In your eyes von midoriyuki (~ andere Titelvorschläge?^-^) ================================================================================ Kapitel 6: ----------- Lian und Flo saßen völlig übernächtigt auf ihren Plätzen und warteten auf den Beginn der Stunde. „Lian?“ Dieser murrte zur Antwort nur etwas Unverständliches und hob den Kopf nicht einmal. „Wir gehen nie wieder in der Woche weg, okay?“ Wieder war nur ein Murren zu hören, doch diesmal ließ sich Zustimmung heraushören. Blinzelnd drehte Lian den Kopf zur Seite und sah Flo an, der neben ihm genauso auf dem Tisch lag und ihn total verschlafen nur durch zwei schmale Schlitze beobachtete. „Wann siehst du Tyler wieder?“ Ein Lächeln stahl sich auf Flos Gesicht, die Augen blieben jedoch halb geschlossen, als er antwortete. „Er will mich nach der Schule abholen und dann gehen wir irgendwo was essen.“ Lian grinste seinen Freund an und schloss die Augen wieder. Flo wusste, dass er sich für ihn freute, das musste er ihm nicht extra sagen und dazu war er auch viel zu fertig. Das Klackern von hohen Schuhen kündigte ihre Philosophielehrerin an, doch davon bekamen die Beiden nicht viel mit, da sie bereits eingeschlafen waren. Den Rest des Tages döste Lian nur vor sich hin wie auch Flo. Nisha sah in der Pause nicht viel besser aus als die beiden Jungen und so verschliefen sie auch die Pausen. Nur in der letzten Stunde, sie hatten Mathe, riss Lian sich zusammen und hielt vor dem Raum Ausschau nach Kacey. Er wollte sichergehen, dass ihm nicht doch noch was passiert war, das war alles. Als er jedoch nicht auftauchte, war er ein wenig enttäuscht, was er jedoch nicht als Enttäuschung, sondern als fehlgeleitete Müdigkeit abtat. Als nach ungefähr 10 Minuten die Tür aufging, stützte Lian verschlafen das Kinn auf seine Handfläche und sah gleichgültig aus dem Fenster, da er nicht damit rechnete, dass Kacey jetzt noch auftauchen würde. „Wo haben Sie denn bitte gesteckt?“ Die nervtötende Stimme der Mathelehrerin ließ ihn ärgerlich die Augenbrauen zusammenziehen. „Ich wüsste nicht, was Sie das angeht.“ Erstaunt hob er den Kopf und sah nach vorn. Kacey ging völlig unberührt und kalt auf seinen Platz ohne irgendjemandem eines Blickes zu würdigen. Obwohl Kacey sich total abweisend verhielt, seufzte Lian erleichtert. Ihm war nichts passiert. Er hatte sich einfach nicht dazu durchringen können in den Klassenraum zu gehen. Zwar war den ganzen Tag über noch kein dummer Kommentar oder ähnliches gekommen, aber vielleicht wusste der Mathekurs Bescheid? Kurz nach dem Klingeln hatte Kacey sich auf die Toiletten verzogen und saß mit dem Kopf an die kühlen Fliesen gelehnt in einer der Kabinen auf dem Boden. Fuck! Er wusste, dass er nicht ewig hier sitzen bleiben konnte, aber das hätte er am liebsten getan. Einfach sitzen bleiben, die kühlen Fliesen an seiner Stirn, deren Kälte langsam bis zu seinem Haaransatz hochkroch, spüren. Nach einiger Zeit hörte er jedoch, wie die Tür zu den Toiletten geöffnet wurde und einige Schüler sich lautstark unterhielten und seine Ruhe störten. Genervt griff er nach seiner Tasche und trat aus der Kabine. Schlagartig verstummten die Unterstufenschüler und machten ihm ängstlich Platz. Energisch rief er sich selbst zur Ordnung, als er langsam den Gang zum Matheraum entlanglief. Er war ja schließlich keine 3 mehr, also musste er auch nicht vor jedem kleinen Problem weglaufen. Außerdem konnte ihm egal sein, was alle anderen von ihm dachten. Er blieb noch einmal kurz vor der Tür stehen, atmete tief ein und drückte die Tür auf. Als der kleine Mops ihn fragte, wo er gewesen sei, hob er nur abwertend eine Augenbraue und maß sie mit einem schnellen Blick von oben nach unten. „Ich wüsste nicht, was Sie das angeht.“ Tut mir leid, aber ich hatte Angst und habe mich auf dem Klo versteckt? Während er sich zu seinem Platz begab, sah er nur erstaunte Blicke, aber keiner sah ihn entsetzt oder angewidert an. Sein Blick fiel auf den schwarzhaarigen Jungen von gestern, der erleichtert aussah. Hatte er sich etwa Sorgen um ihn gemacht? Kacey wusste nicht recht, was er davon halten sollte. Anscheinend hatte er ihn nicht verraten und sich auch noch Sorgen um ihn gemacht. Mit einem kurzen, ruckartigen Kopfschütteln vertrieb er diese Gedanken und holte seine Mathesachen raus. Warum sollte er sich Sorgen um jemanden machen, der sich nicht mal bei ihm bedankt, sondern nur aggressiv angefahren hatte? Lian lag mit verschränkten Armen auf seinem Bett und starrte mit leerem Blick an die Decke. Nach der Mathestunde war Kacey sofort wieder verschwunden, bevor er ihn fragen konnte, ob nicht doch etwas passiert war. Flo war gar nicht aufgefallen, dass sein Freund stiller war als sonst, da er selbst noch total müde war und Tylers Auftauchen am Schultor ihn vollkommen abgelenkt hatte. Er hatte seinen besten Freund kurz strahlend umarmt, um dann zu Tyler ins Auto zu steigen. Nisha jedoch hatte ihm auf dem Heimweg mehrmals argwöhnisch unter ihren Stirnfransen hervor angesehen, jedoch nicht nach dem Grund seiner seltsamen Laune gefragt. Sie war sich sicher, dass er von alleine anfangen würde zu reden, wenn es wirklich wichtig war. Seufzend setzte Lian sich auf und rieb sich die Augen. Es war zwar schon kurz nach 3, aber trotzdem konnte er nicht schlafen. Er hatte nach der Schule den kompletten Nachmittag verschlafen und war demnach inzwischen wieder hellwach. Er saß kurz auf seiner Bettkante und überlegte, dann stand er auf und zog sich seine Vans und einen roten Kapuzenpulli an. Auf dem Weg nach unten kam er an dem Zimmer seines Vaters vorbei und hörte gedämpftes Stöhnen hinter der Tür. Angewidert verzog er das Gesicht. In seinen Augen zog sein Vater das Andenken seiner Mutter in den Dreck, indem er immer wieder mit wechselnden Frauen schlief, um sie dann nach kurzer Zeit stehen zu lassen. Und dieser Mann wollte ihm ein gutes Vorbild sein? Sein hasserfüllter Blick glitt über die Tür, bevor er wütend schnaubend die Treppe hinunterlief. Er ließ die Tür absichtlich laut zuknallen. Er wollte, dass sein Vater hörte, dass er mitten in der Nacht wegging, ohne sich weiter um ihn zu kümmern. Gequält lächelte er. Wie ein kleiner trotziger Junge… Ärgerlich vergrub er seine Hände in den Hosentaschen und stapfte los. Die kühle Nachtluft spielte mit seinen Haaren und blies sie ihm mal in das vor Wut erhitzte Gesicht, um sie dann wieder sanft nach hinten zu wirbeln. Langsam beruhigte er sich wieder, während er vor sich hinfluchend durch die dunklen Straßen lief. Zwar war die brennende Wut wieder abgekühlt, aber ein kleiner Teil seiner Seele schwelte immer noch und er schaffte aus auch nie, diese Wut, die er immer mit sich herumschleppte, zu ersticken. Er hatte gar nicht darauf geachtet, wohin er gelaufen war, bis er irgendwann fast stolperte und sich daraufhin umsah. Er stand fast an der gleichen Stelle wie gestern Abend, als er Kacey mit diesem Mann gesehen hatte. Das wütende Gesicht von Kacey kam ihm wieder in den Sinn. Seine ganze Haltung, seine Augen hatten etwas von einem in die Enge getriebenen Wildtier gehabt, das um jeden Preis flüchten wollte und dennoch stumm nach Hilfe schrie. Er hatte mal eine verwilderte Katze aus einem Stacheldraht befreit und sie hatte ihn ebenfalls angefaucht und versucht zu beißen, obwohl er ihr nur half. Völlig in diese Gedanken versunken war er stehen geblieben und starrte auf die Stelle, wo Kacey am vorigen Tag in den Lichtkegel der Laterne gestolpert war. Gerade als er sich umwandte, um weiterzulaufen, hörte er etwas und sah verwirrt auf die andere Straßenseite. Im Dunkeln konnte er nichts erkennen, doch es hörte sich nach einem schmerzerfüllten Stöhnen an. Zögernd blieb er stehen und lauschte in die Dunkelheit. Leises Fluchen tönte von der anderen Straßenseite hinüber und Lian war sich fast sicher, dass es Kacey war, der dort leise in sich hineinfluchte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)