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Out of Time

In der falschen Zeit!
von

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Diskussionen

Out of Time
 

Kapitel 4 – Diskussionen
 

1865
 

Hiko saß vor dem jungen Mann und beobachtete amüsiert, wie dieser hastig sein Sake-Schälchen leer trank. Er schenkte nach und war sich nicht sicher, warum er das überhaupt so lustig fand. Immerhin konnte der Junge gar nichts anderes, als trinkfest zu sein, wenn es wirklich sein Baka Deshi war. Er hatte ihn ja gewissermaßen mit Sake großgezogen.

Aber WIE konnte das der Junge sein, den er einst trainiert hatte? Er war älter, das war sicher. Und er war anders, und das war es, was Hiko so zu schaffen machte. Seine Augen waren so strahlend blau wie an dem Tag, als Hiko ihn gefunden und gerettet hatte, aber gleichzeitig waren sie auch unergründlich tief. Er konnte den Jungen überhaupt nicht mehr einschätzen. Er konnte hier nur sitzen und spekulieren. Dieser Mann, dieser ältere Kenshin schien – und das war erschreckend - ihm gar nicht so unähnlich zu sein.
 

„Kenshin?“ Er musste noch einmal fragen. Wer konnte es sonst sein. Nicht mit diesen Haaren und diesen Augen. Aber Hiko MUSSTE es aus seinem Mund hören.
 

Kenshin nickte kurz. Seine Stimme war weich und angenehm. „Ich weiß, das klingt seltsam, und das ist es auch. Ich brauche eure Hilfe. Ich weiß nicht, was mit mir passiert ist und ihr seid der einzige, bei dem ich Rat suchen kann. Kyoto ist hier... jetzt zu gefährlich. Ich könnte wieder töten.“
 

Hiko trank sein drittes Schälchen Sake, setzte es dann ab und entschloss sich, doch direkt aus dem Krug zu trinken. In diese Schälchen passte einfach nichts rein.

„Wie alt bist du?“ fragte er, bevor er noch einen Schluck nahm.

Kenshin blinzelte überrascht. „Oro? Dreißig. Warum?”

Hiko verschluckte sich und hätte fast den Krug fallen gelassen. Er fing das Husten an und Kenshin starrte ihn geschockt an. Endlich, nach einigem Husten, konnte Hiko den Rotschopf vor ihm wieder ansehen. „Dreißig? Du bist fast so alt wie ich...“ Er erwischte sich dabei, wie er mit offenem Mund seinen Baka Deshi anglotzte und entschloss sich statt dessen, noch mehr Sake zu trinken. Er hatte doch geahnt, dass für diese Unterredung Alkohol nötig war. Hoffentlich hatte er auch genug im Haus.
 

„Shishou?“ fragte Kenshin mit besorgtem Gesichtsausdruck

„Schau mich nicht so an.“

„Aber ihr habt euch gerade verschluckt. Kann es sein, dass...“
 

„Mir geht es gut,“ schnappte Hiko zurück. „Ich weiß nicht, warum ich dich überhaupt reingelassen habe. Battousai oder nicht, DU hast MICH verlassen. Ich bin dir gar nichts schuldig.“
 

Kenshin verbeugte sich nochmals. „Ich sage nicht, das ihr mir etwas schuldet. Aber...“
 

„Und kannst du mal aufhören, dich zu verbeugen? Wie soll ich denn mit dir reden, wenn du dein Gesicht ständig auf den Boden drückst.“
 

„Shishou, ihr macht es mir nicht gerade leicht! Ich muss wissen, was hier vor sich geht!“ Verzweifelte Wut flammte in Kenshins Augen auf.
 

Hiko grinste und trank noch einen Schluck. „Du bist wütend. Gut. Besser als dieses demütige Getue. Wenn wir etwas herausfinden wollen, dann musst du bei Verstand sein.“

„Shishou!“ rief Kenshin empört aus.

„Lass das mit dem Shishou,“ schnauzte Hiko ihn an. „Mein Baka Deshi ist 14 Jahre jünger wie du, nicht nur ein Jahr. Wir sind ja praktisch Altersgenossen.“ Hiko schloss seine Augen und versuchte, sich zu beruhigen. „Ich bin Hiko. Du bist Kenshin. Aber nur heute!“
 

Kenshin sagte nichts, nickte aber.

“Hier.” Hiko griff hinter sich und holte zwei neue Sake-Krüge. Einen davon gab er Kenshin. „Die werden wir noch brauchen. Unsere Unterhaltung wird wohl länger dauern.“ Er öffnete seinen Krug. „Also, was genau müssen wir herausfinden? Wie du hierher gekommen bist? Wie du wieder zurück kommst?“
 

„Ob es einen Grund dafür gibt,“ meinte Kenshin leise.

Hiko zog eine Augenbraue nach oben. „Einen Grund? Warum muss es bei dir immer einen Grund geben? Gab es einen GRUND, warum dich die Banditen damals angegriffen haben? Gibt es einen richtigen GRUND für diesen Krieg? Du bist immer noch ein Idealist, Baka!“
 

Kenshin sah ihn an. „Ich dachte, ich bin nicht mehr euer Baka Deshi,“ sagte er frustriert.

„Bist du nicht, aber jeder kann ein Baka sein und das bist du gerade. Was für einen GRUND könnte deiner Meinung all das hier haben? Ein dreißig-jähriger Mann, der zurück in seine bluttriefende Vergangenheit geschleudert wird... Sollst du die Revolution noch einmal durchleben, dieses Mal ohne zu töten?“
 

„Ich kann kämpfen, ohne zu töten. Ich habe es seit zehn Jahren getan,“ meinte Kenshin ungehalten und zog sein Schwert aus der Scheide.

Hikos Augenbrauen hoben sich dieses Mal beide. „Ein Sakabatou! Interessant. Aber ich kenne deine Fähigkeiten. Wenn du wollen würdest, könntest du auch jemanden mit diesem Schwert töten. Also weich meiner Frage nicht aus. Was für einen Grund könnte es geben?“

Kenshin senkte seinen Blick und steckte sein Sakabatou zurück in die Scheide. „Vielleicht, um jemanden zu beschützen...“
 

Hiko schaufte. „Du hast dich an diesem Krieg BETEILIGT, um Leute zu beschützen. Ich habe Gerüchte von Nah und Fern gehört, wie genau dein SCHUTZ aussieht. Du solltest aufhören, das gleiche nur mit anderen Worten zu sagen. Wen könntest du in dieser Revolution beschützen, ohne zu töten? Du denkst dabei doch nicht etwa an dieses Mädchen...“

Kenshin wurde sichtbar blass und Hiko wusste, dass er einen Nerv getroffen hatte.

„Es geht also um sie.“

„Woher wisst ihr von ... Tomoe?“ Kenshins Stimme war nur noch ein Flüstern.
 

Hiko funkelte ihn an. „Denkst du, ich lasse meinen Baka Deshi in den Krieg stapfen und behalte ihn nicht dabei im Auge?“

Kenshins Augen weiteten sich vor Überraschung. „Ihr... habt mich im Auge behalten?“

Hiko trank mehr von seinem Sake, seine Augen auf den Krug geheftet. „Was ist mit Tomoe?“ lenkte er das Gespräch von sich ab.
 

“Ja… Ich…” Über sie zu sprechen bereitete Kenshin sichtlich Schmerzen. “Ich habe wegen ihr geschworen, niemals mehr zu töten. Sie... sie konnte irgendwie durch mich hindurch sehen... durch Battousai. Sie hat MICH gesehen... und mir wieder geholfen, zu leben. Und ich habe sie getötet. Sie versuchte, mich zu beschützen, als ich aus dem Hinterhalt angegriffen wurde und... sie ist direkt vor mein Schwert gerannt. Ich habe sie nicht einmal gesehen, bevor es schon zu spät war. In ihrem Gedenken habe ich geschworen, nie mehr zu töten, sobald die Revolution vorüber ist.“
 

Hiko beobachtete den Mann vor ihm. Er kannte das Gefühl, jemanden nicht retten zu können, jemanden zu verlieren. Er hatte dieses Gefühl gehabt, als er damals einen kleinen Jungen zwischen blutigen Leichen zurückgelassen hatte. Doch er hatte eine zweite Chance bekommen. Dieser kleine Junge hatte überlebt und war sein neuer Schüler geworden. Es tat ihm weh, begreifen zu müssen, dass Kenshin Tomoes Tod nötig gehabt hatte. Es war nötig gewesen, dass jemand für ihn starb, denn nur so konnte er lernen, sein eigenes Leben wertzuschätzen - etwas, was Hiko dem Jungen nie hatte beibringen können.
 

“So. Du würdest also die Geschichte ändern, nur um sie zu retten?“ knurrte er. „Du würdest die Geschichte Japans verändern und dein Leben, zu dem du endlich gefunden hast, nur um sie zu retten?“

„Ja.“ Kenshins Stimme war kaum noch hörbar.

Kenshin hatte sie geliebt. Hiko hatte das bis jetzt nicht gewusst. Das würde die Dinge nur noch komplizierter machen.

„Dann sag mir, Kenshin. Wenn du weit genug in der Zeit zurückgereist wärst, um die drei Mädchen von damals vor den Banditen zu retten, hättest du es getan?“
 

Kenshin sah auf und blickte das erste Mal seit langem direkt in Hikos Augen. „Was?“

„Du hast mich schon verstanden,“ schnauzte Hiko. „Hättest du sie gerettet? Wärst du eingeschritten, bevor ich gekommen wäre? Hättest du ihr Leben gerettet und damit Hitokiri Battousai ausradiert? Dein Training mit mir ausradiert? Deine Rolle in der Revolution ausradiert? Deine Begegnung mit Tomoe ausradiert?“ Er knallte seinen Sake-Krug zu Boden. „Hättest du es getan?“
 

Kenshin schwieg einen Moment, bevor er antwortete.

„Nein.“ Es fiel ihm schwer, dieses Wort zu sagen. „Ich habe das Training gebraucht. Ich habe so viel getan, seit die Revolution vorbei ist. Ich habe Menschen geholfen. Ich kann das nicht alles ungeschehen machen, mögen mir Kasumi, Akane und Sakura verzeihen.“

„Aber für Tomoe hättest du es getan?“

Kenshin antwortete nicht.
 

„Aus dem, was du mir erzählt hast, kann ich schlussfolgern, dass sie dir geholfen hat, den Hitokiri in dir unter Kontrolle zu bringen. Jetzt stell dir vor, wie viele Leben du zerstört hättest, wenn du ihr damals nicht geschworen hättest, nie mehr zu töten? Denk nach.“

Kenshin trank einige Schlucke Sake, bevor er langsam nickte. Er hatte verstanden.

Hiko trank seinen zweiten Krug leer und holte sich noch einen. „Sie starb vor sechs Monaten, Kenshin. Du hättest sie sowieso nicht mehr retten können, wenn das ein Trost für dich ist.“ Er seufzte und beobachtete den vernarbten Mann vor ihm. „Ehrlich gesagt, ich habe gedacht, dass dich ihr Tod vollends zerstört hätte. Wenigstens dieses eine Mal ist es beruhigend, nicht recht gehabt zu haben.“
 

Kenshins Augen verdunkelten sich kurz, bevor sie sich vor Entschlossenheit verhärteten. Hiko hatte dennoch die tiefe Trauer in ihnen kurz aufschimmern sehen. Kenshin verbeugte sich. „Danke... Hiko.“

Dann folgte ein unangenehmer Moment, in dem sie beide sich schweigend gegenüber saßen und gedankenverloren ihren Sake tranken.
 

Schließlich brach Hiko das Schweigen. „Wir müssen herausfinden, wie genau du hierher gekommen bist. Auf diesem Weg könnte ich dich vermutlich auch wieder loswerden,“ grummelte er. Sein Blick fiel auf die vielen leeren Krüge, die sich um sie herum schon angesammelt hatten und sein Mund verzog sich zu einem Grinsen. „Ich weiß nicht, ob ich mir es leisten kann, dich auszuhalten – jetzt, wo du gelernt hast, wie man Sake trinkt.“
 

Kenshin lachte leise.

Hiko entspannte sich. Gut, dachte er. Wenigstens konnte Kenshin noch lächeln.
 

--
 

1878
 

Als Battousai wieder wach wurde, war es dunkel und die Leute um ihn herum waren verschwunden. Er blinzelte einige Male, bevor er den Raum wirklich wahrnehmen konnte. Alles schien für ihn noch etwas unscharf, und das beunruhigte ihn. Als Hitokiri musste er alles scharf im Blick haben.

Er lag auf einem Futon, mit einer Decke über sich. Er schwitzte etwas und seine Muskeln taten weh, aber ansonsten schien er in Ordnung zu sein.
 

Seine Augen überblickten das dunkle Zimmer. Es sah aus wie in seinem Albtraum. Anscheinend mussten Teile dieses Traumes wahr sein, genau wie das mit der Meiji-Zeit und Sagara. Er fragte sich, ob die Menschen um ihn herum wohl auch echt gewesen waren.
 

Seine Nackenhaare sträubten sich, als er plötzlich die Anwesenheit von jemandem spürte. Sagara saß auch noch im Raum. Battousai befahl seinen schmerzenden Muskeln, sich zu bewegen und er setzte sich auf.
 

„Wie fühlst du dich?“
 

Battousai wandte sich um und sah den braunhaarigen Mann an, der mit dem Rücken an die Wand gelehnt neben seinem Futon saß. „Sagara,“ sagte er und versuchte, die Überraschung in seiner Stimme zu verbergen. „Warum bist du hier?“
 

Sagara grinste. „Wenigstens weißt du jetzt, wer ich bin. Du hast uns alle ganz schön erschreckt. Dein Fieber war so hoch, dass du phantasiert hast.“
 

Battousai legte seinen Stirn in Falten und versuchte, sich an seinen Albtraum zu erinnern. Da waren Leute um ihn herum gewesen. Und Sagara, der versucht hatte, ihn hinzulegen. Und Tomoe, die weinte... er schüttelte seinen Kopf. Nein. Sie musste jemand anderes gewesen sein. Warum hatte er sie Tomoe genannt? Er konnte sich nicht mehr erinnern. Besorgt blickte er Sanosuke an. „Hab ich sie verletzt?“
 

„Huh?“ Sano schaute Battousai ins Gesicht und war erstaunt, Betroffenheit darin zu entdecken. „Kaoru? Nein. Warum?”
 

“Sie hat geweint…” Battousai schüttelte den Kopf. „Ich erinnere mich, dass sie geweint hat, aber ich weiß nicht, warum.“
 

Sagara lachte erleichtert. „Ach das. Sie hat sich Sorgen gemacht, das ist alles. Typisch Kaoru – nach außen ein harter Kern aber wenn sie denkt, du bist verletzt, dann heult sie immer gleich. Naja, und als du sie davon gestoßen hast... hat sie sich nur noch mehr Sorgen gemacht. Wenn es nach ihr ginge, dann wäre sie die ganze Nacht hier bei dir geblieben. Aber ich konnte sie dann überzeugen, mich auf dich aufpassen zu lassen, immerhin haben wir uns einander schon vorgestellt.“
 

Der Rotschopf schien zu versuchen, all das zu begreifen. „Sie sollte sich nicht um mich besorgen. Ich habe mir dieses Leben ausgesucht. Ich werde nicht lange leben.“
 

„Sag das nicht zu ihr, Kenshin. Das würde sie umbringen.“
 

Die steinerne Maske war sofort wieder an Ort und Stelle. „Ich habe dir gesagt, du sollst mich nicht so nennen. Ich werde diesen Namen nicht mit Blut beschmutzen. Ich bin Battousai.“
 

Sagara funkelte ihn an. „Und ICH sage dir, dass ich dich nicht Battousai nennen kann! Wenn du Kenshin nicht magst, dann nennen ich dich eben Himura, wie Misao. Das ist alles, was ich tun kann.“
 

Nach einer langen Pause antwortete der Jugendliche. „Himura ist in Ordnung. Katsura-san hat mich auch so genannt.“
 

„Gut.“ Sano nickte. „Aber du musst damit klar kommen, dass die ANDEREN dich weiterhin Kenshin nennen werden. Sie haben das immer getan. Keiner von ihnen hat dich als Battousai getroffen. Sie haben dich als Vagabund kennen gelernt, als Rurouni namens Himura Kenshin. Wenn du deinen Namen plötzlich änderst, machen sie sich nur unnötig Sorgen.“
 

„Rurouni? Das macht keinen Sinn, Sagara.“

“Ja, ein Rurouni.” Der Kämpfer zuckte zurück. „Und weißt du, wenn ich dich schon Himura nennen muss, dann kannst du mich auch Sanosuke nennen.“
 

Battousai nickte, wie als ob er einen Befehl erhalten hätte. „Gut. Sanosuke.“ Er sprach den Namen kalt und ohne die sonstige Freundlichkeit aus, die Kenshin immer in seiner Stimme hatte.
 

Sano seufzte angesichts dieser schwierigen Lage. „Hör mir zu, Ken- Himura. Diese Leute von letzter Nacht, sie sind alle deine Freunde.“
 

Er lächelte, als er sah, wie Battousais Maske für einen Moment verrutschte und er überrascht blinzelte.

„Misao, Kaoru, Megumi und ich, du hast uns alle in irgendeiner Art und Weise gerettet. Selbst Yahiko. Den hast du noch nicht gesehen, denn er hat schon geschlafen, ein kleiner Junge.“
 

“Gerettet?” Die Augen des jungen Mannes weiteten sich und wurden dann kalt. Das hier alles musste ein schlechter Scherz sein. „Leute, die ich GERETTET habe? Ich bin ein Hitokiri. Ein Killer. Ich weiß nicht, wie man Leute RETTET. Ich töte. Das ist alles. Selbst jetzt, wo ich nicht mehr länger offiziell ein Attentäter bin, töte ich, um zu beschützen. Und selbst unter meinem Schutz sterben Menschen.“ Battousai sah weg.
 

“Gute Güte, Himura,” schnaufte Sano. Ihn ärgerte der zynische und frustrierte Tonfall des Jungen, der davon zeugte, das er durch die Hölle gegangen sein musste und nun kurz davor stand, das Handtuch zu werfen. „Keiner kann ALLE retten. Nicht mal du!“
 

„Vielleicht nicht, aber ich habe SIE getötet, Sasosuke. Sie stand unter meinem Schutz und es war MEIN Schwert, das sie getötet hat. Was für eine Gerechtigkeit ist das? Was für ein SCHUTZ?“ Ein bernsteinfarbenes Glitzern flackerte tief in seinen blauen Augen auf und eine todbringende Wut schwappte kurz an die Oberfläche, bevor sie wieder unter Kontrolle gebracht wurde.
 

Sie? Wer war diese Tomoe, die er auch schon früher genannt hatte? Sano schwieg eine Zeit lang. Das war gerade purer Schmerz, den er in den Augen des Jungen gesehen hatte. Die erste, richtige Empfindung, die ihren Weg aus seinem Inneren an die Oberfläche gefunden hatte. Ein Schauder rann Sano über den Rücken, als er sich bewusst wurde, dass Kenshin diesen gefühlslosen Gesichtsausdruck nicht nur benutzte, um sich dahinter zu verstecken, wenn er töten musste. Etwas Schreckliches musste passiert sein und diese kalte Maske war im Moment anscheinend alles, was diesen Jungen noch zusammenhielt. Doch sie schien Sprünge zu haben. Und Sano wollte seinen Freund nicht mit ihr zerbrechen sehen.
 

„Ich weiß, dass du nicht ohne Grund töten würdest, Himura. Und ich kann nicht glauben, dass du das als Hitokiri damals getan hast. Wenn du sie wirklich getötet hast, dann...“
 

„Es gibt kein WENN, Sanosuke. Mein Schwert hat ihr Herz zerteilt. Es hat mit so großer Kraft durch sie hindurch geschnitten, dass es noch einen Mann auf der anderen Seite töten konnte. Ihr Blut hat mich wie eine zweite Haut bedeckt. Soll ich es noch ausführlicher beschreiben, oder reicht das, damit du verstehst? Ich habe sie GETÖTET. Und mein Grund? Der Grund, den ich deiner Meinung nach bräuchte? Sie stand im Weg.“ Der Junge atmete tief ein.
 

Sano konnte sehen, wie schwer dieses Gespräch für Battousai war. Er war immer noch schwach durch die Verletzungen und offensichtlich auch noch krank. Diese Diskussion würde nichts weiter bringen, als dass sich der Junge nur noch mehr aufregen wurde und das war für seine Genesung sicherlich nicht fördernd. Sano schaute aus dem großen Fenster auf den morgenroten Himmel. „Vergiss es,“ sagte er mit sanfter Stimme. „Aber was machen wir mit den anderen?“
 

Battousai sah Sano an und unterdrückte abermals seine Gefühle. „Was machen wir?“ wiederholte er.
 

Sano nickte. „Ja, Himura. Was machen wir? Du kennst diese Leute noch nicht so gut, aber sie kennen dich und jeder einzelne von ihnen sorgt sich um dich. Du kannst diesen Raum nicht verlassen, ohne das irgendjemand zur Stelle sein wird, der dir helfen will, dir Medizin geben will oder sonst was. Und aus irgendeinem Grund können sie es bestimmt nicht in ihren Kopf bekommen, dass du nicht ihr Kenshin bist. Sie sehen nur das, was sie erwarten, zu sehen. Und...“ unterbrach er sich verlegen, „...sie, na ja, also um ehrlich zu sein, sie haben Angst vor Battousai. Du hast nie gerne über deine Vergangenheit geredet, deswegen haben sie immer das Schlimmste angenommen.“
 

„Es GIBT nur das Schlimmste anzunehmen.“
 

Sano wollte dem nicht wiedersprechen. Er selbst wusste ja auch nicht alles über Battousais Vergangenheit. Aber so, wie er bisher den Jugendlichen kennen gelernt hatte, konnte er zumindest sagen, dass er einen Teil von Kenshin in ihm schimmern sehen konnte. Vor allem vorhin, als er etwas Zentrales begriffen hatte... Battousai tötete nicht gerne.
 

Battousai setzte sich etwas zurück, so dass er mit dem Rücken an der Wand lehnte. Er sah immer noch sehr blass aus. Oder lag das nur am frühen Morgenlicht?

„Himura?“

Stur nickte Battousai kurz. „Mir geht’s gut. Sprich weiter.“

Sano beobachtete seinen Freund kritisch, während er antwortete. „Es ist nur... der Freund, mit dem ich gestern Nacht Sake eingekauft habe, warst du.“

„Soviel habe ich mir auch schon gedacht,“ antwortete Battousai. „Deine Freunde haben ja erwartet, mich in deiner Gegenwart zu sehen.“

„Es sind auch deine Freunde,“ warf Sano ein.

„Das ist deine Meinung. Ich kenne sie nicht. Ich habe keine Freunde.“
 

Sano funkelte ihn wütend an. Wenn er nicht wüsste, dass Battousai ihn vermutlich sogar im kranken Zustand töten könnte, dann hätte er ihm jetzt am liebsten eine runter gehauen. „Ich BIN dein Freund, Baka,“ grummelte er. „Versteh das endlich. Nicht nur in der Zukunft sondern auch genau JETZT. Denkst du, ich wäre dir nach Kyoto gefolgt und hätte mich fast von dir TÖTEN lassen, nur um zu sehen ob’s dir gut geht, wenn ich nicht dein Freund wäre? Sicher, in erster Linie ist der Kenshin dieser Zeit mein Freund, aber ich bin mit jedem Teil von Kenshin befreundet, auch mit seiner Vergangenheit. Mir ist es egal, wie er mal gewesen ist. Wir zwei sind über diesen Punkt schon hinaus. Leute verändern sich. Und in zehn Jahren, wenn Kenshin 40 ist, dann bin ich immer noch sein Freund, auch wenn er sich vielleicht wieder verändert hat. Und da ich diesen Punkt akzeptiert habe, kann ich auch mit dem 20-jährigen Bengel befreundet sein, der er vor zehn Jahren war.“
 

„Siebzehn.“
 

Der dunkelhaarige Kämpfer sah zu dem Jungen herüber. „Was?“
 

„Ich bin nicht zwanzig,“ sagte er. Das erste Mal schienen sich Battousais Lippen zu so etwas wie einem Lächeln zu verziehen. „Ich bin der siebzehn-jährige Bengel, der er vor zehn Jahren war.“
 

Sano starrte ihn einfach nur eine Minute lang an, bevor er in Lachen ausbrach. „Du machst Witze! Das heißt, du bist in Wahrheit JÜNGER wie ich?“

„Ich dachte, es spielt keine Rolle, wie alt ich bin,“ meinte der Junge sanft.

Sano grinste nur. „Tut es nicht. Es ist nur so, dass du normalerweise fast zehn Jahre älter bist. Und deswegen fühlt es sich komisch an, zu wissen, dass du jetzt jünger wie ich bist.“ Sein Grinsen wurde breiter. „Eigentlich siehst du wie fünfzehn aus.“

Eine rote Augenbraue zog sich nach oben. „Vorhin hast du mich für zwanzig gehalten.“
 

Sano zuckte die Schultern. „Ich bin es einfach gewohnt, dich für älter zu halten, wie du aussiehst.“

Battousai seufzte bloß und lehnte sich wieder an die Wand zurück, den Blick auf den heller werdenden Himmel gerichtet. Zum ersten Mal schien er sich etwas zu entspannen. So als ob er endlich verstehen würde, das er die ständige Wachsamkeit des Hitokiri hier nicht brauchen würde.
 

Nachdenklich ließ sich Sanosuke auch an die Wand zurückgleiten. Endlich hat er auch mal gelächelt, überlegte er. Selbst wenn er sonst nichts erreicht hatte war dieses schwache Lächeln von Battousai ein kleiner Sieg für Sano. Wie es weitergehen sollte, konnten sie immer noch planen. Jetzt war es erst einmal genug, dafür zu sorgen, das dieser Junge überleben konnte ohne zu zerbrechen.
 

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Wie findet ihr die Story bisher? Mir gefällt gerade der Anfang sehr gut, vor allem die Dialoge... und ich kann versprechen, es geht spannend weiter. Wird Kenshin mit Hlko eine Möglichkeit finden, zurückzukommen? Und kann es Battousai schaffen, Kenshins Freunde kennenzulernen, ohne den Verdacht zu erregen, dass er gar nicht Kenshin ist? Ihr werdet es erfahren im NÄCHSTEN KAPITEL

Bis dann ^_^

Über einen Kommentar würden sich die Autorin und ich sehr freuen!



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Sarai-san
2008-05-12T13:14:38+00:00 12.05.2008 15:14
Diese geschockte Reaktion von Hiko ist super. Ich liebe solche Überraschungen :-)
Immerhin schaltet er schnell und hilft Kenshin.
Ich denke, dass Hiko Kenshin jetzt um einiges besser versteht. Irgendwie ist seine Beobachtung von Kenshins Leben noch logisch. Er taucht ja später auch am Grab auf.
Langsam wird klarer zwischen welchen Ereignissen das alles stattfinden soll. Offenbar wurde der Tod Tomoes auch von dem Älteren noch nicht verarbeitet.
Sanosuke gefällt mir, wie er mit der veränderten Situation umgeht. Besonders das Gespräch über das Alter lockert die Szene auf.

Sarai
Von:  _Momo-chan_
2008-05-10T10:56:10+00:00 10.05.2008 12:56
*starr*
*starr*
warum geht es nicht weiter, wenn ich es nur lang genug anstarre? XD
ich möchte schnell die fortsetzung sehen *.*


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