Promise von Ange_de_la_Mort (Xigbar/Demyx) ================================================================================ Change Of Plans --------------- Chapter 2/? Ein leises Knarren. Schritte. Xigbar war sofort hellwach und griff nach der Kerze auf dem Nachttisch, die er mit einem stummen Zauberspruch entzündete. Der schmale Lichtkegel entblößte eine weiße, menschenähnliche Kreatur, die sich unablässig auf der Stelle hin und her wiegte, obgleich ihre Gliedmaßen zu schmal und gebrechlich wirkten, um das Gewicht von Torso und Kopf zu tragen. Ein Dusk, geschickt als Bote – wie es in der Organisation üblich war –, unschwer zu erkennen an dem Brief mit dem Zeichen der Nobodies, welchen er in seinen Klauen trug. Es war nicht nötig, hineinzusehen. Xigbar wusste auch so, dass Xemnas der Verfasser war. Wahrscheinlich wartete der Superior ungeduldig auf Erfolgsmeldungen. „Gib schon her!“ Zischend entriss der Schütze dem Nobody den Brief. Durch den geschlossenen Reißverschluss schienen die Lippen des Dusks zu einem immerwährenden höhnischen – und durchaus enervierenden – Grinsen verzogen zu sein. Mit einer knappen Handbewegung entließ Xigbar den Boten. Der Tag fing schon wahnsinnig gut an … ~*~ „Du weißt, dass du das nicht tun musst.“ Diese Worte waren an Myde gerichtet, der auf seinem ‚Gefallen’ beharrt und Xigbar vor dem Gasthaus erwartet hatte. Der Schütze war bei Weitem nicht mehr darauf erpicht, Port Royal – der Ort trug diesen Namen übrigens, weil er als Hauptsitz eines Landes namens ‚Britannien’ diente, seit jenes ‚Britannien’ die Stadt im Laufe eines Feldzuges erobert hatte – kennen zu lernen. Schließlich wusste er inzwischen, dass die Zeit drängte, und er wollte sich nur ungern mit Xemnas anlegen. Die Gefahr, in einen Dusk verwandelt zu werden, so wie es als Strafe für Versager und Verräter üblich war, schien einfach zu groß. Und doch war Myde jemand, dem man einfach nichts abschlagen konnte… „Ich hab doch mein Wort gegeben. Außerdem … “ Das Lächeln auf den Lippen des Jungen wich einem nachdenklichen Gesichtsausdruck. „Außerdem kann ich mich so noch einmal gebührend von meiner Heimat verabschieden.“ Xigbar legte den Kopf schief. „Und wohin willst du gehen?“ „Ich weiß nicht“, gab der Blonde ehrlich zu, „wohin auch immer mich das Schiff, auf dem ich angeheuert habe, bringt.“ „Sind deine Eltern damit einverstanden?“ Ein Kopfschütteln. „Keine Eltern. Auch keine Verwandten oder Freunde. Ein paar Bekannte, das ja, aber die führen alle ihr eigenen Leben und werden mich schnell vergessen haben. Niemand würde mich vermissen.“ Sie hatten sehr viel gemeinsam… Xigbar suchte nach passenden Worten, doch ihm wollte nichts einfallen. Er war noch nie gut in solchen Dingen gewesen. Stattdessen fragte er nur, wie Myde vorhatte, sich über Wasser zu halten. „Ich bin Überlebenskünstler. Und ein guter Taschendieb.“ „Wenn dir jemand zur Seite steht…“ „Ich hätte das auch alleine geschafft!“, widersprach der Junge gespielt empört und grinste dann optimistisch. „Wenn alle Stricke reißen sollten, arbeite ich eben als Musiker. Ich spiele nicht umsonst die Sitar.“ In dem Jungen steckt mehr, als es den Anschein hat, dachte Xigbar, als sie ein großes Gebäude passierten, das Myde ihm als Rathaus vorstellte. „Und das da ist der örtliche Schmied. Allerdings verbringt er inzwischen seine ganze Zeit mit Alkohol und Huren – die Arbeit überlässt er dem jungen William Turner. Der ist zwar noch keine dreizehn, stellt aber schon beachtliche Schwerter her. Aus dem wird mal was!“ So ging es weiter, bis Xigbar den Namen und die Geschichte eines jedes Gebäudes und – wie es ihm vorkam – eines jeden Einwohners in Port Royal kannte, zu denen unter anderem auch der Gouverneur und ein gewisser Leutnant Norrington, der sich offenbar als Ziel gesetzt hatte, jeden einzelnen Piraten auszumerzen, zählten. Irgendwann ging die Sonne unter und Myde verabschiedete sich. „Heute Nacht läuft mein Schiff aus und ich muss noch packen.“ Er schüttelte dem Schützen die Hand. „Es war nett, Euch kennen zu lernen.“ „Gleichfalls. Pass auf dich auf, ja?“ Myde lachte nur. „Ich sagte doch, ich bin Überlebenskünstler.“ ~*~ Die ‚Goldene Dublone’ spielte in einer ganz anderen Liga als die Taverne vom Vorabend, stil- und geschmackvoll und dementsprechend gut besucht. Allerdings waren die Sicherheitsvorkehrungen – laut Myde jedenfalls – zu streng, als dass man krumme Dinger hätte drehen können. Xigbar wählte den letzten freien Hocker an der Theke. Vergeblich versuchte er, den Jungen aus seinen Gedanken zu verbannen. Er hätte ihn wenigstens warnen sollen. Obwohl das auch nichts mehr geändert hätte – dem Schicksal konnte man nicht entfliehen, und das Schicksal des Jungen war es nun einmal, mit dieser Welt unterzugehen. Und trotzdem … „Seid Ihr derjenige, der im ‚Rostigen Anker’ die Schlägerei angefangen hat?“, brach sein Nachbar plötzlich das Schweigen. Xigbar nahm sich die Zeit, den anderen zu mustern, bevor er antwortete: schwere, braune Stiefel, darüber eine schwarze Hose mit Bauchbinde, ein ausgefranstes Hemd, das früher einmal weiß gewesen sein mochte, doch inzwischen eine schwer definierbare Farbe angenommen hatte – am nächsten käme wohl der Vergleich mit dem Farbton einer Tapete, die jahrelangen Zigarettenrauch hatte ertragen müssen -, ein rotes Kopftuch lugte unter einem schwarzen Dreispitz hervor. „Wer will das wissen?“ Jetzt hob der Mann den Kopf. Schwarzes, vorsichtig zu dutzenden schmalen Zöpfen geflochtenes Haar und ein gleichsam bearbeiteter Bart kamen zum Vorschein. In beides wurden mit scheinbar größter Sorgfalt Perlen, bunte Steine und kleine Knochen eingeflochten – wahrscheinlich erzählte jedes dieser Andenken eine Geschichte über ferne Länder und bittere Schlachten. Die dunklen Augen des Piraten waren schwarz untermalt, und als er den Mund öffnete, zeigten sich blitzende Goldzähne. „Sparrow. Captain Jack Sparrow.“ „Und was kann ich für Euch tun, Captain?“ Ein Lächeln huschte über Sparrows Lippen. „Das besprechen wir bei einem Drink und einem Spiel, aye?“ ~*~ Keine zwei Partien später richtete Sparrow anklagend einen beringten Zeigefinger auf ihn. „Ihr mogelt, mein Bester. Ich weiß zwar nicht, wie ihr es anstellt, aber ihr mogelt.“ Xigbar hob verwundert eine Augenbraue. „Und was gibt Euch Anlass zu dieser Vermutung?“ Es musste ein Bluff sein – der Pirat konnte ihn unmöglich erwischt haben. „Ah, seht ihr, als Ihr die Karten ausgeteilt habt, lag das Herz-As hier.“ Er tippte vor sich auf den Tisch. „Und doch“, fuhr er fort, während er seine Karten offen auf das blank polierte Holz legte. „habe ich es nicht mehr auf meiner Hand. Stattdessen … “ Zielsicher pflückte er die betreffende Karte aus Xigbars Blatt. Nun war es nicht einfach, den Schützen in Staunen zu versetzen, doch er musste gestehen, dass ihn dieser Schachzug doch ein wenig beeindruckte. Sparrow schien mehr Grips zu haben als man ihm zutrauen würde. „Schaut nicht so verdutzt. Es sind meine Karten – natürlich sind sie markiert!“ Natürlich. Darauf hätte er auch selbst kommen können. Und bei genauerer Betrachtung waren die Markierungen – winzige, kaum sichtbare Variationen des Musters auf der Rückseite einer jeden Spielkarte – auch erkennbar. „Zugegeben, Ihr habt mich ertappt.“ Xigbar grinste anerkennend. „Aber sagt mir nicht, das war der einzige Grund, aus dem Ihr mich sprechen wolltet. Worum geht es wirklich?“ „Ah, jetzt kommen wir zur Sache.“ Sparrow winkte den Wirt herbei und ließ ihre Gläser nachfüllen. „Ich will Euch in meiner Crew.“ „Ich kenne mich mit Schiffen nicht aus.“ „Dafür seid Ihr wortgewandt und wagemutig, gleich zwei brauchbare Talente. Aber lasst mich erst ausreden.“ Er beugte sich verschwörerisch vor. „Ich werde in Tortuga einige alte Bekannte anheuern, um mich auf die Sache nach etwas zu machen, das mir gestohlen wurde. Es handelt sich um die Black Pearl“, fügte er hinzu, als ob das alles erklären würde. Xigbar zuckte nur mit den Schultern. „Eine Perle also. Ist sie wertvoll?“ Sparrow bedachte ihn mit einem ungläubigen Blick. „Die Black Pearl ist doch nicht irgendein Juwel! Sie ist ein Schiff – das schnellste Schiff, das je auf den Meeren gesegelt ist. Und sie gehörte mir“, setzte er bitter hinzu. In der Taverne war es schlagartig still geworden, als Sparrow die Pearl erwähnt hatte, und Xigbar meinte, die Ehrfurcht in den Gesichtern der anderen Gäste zu erkennen. „Jetzt ist sie nur noch Charakter einer Legende. Seit vier Jahren streift sie über die sieben Weltmeere. Rastlos. Ruhelos. Gesteuert von einer Crew, die nicht Mensch, nicht Monster ist.“ Der Schütze spitzte die Ohren. Könnte es sich hierbei um weitere Nobodies handeln, die verzweifelt nach einer Möglichkeit suchten, ihre Herzen und damit ihre Existenzen zurück zu gewinnen? „Sie rauben, brandschatzen und morden. Und doch befriedigt nichts ihre Gier nach Leben. Ihre gier jedoch war es, die sie zu ihrem rastlosen Schicksal verdammt hat. Sie haben sich mit Mächten eingelassen, denen sie nicht gewachsen waren.“ Genau wie sie, Ansems Lehrlinge, es damals getan hatten … „Sie sind gezwungen, auf Erden zu wandeln, bis sie ihre Schuld bei jenen Mächten tilgen, indem sie ihnen das Gold, das sie gestohlen hatten, zurückgeben.“ Xigbar verengte die Augen zu Schlitzen. „Also ist es nichts weiter als eine Geistergeschichte?“ „Sie ist wahr!“, betonte der Pirat mit einer dramatischen Handbewegung. „Natürlich.“ Er gab sich nicht die Mühe, so zu klingen, als ob er nur ein Wort glaubte. „Und was wollt Ihr tun, solltet Ihr auf diese ‚Kreaturen’ treffen?“ In Sparrows Augen blitzte etwas auf. Hass? Enttäuschung? Xigbar konnte es nicht genau deuten. „Zwar habe ich noch eine alte Rechnung zu begleichen, aber ehrlich gesagt, ist mir egal, was mit ihnen passiert.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich will nur mein Schiff zurück.“ Der Pirat schwieg kurz, scheinbar seinen Gedanken nachhängend. Dann sah er den Schützen herausfordernd an. „Seid Ihr Mann genug, mich zu begleiten?“ Xigbar überlegte. Sparrow sagte, er wolle nach Tortuga – das kam ihm sehr gelegen. Bevor er aufgebrochen war, hatte er sich die Aufzeichnungen angesehen, die Zexion über die verschiedenen Welten verfasst hatte. Tortuga, die Lasterhölle, war der geeignete Ort, diese Welt mit Herzlosen und Nobodies zu bevölkern. Sie würden sich aufgrund der vielen Menschen schnell vermehren, neue Herzen für Kingdom Hearts sammeln und schließlich diese Welt zerstören. Es war ein perfekter Plan. „Ich bin dabei.“ Sparrow applaudierte lautlos. „Sehr gut. Dann lasst uns jetzt aufbrechen – im Hafen liegt ein geeignetes Schiff.“ „Eures?“ Der Pirat grinste verschmitzt. „Noch nicht.“ Natürlich. „Da fällt mir ein“, begann Xigbar, als sie sich erhoben, „wie seid Ihr eigentlich auf mich gekommen?“ „Um genau zu sein, war es Mydes Idee.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)