurzelt war Joey stehen geblieben. Jetzt dachte er, dass sich niemand in dem italienischen Restaurant Seto vermisste. Und Joey dachte auch daran, dass er jetzt nicht mehr der einzige war, der allein hier war. „Überlegst du noch, ob du reingehst?“ Seto hob den Blick und sah Joey in die Augen. Wie früher, dachte der, immer noch genauso kalt. „Lass mich in Ruhe, Wheeler.“ Joey musste grinsen. „Nach 10 Jahren hast du mir nichts anderes zu sagen?“ „Ach komm, verpiss dich einfach.“ Die Anspannung des Blonden fiel ab, er trat auf Seto zu und setzte sich einfach neben ihn. „Wir sind 10 Jahre älter, ich bitte dich.“ „Ich meine es ernst.“ Fest sah Joey Seto in die Augen. Nur von den Sternen angeleuchtet wirkten sie richtig gefährlich. „Ich auch. Also was machst du so?“ „Halt die Klappe!“ „Wozu?!“ Plötzlich war die Wut da, die Wut von damals mit der von heute. Wut darüber, dass Seto einfach aufgehört hatte, mit ihm zu sprechen, Wut über die Beendigung der Freundschaft, die sie gehabt hatten und Wut darüber, dass es heute noch genauso war. „Du bist nicht der einzige Mensch auf der Welt, Seto Kaiba! Ich seh gar nicht ein, warum ich schweigen sollte! Nur damit du deine verdammte Ruhe hast?! Die hattest du 15 Jahre lang!“ Seto schnaubte. „Hast du ein Problem?“ Wütend stand Joey auf. „Ob ich ein Problem habe?! Du bist es, der hier Probleme hat! Du mit deiner ach so tollen Firma, mit deiner superreichen Familie, mit Limousinen und Häusern und weiß ich nicht noch was!“ Joey blieb vor Seto stehen. „Aber weißt du, was dir fehlt?“ Seto sah ihn unbewegt an. „Freunde, Seto. Wahre Freunde. Das war es dir Wert? Deshalb hast du Yugi und mich fallenlassen?“ Mit einem Sprung war Seto auf den Beinen. Einen Augenblick dachte Joey, Seto wolle ihn schlagen. „Du hast doch keine Ahnung!“, flüsterte der Braunhaarige böse und wandte sich zum Gehen. „Wie sollte ich auch?!“, brüllte ihm Joey hinterher. „Da drin...“ Mit dem Finger deutete er auf das Restaurant. „...vermisst dich keiner. Alle sind glücklich, erzählen sich von ihren Frauen oder Männern, von ihren Kindern, ihren Hunden und Häusern!“ Noch mehr Wut stieg in Joey auf, diesmal auf die Menschen im Italiener, sogar auf Yugi und Trish und er wurde richtig zornig. Erst als Seto sich umdrehte, ein fieses Grinsen auf den Lippen, wusste Joey, dass er dem Braunhaarigen einen Anhaltspunkt gegeben hatte. „Und du? Was machst du hier draußen, wenn es da drin doch so toll ist?“ Setos Stimme war leise und kalt wie Eissplitter, die Joey ins Herz schnitten. „Ich...wollte an die frische Luft.“ „Dann viel Spaß.“ Seto Kaiba drehte sich zum schmiedeeisernen Tor um und unvorhergesehen verschwanden Joeys Wut und Zorn. „Nicht!“ Der Braunhaarige blieb stehen, drehte sich aber nicht um. „Bitte, nicht gehen. Wenn du gehst, dann...bin ich wieder allein hier.“ Er kam sich vor die Dori aus „Findet Nemo“, er hörte Setos verächtliches Schnauben, sprach aber weiter. „Du hast doch überlegt, ob du reingehst, ich habe es gesehen. Du musst nicht reingehen, aber bitte bleib noch.“ „Wozu?“ Setos Hände verschwanden in den tiefen Taschen seiner Anzughose. Ob er aus dem Büro direkt hierher gekommen war? Vielleicht ganz spontan? Wenn ja, musste er ja ziemlich viel Arbeit haben. „Warum bist du denn hergekommen?“, fragte Joey zurück. Seto zögerte, er konnte nicht antworten, das konnte Joey erkennen. „Das ist ein Klassentreffen, ist doch Scheiße, wenn jemand fehlt.“ Ein Lächeln legte sich auf Joeys Züge. „Setzen wir uns doch und du erzählst mir, was du grad so machst.“ Vorsichtig trat der Blonde einen Schritt auf Seto zu, der jetzt über seine Schulter sah. Joey erstarrte als ihn der blaue Blick traf. Es lag etwas in Setos Augen, das er so deutlich eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte: Bedauern. Weiches, menschliches Bedauern. Mit dem nächsten Satz würde Joey wissen warum. „Ich kann nicht.“, flüsterte Seto, drehte den Kopf weg und verschwand aus dem Tor und im Dunkel der Nacht, bevor Joey ihn hätte aufhalten können. *~* „Nein, Mokuba, hast du gehört?!“ „Es interessiert mich nicht, was du gesagt hast, ich werde hingehen, mit oder ohne deine Zustimmung!“ Setos Hände flogen auf den Schreibtisch. „Das wirst du nicht tun! Ich bin dein Vormund, junger Mann.“ „Ich bin 24, Seto! Du bist nicht mein Vater! Selbst wenn, würde ich nicht auf dich hören!“ Kurz stutzte Seto. „Das ist mir egal, du wirst heute hier bleiben!“ „Du kannst mir gar nichts mehr sagen!“ „Schön, dann brauchst du aber gar nicht mehr zu kommen!“ „Drohst du damit, mich rauszuwerfen?!“ „Ja genau! Sieh doch zu wie du klarkommst!“ „Du spinnst doch!!!“ Seto hörte Mokuba die Treppe runter trampeln und dann unten die Tür fliegen und lauschte auf das laute Geräusch, das Mokubas Autoreifen auf dem Schotterplatz machte. Erschöpft fuhr er sich durchs Haar. Er hatte seinem Bruder ein Zuhause, einen Job und alle materiellen Dinge gegeben, die er gebraucht hatte. In letzter Zeit stritten sie sich nur noch. Denn eines, das konnte Seto Mokuba nicht geben: Liebe. Er war schon genau wie sein Vater... * ~* „Joey! Da bist du ja! Mensch, wir suchen dich schon überall. Was machst du denn hier draußen?“ Er war einfach gegangen. Seit 15 Jahren hatte Joey jetzt das erste Mal wieder ein Gefühl in Setos Augen gesehen und der war einfach gegangen. Wie in Stein gemeißelt stand der Blonde da und starrte auf das Tor, durch das Seto Kaiba verschwunden war. Etwas rüttelte an seiner Schulter. „Joey? Hey, alles in Ordnung? Joey?“ Er hörte seinen Namen. Irgendjemand rief ihn, jetzt rüttelte es stärker an ihm und plötzlich sah er Yugis Gesicht vor sich. „Yugi!“ „Was war denn mit dir los, du warst ja völlig abwesend.“ „Ja? Kann schon sein.“ Kurz sah Joey zum Tor, aber Seto würde wohl nicht wiederkommen. „Wolltest du mal Luft schnappen?“, fragte Trish. „Ja. Wollt ihr noch bleiben, ich möchte lieber nach Hause.“ Fragend sah Joey seinen besten Freund und dessen Frau an. „Ich...weiß nicht, lass uns Trish fragen.“ „Ja, okay.“ Joey folgte Yugi in das Restaurant, wo sie auf Trish stießen. Die schien sofort zu sehen, dass es Joey nicht gut ging und war deshalb einverstanden, dass sie nach Hause fuhren. In seinem Bett starrte Joey an die Decke. Bis vor ein paar Stunden war er wütend und traurig gewesen, weil sein Freund ihn verlassen hatte. Joey drehte sich auf die Seite und sah das niedergelegte Bild vor sich. Langsam griff er nach dem Bilderrahmen, hob das Foto vor seine Augen und sah in das lachende Gesicht seines Exfreundes. Die braunen, glatten Haare umrahmten sein Gesicht, die Augen – grau, das wusste er – hatte er geschlossen vor Lachen. Tränen stiegen in Joeys Augen. Fünf Jahre, einfach so vorbei, über den Haufen geworfen. Der erste wirklich Vertraute, der erste feste Freund – weg. Ziemlich viele Verluste in seinem jungen Leben. Setos blaue Augen kamen ihm in den Sinn, der Blick, den er Joey zugeworfen hatte... Der Blonde ließ das Bild sinken, schließlich fiel es auf den weichen Bettvorleser. Bis vor wenigen Stunden war er einfach nur wütend und traurig gewesen, jetzt war er... Ja was? Verwirrt, eindeutig. Seine Gefühle waren völlig in Aufruhr, er konnte sie nicht kontrollieren. Genauso wenig konnte er kontrollieren, dass er nicht mehr an Yuri, sondern nur noch an Seto dachte. Er stellte sich den früheren Seto vor, in der Umkleide, sah die schlanken, muskulösen Beine, den flachen Bauch, die ausgebildete Brust – Muskeln, die sonst noch kein anderer Junge so ausgeprägt hatte. Die kurzen braunen Haare, die weichen Lippen, die starken Oberarme. Ob sich Seto sehr verändert hatte? Viel zu verbessern gab es ja nicht. Joey versuchte, sich ein Bild vom heutigen Seto zu machen. Im Anzug hatte er eine verdammt gute Figur abgegeben. Mit der flachen Hand schlug sich Joey gegen die Stirn. „Was denkst du denn da? Aus dem Alter bist du doch längst raus. Du hattest ihn abgeschrieben, Joey, bleib dabei.“ Außerdem sollte er eher an Yuri denken, nicht an Seto! Und trotzdem... Bestimmt sah Seto noch genauso gut aus. Bestimmt würde der Anblick seiner braunen Haut Joey heute noch aus der Fassung bringen. „Herrgott, du sollst das nicht denken! Du darfst nicht!“ Sonst würde alles wieder von vorn beginnen und er würde nur wieder enttäuscht werden. Das hielte er nicht aus, nicht noch einmal, nicht schon wieder. Er sollte froh sein, Single zu sein, seine neue Freiheit genießen, ausgehen, neue Männer kennen lernen, Spaß mit ihnen haben, tanzen, Sex... Vielleicht später, dachte Joey und drückte den Schalter seiner Nachttischlampe. In der Dunkelheit schloss er die Augen und schon war da wieder dieses Bild von einem hellblauen Augenpaar, das ihn voller Bedauern ansah. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)