Living a Lie von woaini (Taito) ================================================================================ Kapitel 7: Schokopudding. ------------------------- Kapitel 7 Schokopudding ~~Yamatos Pov~~ Ich glaube, ich war Tai zu aufdringlich. Kaum habe ich das ganze Heu aus den Haaren gezupft bekommen, da drückt mich der Brünette sanft von sich, deutet mir mit einem Blick, dass es okay wäre. Schnell kletterte er auf den Heuboden. Dort, wo er sich schon mal versteckt hat. Er scheint diesen Ort zu mögen. Neugierig geworden, krabbele ich ihm nach, klettere erst auf die Leiter in die nächste Etage und sehe meinen Brünetten in einem gemütlich aussehenden Haufen Stroh liegen. Schluckend nähere ich mich ihm. Werde ständig von diesen anziehenden, braunen Augen in jeder meiner Bewegungen verfolgt. Genau vor ihm setze ich mich hin, starre ihn an, wie er da liegt, einen Arm hinter dem Kopf, der andere auf seinem Bauch. Wie er an dem Saum seines Shirts zupft. Es ist Tag. Die Sonnenstrahlen stehlen sich durch die winzigen Ritzen des alten Schuppen, erzeugen fast schon eine romantische Atmosphäre, in meinen Augen jedoch, lassen die wenigen Sonnenstrahlen Tai nur noch attraktiver aussehen. Auch mit leichten Augenringen. Mit leicht geröteten Augen. Ich weiß, was du die ganze Nacht getan hast, Tai… „Kann ich mich zu dir legen?“, frage ich leise, rechne mit einem Nicken, doch Tai starrt mich einfach nur fragend an. Da muss ich wohl etwas mehr Überzeugungskraft einfließen lassen. „Na ja, weißt du? Das Gras draußen ist noch so nass und es ist noch kalt und so. Und ins Haus möchte ich auch nicht gehen. Der Ryo heult wie ein Schlosshund und das nervt und ist laut und ich mag gar nicht zurück. Ein Mann weint schließlich nicht!“ Der Mund des Brünetten verzieht sich zu einem amüsierten Lächeln. Mit der freien Hand wischt er über meine Wange, zeigt mir meine vergossenen Tränen. Ach, shit! „D- das war was ganz anderes! Außerdem ist Ryo Polizist und sollte nicht- “, schnell wische ich mir die letzten Spuren meiner Trauer aus dem Gesicht. Immer noch beobachtet Tai mich leicht belustigt. Mensch, wieder hab ich mich zur Lachnummer gemacht! „Ja, lach mich halt aus! Hab eben auch mal Gefühle gezeigt! I- ich muss ja auch nicht knallhart sein! Ich bin schließlich schwul! Also nicht schwulischwul, sondern eben normal ich- steh- nicht- auf- rosa- schwul!“, rede ich mich raus und suche Worte. Der Brünette sieht mich mit großen Augen an. Ach ja. Tai weiß gar nicht, dass ich schwul bin! Sofort erröte ich, zupfe nervös im Heu herum, versuche, ganz normal zu klingen. „Hast du ein Problem damit? Dass ich schwul bin?“ Tai verdreht leicht seine Augen, bewirft mich schon wieder mit diesem ätzenden Heu. Anscheinend hat er nicht wirklich ein Problem damit, denn im nächsten Moment wirft er mich um und zupft wieder wie wild in meinem Haar herum. Vor Schreck halte ich die Luft an. So nah. Tai ist mir so nah. Ich kann seine Wärme spüren, überall. Ich spüre sein Herz schlagen, regelmäßig und kräftig. Sein Atem kitzelt mich an der Wange. Konzentrierte, braune Augen sind auf meine Haare gerichtet. Warme, weiche, zärtliche Hände fahren mir durch das zerzauste Haar, befreien es von Knoten und Resten von dem Heu. Wieso ist er nicht mehr wütend auf mich? Wieso ist er so zärtlich? Ich kann mich nicht bewegen. Er liegt auf mir, nicht erdrückend, aber eben so, dass ich mich nicht bewegen kann. Meine Arme sind zwischen ihm und mir eingeklemmt. Es kribbelt da, wo meine Fingerspitzen seine Haut berühren. Wieder nehme ich seinen unglaublichen Geruch wahr. Ich weiß nicht, wie lange wir hier so liegen, wie lange Tai seine Aufmerksamkeit meinen Haaren widmet. Es ist, als bemerke er meine Blicke auf ihm erst nach einer ganzen Weile. Er blinzelt, sieht mir dann geradewegs in die Augen, fragend, aus großen, fast kindlichen Augen. Der forschende Blick meines Brünetten jagt mir Schauer über den Rücken. Schnell wende ich mich ab, versuche, nicht in braunen Iriden zu versinken. Ein Seufzer entkommt mir. „Ich wollte es dir eigentlich erzählen. Aber dann bist du abgehauen. Du haust immer ab… Damals in meiner Wohnung, dann als Omeda kam und schließlich gestern. Wovor fürchtest du dich? Hast du Angst, dass ich dir zu nah komme? Ich will dich nicht immer flüchten sehen… Du bist nicht mehr alleine. Du musst nicht immer weglaufen. Ich hab dich doch gefunden. Und bisher ist nichts Schlimmes dabei passiert…“, zögerlich sehe ich ihn an. Immer noch starren mich diese braunen Augen an. Nur dieses Mal ist nichts kindliches mehr an ihnen. Ich sehe nur einen Mann. Einen Mann mit einer schrecklichen Vergangenheit, mit viel Sorge und Leid auf dem Rücken. Ernst sieht er mich an, forschend ist sein Blick. Seine Hände, die bisher verharrt haben, bewegen sich wieder, streichen mir sanft durch die Haare, bis er meinen Nacken erreicht. Zärtlich werde ich gekrault, kann nicht anders und schließe meine Augen, genieße dieses Gefühl in vollen Zügen. ~~Taichis Pov~~ Es hat keine drei Minuten gedauert, da ist Yama schon eingeschlafen. Ich wusste, dass es klappen würde. Der war schließlich so was von verspannt im Nacken! War trotzdem ganz niedlich, als er anfing zu schnurren und die Augen kaum mehr aufhalten konnte. Dieser Schlafzimmerblick von ihm war eine recht interessante neue Eigenschaft von ihm. Er liegt in meinen Armen, unter mir, schläft, wie ein Dornröschen schön. Er ist hübsch, zweifelsohne. Seufzend schüttele ich den Kopf. Ich werde zu weich. Wenigstens ist der Kerl leicht, so fällt es mir nicht sonderlich schwer, ihn in meinen kleinen Heuhaufen zu legen. Und schließlich auch noch zuzudecken. Hier zieht es schließlich wie Hechtsuppe! Müde reibe ich mir das linke Auge. Ich wollte meine Ruhe haben. Einfach etwas Zeit für mich haben. Nachdenken und wieder vergessen, so wie ich es immer getan habe. Wieso hat er mich gesucht? Er hat es gelesen. Er hat deswegen geweint. Wieso vergießt er Tränen? Wieso sucht er mich? Spätestens nach dem Lesen des Briefes hätte er doch wissen sollen, dass ich mir nichts antue. Umbringen liegt mir nicht. Nicht mehr. Meine Beine baumeln über den Rand des Heubodens. Mein Knie tut weh. Und auch mein Handgelenk. Wann die wohl verheilen? Ich hab generell ein paar Schrammen mehr als üblich. Sollte mir das Sorgen machen? Mein Blick wandert zu Dornröschen, das sich mittlerweile eingerollt hat und die Decke knuddelt. Ein tiefer Seufzer entkommt mir. Irgendwie ist mir wieder alles entglitten. Ich wollte mich doch auf niemanden mehr einlassen. Und jetzt tu ich es doch. Ich bin sogar so dreist, mir ein Leben in seiner Welt vorzustellen. Wie es wäre, normal zu sein. Wie es wäre, Kari ein ganz normaler Bruder zu sein. Ein trauriges Lächeln zaubert sich auf meine Lippen. Sollte ich es wirklich schaffen, mich von ihnen zu befreien? Nach fast 11 Jahren endlich frei zu sein? Aber was dann? Ich will nicht mehr denken. » This town is colder now I think it's sick of us It's time to make our move I'm shakin' off the rust I've got my heart set on anywhere but here I'm staring down myself, counting up the years Steady hands just take the wheel Every glance is killing me Time to make one last appeal for the life I lead« Vielleicht sollte ich wirklich mal etwas wagen. Vielleicht sollte ich kämpfen? Wenn Omeda gesiebte Luft atmet, bin ich dann nicht schon in gewisser Hinsicht ‚frei’? Wenn der Kopf der Schlange abgeschlagen ist, überlebt der Schwanz auch nicht mehr lange, so heißt es doch, oder? Ich lebe schon so lange dahin. Ohne Ziel, ohne eigenen Willen. Nur um nicht zu verschwinden. Nun, wo ich weiß, dass Hikari lebt, möchte ich sie sehen, so gerne. Ich möchte wissen, wie sie aussieht, wie sie denkt, was sie sagt, ob sie mich wiedererkennt. Ob mir Yama da helfen kann? Etwas peinlich berührt starre ich mit leicht geröteten Wangen zu Boden. Erst will ich es alleine schaffen, dann will ich seine Hilfe… » Stop and stare I think I'm moving, but I go nowhere Yeah, I know that everyone gets scared But I've become what I can't be Stop and stare You start to wonder why you're here not there And you'd give anything to get what's fair But fair ain't what you really need Oh, can you see what I see« Aber habe ich nicht 10 Jahre lang versucht, alleine klarzukommen? Hat doch auch nicht geklappt. Vielleicht brauche ich ja wirklich Hilfe. Wenn Yama mir wirklich helfen will. Aufdrängen will ich mich nicht. Was wohl Tanaka jetzt tun wird? Sucht er mich? Flucht er? Mir gefällt diese Idee, von einem Rumpelstilzchen Tanaka. Wahrscheinlich rammt er Ice wieder ein Messer in die Hand, weil er mich bestrafen will, aber ich finde das eher lustig. Ich mag Ice nicht. » They're tryin' to come back, all my senses push Untie the weight tags I never thought I could Steady feet don't fail me now, I'm gonna run till you can't walk But something pulls my focus out, and I'm standing down.« Yama hinter mir säuselt leise im Schlaf. Er ist ganz in Ordnung. Wenn er nicht gerade mal wieder zickig wird. Oder zu neugierig. Im Schlaf sieht er auch ganz niedlich aus. Konnte ihm heute Nacht kaum mehr böse sein. Vielleicht klappt es ja, wenn er mir hilft. Vielleicht schaffe ich es ja, nicht nur normal auszusehen, sondern auch zu werden. » Stop and stare I think I'm moving but I go nowhere Yeah, I know that everyone get scared But I've become what I can't be Stop and stare You start to wonder why you're here not there And you'd give anything to get what's fair But fair ain't what you really need Oh, you don't need Stop and stare I think I'm moving but I go nowhere Yeah, I know that everyone get scared But I've become what I can't be Oh, do you see what I see.« Ziemlich seltsam sich plötzlich Hoffnungen zu machen. Mal positiv zu denken. Seufzend lehne ich mich zurück, lege den Kopf in den Nacken und schiele hoch, zur Decke. Wirklich seltsam, über so was nachzudenken. So ganz plötzlich. Was würde ich wohl als erstes tun, so als normaler Mensch? Mhm, ich weiß es nicht. Höchstwahrscheinlich so einen Tag verbringen, wie ich ihn gestern Vormittag hatte. Nur frische Waren essen, ausruhen, Füße hochlegen, nichts tun. Oder verreisen, raus aus der Stadt! ~~Yamatos Pov~~ Noch müde öffne ich meine Augen, zucke dann zusammen. Scheiße! Eingeschlafen! Hektisch blicke ich mich um, erspähe meinen Freund unweit von mir, wie er da entspannt die Beine baumeln lässt und die Welt um sich mal wieder zu vergessen scheint. Sofort entspanne ich mich wieder, löse meine verkrampften Hände aus der Decke und atme hörbar aus. Augenblicklich habe ich wieder Tais Aufmerksamkeit und mir gleitet ein schüchternes Lächeln über die Lippen. „Ich bin wohl eingeschlafen?“, frage ich naiv, ernte ein amüsiertes Nicken. „Habe ich lange geschlafen?“, frage ich nun skeptisch, da die Helligkeit in der Scheune drastisch abgenommen hat. Der Brünette kichert leise, ehe er nickt und aufsteht. Kurz räkelt er sich, dehnt seine steif gewordenen Muskeln, gähnt einmal herzhaft. Natürlich werde ich angesteckt. Das Nickerchen hat ganz gut getan… Tai kommt tatsächlich zu mir, hockt sich neben mich und wippt, wohl aus Spaß, ein wenig auf seinen Fußballen hin und her. Fragend sehe ich ihn an. „Was wirst du jetzt tun, Tai?“ Ich ernte nur ein Schulterzucken. Tai lächelt ein wenig, schnappt sich meine Decke und legt sie zusammen. Schnell lege ich meine Hand auf seine, sehe ihn eindringlich an. „Läufst du wieder weg?“ Zu meiner Erleichterung schüttelt er langsam den Kopf, faltet dann wieder konzentriert zusammen, was zusammen gehört. Tief atme ich ein, spüre die Erleichterung in mir. Es ist eigentlich nur nebensächlich, aber es kommt mir auf einmal in den Sinn. Ich habe Hunger, verdammt noch mal! Mein Bauch knurrt doch schon wie ein hungriger Wolf! „Du, Tai? Kommst du mit ins Haus und isst was mit mir? Ich habe tierischen Hunger! Du nicht?!“, frage ich und höre drei Sekunden später seinen Bauch ebenfalls knurren. Verlegen sehen wir uns an, halten uns den Bauch und brechen 2 Sekunden später in Gelächter aus. Es tut gut, mal wieder zu lachen. Es tut gut, ihn lachen zu sehen. Es tut gut, zu wissen, dass er mich nicht hasst. Zusammen schleichen wir ins Haus zurück, machen einen Bogen um Ryo, der immer noch Rotz und Wasser heult. Ich will Ryo jetzt noch nicht sehen. Ich will mit Tai alleine sein. Will seine Gegenwart noch etwas genießen, da sie mich beruhigt. Lächelnd dirigiere ich Tai zum Küchentisch. Er soll sich ausruhen, während ich etwas koche. „Matt? Bist du schon wieder da?“, ruft Ryo aus dem Wohnzimmer. Ach ne. Seufzend schaue ich zu Tai, der mich gebannt anstarrt, als würde er warten, warten auf meine Ausrede. „Ja, ich bin wieder da und mache was zu essen!“, antworte ich etwas verspätet. Was mache ich, wenn Ryo in die Küche kommt? Schnell huschen meine Augen zu Tai, der sich seinen Gips am Handgelenk anschaut, als wäre er ganz neu. Seufzend wende ich mich den Kochutensilien zu. Grübeln bringt nichts, wenn Ryo jetzt nicht reinkommt und Tai findet, findet er ihn eben später, so oder so, Tai wird sich zeigen müssen. So leid es mir auch tut, Tai kann sich nicht immer verstecken. Tais Blick ruht wieder auf mir. Unerklärlicherweise lastet er nachdenklich auf mir. An was er wohl denkt? Den Gedanken verwerfend, fange ich an zu kochen, möchte, dass Tai etwas in den Magen bekommt. Er muss auch noch gesund werden. Nachher müssen seine Verbände gewechselt werden. Der am Knie ist schon ganz verdreckt und bestimmt tut die Wunde weh. Innerhalb einer halben Stunde ist das Essen fertig. Der Brünette, hinter mir, war mucksmäuschenstill, ich hab manchmal ganz vergessen, dass er da ist. Ryo konnte ich etliche Male schniefen hören. Er hat wohl weiter gelesen. Seufzend will ich den Tisch decken, doch mein neuer Freund liegt halb auf dem Tisch. Schläft er? Total ausgebreitet auf der Tischplatte, liegt er mit dem Gesicht Richtung Holz. Wenn er die ganze Nacht nicht geschlafen hat, ist er bestimmt total ausgepowert. Bestimmt will er schlafen. Bestimmt hat er Hunger. Bestimmt will er seine Ruhe. Schmunzelnd wandern meine Finger in das weiche Haar. Ich mag seine Haare irgendwie. Sie sehen schön wild aus. Sind aber ganz weich und geschmeidig. Tai zuckt nicht mal zusammen, lässt es mit sich geschehen. Sanft kraule ich ihm durch die dichten Haare. Anscheinend hat er sich heute nicht mal die Haare gekämmt, denn ich finde jede Menge Knoten und Heureste in seinen Haaren. Mir hat er noch vor kurzer Zeit ebenfalls die Frisur zerzupft. Normalerweise wäre ich sauer geworden, da meine Haare mir heilig sind, aber irgendwie gefiel es mir. Tai war sanft und vorsichtig. So wie ich es jetzt auch bei ihm bin. Nach einiger Zeit höre ich ein leises Brummen aus seiner Kehle, einem Schnurren gleich, doch etwas tiefer. Entzückt kraule ich die Stelle hinter seinem Ohr weiter, möchte länger etwas von seiner Stimme hören. Auch wenn das Essen kalt wird; es ist mir egal. Auch wenn Ryo jederzeit hinein in unsere Küche hineinkommen könnte; es interessiert mich nicht. Auch wenn ich Tais Gesicht nicht sehen kann; ich höre nicht auf. Ich kann nicht aufhören. Ich kann nicht aufhören, ihn zu mögen. Ich möchte ihn Lächeln sehen. Möchte, dass es ihm gut geht. Dass er glücklich ist. Glücklich, in einer neuen Welt für ihn, wo ihn seine Vergangenheit nicht noch länger belastet. Man muss die Vergangenheit hinter sich lassen. Man muss nach Vorne blicken. Sanft lege ich meine Hand auf seine rechte Schulter, will ihn vorsichtig ‚wecken’, da wir nun wirklich essen sollten. Sofort löst sich Tai aus der bequemeren Position und wischt sich über die Augen. Tut ihm die Schulter vielleicht weh? Besorgt notiere ich mir diese Idee im Hinterkopf, werde mir die Schulter später mal genauer anschauen, jetzt erstmal essen. „Tai? Können wir Ryo dazu holen, zum Essen?“, frage ich ihn leise, bin seinem Gesicht immer noch nahe. Müde reibt sich Tai die Augen, nickt einmal kurz, ehe er beginnt den Tisch zu decken. Ich hätte mit einem Kopfschütteln gerechnet… Leise schleiche ich mich aus der Küche, verharre in der Tür und sehe den Brünetten unsicher an. „Hau aber bitte nicht wieder ab, okay?“, bitte ich ihn leise und ernte wieder nur ein simples Nicken. Er muss ziemlich müde sein. Seufzend wende ich mich dem Polizisten zu, gebe ihm ein gefundenes Taschentuch und setze mich kurz zu ihm. „Er ist wieder da. Hab ihn gefunden. Er ist in der Küche. Ziemlich müde, wenn du mich fragst. Gehört in die Badewanne und dann ins Bett. Nicht sehr gesprächig. Am besten nicht auf das Geschriebene ansprechen. Morgen vielleicht, ja, morgen ist gut. Oder übermorgen. Oder, wenn seine Wunden etwas besser verheilt sind. Ach ja, die Verbände müssen gewechselt werden, die sind schmutzig!“, beginne ich abgehakt. Irgendwie möchte ich nicht, dass Ryo Tai gleich mit Fragen überfällt. Seufzend erhebe ich mich, klopfe mir unsichtbaren Staub von der Hose und will zurück in die Küche. „Es gibt Essen!“ Ryo nickt mir zu, springt auf, rennt fast schon in die Küche. ~~Taichis Pov~~ Mein Kopf schmerzt. Fühlt sich an wie Blei. Wenn ich nicht solchen Hunger hätte, wäre ich schon schlafen, egal wo, aber so muss ich eben noch etwas leiden. Riecht aber auch lecker, was Yama da gemacht hat. Ich brauche mich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Ryo hinter mir steht. Mich anstarrt und mit Worten ringt. Er soll schweigen. Fresse halten und sich hinsetzten. Aufhören, mich anzustarren. Mir diese bemitleidenswerten Blicke zuzuwerfen. Ich bin von ihnen krank geworden. Yama schaut mich manchmal auch noch so an. Als wäre ich aus Glas. Als würde eine Berührung zu viel sein. Ich mag diese Blicke nicht. Man hat sie mir so gut wie nie geschenkt, also brauche ich sie nicht. Ich brauche kein Mitleid. Super, jetzt hab ich wieder schlechte Laune. Schnaubend schenke ich mir zu trinken ein, denke nicht daran, mich zu Ryo umzudrehen. Wirklich keinen Bock. Misstrauisch werde ich beäugt. Zwei Leute setzten sich an den Tisch, werfen mir unsichere Blicke zu. Denken die, ich krieg das nicht mit?! Frustriert greife ich nach dem Glas Wasser, trinke es in großen Zügen aus, will mir wieder einschenken, doch der Schwarzhaarige hält meine Hand fest. Ups, vergessen… Besorgt werden meine Hände gedreht und gewendet, solange, bis auch Yama darauf aufmerksam wird. „Tai! Deine Finger! Was hast du denn nur da gemacht?“, fragt Blondi aufgebracht und greift sich meine andere Hand. Hallo? Sind wir hier beim Wahrsagen oder was?? Ich bin aber auch blöd! Baka- Chi!! Grummelnd lasse ich sie gucken. Meine Finger werden gedreht und gewendet, als wären sie nicht festgewachsen. „Sag mal, bist du chronischer Nägelkauer, Tai? Du hast dir ja sämtliche Finger abgekaut! Sogar richtig blutig gebissen! Das sieht richtig schlimm aus! Was hast du da bloß wieder angestellt?“, seufzt der Bulle und guckt wieder so beschissen mitleidig. Erwartet der jetzt wirklich eine Antwort? ‚Leicht’ angepisst sehe ich den Bullen an, der sofort seine Antwort mühsam hinunterschluckt. Ja, verschlucke dich dran! „Das sieht wirklich schlimm aus, Tai… Jeden Finger hast du blutig gebissen und der Nagel ist auch total abgekaut! Warum hast du denn nicht vorher was gesagt?“, warum muss Yama jetzt auch noch so gucken?? Das hält doch keiner aus! Ich will aufstehen, doch der Blonde drückt mich auf den Stuhl, holt aus dem Badezimmer Verbandszeug und der Schwarzhaarige füllt meinen Teller endlich mit Essen. Wenn er mich jetzt auch noch versucht zu füttern, dann schwöre ich, dass ich ihn zu Brei schlage! Mein Essen muss warten. Zwei hilfswütige Kerle verbinden jeden einzelnen meiner Finger, belassen es nicht bei Pflastern, nein, verstreichen chemisch riechende Cremes auf die Wunden. Ich hasse Medizin. Sie stinkt. Mürrisch lasse ich alles über mich ergehen. Höre mindestens zum hundertsten Mal an ‚Was hast du da bloß angestellt, Tai?’. Endlich bin ich eine Mumie. Yama und Ryo verschwinden, halten Kriegsrat im Badezimmer und ich sehe das nächste Problem kommen: Wie soll ich die Stäbchen halten? So kriege ich nie etwas zu essen, dabei habe ich so einen Hunger! Fragend sehe ich mein Essen an. Muss das so gut riechen? Muss es so gut aussehen? Mein Magen meldet sich laut. Niemand da. Niemand, der mir helfen kann. Verzweifelte Blicke auf mein Essen. Augen zu und durch, schießt es mir durch den Kopf. Bestimmt stürze ich mich nach vorne, mit dem Gesicht hinein ins Essen, und fange an zu kauen. Nicht gerade fein, aber niemand ist hier und mein Hunger ist monströs. Kauend und leckend futtere ich meinen Teller. Yama und der Bulle sind natürlich nicht da, zu meinem Glück. Muss mir nachher schnell die Flecken aus dem Gesicht wischen. Vielleicht schlinge ich, aber der Hunger ist zu groß für Tischmanieren. Hinter mir ertönen Geräusche und schon werde ich aus dem Essen gezogen. Ein sich kringelnder Yoshi steht vor mir und zeigt auf mein Gesicht. Zwanghaft versuche ich, nicht rot zu werden, lecke mir die Soße, so weit es geht, vom Mund. Der Manager reagiert schnell und wischt mir mit einer Serviette das Gesicht sauber. „Warum wirfst du dich denn ins Essen, Tai?“, kichert er immer noch. Wie zur Antwort hebe ich meine mumifizierten Finger. Kann ich jetzt weiter essen?? Mein Magen knurrt laut. Ich hab bisher nur die Hälfte vom Teller geschafft! Yoshi lacht wiederum, wühlt in einer Schublade und drückt mir einen Löffel in die Hand. Einen ziemlich großen. „Damit sollte es gehen!“, kichert er und futtert Ryos Portion auf. Find ich gut! Glücklich mache ich mich nun mit einem Löffel bewaffnet über mein Essen her. Als Yama und der Schwarzhaarige zurück in die Küche kommen, ist bereits die Hälfte des Essens in meinem und Yoshis Mund verschwunden und die beiden beeilen sich, nicht verhungern zu müssen. Der Nachtisch ist, dank dem Manager, ein Highlight. Aus einer Einkaufstüte zaubert er 4 Portionen Schokopudding hervor. Erst noch skeptisch koste ich das braune Wabbelzeug und bin sofort begeistert. Ich liebe Schoko!!! Schneller als mir lieb ist, ist mein Becher bis auf den letzten Rest ausgekratzt und ich lecke mir enttäuscht über die Lippen. Schon alle… Erst jetzt merke ich, wie ich von 3 neugierigen Augenpaaren angestarrt werde. Fragend lege ich den Kopf schief. Durfte ich den Pudding nicht essen? „Na, da mag aber einer Schokoladenpudding!“, lacht Yoshi und strubbelt mir durch das Haar. Ich mag es nicht, wie ein kleines Kind behandelt zu werden. Vielleicht wird mein schmollendes Gesicht bemerkt, denn der Manager schiebt mir milde Lächelnd seinen fast noch vollen Pudding zu. Wenigstens einer ist nett zu mir! Jauchzend stürze ich mich auf die süße Nachspeise und vergesse mal wieder alles um mich herum. Doch schon bald ist auch diese Leckerei verschlungen. Schüchtern wird mir der nächste Becher zugeschoben, von Ryo, der nur grinsend meint, dass er auf seine Figur achten müsse. Ich mag Ryo wieder! Nur Yama, der sture Bock, isst seinen Pudding ganz alleine auf! So eine Unverschämtheit… Nach dem Essen werde ich von dem Blonden ins Bad gebracht. Baden steht auf dem Programm. Müde stehe ich im Badezimmer und starre die Kacheln an. Hab ja nichts gegen das Baden, aber wieder veranstaltet Yama einen Zirkus. Da er mir beim Baden helfen will,weil meine Fingerchen immer noch verbunden und kaputt sind, will er mich tatsächlich waschen, heißt, den Rücken sauber schrubben. Während ich mich uninteressiert ausziehe, dreht sich der Kleinere mit Schamesröte im Gesicht um, hält sich die Augen zu und macht mich wahnsinnig. Hallo? Sind wir vier Jahre alt? Was hab ich denn, was er nicht hat? Ok, ich bin circa 10 Zentimeter größer, durch meine Haare fast 15 Zentimeter, bin breiter gebaut, heißt breiteres Kreuz, breitere Hüften, hab mehr Muskeln als er, bin aber auch mehr Mumie als Mensch. So sitze ich alsbald in der Badewanne. Hände schön aus dem Wasser heraushängend. Yama spielt immer noch schüchtern, schrubbt mir gerade den Rücken. Und nur den Rücken. Nicht mal die Seite oder so, den Rücken. Ich schwöre, er zittert dabei. Und ist bis zu den Ohrenspitzen rot. Ist der noch Jungfrau oder was? Ich bin kein kleines, verschrecktes Kind mehr. Man muss mich nicht mit Samthandschuhen anfassen! Grummelnd lasse ich mich wie ein kleines Kind waschen. Versuche, nicht allzu angepisst zu gucken, aber Yama ist eh die ganze Zeit hinter mir, als könne er mir was weggucken. Meine Haare werden gewaschen, wahrscheinlich mit Kindershampoo. Ich will hier raus. Endlich erlöst klettere ich aus der Wanne, rubbel mich schnell trocken, Blondi dreht sich wieder um, hält sich die Augen zu, kindisches Theater. Schnaubend will ich mir den Pyjama anziehen, doch Blondi erwacht aus seiner Starre. „W-warte! Du brauchst neue Verbände!“, und schon klebt er an mir und wickelt mich in Bandagen. Ich bin wirklich zur Mumie geworden. Seufzend lasse ich alles über mich ergehen, will nur noch ins Bett und schlafen. Ich will mehr… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)