Living a Lie von woaini (Taito) ================================================================================ Kapitel 2: Wahr sein -------------------- Kapitel 2 Wahr sein Es ist bereits Abend. Yoshi schaut mit dem Fremden fern und ich versuche etwas zu schlafen. Die Betonung liegt auf versuchen. Ich liege in meinem frisch bezogenen Bett, dennoch kann ich den Geruch von diesem Taichi riechen. Er riecht auch noch gut. Nach Park oder Wiese. Naturverbunden und dennoch natürlich. Kein Deo, Parfüm oder Rasierwasser, einfach und schlicht, so ist sein Duft. Und ich finde ihn berauschend! Da ich nicht schlafen kann, brauche ich auch nicht noch länger hier zu liegen und seinen Duft aus dem Kissen zu inhalieren. Seufzend gehe ich zu den beiden, zu Yoshi und zu Taichi. Verwundert werde ich angesehen, als ich mich kommentarlos in meinen Sessel setze und herzhaft gähne. „Du siehst müde aus, Matt!“, erwähnt Yoshi vorsichtig und wird von Taichi mit einem heftigen Kopfnicken bestätigt. Die beiden würden das perfekte Duo abgeben. Seufzend kratze ich mich am Hinterkopf, glätte mir danach die Haare wieder. „Ich kann nicht einschlafen! Also fragt gar nicht so blöd!“, murmele ich matt und lehne mich im Sessel zurück. Taichi schreibt schon wieder auf seinem Block, reicht ihn an meinen Manager weiter und dieser kichert nur. Na toll, jetzt lästern die beiden auch noch über mich. „Stimmt, aber du musst wissen, Taichi, wenn Matt müde ist, ist er ein ganz grummeliger Gesell! Dann geht man ihm am besten aus dem Weg.“, kichert Yoshi leise. „Ich finde es ja so nett von dir und Taichi, dass ihr direkt vor mir lästert!“, knurre ich ungehalten und mustere beide sauer. Der Braunhaarige lächelt nun wieder nur, vielleicht ein bisschen breiter als sonst und Yoshi pfeift unschuldig. Schon schreibt ersterer wieder und ich seufzte nur gequält. Es ist zwar schön, dass man sich überhaupt mit ihm verständigen kann, aber diese ewige Zettelschreiberei finde ich langsam einfach nur nervig. Es wäre soviel einfacher, wenn er einfach reden würde, aber nein, so ein Glück haben wir nicht, unser gut aussehender Fremder muss ja stumm sein! So eine Verschwendung! Yoshi las den Zettel laut vor, riss mich so aus dem letzten Gedanken. „Nennt mich Tai! Taichi klingt so blöd, ich bin doch kein Opa!“ Na ja, wenigstens ist sein Name nun kürzer. Trotzdem will ich mehr über ihn wissen. „Sag mal Tai? Wieso willst du uns nicht einfach verraten, wo du zu Hause bist?“ Diese Frage habe ich schon lange. Doch irgendwie habe ich das Gefühl mit dieser Frage wieder in ein Fettnäpfchen zu treten. Als würde diese Frage ihm unangenehm sein. Wie ich es vermutet habe, verschwindet das Lächeln aus dem Gesicht und die braunen, sonst weichen Augen, sehen mich lauernd und kühl zugleich an. Als hätte jemand die Laterne hinter diesen braunen Irenen ausgepustet, werden die Schokoladen Seen gleich ein paar Farbtöne dunkler und jagen mir einen Schauer den Rücken hinunter. Wenn er mich so anblickt, dann kann ich es verstehen, dass er sich prügelt. Dass er aggressiv ist. Dass er jemanden schlagen kann. Nicht lächelt. Nicht nett und höflich ist. Ich muss schlucken. Einerseits ist dieser Blick von ihm Respekt einflößend, andererseits finde ich diesen Blick so was von erregend. Ich kann nicht aufhören ihn anzustarren, schaut er mich mit diesen dunklen Seen an. Mit einem ernsten Gesichtausdruck hält er mir den Zettel entgegen. Die gewohnte, krakelige Handschrift mit vielen Rechtschreibfehlern blitzt mir entgegen. „Ich habe kein Zuhause, merk dir das! Und hör auf mich ständig danach zu fragen! Wenn du mich loswerden willst, dann sag das, dann gehe ich sofort!“ Ich glaube, ich habe einen wunden Punkt erwischt. Wieder muss ich schlucken. Tai scheint wütend zu sein. Verdammt wütend. Yoshi versucht zu schlichten. „Tai, wir wollen dich doch nicht loswerden… Wir sorgen uns nur. Ich meine, du musst doch irgendwo schlafen und etwas essen! Vielleicht gibt es ja auch jemanden, der, dort wo du lebst, auf dich wartet und sich fragt, wo du bleibst!“ Anstatt den Braunhaarigen zu beruhigen, wird Tai noch wütender. Seine Augenbrauen ziehen sich gefährlich zusammen. Er ballt seine Hände zur Faust und sieht uns schon fast hasserfüllt an. Ich werde immer kleiner in meinem Sessel, weiß nicht, was ich sagen oder tun kann, damit er wieder normal wird. Schnaubend schreibt Tai ein paar Zeilen, reißt den Zettel vom Block und wirft mir das Blatt entgegen. Ehe ich mich dem Inhalt des Blattes zuwenden kann, ist Tai auch schon in die Küche verschwunden und grummelt wahrscheinlich vor sich hin. „Mir doch egal, ob da einer wartet! Ich tue was ich will! Außerdem geht euch das rein gar nichts an, also haltet eure neugierigen Nasen aus meinem Leben, ihr Snobs!“ Ich starre den Zettel an. Oha, das ist ja wie eine Kriegsansage. Ich versuche ihn zu hören, versuche herauszufinden, was er macht, doch es ist eisern still in meiner Wohnung. „Was war das, Matt?“, fragt Yoshi leise und ich frage mich momentan genau das Gleiche. Leise stehe ich auf, gehe in die Küche. Tai steht mit dem Rücken zu mir, hat die Arme verschränkt und starrt wütend durch das Fenster auf die Stadt. Wieso traue ich mich gerade nicht ihn anzusprechen? Ich weiß nicht einmal was sein Problem ist! Er ist hier Gast und benimmt sich bockig und kindisch. Wenn wir nicht das fragen, was er beantworten will, wird er böse und zieht sich zurück, was soll das? So benimmt sich kein 19- Jähriger! Aber was soll ich machen? Ich kenne ihn nicht. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich weiß nicht, wie ich ihn beruhigen kann. Ich hab ihn wütend gemacht und verletzt. Doch wie entschuldige ich mich? Ich räuspere mich, erhasche seine Aufmerksamkeit. Über die Schultern hinweg sieht er mich an, dreht sich nicht mal um. Ich ringe nach Worten, kratze mich hilflos am Hinterkopf. Vielleicht hätte ich vorher mit Yoshi reden sollen. Vielleicht hätte ich ihn das regeln lassen sollen. Vielleicht hätte ich Tai einfach schmollen lassen sollen. Aber ich kann es nicht. Es tut mir Leid, dass ich ihn verärgert habe. Ich wollte nur etwas über ihn erfahren, aber ich hab mich wohl zu weit aus dem Fenster gelegt. Ich sollte es doch am besten wissen. Ich habe mich jahrelang niemanden anvertraut. Habe mein Innerstes immer vor Freunden, Bekannten und der Familie verschlossen. Ich bin empfindlich. Ich möchte nicht verletzt werden. Ich möchte nicht schwach sein. Angreifbar. Ich habe es oft erlebt, damals, als ich noch jung war. Menschen lieben es andere Menschen zu verletzten. Nur so fühlen sie sich besser. Nur so können sie sich von ihren eigenen Problemen ablenken. Wenn man dumm genug ist, naiv genug ist, sich einem anderen Menschen völlig zu öffnen, dann bekommt man es mit voller Härte zurück. So schlimm, dass man in ein tiefes Loch fällt und gar nicht mehr weiß, wie man da wieder hinauskommen soll. Das ist nicht mal das Schlimmste. Wenn man richtig am Boden ist und sich nach einer helfenden Hand sehnt, tja, dann bekommt man einfach keine. Im Gegenteil: Ist man richtig am Boden, lieben es die Menschen noch auf dich drauf zu treten, feste, immer wieder, Vorwürfe regnen auf dich hernieder und du fühlst dich armselig. Ich habe es oft erlebt. Und ich habe gelernt. Ich bin alleine, da kann mir keiner wehtun. Auch wenn ich einsam bin, ich lasse meine hohe Schutzmauer nicht einbrechen. Nicht bevor ich diesen einen besonderen finde. Wieder blicke ich zu Tai, wie er da vor mir steht und unnahbar aussieht. „Schau nicht so böse! Wir konnten ja nicht wissen, dass du da so empfindlich drauf reagierst! Du willst nicht drüber reden? Fein, mach das, aber wehe es beschwert sich nachher einer bei mir! Und jetzt hör auf zu schmollen und schau den Film zu Ende!“ Ich drehe mich um, gehe mit einem Grinsen zurück ins Wohnzimmer, wo sich Yoshi gerade die Jacke überzieht und gehen will. Auf meinen fragenden Blick antwortet Yoshi schnell, „Die Band, es gibt ein Problem und ich muss für ein paar Stunden weg! Ich komme heute Abend wieder, versprochen! Sei lieb und streite dich nicht mit ihm, ok?“ Und schon war ich alleine in der Wohnung, alleine mit dem Fremden. Kurz lasse ich die Schultern hängen, fühle mich gar nicht mehr wohl in meiner Haut. Dennoch: kaum hörte ich Tais tapsende Schritte näher kommen, da straffe ich schon meine Haltung und setze mich vor dem Fernseher. Mein Blick wandert erst zu Tai, als ich ihn seufzen höre. Und prompt muss ich lachen. Herzhaft beißt er in einen Apfel, doch scheinbar ist er ihm zu sauer, denn er verzieht das Gesicht und blickt den Apfel sehr skeptisch an. Er sieht drollig aus. Am liebsten würde er den Apfel weglegen, aber er beißt tapfer Stück für Stück weiter ab, solange, bis nichts mehr von dem Apfel übrig ist. „Du magst wohl keine säuerlichen Äpfel, was?“, frage ich belustig und bekomme als Antwort ein heftiges Kopfschütteln. „Wieso hast du ihn dann trotzdem gegessen?“ Ich bin neugierig. Er interessiert mich. Tai deutet auf seinen Bauch, dann reibt er Zeige- und Mittelfinger aneinander. Fragend schaue ich ihn an. „Du hast eine Verletzung am Bauch und durch saure Äpfel sparst du dir das Geld für die nötige Operation?“, spekuliere ich wild. Auch wenn ich Lieder schreibe, bei Pantomimen war ich schon immer absolut ahnungslos. Ich hab es noch nie verstanden. Tai bricht in schallendes Gelächter aus, hält sich den Bauch. Im gleichen Moment bin ich wütend. Er lacht, also hat er definitiv eine Stimme! Ich höre sie doch, wie er sie benutz! Ein stummer Mensch würde doch nur Luft aus und ein pusten, aber nicht zu hören sein, oder? Aber Tais Stimme schallt mir von den Wänden in voller Lautstärke zurück! Er hat uns verarscht! Ich kann es kaum glauben! Fassungslos starre ich ihn an. Wütend packe ich ihn am Kragen meines Bademantels, ziehe sein Gesicht, das eben noch so fröhlich und nun alarmiert und todernst vor mir ist, dicht an meines heran. „Willst du mich eigentlich verarschen? Du hast eine Stimme! Du kannst wohl reden! Ich hab es doch gehört!“ Vielleicht übertreibe ich, aber ich habe schlichtweg das Gefühl gerade eben wieder getreten worden zu sein. Ich habe ihm vertraut, habe geglaubt, dass er nicht reden kann und nun das. Wieder reingelegt. Wieder verarscht. Seine Augen verdunkeln sich wieder. Streng sieht er mich an. Legt seine Hände um meine Handgelenke, übt genug Druck aus, dass ich schmerzhaft spüre, dass ich ihn loslassen soll. So lasse ich seinen Kragen los, sehe ihn nach wie vor finster an. Er schnappt sich wieder diesen verdammten Block und kritzelt schnell ein paar Zeilen hin, hält ihn mir danach vor die Nase. „Ich habe nie gesagt, dass ich nicht sprechen kann, ich sagte, ich spreche nicht! Ist ein Unterschied zwischen können und wollen! Du bist echt ein Choleriker! Wenn ich dich so nerve, dann gehe ich eben! Ich brauche mich hier nicht von dir beleidigen zu lassen!“ Schon wieder will er gehen. Und schon wieder will ich ihn nicht gehen lassen. Ich halte ihn gerade rechtzeitig noch zurück, an seinem verletzten Handgelenk, doch er stoppt. „Das hatte ich falsch verstanden! Ich dachte du willst mich auch verarschen! Bleib hier!“, auch wenn ich befehlend mit ihm rede, dass ist meine Art Entschuldigung zu sagen. Ich bringe keine Entschuldigung so einfach über die Lippen. Erst recht nicht bei ihm. Er ist bereits jetzt schon etwas Besonderes für mich. Tai sieht mich lange finster an, nimmt den Block und wirft ihn mir nach 10 Sekunden einfach zu. Leicht genervt lese ich wieder laut vor, was er geschrieben hat. „Schon mal was von bitte gehört?! Und überhaupt: Was heißt hier ‚auch’?“ Genervt massiere ich mir den Nacken. Wie ich es hasse. Zähneknirschend sehe ich ihn an. „BITTE bleib hier, ok? Reicht das jetzt? Und das auch geht dich rein gar nichts an! Das ist mein Privatleben!“ Ich drehe mich wieder weg, erhasche nur noch ein kleines Lächeln, das er sich auf die Lippen setzt, ehe er neben mir auf dem Sofa Platz nimmt. Ja, freu dich, du halb stummer Trottel, du hast mir, dem großen Rockstar, ein blödes Bitte entlockt, sei stolz drauf! Schnaubend schaue ich nun dem Spielfilm zu, ausgerechnet den kenne ich schon. Alle Welt ist gegen mich! Nicht einmal mehr ablenken kann man sich von dem blöden Kerl! Nein, ablenken ist nicht drin! Erstens sitzt er relativ dicht neben mir. Zweitens ist der Kerl wunderbar warm, wie ein Ofen im kalten Winter, und ich friere. De Facto: Ich würde am liebsten noch näher zu ihm rutschen! Drittens bin ich immer noch wütend auf ihn! Wie kann mich ein Kerl, den ich grad mal 2 Tage mehr oder weniger „kenne“, nur schon jetzt so rasend machen? Tief seufze ich. Einerseits ist er mir absolut suspekt, besonders wenn er wieder anfängt so bockig zu werden. Wenn er droht zu gehen. Wenn er mich böse anguckt, als wäre ich sein Feind. Wenn er aufhört zu lächeln. Wenn er mir diese Gänsehaut verleiht. Andererseits finde ich ihn wieder sehr anziehend. Die Art und Weise, wie er mich zum Lachen oder Verzweifeln bringt. Wie er mich anlächelt oder mir etwas versucht zu zeigen. Wenn er so knuffig aussieht, wie ein kleines Kind mit Teddy im Arm. Ich würde so gerne mehr über ihn erfahren… Ich schiele zu ihm herüber. Fasziniert haften seine Augen auf der Mattscheibe, verfolgen das Geschehen des Actionfilmes. Anscheinend gefällt ihm die wilde Verfolgungsjagd per Auto. Wenigstens hat einer seinen Spaß. Wieder seufze ich. Wie gerne würde ich mehr über ihn erfahren… Ich weiß erst so wenig über ihn. „Tai? Kann ich dir ein paar Fragen stellen? Möglichst ohne Streit?“, frage ich irgendwann unsicher und sehe ihn mit bittenden Augen an. Ich wage seinen Blick nicht zu deuten. Wohl eine Mischung aus Misstrauen und Genervtheit, aber er nickt, ist gewillt mir etwas von ihm Preis zu geben. Erleichtert atme ich aus, suche eine möglichst einfache Frage, die nicht direkt wieder auf Ablehnung stoßen kann. Tai währenddessen zückt schon seinen Block und wartet artig. „Mhm du kannst zwar Schreiben und Lesen, aber bist du auch zur Schule gegangen?“, beginne ich vorsichtig, doch scheinen meine Sorgen unbegründet, da der Brünette schon über seinem Block nach einer Antwort brütet. „Nein, zur Schule bin ich nie gegangen, aber jemand hat mir Schreiben und Lesen beigebracht und Rechnen kann ich auch ganz gut! Ich bin nicht komplett dumm!“ Unsicher sehe ich ihn an, weiß nicht wie ich den letzten Satz deuten soll, doch Tai grinst nur breit. Gut, spielen wir mit. Auch ich lächle vorsichtig, doch mein Lächeln ist wirklich lachhaft im Vergleich zu seinem. Was könnte ich ihn noch fragen, ohne dass er wütend wird? Nachdenklich kaue ich an meiner Unterlippe herum, sehe ihn ununterbrochen an. Auch Tai sieht mich an, legt den Kopf fragend schief und sieht wieder so niedlich aus. Große, braune Augen, wie die von Teddybären, dazu noch schokoladenbraun und dieser fein geschwungene Mund. „An was denkst du?“, frage ich immer noch gefesselt von seinen Opalen. Möchte wissen, was durch sein hübsches Köpfchen geht. Möchte teilhaben an seinen Gedanken. Möchte seine Welt verstehen. Als Tai mit Schreiben fertig ist, muss ich staunen, dass er soviel in der kurzen Zeit geschrieben hat. Ich nehme den Zettel in die Hand, lächle ihn vorher noch mal an, dann beginne ich zu lesen. „An verschiedenes. Ich hab mich eben gefragt, wie schnell muss ein Auto wohl fahren, dass es über diese durchtrennte Brücke fliegen und auf der anderen, sicheren Seite landen kann. Und ob es weh tut, wenn man landet. Und ob der fette Bulle da am Steuer nicht vorher ne Diät hätte machen sollen. Dann hab ich wieder daran gedacht, warum es dich überhaupt interessiert, etwas über mich zu erfahren. Wir sind uns schließlich völlig fremd. Du willst mich ja auch nur hier haben, weil ich noch verletzt bin. Ach so, und weil ich keine Klamotten mehr habe! Ihr hättet meine Sachen nun wirklich nicht verbrennen müssen! Und dann hab ich mich noch gefragt, warum du so nett zu mir bist. Du schuldest mir nichts. Ich nehme es dir nicht Übel, das mit dem Unfall. Es war dunkel und es hat geregnet und ich hab zusätzlich nicht auf die Straße geachtet, also trägst du keine Schuld und hast nichts wieder gut zu machen bei mir. Die Verletzungen sind auch fast nichts. Du musst dich nicht um mich kümmern. Ich komme ganz gut allein klar.“ Über was er sich alles Gedanken macht. Über Belangloses wie den Film, der mich sowieso schon nicht mehr interessiert, dann wieder über Wichtiges, über den Unfall, der uns zwangsweise zusammengeführt hat. Er will sich mir nicht aufdrängen. Will mir nicht im Weg stehen. Will nicht, dass ich Schuldgefühle habe. Gott, ist er süß! „Hör mal, Tai! Dass du hier bleibst ist wirklich kein Problem für mich! Ich will wirklich nur, dass deine Verletzungen ein paar Tage heilen können. Und ja, deine Sachen haben wir verbrannt, aber die fielen mehr auseinander und waren auch viel zu dünn und abgetragen. Yoshi will heut Abend doch neue Sachen für dich mitbringen, also hast du bald auch wieder normale Sachen zum Anziehen. Ich weiß, dass wir uns kaum kennen, aber… Du scheinst ganz nett zu sein. Also, was spricht dagegen sich ein bisschen kennen zu lernen?“ Hoffnungsvoll erhebe ich die Stimmlage, lege den Kopf schief und versuche möglichst bittend zu gucken. Ich möchte nicht, dass er geht. Ich möchte mehr von ihm wissen. Schon liegt vor mir ein Zettel und neugierige, braune Augen blitzen mir entgegen. „Darf ich dich dann ein paar Dinge fragen, oder ist dir das unangenehm?“ Lächelnd muss ich innerlich den Kopf schütteln. Wie schüchtern er fragt! Schließlich nicke ich. Vielleicht brechen wir ja so das Eis. Vielleicht vertraut er mir mehr, wenn er mehr über mich weiß?! Ich trinke noch schnell einen Schluck Wasser; lasse Tai seine Zeit seine Fragen aufzuschreiben. Tatsächlich liegen nun 6 Fragen vor mir und ich muss schmunzeln. Tai hat sich bemüht, ordentlicher zu schreiben, nicht mehr so krakelig wie sonst, aber nun hat er arge Platzprobleme bekommen, sodass alles noch viel unordentlicher aussieht. „1.Wie alt bist du? In meinem Alter etwa, oder? 2. Als was arbeitest du? Du hast zwar einen Manager, aber was macht der? 3. Wo ist deine Familie; oder lebst du alleine? 4. Deine Haarfarbe, ist die echt? Ich will ja nicht beleidigen oder zu neugierig sein, aber blond ist selten in Japan… 5. Ist dieser Yoshi dein fester Freund oder so? 6. Kann ich dich Yama nennen?“ Neugieriges Kerlchen… Tief hole ich Luft. „Ich bin 20 und bin, wenn du es so willst, Rockstar! Allerdings wohl nicht mehr lange, weil meine Band nur scheiße baut und die Musik drunter leidet. Ich werde wohl irgendwie anders Musik machen müssen. Vielleicht als Songwriter, ich hab immer unsere Songs geschrieben! Mhm, ich lebe hier allein. Bin vor knapp 3 Jahren, als ich genug Geld verdient hatte, von meinem Vater fortgezogen. Yoshi ist der Manager meiner Band, aber nur ein Freund, nicht meiner! Ich bin zwar schwul, aber Yoshi ist nicht mein Typ. Ich bin naturblond, Gene vom Vater und ja, ich bin auch blauäugig! Eben untypisch japanisch! Ach ja und NEIN, du kannst mich NICHT Yama nennen!!“ Zum Schluss bin ich laut geworden. Ich hasse es Yama genannt zu werden. So darf mich niemand nennen! „Gut, dann nenne ich dich ab jetzt Yama, Yama!“, schreibt er und grinst mich frech an. Ich raufe mir die Haare, stehe vom Sofa auf und gehe beleidigt in mein Schlafzimmer. Warum macht er das? Wütend lege ich mich in mein Bett, will endlich schlafen. Mir doch egal, ob das da drüben vielleicht ein Dieb ist und nur auf eine Gelegenheit wartet. Ich hab erstmal genug von ihm! So etwas hat noch niemand gewagt zu sagen, und dann mit so einem Grinsen im Gesicht! NIEMAND! Ich will schlafen. Ihn vergessen. Nur für ein paar Sekunden. Ich bin eben launisch. Ich bin eben aufbrausend. Ich bin eben zickig. Das ist nicht mein Problem. Ich ertrage mich seit 20 Jahren, der Kerl seit gerade mal 5 Stunden, da soll er sich keinen Heiligen vorstellen. Alles hat ein Ende. Meine Geduld. Meine Gelassenheit. Ich will schlafen. Augen zu und ein paar Runden schlaf. Vielleicht ist meine Laune dann wieder besser. Vielleicht kann ich Tai dann gegenüber auch wieder normal sein. Momentan würde ich ihn nur anfauchen. Bei jeder Gelegenheit, die sich mir bietet. Wie von selbst schließen sich meine Augen. ~Taichis Pov~ Uh, da hat mir aber einer seine Krallen gezeigt. Ganz schön amüsant, wenn er unausgeglichen ist und deswegen ganz leicht aus der Haut fährt. Und wie dumm er geschaut hat, als ich mich nicht hab beeindrucken lassen. Ich kusche nicht. Weder bei Typen die ich mag, Yama, noch bei Typen, die ich hasse; mein Leben lang. Diese Art zu denken hat mich am Leben erhalten. Meine Sturheit, meine Dreistigkeit, genau diese lästige, kindische Eigenschaft erhält mich am Leben, dort, wo ich zurückkehren muss. So schön es hier bei dem Blondchen auch ist, sicher, warm und so anders, ich muss zurück. Sicher, ich werde diesen Ort vermissen. Essen, das frisch ist, ein voller Kühlschrank. Warmes Licht, warmes Wasser, eine vernünftige Dusche und Klo, ein weiches Bett und nette Menschen, nicht so wie die Kerle dort. Doch ich gehöre hier nicht hin. So hell es hier auch ist, ich spüre, wie mich das Licht nicht erreicht und ich im Schatten verborgen hier bin. Das ist nicht meine Welt. Mein Leben ist beschissen. Es wird sich nicht ändern. Ich habe oft versucht es zu ändern, aber diese Kerle wussten es immer zu verhindern. Ich muss gehen. Möglichst bald. Sie werden sich fragen, wo ich bleibe. Wenn sie erfahren, wo ich war, geht es Blondy hier schlecht und das will ich nicht. Er hat so ein schönes Leben, er soll es behalten. Ich habe ihn beobachtet. Er will nicht alleine sein. Er will mich nicht gehen lassen, aber nur, weil er neugierig ist und ich Geheimnisse für mich behalte. Ich gönne Yama eine Auszeit. Warte einfach auf den Abend. Dieser Manager wollte ja neue Sachen vorbei bringen. Solange genieße ich sein Leben. Mein Leben, wie es hätte sein können, wären 10 Jahre nicht die 10 Jahre, die sie sind. 10 Jahre, eine lange Zeit. Wie viel sich doch geändert hat in 10 Jahren. Wie hoffnungslos das Leben 10 Jahre danach noch immer aussieht. Einfach in den nächsten Tag leben, nichts erwarten, nicht hoffen. Ich seufze, schaue noch ein bisschen fern und mache es mir auf dem Sofa bequem. Mein Knie tut weh, aber das braucht ja keiner zu erfahren. Ich jammere nicht. Ein Geräusch weckt mich aus meinem Schlaf. Etwas perplex blinzele ich und suche eine Uhr. Mist, ich bin eingeschlafen, nicht gut! So müde war ich doch gar nicht. Wenigstens ist nun dieser Manager da, mit Klamotten in meiner Größe! Raus aus diesem Bademantel! Begeistert stürze ich ins Bad und ziehe mich um. Ok, die Sachen sind immer noch etwas zu groß, aber sie passen. Und sind wärmer als meine alten Klamotten. Ich sehe wenigstens nicht mehr aus wie ein Penner. Ich sehe… normal aus. Unglaublich, ich sehe zum ersten Mal nicht aus, wie einer von ihnen. Als ich wieder aus dem Bad komme, ist dieser komische Yoshi schon wieder weg. Glück für mich. Schnell sehe ich mich in der Wohnung um, blicke das schlafende, blonde Prinzesschen noch mal dankbar an, doch dann muss ich mich trennen. Von diesem Leben. Von diesem Glück. Von diesem Jungen. Leise schlüpfe ich in meine Schuhe, sie sind alt, verbeult und garantiert auch nicht mehr schön, aber ich habe nicht mehr. Soll ich wirklich gehen? Wie von selbst drehe ich mich noch mal Richtung Schlafzimmer. Was wäre, wenn ich hier bliebe? NEIN! So darf ich nicht denken. Ich muss gehen. Ich muss es tun, sonst kommen sie und tun ihm was an. Das darf ich nicht zulassen. Mein Leben ist schon versaut, er verdient ein anständiges Leben! Beherzt greife ich nach dem Türgriff, öffne ihn und gehe langsam-, na gut-, ich humpele langsam in die kalte Nacht hinaus. Lebewohl, Yama, danke für die schöne Zeit. ~Yamatos Pov~ Ein Geräusch weckt mich aus meinem friedlichen Schlummer. Was war das nur? Müde tapse ich barfuss durch meine Wohnung. Niemand da, hab mich wohl geirrt. Mich am Kopf kratzend gehe ich wieder in mein Bett, decke mich zu und will gerade wieder die Augen schließen, doch dann… Moment mal, niemand da? Schnell springe ich aus dem Bett, suche erneut meine Wohnung ab. Weg! Sollte hier nicht ein nerviger, halb stummer, frecher, brünetter Kerl liegen? Mit einem vom Kopf weglaufenden Haarproblem? Mit schokoladenbraunen Augen? Mit etlichen Verletzungen? Niemand da! Weg! „Das kann doch nicht...!“, schimpfe ich laut, stampfe in die Küche und mache mir einen Kaffee. So ein undankbarer Kerl! Haut bei der ersten Gelegenheit sofort ab! Blödmann! Und was ist, wenn ihm nun etwas passiert? Nicht mein Problem! Soviel zu meinem Mister Perfect! Lässt mich einfach sitzen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)