Out of Time von MajinMina (In der falschen Zeit!) ================================================================================ Kapitel 16: Zeit zum Zuhören ---------------------------- Schon seit Tagen versusche ich, hier das Kapitel hochzuladen grummel!! ... Naja, dafür jetzt aber ENDLICH! viel Spaß mit dem nächsten Kapitel ^^ Battousai trifft auf seinen Meister - und Kenshin erfährt unerwartet Hilfe. Können Kaorus starke Gefühle zu ihm durch die Zeit dringen? -- Out of Time Kapitel 16 – Zeit zum Zuhören -- 1865 Kenshin hörte, wie Ushiro hinter ihm aufstand und ihm folgte, aber er konnte sich nicht dazu bringen, auf ihn zu warten. Er war über seine eigene Reaktion erschrocken. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte er sich genau daran erinnert, wie er damals gewesen war. Warum er sich selbst von der Welt so abgeschottet hatte. Denn für diesen Bruchteil einer Sekunde hatten ihn die alten Instinkte überwältigt. Er war nicht mehr der Rurouni gewesen, sondern der Hitokiri, und alle hatten es sehen können. Jetzt rang er darum, seine Wut wieder unter Kontrolle zu bekommen und auch die Emotionen, die er jahrelang so sorgsam kontrolliert hatte. Dieses Gespräch weiterzuführen wäre für keinen von ihren gesund. Aber Ushiro war hartnäckig und folgte ihm bis hinunter in die Halle. „Battousai-san! Warte, bitte!” Kenshin lief weiter um eine Ecke. Er wollte nur noch in sein Zimmer. Dort würde er sich wieder sammeln können. „Battousai-san!“ Genau vor Kenshins Tür tat der andere Mann das Undenkbare: Ushiro streckte die Hand aus und packte Kenshin an der Schulter, brachte ihn damit zum stehen. „Bitte, warte. Lass uns reden!“ Kenshin gefror, überrascht über den plötzlichen Körperkontakt. Seine Augen weiteten sich und das gefährliche bernsteinfarbenen Glitzern verblasste zu einem tiefen Blau. „Es gibt nichts zu reden,“ sagte er leise. Seine Stimme hatte immer noch einen drohenden Unterton. Kenshin wandte sich um und sah den größeren Mann an, der immer noch seine Hand auf Kenshins Gi liegen hatte. Ushiro schien endlich zu bemerken, was er da tat und ließ sofort los. Er räusperte sich nervös. „Battousai-san. Das ist nicht wahr. Alles war in Ordnung, bis Kano zu fragen angefangen hat.” Er lächelte schwach. „Eigentlich war es sogar mehr als in Ordnung... ich meine, das war heute das erste Mal, dass du überhaupt mit uns so gesprochen hast. Dass du überhaupt mit jemandem gesprochen hast, seit Izuka...“ Kenshin sah weg. Ushiro spürte, dass er mit Izuka ein weiteres, sensibles Thema berührt hatte und fluchte leise. „Es tut mir leid. Ich hätte ihn nicht erwähnen sollen... Und ich entschuldige mich auch für Kano. Ich weiß nicht, warum er von ihr reden musste, ich schwöre, ich weiß es wirklich nicht.“ „Es ist nicht dein Fehler.“ Der größere Mann nickte. „Ich weiß. Aber ich wollte nur sicher sein, dass auch DU das weißt.“ Er unterbrach sich und fügte nach einem Moment des Zögerns noch hinzu: „Es war auch nicht Kanos Fehler, weißt du...“ Er holte tief Luft und sprach weiter, bevor ihn der überraschte, rothaarige Mann vor ihm unterbrechen konnte. „Woher sollte er denn auch wissen, dass sie für dich ein sensibles Thema ist? Es ist ja nicht so, als ob du jemals mit jemandem von uns über sie geredet hättest. Ehrlich gesagt, du redest doch überhaut niemals mit jemandem von uns. Du benimmst dich, als ob du irgendein unmenschlicher Dämon wärst.“ Ushiro zog die Brauen zusammen und blickte finster und angewidert zugleich. „Als ob du selbst an den Müll glauben würdest, denn Leute über dich reden. Du läuft herum wie ein Untoter oder du verkriechst dich in deinem Zimmer. Du spricht mit niemandem. Du benimmst dich, als ob du keine Gefühle besitzen würdest. Aber willst du die Wahrheit hören?“ fragte Ushiro, der sich jetzt erst richtig aufgewärmt hatte. „Die Wahrheit ist, dass du ein Mensch bist. Genau wie der Rest von uns. Ja, du hast wahrscheinlich mehr getötet als wir alle zusammen und ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, wie du es schaffst, bei all dem, was du tun musst, nicht durchzudrehen. Aber ich weiß, dass du trotz ALLEM ein MENSCH bist. Und wenn du dich weiterhin aufführst, als wärst du keiner, dann wirst du irgendwann überschnappen.“ Kenshin blieb während Ushiros Ausbruch stumm und hörte zu. Endlich hatte jemand den Mut, ihm die Wahrheit zu sagen, so wie er sie sah. Ushiro seufzte aufgebracht. „Ich will nicht, dass so etwas passiert.“ Er wandte sich schließlich um und sah Kenshin wieder an. „Von mir aus können all diese Bakas über dich denken, was sie wollen. Ich habe in den letzten sechs Monaten viel mit dir zusammengearbeitet und was ich gesehen habe, ist ein besorgter Junge, der willig nicht nur für die Sache sondern auch für andere Menschen sterben würde. So jemand kann kein Dämon sein.“ Seine Stimme verlor sich und er sah weg. Er erwartete, dass Battousai jetzt einfach davon gehen würde, so wie immer. Zu seiner Überraschung zog sich der Rotschopf nicht zurück. „Es tut mir leid, Ushiro-san,“ antwortete Kenshin leise, seine Augen auf den Flurboden geheftet. Er lächelte grimmig. „Es ist eine schwierige Situation... JETZT... ist eine schwierige Situation.“ Er seufzte, frustriert darüber, dass er nicht klar sagen konnte, was er wollte. Er sah auf und blickte in Ushiros besorgte Augen. „Du sagst, ich bin kein Dämon. Und du hast recht. Ich habe nie behauptet, einer zu sein. Mit diesem Wort haben mich andere gebrandmarkt. Dennoch ist das, was ich bin, kaum besser.“ Sein Gesicht nahm einen Ausdruck von Schmerz und Verwirrung an. Etwas Gelbes blitzte in seinen blauen Augen auf, während er mit seiner Vergangenheit rang. Er kümmerte sich nicht einmal mehr darum, den lächerlichen Gesichtsausdruck des Rurouni aufzusetzen. Das konnte er hier auf die Dauer sowieso nicht aufrecht erhalten. Hier würde es reichen müssen, wenn er einfach nur ein Ex-Hitokiri war. Ushiro schüttelte den Kopf. „Was meinst du damit, Battousai-san? Was du bist? Du bist ein Schwertkämpfer...“ Kenshins Blick verhärtete sich als er vor seinem Inneren Auge hunderte, aufgeschlitzte Körper sah. Blut bedeckte den Boden, genau in der Farbe seiner Haare. „Nein, Ushiro-san. Ich bin ein Mörder, nichts sonst.“ “Das ist nicht wahr.” „Doch, das ist es. Ich bin ein Schwert, Ushiro-san. Und mein Schwerter haben nur den Zweck, zu töten. Das ist die Realität.“ Er brachte ein kleines Lächeln zustande. „Ich bedanke mich für deine netten Worte, aber nette Worte ändern nicht die Wahrheit.“ Dann drehte er sich um, schob die Tür auf und betrat sein Zimmer. Fast hatte er Angst, dass Ushiro ihm auch dorthin folgen würde, doch nachdem er die Tür zugeschoben hatte, hörte er Fußschritte, die sich langsam von der Tür entfernten. Selbst Ushiro war nicht waghalsig genug, dem Löwen in seine Höhle zu folgen. Kenshin seufzte und durchquerte den Raum, bis er am Fenster stehen blieb, an der Stelle, an der er letzte Nacht sitzend geschlafen hatte. Blut von seiner Schulterwunde hatte an dem Holz der Wand einen dunklen Fleck hinterlassen. Kenshin ging in die Knie und berührte ihn, während er sich seine Worte noch einmal durch den Kopf gehen ließ. „Ich bin ein Schwert, flüsterte er zu sich selbst, „nur ein Schwert...“ Er lehnte seinen Kopf gegen das Holz und fühlte sich ausgebrannt. Er wollte schlafen, aber hatte Angst vor den Träumen, die dann kommen würden. Er wollte nicht noch mal so eine Nacht durchleben. Die Realität des Tages allein war schon genug. Genau, während er so in der Hocke dasaß, rutschte seine Sakeflasche aus seinem Gürtel, fiel zu Boden und rollte, ohne zu zerbrechen, ein Stückchen von ihm weg. Das Geräusch ließ Kenshin aus seinen morbiden Gedanken aufschrecken und seine Augen sprangen auf. Langsam wandte er seinen Blick der Sakeflasche zu. „Shishou,“ flüsterte er, während er sich streckte und mit seinen Fingern über die kühle Oberfläche des Tons strich. Er fühlte sich plötzlich genauso frustriert und hilflos wie vor zwanzig Jahren, als er das erste Mal ein Schwert in den Händen gehalten hatte. Es war viel seit dem vergangen, aber er war lange nicht mehr in einer Situation gewesen, die er so wie jetzt nicht im mindesten kontrollieren konnte... oder zumindest vorrausschauend einschätzen. Er fühlte sich deswegen wieder wie der kleine Junge, den Hiko aufgenommen hatte. Außer, dass er keinerlei Unschuld mehr von damals besaß. Kenshin hatte Shinta schon vor langer Zeit begraben. Selbst der nette Rurouni konnte ihn nicht mehr von den Toten zurückholen. Wenn jemand die Macht hätte, Shinta wiederzuerwecken, dann wäre das Kaoru. Dieser Gedanke schien unvermittelt die Düsternis, die Kenshins Seele aufzufressen drohte, zu durchbrechen. Für sie würde er nie nur irgendein Schwert sein. Sie glaubte an eine Welt, in der Schwerter nur dazu eingesetzt wurden, Unschuldige zu retten. Seine Lippen formten sich zu einem schwachen Lächeln. Sie war in diesem Gedanken so naiv, wie er es als kleiner Junge gewesen war. Das war genau der Grund, warum er ihren schönen Traum nicht zerstören konnte. Gerade er selbst musste deshalb ein Schwert sein, das andere beschützt. Denn wenn es jemand so kaputtes wie er schaffen konnte, nach dem Schwert, das beschützt zu leben... vielleicht würde dann wirklich eine Chance bestehen, dass ihr Traum irgendwann wahr werden KÖNNTE. Er ließ das Sakabatou aus seiner Scheide gleiten und studierte einen Moment lang die Klinge, während sich seine Augen mit einem Ausdruck von Entschlossenheit verhärteten. ER würde es nicht zulassen, dass Kaorus Unschuld so zerstört wurde wie die seine. Vorsichtig nahm er das Schwert und begann, in die Wand zu ritzen. Okami würde ihn dafür töten... aber er brauchte jetzt etwas berührbares. Genau wie Hikos Sakeflasche ihn tagsüber bei Vernunft hielt... so brauchte er jetzt auch Schutz in der Nacht. Er lehnte sich zurück und begutachtete sein Werk. Ein einzelnes Wort, tief in das Holz der Wand geritzt. Kaoru. -- 1878 Jemand war bei ihm im Raum. Battousai konnte eine sehr starke Ki fühlen. War er also gefangen genommen worden? Aber das ergab keinen Sinn. Warum sollte ihn jemand gefangen nehmen und ihn leben lassen? Ein Hitokiri war es nicht wert, als Geisel genommen zu werden. Nicht mal jemand so berüchtigtes wie Battousai. Er bewegte sich nicht und versuchte, in Gedanken zu rekonstruieren, was geschehen war. Er erinnerte sich an die Brücke. Jemand, der ihn vom springen abgehalten hatte. Und einen Kampf in völliger Dunkelheit. Aber wer...? Er bekam nicht viel Zeit, darüber nachzugrübeln. „Also gut,“ brummelte eine tiefe Stimme genau über ihm. „Ich weiß, dass du wach bist, also steh auf. Du hast viel zu erklären, Baka.“ Das war nicht möglich! Der Junge blieb regungslos liegen, zu verängstigt um überhaupt einen Finger rühren zu können. Das konnte nicht real sein. Er träumte. Er MUSSTE träumen. Aber als der Besitzer der tiefen Stimme ein zweites Mal sprach und ihn dieses Mal mit seiner Stiefelspitze anstupste, gab es kein Missverstehen mehr. „Ich sagte, steh auf, baka deshi!“ Der Junge öffnete endlich seine Augen und setzte sich auf. Selbst wenn es dennoch ein Traum wäre, wusste Battousai, dass er besser den Worten von Hiko Seijuro gehorchte, sonst würde das hier schnell zu einem Albtraum werden. Trotzdem hob der Rotschopf zwar seinen Kopf, aber nicht seine Augen, denn er hatte Angst, zu sehen, was die Zeit wohl aus seinem ehemaligen Meister gemacht hatte. Er wartete stumm auf den Wutausbruch und die Demütigungen. Deswegen war es auch eine Überraschung, als plötzlich vor ihm auf den Boden ein Sake-Schälchen gestellt wurde und der Mann im weißen Mantel ungeduldig grummelte. „Heraus damit. Was ist passiert?!“ Ohne eigentlich zu wollen, schaute Kenshin hoch in das Gesicht des älteren Mannes. Er war so imposant, wie er schon immer ausgesehen hatte und sah auch genauso wütend aus, während er mit düsterem Blick an seinem Sakeschälchen nippte. Battousai bemerkte voller Erleichterung, dass außer ein paar leichten Falten im Gesicht die Zeit an seinem Meister kaum Spuren hinterlassen hatte. Die nagende Angst, dass sein Shishou vielleicht alt und schwach hätte geworden sein können wurde von einem mehr praktischen Bedenken ersetzt: Was würde der Mann jetzt mit ihm machen, seinem Schüler, der ihn verlassen hatte und ein Mörder geworden war? Anscheinend war sein Starren zu lang gewesen, denn Hikos Augenbraue zuckte und sein Gesicht wurde noch düsterer. „Du bringst mich in schlechte Laune, baka,“ schnauzte er. „Ich schlage vor, du redest besser schnell, bevor ich zum fragen zu ungeduldig werde. Was zur Hölle wolltest du da auf der Brücke machen?“ Battousai war so überrascht, dass er seine Stimme kaum fand. „Ich wollte nach hause.“ Hiko schnaufte ungehalten und zeigte mit dem Finger auf seine Haustür. „Nach Tokyo geht es da lang.“ „Tokyo?“ fragte der Junge verwirrt und sah Hikos ausgestrecktem Finger hinterher... er zeigte genau in Richtung Edo. „Ja. Nach Hause. Tokyo. Die Hauptstadt.“ Ein schiefes Lächeln. „SO hart habe dich auch wieder nicht getroffen.“ Battousai schüttelte ungläubig den Kopf. „Die Hauptstadt? Aber Kyoto...“ “Was ist damit?” fragte Hiko, nachdem er einen weiteren, tiefen Schluck genommen hatte. „Kyoto ist doch die Hauptstadt, Shishou... oder nicht?“ Hiko prustete in seinen Sake. Der stechende Blick, mit dem er jetzt seinen Deshi musterte, nahm endlich auch die Details zur Kenntnis. „Verdammt,“ fluchte er, immer noch leicht hustend. „Shishou?“ „Battousai.“ Die Stimme des älteren Mannes war ausdruckslos, als er endlich verstanden hatte, wer da vor ihm saß. Der Junge nickte und sah weg. Hiko hatte also endlich kapiert. Battousai spannte sich an und wartete auf Hikos Rache. Er war sicher mehr als wütend. Es gab keine Chance, dass er jemals die Missetaten verstehen würde, die Battousai begangen hatte. „Kuso,“ fluchte Hiko erneut. „Ihr habt also Platz getauscht. Verflucht, das macht die Sache ja noch komplizierter. Warum zur Hölle kommst du schon WIEDER zu MIR? Hast du niemand anderes, den du mit dieser Sache belästigen kannst?“ Battousai versteifte sich, jetzt, da sich die Überraschung seines Meister langsam in Wut zu verwandeln schien. Seine Augen verdunkelten sich und sein Gesicht erstarrte wieder zu einer kalten, gefühllosen Maske. „Ich bin nicht hierher gekommen. Ihr habt mich her gebracht.“ „Du wolltest eine Brücke hinunterspringen!“ „Ich wollte nach Hause!“ Hiko schnaufte laut. „Und dich selbst umzubringen hätte dich zurück in die Edo-Zeit gebracht?“ „Ich wollte mich nicht töten!“ herrschte ihn der Junge an und brachte seinen Meister damit zum Schweigen. „Warum hört ihr mir nicht zu? Warum hört ihr mir NIE zu!!“ Hiko lehnte sich nach vorne, seine Augen blitzten vor Wut auf. „Das letzte Mal, als ich ZUGEHÖRT habe, war, als du gerade dabei warst, in den KRIEG zu ziehen, Kenshin. Als du Hiten Mitsurugi und dich selbst an Leute übergeben wolltest, die in dir nichts anderes sahen, als eine Waffe. Ich HÖRTE zu und sagte meine Meinung und ich ließ dich gehen. Bist du glücklich, dass ich dir damals ZUGEHÖRT habe?“ Er nahm einen langen und tiefen Schluck Sake zu sich und versuchte die leere Maske, die das Gesicht seines Schülers war, zu ignorieren. Es war erschreckend. Er hatte diesen Jungen einst durch und durch gekannt. Er hatte damals verstanden, was Kenshin durch den Kopf gegangen war, auch wenn er selbst eine andere Meinung vertreten hatte. Und selbst, als Kenshin zurückgekehrt war, um sein Training zu vollenden, hatte er viel in seinen Augen lesen können. Aber dieser Junge... er war anders. Sein Deshi hatte sich so in sich selbst zurückgezogen, dass Hiko sich fühlte, als ob er gegen eine Wand sprechen würde. Der ältere Mann seufzte und studierte seinen baka deshi, der sich nun ebenfalls Sake einschenkte aber keinerlei Augenkontakt zu seinem Meister aufnahm. „Davor hatte ich Angst,“ dachte Hiko schmerzvoll zu sich selbst, als er sah, wie viel Schaden sein Schüler im Krieg genommen hatte. „ Genau davor wollte ich dich doch schützen, baka. Warum hast du MIR nicht zugehört?“ -- Kaoru eilte durch die dunklen Strassen von Kyoto, Kenshins Namen rufend. Sie tat das schon seit Stunden, doch erfolglos. Bald würde Sonnenaufgang sein und Okina und die anderen würden sich der Suche anschließen. Sie hatte gehofft, wenigstens das Stadtzentrum absuchen zu können, so dass sie später nur noch in den Außenbezirken suchen mussten. Okina und die anderen würden trotzdem wütend sein, wenn sie merkten, dass sie verschwunden war. Aber sie konnte nicht einfach rumsitzen und warten, bis Kenshin von alleine auftauchte. Sie SORGTE sich zu sehr, um ihn alleine herumwandern zu lassen. Und vielleicht hatte Sano ja recht... vielleicht hatte Kenshin keine Ahnung, wie wichtig er wirklich für sie war... für sie alle. Sie konnte nicht länger den Gedanken ertragen, dass er jetzt vielleicht alleine in dieser Stadt unterwegs war und dachte, dass sich niemand genug sorgen um ihn machte, um nach ihm zu suchen. Sie umrundete eine weitere Ecke und bog in eine schmale Gasse ein. Warum nur musste Kyoto so groß sein? Sie würde es nie schaffen, ihn in all den kleinen Strassen zu finden. Kaoru eilte an einem alten, baufälligen Gebäude vorbei und genau dort zwang sie plötzlich irgendetwas, stehen zu bleiben. Sie drehte sich zu dem Bau um. Das Haus war verlassen. Es war vermutlich in der Vergangenheit mal ein Gasthof oder eine Herberge gewesen, vollgestopft mit Leuten, aber jetzt sah es alt und schäbig aus. Sie hatte schon eine Reihe solcher leerstehenden Gebäude heute Nacht passiert, aber keines davon hatte ihr solch eine Gänsehaut über den Rücken gejagt wie dieses hier – gleichzeitig wurde sie aber auch irgendwie von dem Haus angezogen. Langsam trat sie auf die Tür zu, die schief in den Angeln hing und öffnete sie ganz. „Vielleicht hat er sich hier rausgeruht?“ überlegte sie voller Hoffnung. Vielleicht fühlte sie sich deswegen von dem Haus so angezogen? Sie betrat vorsichtig die Halle, unter ihren Füßen raschelten vergilbte Blätter alter Zeitungen. Kaoru trat durch den leeren Raum in einen Flur. Dort hielt sie kurz an und lauschte auf ein Lebenszeichen von irgendjemanden. Es könnte ja bei ihrem Glück durchaus sein, dass sie gerade in ein Räuberversteck stolperte. Aber das einzige Geräusch, das sie hörte, war ihr schneller Atem. Leise ging sie weiter. Sie war versucht, erneut Kenshins Namen zu rufen, aber dieser Ort hier zwang sie zur Stille. Leise ging sie von Zimmer zu Zimmer, und bis auf ein paar alte Tische fand sie jeden Raum leer. Sie bog im eine Ecke und befand sich einem weiteren, langen Flur. Hier befanden sich vorwiegend Schlafzimmer, in denen noch lumpige Decken herumlagen. Sie seuftze auf halbem Weg. „Was mache ich hier?“ dachte sie entmutigt, während sie die letzte Tür am Gang-Ende aufschob und hineinschaute. Ein Stapel Bücher gammelte dort nahe dem Fenster vor sich hin. Etwas hinter den Büchern raschelte. Kaoru zögerte kurz, dann betrat sie auf leisen Sohlen das Zimmer. „Kenshin?“ flüsterte sie kaum hörbar. Auf halbem Weg zu den Büchern entdeckte sie die Quelle des Geräusches: Aus dem Bücherstapel flüchtete eine fette Maus. Vor Überraschung quietschten beide, Kaoru und Maus. Letztere schlüpfte schnell an Kaoru vorbei die Tür hinaus. Kaoru stolperte, weil sie versuchte, auszuweichen und fiel mitten in den staubigen Bücherstapel. Dabei polterte sie mit der Schulter gegen das harte Holz der Wand. „Blödes Mädchen,“ schimpfte sie sich selber und rieb ihren schmerzenden Arm. Sie fühlte unvermittelt Tränen in ihren Augen. Die Bücher zur Seite stoßend lehnte sie sich mit dem Rücken gegen das Holz der Wand. Sie wollte den Tränen nicht nachgeben, aber sie war frustriert, müde und endlich verstand sie, dass, wenn Kenshin wirklich verschwinden wollte, selbst SIE ihn nicht finden konnte. „Ich werde ihn nie wieder sehen!“ dachte sie verzweifelt. „Und ich habe ihm nicht einmal klar gesagt, was ich für ihn empfinde...“ Kaoru lehnte ihren Kopf zurück an die Wand und zuckte zurück. Etwas war an dem glatten Holz, das sie gepiekst hatte. Sie drehte sich um, und im schwachen Mondlicht weiteten sich ihre Augen, als sie erkannte, WAS da im Holz war. Ein Kanji. In einen dunklen Fleck am Holz geritzt. Es musste dort schon ewig sein, so zerfranst wie es aussah. Und es war nicht sehr groß – doch Kaoru konnte das Zeichen genau lesen. Ihre zitternden Finger berührten das eingeritzte Wort – ihr Name. „Kenshin...“ flüsterte sie. Doch er konnte es nicht gewesen sein... als er in Kyoto gelebt hatte, hatten sie sich noch gar nicht gekannt. Das Kanji musste von jemand anderem dort angebracht worden sein. Nur ein dummer Zufall. Aber irgendwie musste sie jetzt nicht mehr weinen. Sie fühlte sich besser, als ob Kenshin irgendwie durch dieses Zeichen mit ihr verbunden war. Die lehnte den Kopf neben das Zeichen und schloss ihre Augen. Sie wollte nur einen Moment hier ausruhen und dann weitersuchen. Sie spürte, dass er irgendwo war und sie brauchte. Genau wie sie ihn. Fast spürte sie seine Arme, die sich trostspendend um sie legten. Bei diesem Gedanken wurde ihr warm und sie lächelte. „Kenshin...“ flüsterte sie erneut, bevor sie, den Kopf an das Holz gelehnt, erschöpft einschlief. -- 1865 Er ruhte aus, den Kopf an das Holz neben Kaorus Namen gelegt. Er wartete auf Schlaf. „Kenshin...“ Seine Augen sprangen auf und er sah sich hektisch im Raum um – woher war diese Stimme gekommen? Doch das Zimmer war leer. Er seufzte und nach einem letzten, vergewisserndem Blick in Richtung Tür schloss er seine Augen wieder. Die Stimme hatte sie angehört wie Kaoru, erkannte er plötzlich. Natürlich war das nicht möglich. Das war verrückt und er wusste das. Dennoch... während er so dasaß und am einschlafen war, hatte er fast das Gefühl, als ob sie ganz nah bei ihm sitzen würde... ihn beschützen würde... vor sich selbst. -- Das war ein langes Kapitel ^^ ich hoffe, es hat euch gefallen! Das nächste folgt so bald wie möglich... Battousai und Hiko sprechen sich aus. Sanosuke erinnert sich an etwas... und Kenshin muss neuen Gefahren in die Augen sehen... bis dahin, dewa mata! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)