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Out of Time

In der falschen Zeit!
von

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Zuhause

So, das letzte offizielle Kapitel dieser Geschichte ^^ danach folgt noch ein Epilog. Ich hoffe, sie hat euch gefallen. Wie immer geht das Lob/ die Kritik auch an die Autorin der Geschichte.
 

Die neue Lust am Weiterschreiben/ Übersetzten kommt sicherlich auch daher, dass Kenshin ja gerade ein Revival erlebt! Es gibt einen neuen OVA, noch dazu einen LiveAction-Film (yay, im August kommt er in Japan ins Kino!) und möglicherweise wird sogar die Serie nach dem Manga fortgesetzt^^
 

^_^x
 

Danke an all die treuen Leser, die Jahre (!) mit dem Lesen und Warten verbracht haben :) Es wäre so schön, wenn es noch mehr deutsche FF's von unserem Rurouni geben würde!!
 

Kapitel 29 – Zuhause
 

1865
 

Der Raum lag in tiefen Schatten, als Battousai erwachte. Zuerst war er sich nicht sicher, wo er war – er erinnerte sich nur an einen Fluss, an das Rauschen von kaltem Wasser. Dann schob sich ein anderer, beunruhigender Gedanke in seinen Kopf: Was hatte er denn überhaupt in einem Fluss gewollt? Was war passiert? Seine Erinnerung war... lückenhaft, verwirrt – das machte ihm Angst.
 

Langsam spürte er auch die Anwesenheit einer weiteren Person, ihre vorsichtige Ki... er fühlte sich zu matt, um sie genauer zu identifizieren. „Sanosuke?“ murmelte er leise. Dieser Name lag ihm auf der Zunge, doch in dem Moment, wo er ihn aussprach, wusste er nicht einmal, ob er solch eine Person überhaupt kannte. Er verband diesen Namen aber mit einem komischen Gefühl von Vertrautheit, Sicherheit, Freundschaft.
 

„Sehe ich aus, wie ein Mann, Himura-san?“ hörte er eine schnippisch klingende, weibliche Stimme, die ihn aus seinen Gedanken riss. Er kannte diese Ki, auch seine Umgebung, und ihre Bewegungen waren es gewesen, die ihn gerade geweckt hatten. Er spähte durch die Schatten und versuchte, sich aufzusetzen. Der Schmerz, der ihm urplötzlich durch den Körper schoss, raubte ihm fast den Atem. „Okami,“ keuchte er, „ich...“. Er schloss die Augen, sein Mund schmerzverzerrt.
 

„In deiner Verfassung einen Kampf mit den Shinsengumi zu provozieren!“ Die ältere Frau setzte sich neben ihn, ihre Stimme klang streng und tadelnd.
 

„Shinsengumi?“
 

„Ja,“ rief sie vorwurfsvoll, während sie neben sich einige Verbände aus einer Schachtel holte. Erst jetzt merkte Battousai, was sie hier verarztete. Seine Wunden, von denen er nicht einmal wusste, woher er sie hatte. Offensichtlich von den Shinsengumi, aber er konnte sich nicht erinnern, wann...
 

„Wann habe ich... ich kann mich nicht mehr erinnern...,“ murmelte er frustriert. „Okami, was-“

Sie schnaubte wütend, während sie mit einigen Arzneifläschchen hantierte. „Überrascht mich nicht, Himura-san. Fieber kann mit einem so manches anstellen. Du bist gut dran gewesen, denn Ushiro-san war nah genug, um dich noch aus dem Fluss zu ziehen, in den du gefallen bist und wo du wahrscheinlich auch ertrunken oder erfroren oder verblutet wärst. Es hätte jedenfalls nicht mehr lange gedauert...Ah!“ Sie hatte endlich das richtige Fläschchen gefunden und hielt es in das spärliche Licht.
 

„Ushiro-san?“
 

Sie seufzte, sah ihn an, ihr Blick weniger hart als besorgt. „Ja, Himura-san,“ antwortete sie. Sie war überrascht, den Jungen so gesprächig zu erleben. „Ushiro-san hat dich gerettet und-“

Sie brach ab, als sie den Ausdruck in den Augen des Jungen sah.
 

Er starrte sie voll offener Verwirrung mit großen, blauen Augen an. Sie wirkten so unschuldig, und Angst war in ihnen offen zu lesen. Es wäre nicht so seltsam, wenn dies die Augen des älteren Himura gewesen wären, seine erwachsenen Augen. Doch sie hatte mittlerweile bemerkt, dass der junge Mann hier wieder der echte Himura war, Hitokiri Battousai. Was sie jetzt verunsicherte, war, dass die sonst so unnahbare und kalte Maske des Jungen verschwunden war. Das erste Mal seit langem sah sie wieder in das Gesicht des unschuldigen Kindes, den Katsura damals aus Choshu mit nach Kyoto gebracht hatte. Das Kind, das am Anfang häufig zu ihr gekommen war, ihre Nähe gesucht hatte, ihr helfen wollte, und schließlich zunehmend seine Menschlichkeit verloren hatte.
 

In diesem Moment war er wieder der kleine Junge. Verängstigt, Verwirrt. Vielleicht war es nur eine Nachwirkung des Fiebers aber es beruhigte sie, zu sehen, dass es diesen Jungen von damals noch zu geben schien.
 

„Okami?“
 

Seine vorsichtig klingende Stimme holte sie zurück aus ihrer Gedankenwelt. Sie lächelte ihn an. „Du machst dir zu viele Gedanken, Himura-san. Du hast die Shinsengumi bekämpft, bist dabei in den Fluss gestürzt, und Ushiro-san hat dich gerettet. Das ist alles, was du jetzt wissen musst. Du brauchst noch Ruhe.“
 

Schließlich nickte er wie ein gehorsames Kind, schloss seine Augen und ließ den Schlaf kommen. Während er einschlummerte, zogen seltsame Bilder an ihm vorüber. Saito, der mit blankem Schwert auf ihn zu stürzte, während er auf einer Brücke stand. Offensichtlich waren seine Erinnerungen nicht so sehr verblasst, wie Okami es gehofft hatte. Trotzdem schlief er ein, bevor er sich darüber wunder konnte, dass der Wolf ohne Rudel über ihn hergefallen war, und noch dazu in einer Polizeiuniform gekleidet.
 

Mit einer Zigarette im Mund…
 

--*--
 

1878
 

Er seufzte leise, weil er sich unwohl fühlte und schwitzte. Sein Kopf schien gleich explodieren zu wollen und sein ganzer Körper brannte. Irgendwie, so schien es Kenshin, während er seinen Weg zurück ins Bewusstsein erkämpfte, war tot zu sein doch kein so schlechter Gedanke. All die Schmerzen versetzten ihn in eine äußerst schlechte Stimmung, dazu fühlte er sich erschöpft und gestresst.
 

Langsam öffnete er die Augen. Zuerst sah er alles nur unscharf, aber er erkannte die Wände eines Gasthauses. Sein verwirrter Verstand versuchte, alle Eindrücke zu verarbeiten, und er blinzelte noch einige Male, bevor er die Augen wieder schloss. Es hatte nicht funktioniert. Shishio musste ihn zurück ins Kohagiya gebracht haben. “Kuso...” knurrte er, ein Schimpfwort, das er das erste Mal seit Jahren wieder benutzte. Er war so enttäuscht, dass es ihm egal war.
 

Zu seiner Überraschung folgten auf seinen Fluch eine Reihe freudiger Ausrufe.
 

“Er ist wach!”

“Geh weg, lass mich sehen!”

“Geht es ihm gut? Megumi-san, schnell!”

“Hat Kenshin gerade geflucht?”
 

Die Augen des Rotschopfes sprangen auf und er zwang sich dazu, sich aufrecht hinzusetzen. Jetzt erst sah er die Leute um sich. Er war im Aoiya, umgeben von seinen glücklichen Freunden. Während er noch damit rang, sich ganz aufzurichten, durchschoss ein plötzlicher Schmerz seine Schulter, der ihn aufstöhnen ließ. Er sank zurück auf sein Lager.

“Kuso,” fluchte er erneut in Gedanken, “den Arm hatte ich ganz vergessen...”

Aber alle wütenden Gedanken und Frustration fielen von ihm ab, als vertraute Arme ihn umschlangen. “Kenshin,” flüsterte Kaoru in sein Haar, worin sie ihr Gesicht vergraben hatte. “Ich dachte... ich dachte...” Sie hielt einen Moment inne und versuchte, ihren Atem zu beruhigen. “Geht es dir gut? Du warst drei Tage lang bewusstlos. Wir haben uns solche Sorgen gemacht!”
 

“Du erstickst ihn noch, Jou-chan,” grummelte Sano nicht unfreundlich. Kenshin nahm an, dass sein Freund auch irgendwo in seiner Nähe war, wenn er auch nichts sehen konnte, da sein Gesicht noch tief in Kaorus Trainingsanzug eingegraben war. Sie entließ ihn ein bisschen, und sah ihn mit gleichzeitig besorgten wie auch beruhigten blauen Augen an.
 

Kenshin lächelte sie zärtlich an, während er seinen unverletzten Arm anhob, um ihr mit dem Finger eine Träne von der Wange zu streichen, eine Bewegung, die an seinen jüngeren Konterpart erinnerte. “Es tut mir leid, dass ich dich zum Weinen gebracht habe, Karou-dono. Ich wollte dich nicht alleine lassen.”

Ihre Augen wurden größer, und sie umfasste lächelnd seine erhobene Hand. “Ich weiß....”
 

Der romantische Moment hielt nur kurz an. Dann erhoben sich laute Stimmen.

“Hey, du hast auch uns alleine gelassen!” protestierte Sano und verpasste Kenshin eine leichte Kopfnuss.

“Du hast tatsächlich gerade geflucht,” murmelte Yahiko abermals, immer noch fassungslos den Kopf schüttelnd.

Misao schaute verwirrt von einer Person zur nächsten, bevor sie etwas schüchtern nachfragte. “Verlassen? Wo war er denn?”

Jeder ignorierte sie, nur nicht Yahiko, der ihr einen Kick mit dem Ellbogen verpasste und gerade so laut “Baka” raunzte, dass sie es hören konnte. Natürlich brach sofort ein Streit zwischen den beiden aus. Auch Kaoru und Sano diskutierten laut, wessen Fehler es nun eigentlich war, dass Kenshin sich jetzt in so einem schlechten Zustand befand.
 

Wie ein ruhiger Fels in der Brandung betrat Megumi das Zimmer, ausgerüstet mit frischen Verbänden. Sie ignorierte alle Streithähne um sich herum, zischte nur Kaoru zu, sie solle Aoshi endlich mit dem Tee helfen. Dann kniete sie sich nieder und begann, sich Kenshins Wunden zu widmen, als ob nichts passiert wäre.
 

Kenshin lächelte innerlich. Das war es, was ihm gefehlt hatte – seine kleine Familie. Das Gezanke, die Streitereien, das Weinen, das herzliche Lachen. Er seufzte, zufrieden, selbst als Megumi ihn warnte, dass die Salbe, mit welcher sie seine Wunden einrieb, gleich brennen würde. Entspannt lächelte er ihr nur zu und beobachtete das Chaos um sich herum.
 

Ja... sie alle hatten ihm wirklich gefehlt.
 

Sein Zuhause.
 

-*-
 

Es dauerte noch eine ganze Woche, bevor Megumi ihm erlaubte, aufzustehen und herumzulaufen. Kenshin vermutete, sie hatte Angst, dass er in seinem ruinierten Zustand dem nächsten Abenteuer in die Hände fallen konnte. Fit genug, um noch einmal so eine Geschichte zu durchleben, war er sicher nicht. Während der Woche musste er mehrmals erzählen, was ihm in der Vergangenheit alles passiert war. Immer war er darauf bedacht gewesen, zu betonen, wie sehr er sich freute, wieder daheim zu sein. Kaoru hatte ihn dabei jedes Mal angestrahlt.
 

Und Sano...
 

Kenshin lächelte. Der ehemalige Straßenkämpfer war jeden Tag bei ihm im Krankenzimmer vorbeigekommen, bis er sich wirklich sicher war, dass es Kenshin gut ging. Er brachte ihm Essen, unterhielt ihn mit Gesprächen, leistete ihm Gesellschaft. Es war komisch. Sano war normalerweise nicht der umsorgende Typ, es fiel ihm schwer, länger einfach herum zu sitzen. Aber während dieser Woche war er kaum von Kenshins Seite gewichen. Er erzählte ihm, wie Kaoru ihn fast eigenhändig aus dem Fluss gezogen hatte. Wie Saito (der Bastard) nur dagestanden und geraucht hatte, bevor er ohne einen Blick zurück verschwunden war. Sanosuke ließ Kenshin dabei nie Zeit, über die dunklen Seiten seines kleinen Ausfluges nachzudenken, wo er gezwungen gewesen war, sich den Dämonen seiner Vergangenheit zu stellen.
 

Auch brachte er weder den Fluss noch die Brücke zur Sprache. Kenshin war sich nicht sicher, wie er das Thema anschneiden sollte. Es war etwas, worüber sie noch Reden mussten. Sano wusste das. Er schien es aber Kenshin nicht leicht machen zu wollen, die Sache anzusprechen.

Wie auch immer, es gab keine Worte, mit denen Kenshin seine Dankbarkeit hätte ausdrücken können. Seine treuen Freunde erinnerten ihn schmerzlich an Ushiro.
 

Kenshin zuckte zusammen, während er seinen Gi anzog und das Sakabatou durch den Gürtel steckte. Sie würden Kyoto in wenigen Tagen verlassen. Er freute sich, wieder zurück nach Tokyo zu kommen, aber dennoch... er hatte noch etwas zu erledigen, bevor er die Stadt verlassen konnte.
 

Er ging auf die Hauptstraße, einem Weg, den er auch heute noch lieber gemieden hätte. Ushiro hatte erwähnt, dass er ein Haus in Kyoto hatte. Er hatte es ihm sogar gezeigt, als sie eines Tages zufällig daran vorbeigekommen waren. Damals war diese Information für Kenshin nicht wichtig gewesen, aber er hatte es sich trotzdem gemerkt. Jetzt hoffte Kenshin, dass dieses Haus die Wirren der Revolution überdauert hatte. Denn er hatte noch ein Versprechen einzulösen. Er lief weiter, um eine Ecke, bis er vor einer Reihe kleiner, schöner, aber nicht sonderlich wohlhabend wirkender Häuser stehen blieb. Schließlich blieb er vor einem kleinen Gebäude stehen. Es stand also noch. Genau dort, wo er es vor so vielen Jahren das erste Mal gesehen hatte. Er stellte sich vor seinem inneren Auge vor, wie er klopfen und sein alter Freund aus der Tür treten würde. Sicherlich wäre er jetzt älter, aber bestimmt hätte er noch das freundliche Grinsen im Gesicht. Er würde ihn herein bitten. Ihm seine Frau vorstellen.
 

Der Rurouni zögerte. Auf einmal fühlte er sich fast zu schüchtern, tatsächlich an der Tür zu klopfen. Es würde nur Ushiros Witwe aufmachen. Kenshin hatte sie nie kennen gelernt. Nur durch Zufall hatte er während seinen Wanderungen erfahren, dass sein Freund geheiratet hatte, kurz vor seinem Tod. Ushiros Frau würde ihn vermutlich nicht erkennen, und würde auch nicht verstehen, warum ein ehemals tödliches Relikt jetzt vor ihrer Haustür herumstand.
 

Er atmete tief durch. Schließlich hatte er damals sein Wort gegeben... Langsam trat er vor und klopfte laut und deutlich mit seinen Fingerknöcheln gegen die Holztür. Dann trat er einige Schritte zurück und wartete. Er hörte drinnen eilige Fußschritte. Sah, wie die Tür sich einen Spalt öffnete und ein Paar dunkler Augen freigab. Dann hörte er sie nach Luft schnappen. Kenshin spannte sich an und erwartete, dass sie die Tür vor ihm wieder zuschlagen würde. Er war überrascht, als die Tür ganz aufging und Ushiros Witwe heraustrat. “Battousai-san,” keuchte sie überrascht, während sie sich tief verbeugte. “Ich... ich...”
 

“Nozomi-dono,” flüsterte Kenshin verblüfft. Langsam entspannte er sich wieder. Immerhin war sie nicht vor dem Hitokiri der Bakumatsu-Zeit geflohen.

“Du bist wirklich gekommen,” meinte sie jetzt verlegen und starrte ihn dabei immer noch mit großen Augen an. “Ich war mir nicht sicher, ob du überhaupt noch lebst.” Leichte Röte kroch in ihr Gesicht, was sie wieder so jung wie damals vor 10 Jahren wirken lies. „Ich freue mich, dass es dir gut geht.“
 

Er lächelte sie freundlich an. „Ich freue mich ebenfalls, dass es dir gut geht, Nozomi-dono,“ erwiderte er. „Ich wusste nicht, dass du Ryu’s Frau bist.“ Er sah den Schmerz in ihren Augen, sie hatte ihren geliebten Ehemann verloren. Solche Wunden heilte auch die Zeit nur bis zu einem gewissen Grad. „Es tut mir leid…“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Battousai-san. Ich bin so unfreundlich und lasse dich hier draußen stehen. Komm doch herein, ich habe etwas für dich.“
 

„Oro?“, blinzelte er überrascht, während er ihr nach drinnen folgte.
 

Er trat ein in ein warmes und gemütliches Haus und kniete sich an ein kleines Tischchen. Im Raum fiel sein umherschauender Blick auf einen kleinen Kreisel, der nahe der Schiebewand am Boden lag. Sie folgte seinem Blick und lächelte. „Akira-chan war heute hier,“ erklärte sie fröhlich. „Ich wünschte, er wäre noch da, dann hättest du ihn kennenlernen können. Er sieht seinem Vater sehr ähnlich.“
 

Kenshin blinzelte sie mit seinen blauen Augen überrascht an, bevor er Lächeln musste. „Vielleicht treffe ich ihn ja das nächste Mal, wenn ich nach Kyoto komme… wenn du nichts dagegen hast.“

Sie erwiderte sein Lächeln. „Das wäre schön, Battousai-san.“
 

„Kenshin,“ korrigierte er sie sanft. „Bitte. Nenn mich einfach nur Kenshin.“

Sie errötete erneut und nickte. „In Ordnung… Ken-san.“ Sie schien nicht zu wissen, was sie nun noch sagen sollte. Dann räusperte sie sich. „Etwas Tee?“

Der Rotschopf lehnte dankend ab. „Ich kann nicht lange bleiben. Ich habe Ryu aber versprochen, ihn zu besuchen, vor langer Zeit.“ Schmerz schimmerte in seinen Augen auf. „Wäre ich doch früher gekommen…“
 

Nozomi nickte. „Ich weiß,“ meinte sie leise. „Er hat es mir erzählt.“ Sie wandte sich zu einem kleinen Schränken um und zog eine Schublade heraus. Kenshin beobachtete gespannt, wie sie in zahlreichen Papieren umher kramte, bevor sie sich wieder umdrehte und ihm einen kleinen Umschlag reichte. Sie lächelte, als sie seinen fragenden Blick bemerkte.
 

„Der ist für dich,“ sagte sie, „er hat ihn geschrieben bevor er… er von mir ging. Er wollte sich sicher sein, dir noch etwas mitzuteilen, glaube ich.“ Ihr versunkener Blick deutete an, dass sie in Gedanken bei ihrem Ehemann war. „Er hat nie an die Gerüchte von deinem Tod geglaubt. Deswegen musste ich ihm versprechen, dir dieses Schreiben auszuhändigen, falls du je vor meiner Tür auftauchen solltest.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ehrlich gesagt, ich habe Gedacht, dass diese Idee durch seine Krankheit und sein Fieber ausgelöst wurde. Aber irgendwie schien er die Wahrheit gewusst zu haben, oder?“
 

Kenshin nickte leicht, während er den Umschlag entgegen nahm. Es war Zeit für ihn zu gehen. „Danke, Nozomi-dono,“ verabschiedete er sich, während er aufstand. „Ich mache mich jetzt besser auf den Weg.“

Sie nickte. „Ich verstehe.“

Sie gingen zusammen zur Tür. Während er heraustrat, sprach sie leise zu ihm. „Du bist hier jederzeit Willkommen, Ken-san. Wenn du meinen Sohn kennenlernen willst, oder… mit mir über Ryu sprechen willst.“

Kenshin wandte sich lächelnd um. „Das wäre sehr schön, Nozomi-dono. Ich danke dir.“ Er verbeugte sich höflich. Sie erwiderte die Geste. Auch die lange Zeit hatte an ihrer höflichen Distanz nichts verändert. Doch als seine blauen Augen ein letztes Mal ihren Blick suchten, errötete sie wieder. Kenshin lächelte innerlich.
 

Während er dem Haus den Rücken kehrte und sich wieder auf den Heimweg machte, wendete er den Brief in den Händen. Doch er machte ihn noch nicht auf. Stattdessen bog er in eine Straße voller kleiner Geschäfte ein und kaufte an einem Stand einen Krug Sake. Dann betrat er einen Pfad, der in den Wald hinein führte. Es gab noch etwas zu tun, bevor er die Stadt verließ… außerdem konnte er hier den Brief ungestörter lesen als auf den belebten Straßen Kyotos.
 

Kenshin ging ein Stück durch den Wald, bis er sich sicher war, allein zu sein. Dann faltete er vorsichtig das Papier auseinander. Ushiros grobe Schriftzeichen wurden erkennbar, etwas zittriger, als Kenshin sie in Erinnerung hatte. Er atmete tief durch, bevor er sie las.
 

„Kenshin,
 

Irgendwie habe ich es geahnt. Ich muss dir schon wieder einen Brief schreiben. Leider nicht unter den besten Umständen. Ich habe gehofft, dich noch einmal zu sehen. Aber so ist das Leben. Ich bin dankbar, wie sich alles zum Guten entwickelt hat. Auch Nozomi-chan wird es verstehen, spätestens wenn du sie besuchst.
 

Leider habe ich keine Kraft mehr für viele Worte. Aber ich muss trotzdem noch ein paar wichtige Sätze loswerden, damit sie sich in dein Gedächtnis brennen. Wenn du je an dir zweifeln solltest, erinnere dich zurück an damals. Du hast so viele von uns gerettet. Und beschützt. Jeder von uns hat damals getötet, es war der Krieg. Du warst zwar ein Hitokiri, aber niemals in deinem Herzen. Das ist die schöne Eigenart der Schatten, weißt du – es gibt immer ein Licht, das sie verursacht. Du bist einzigartig, und dein Herz war dein Licht. Jeder, der nicht nur in die Schatten schaute, hat es erkannt. Und diejenigen, die nicht genau hingeschaut haben, verdienen es auch nicht, das Licht zu sehen.
 

Entschuldige meine schwülstigen Worte, alter Freund. Ich wünsche dir nur das Beste, das gilt auch für die Personen, welche dir wichtig sind. Ich hoffe, du wirst so glücklich wie Nozomi-chan und ich.
 

Du hast jetzt dein Leben frei in deiner eigenen Hand, also grübel nicht über die Vergangenheit. Lebe in der Gegenwart. Denke an die Zukunft. Und wenn du Lust hast, denke an unsere schöne, gemeinsame Zeit, ab und zu.
 

Wir werden uns wiedersehen,
 

Ryu.“
 

Kenshin faltete den Brief zusammen, steckte ihn ein und lief schweigend den Pfad entlang. Ryus Worte kreisten durch seine Gedanken. „Lebe in der Gegenwart…. Denke an die Zukunft… Grüble nicht über die Vergangenheit…“. Wie ironisch, dass gerade sein Besuch in der Vergangenheit ihm den Inhalt dieser Worte erst richtig verdeutlicht hatte.
 

Vor ihm tat sich eine Lichtung auf. Alles sah genauso aus wie immer. Die kleine Hütte, der rauchende Ofen. Und ein großer Mann mit einem weißen Umhang, der davor auf einem Baumstamm saß. Kenshin zögerte kurz, während er sich an die letzte Unterhaltung mit seinem Meister erinnerte… bei der er ihm viel zu viel Sake eingeschenkt hatte. Mit einem Lächeln näherte er sich seinem Shishou. Diesen Gefallen würde er jetzt erwidern. In seiner Hand gluckerte die Sakeflasche.
 

„Was willst du denn,“ erklang Hiko’s Stimme barsch, ohne dass er sich zu seinem ehemaligen Deshi umdrehte, der immer noch einige Meter entfernt war.

Irritiert blieb Kenshin stehen. Dann verstand er… vermutlich wartete sein Meister bereits seit Tagen auf sein Auftauchen. Vermutlich war er wieder einmal wütend. Ein Schweißtropfen trat auf Kenshins Stirn. „Shishou…“, sagte er so freundlich wie möglich. „Ich habe euch Sake mitgebracht.“
 

Der schwarzhaarige Mann schnaubte und wandte seinen Blick nicht von den Flammen im Töpferofen ab. „Versuch nicht, dich einzuschleimen. Erst belästigst du mich mit deinen Problemen, und dann denkst du, mit etwas Alkohol kannst du die Sache wieder gut machen.“ Langsam warf er einen Seitenblick auf die Flasche, die Kenshin in den Händen hielt. Er schnaubte erneut. „Und dann auch noch dieses Gesöff, was man in Kyoto verkauft. Den kannst du alleine trinken.“
 

Kenshin seufzte. „Shishou,“ sprach er sanft, etwas gequält. „Es tut mir sehr leid, dass ich erst so spät komme. Aber die Situation war… kompliziert. Ich konnte nicht hierher kommen, obwohl ihr gewartet habt. Das tut mir sehr leid, aber bitte, macht mir das nicht zum Vorwurf.“ Seine Augenbrauen zuckten, während er noch hinter setzte, „… außerdem habt ihr so schon genug, was ihr mir vorwerfen könnt.“
 

Endlich sah ihn Hiko an, mit glühendem Blick. „Was zur Hölle redest du da, Ken-“. Er brach ab, als er Kenshins Gesichtszüge genauer betrachtete. „Kenshin…“
 

Der Rotschopf blinzelte verständnislos.
 

Hiko stand auf und beäugte ihn kritisch, mit einem misstrauischen Funkeln in den Augen, so als ob er sich nicht sicher war, wer hier eigentlich vor ihm stand. Anscheinend befriedigt nahm sein Gesicht schließlich den üblichen Ausdruck von Arroganz an und er murrte. „Warum zur Hölle hast du mich überhaupt belästigt, wenn es dir doch von alleine gelungen ist, wieder nach Hause zu finden!?“
 

Kenshins Augen wurden groß. „Shishou?“ fragte er vorsichtig. „Ihr wisst…? Ich kam zu euch?“ Er wurde blass. „Ihr habt mit Battousai zu tun gehabt…?“
 

„Nur mit meinem baka deshi,“ grollte Hiko, und er drehte sich wieder zu seinem Ofen um, wo er einen großen Sakekrug vom Boden aufhob. „Niemals würde ich mich mit einem Hitokiri abgeben,“ sprach er über die Schulter zu Kenshin und warf ihm einen vielsagenden Blick zu. „Am wenigsten mit Hitokiri Battousai.“ Dann stampfte er zu seiner Hütte.
 

Erstarrt stand Kenshin da und bewegte sich nicht.
 

„Baka!“ brüllte Hiko aus seiner Hütte. „Soll ich etwa schon wieder auf dich warten?“
 

Schnell eilte der rothaarige Schwertkämpfer ihm nach. Unsicher blieb er im Türrahmen stehen, während er Hiko vorsichtig beobachtete.

„Was ist?“ fuhr dieser ihn ungeduldig an.

Kenshin sah zur Seite. „Shishou… wenn ihr euch nicht mit Battousai abgegeben habt…“. Seine Stimme erstarb zu einem Flüstern. „…dann wie…?“
 

Hiko beäugte scheinbar interessiert seine mit Sake gefüllte Schale. „Du hast aufgehört, Battousai zu sein… als dein Mädchen starb.“ Seine Stimme war mit einem Mal ungewöhnlich leise und sanft. „Ich habe es nicht gewusst…“ Er räusperte sich. „Jedenfalls, ist auch egal. Du bist jetzt hier und die Sache ist geregelt, also lassen wir die Vergangenheit ruhen.“ Sein Blick verdüsterte sich etwas und fast traurig fügte er hinzu: „Auch wenn du es anscheinend sowieso schon vergessen hast…“
 

Verwirrt schaute Kenshin ihn an. „Shishou… Es tut mir leid, aber… ist etwas Wichtiges passiert? Ich kann mich überhaupt nicht erinnern, euch damals besucht zu haben…“

Hikos Augen funkelten wieder. „Als ob es mich interessieren würde, woran du dich erinnerst und woran nicht,“ brummte er. „Jetzt schenk dir schon endlich ein Schälchen Sake ein. Ohne Alkohol ist deine Anwesenheit ja kaum zu ertragen.“ Er zeigte auf ein Regal voller Töpferware. „Nimm dir davon eines. Und zwar eines von den Großen.“
 

Kenshin seufzte resigniert. Er hatte verdrängt, wie schnell sich die Stimmung seines Meisters immer verändern konnte. Trotzdem hatte er ihn kaum jemals so emotional erlebt, wie gerade eben… warum ausgerechnet jetzt? Kenshin holte sich ein blau glasiertes Schälchen aus dem Regal. Dabei entdeckte er einen deformierten, tönernen Klumpen, der Ähnlichkeit mit einem verzerrten Monstergesicht hatte und nur mit viel Fantasie an ein Gefäß erinnerte. Kopfschüttelnd setzte er sich seinem Shishou gegenüber. Dieser hatte Kenshins Reaktion auf das misslungene Gefäß bemerkt. Langsam schenkte er seinem Deshi und sich selbst Sake nach. „Warum das Kopfschütteln?“ fragte er mit einer hochgezogenen Braue.

Kenshin zuckte die Schultern. „Dieses… Teil. Es ist misslungen und zu nichts nütze. Trotzdem habt ihr es all die Jahre aufgehoben. Es sieht schrecklich aus.“
 

„Genau wie deine Handschrift,“ bemerkte Hiko trocken, bevor es ihm dämmerte. Moment… hatte er Kenshin dieses Töpferstück nicht damals gezeigt, als er…
 

Der Rotschopf fuhr fort. „Auch das verstehe ich nicht. Die Krakeleien habt ihr auch aufgehoben. Eigentlich alles von mir…“ Langsam trank er einen Schluck und beäugte seinen Shishou. „Danke,“ fügte er leise hinzu. „Ihr habt mich nie aufgegeben. Ich weiß nicht, ob ich euch das schon jemals gesagt habe, aber ich bin dafür sehr dankbar, Shishou.“
 

Hiko starrte in seinen Sake. Also hatte sein Baka Deshi doch nicht alles vergessen, was er ihm damals gesagt hatte. Einiges schien sich in seinem Dickkopf festgesetzt zu haben.

„Baka,“ entgegnete er nur brüsk. Trotzdem war er jetzt entspannter und fast zufrieden. Er hatte es geschafft, wenigstens ein paar vernünftige Gedanken im Kopf seine Deshis einzupflanzen. „Typisch, dass es solche Dinge sind, an die du dich erinnern kannst…“

„Oro?“

Hiko lächelte nur, das erste Mal, seit Kenshin zu Besuch gekommen war. Dies verwirrte den Rurouni sichtlich noch mehr, was Hiko eine gewisse zusätzliche Freude bereitete.

„Vergiss es,“ sagte er freundlich, und dann, auf die Sakeschale deutend, „Schmeckt es?“
 

Keshin nahm einen weiteren, tiefen Schluck. „Es schmeckt gut,“ antwortete er.
 

Hiko nickte, zufrieden. „Wenigstens einmal sind wir einer Meinung.“
 

__
 

So, die Geschichte ist fast zu Ende :) Es folgt noch ein Epilog...

Hatte die Geschichte schon länger fertig, deswegen die ganzen Updates auf einmal :D



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