15 Jahre von SweeneyLestrange (..träumte ich, zu Frau und Kind zurückzukehren) ================================================================================ Kapitel 5: Die Zeugenaussage ---------------------------- „Wie ich sehe, kennen Sie diesen Mann, Mr Barker“, bemerkte Richter Turpin, als er Benjamins ungläubigen Gesichtsausdruck sah und seine Lippen kräuselten sich zu einem boshaften Lächeln. „Mr Brooks, bitte berichten Sie uns doch von Ihrem schrecklichen Erlebnis.“ Das war keine Aufforderung sondern ein Befehl und das war dem kleinen dicken Mann bewusst. Nervös zupfte er an seinem Kragen, dann fing er an zu erzählen: „Es war vor vier Monaten … ich ging wie so oft zu Mr Barker, um seine Dienste in Anspruch zu nehmen. Ich ahnte nichts Böses, als ich mich bereitwillig von ihm rasieren ließ, bis ich auf einmal einen stechenden Schmerz verspürte. Dank meiner schnellen Reaktion konnte ich mich ganz knapp davor retten, den Tod durch einen aufgeschlitzten Hals zu erleiden. Noch nicht einmal mein Geld gab Mr Barker mir wieder zurück, sondern drohte mir damit, mich das nächste Mal gänzlich umzubringen, wenn ich auch nur ein Sterbenswörtchen vom Geschehenen an die Öffentlichkeit verrate. Ich verdanke es der Aufmerksamkeit des Büttels, dass ich nun doch den Mut dazu gefunden habe, von meinem Schrecken zu berichten.“ Mitfühlende Seufzer ertönten aus den Rängen, in denen die Schaulustigen saßen. Keinem von ihnen kümmerte es, ob diese Geschichte der Wahrheit entsprach oder einfach eine bloße Lüge war, um Benjamin aus dem Weg zu schaffen. Alles, was für sie zählte, war die Unterhaltung, die ihnen das Gerichtsverfahren bot. Der Barbier jedoch konnte seinen Ohren nicht trauen, als er Mr Brooks zuhörte. Was sollte das alles? Warum log einer seiner treusten Kunden und gab vor Gericht eine falsche Zeugenaussage gegen ihn? „Nun, Mr Barker. Kommt Ihnen diese Geschichte bekannt vor?“, fragte Richter Turpin wohlwissend, dass Benjamin sie nicht kannte und dies auch zugeben würde. Und so war es dann auch. „Nein, Euer Ehren“, rief der Barbier verzweifelt. „Bitte glauben Sie mir, das alles hat sich vollkommen anders zugetragen!“ Besser konnte es für Turpin gar nicht mehr werden! Benjamin, dieser Narr, hatte nicht einmal abgestritten, Mr Brooks verletzt zu haben, sondern lediglich behauptet, dass es sich anders zugetragen hätte. Nun würde es kein Problem mehr sein, ihn als schuldig zu befinden. „Sie streiten es also gar nicht ab, Mr Brooks verletzt zu haben?“, fragte der Richter und versuchte sein Erstaunen ebenso wie seine Schadenfreude zu verbergen. „Nein“, erklärte Benjamin nicht ahnend, welchen Fehler er da gerade beging. „Doch versichere ich Ihnen und all den andern Anwesenden hier im Saal, dass diese Tat mit keiner bösen Absicht geschah, sondern es sich hierbei um ein Unglück, einen Unfall, handelt, was Mr Brooks Ihnen wohl verschwiegen haben muss.“ Sich ein spöttisches Lächeln verkneifend, forderte Richter Turpin den Angeklagten auf: „Nun denn, Mr Barker, dann berichten Sie uns doch bitte von dem Unglück aus Ihrer Sicht.“ Benjamin tat, wie ihm geheißen. „Wie schon erzählt, suchte mich Mr Brooks auch an diesem Tag auf, um meine Dienste in Anspruch zu nehmen. Während ich jedoch meiner Arbeit nachging, wurde ich auf einmal von einer wahrhaft schrecklichen Erinnerung heimgesucht und so kam es, dass ich innehielt. Mr Brooks bewegte sich dabei versehentlich, weshalb er in die Rasierklinge geriet. Ich muss noch hinzufügen, dass es sich bei der Verletzung bloß um einen oberflächlichen kleinen Schnitt handelt, der Mr Books keineswegs gefährlich werden kann.“ „Tut es das?“, hakte Richter Turpin bedrohlich nach. „Ja!“, erwiderte Benjamin felsenfest davon überzeugt. Der durchdringende Blick des Richters jedoch war auf den Zeugen gerichtet. „Mr Brooks?“ Der Angesprochene senkte nervös den Blick zu Boden, doch hatte er keine andere Wahl, als zu antworten. „N-nein, Euer Ehren, das stimmt nicht“, murmelte er, wobei er das Zittern in seiner Stimme nicht verbergen konnte. Wovon das Zittern aber herrührte, ließ sich nur erraten. Vielleicht lag es sogar an Benjamin. Wie dieser Mr Brooks anstarrte. Der Barbier war fassungslos. Er wollte nicht glauben, was gerade geschah, was über ihn ausgesagt wurde und er konnte nichts tun, um das Gegenteil zu beweisen. Es war, als hätte sich die ganze Welt gegen ihn verschworen. Bloß, was hatte er getan, dass man ihm das hier antat? „Mr Brooks, bitte beweisen sie, dass die Aussage von Mr Barker eine Lüge sein soll!“, befahl Richter Turpin und musste insgeheim lächeln. Sie war natürlich keine Lüge, doch würde er sie nun als eine solche darstellen können, dank Mr Brooks Hilfe und noch etwas anderem…. Mr Brooks tat, wie ihm geheißen. Mit zitternden Händen fummelte er an seinem Kragen, den er schließlich langsam und etwas ungeschickt herunterkrempelte. Dabei versuchte er den Blick des Barbiers aufzufangen. Es gelang ihm auch und Benjamin starrte für einen kurzen Moment direkt in Mr Brooks Augen. Was er dort sah überraschte ihn. Der Blick seines Kunden war verzweifelt, es kam Benjamin vor, als wolle ihn der kleine dicke Mann um Verzeihung bitten. Was nun kam, sollte Benjamins Urteil letztendlich fällen. Mr Brooks hatte seinen Kragen nun gänzlich heruntergekrempelt und entblößte so seinen Hals oder besser gesagt sein Doppelkinn. Wenn es nur das gewesen wäre, wäre es bei weitem nicht so schlimm gewesen, wie das, was nun jeder deutlich sehen konnte, das, was den ahnungslosen Barbier letztendlich in sein Verderben stürzen sollte. Wie betäubt starrte Benjamin auf die entblößte Narbe. Das konnte alles nicht möglich sein! Wie hatte das geschehen können? Benjamin konnte sich nicht erklären, was er da sah, doch flößte ihm der Anblick von dem Gräuel, das man Mr Brooks zweifellos angetan hatte, Entsetzen ein. Genau dort, wo sich die Mitte der Kehle befand, verlief eine dicke wulstige Narbe waagerecht über den gesamten Hals, als hätte der Barbier tatsächlich versucht, seinen ahnungslosen Kunden umzubringen. Benjamin wurde mit einem Mal entsetzlich kalt und seine Beine fingen unkontrolliert zu zittern an. Was für ein Mensch tat nur solche schrecklichen Dinge? Und immer wieder erinnerte er sich an zwei Worte: Faules Spiel. Richter Turpin genoss es zu zusehen, wie sich zu dem Unglauben in dem Gesicht von Lucys Mann langsam Verzweiflung gesellte. Er hatte wohl endlich verstanden, dass er verloren war. Turpin kostete diesen Moment noch etwas aus, um schließlich mit seiner kalten Stimme das aufgebrachte Raunen, welches aufgekommen war, als Mr Brooks seinen Hals entblößt hatte, zu durchbrechen: „Nun Mr Barker, und wie wollen Sie uns das erklären?“ Schlagartig verstummte das Getuschel der Zuschauer. Alle Anwesenden lauschten neugierig mit angehaltenem Atem, was der Barbier zu seiner Verteidigung sagen würde. Das einzige, was dieser jedoch zustande brachte, war ein klägliches Abstreiten seiner angeblichen Tat. „Auch wenn alle Beweise gegen mich sprechen, so kann ich nur meine Unschuld beteuern“, murmelte er schwach. Dann wandte er sich hilfesuchend an Mr Brooks und riss sich noch einmal zusammen: „Bitte Mr Brooks! Sie wissen, dass sich all dies anders zugetragen hat. So sagen Sie doch etwas! Ich flehe Sie an, helfen Sie mir!“ Doch der kleine Mann wich nur betreten dem Blick des Barbiers aus. „Das ist alles eine Lüge!“, kreischte er schließlich und wedelte mit seinem dicken Zeigefinger in Richtung des Angeklagten. „Dieser Mann lügt wie gedruckt! Sie dürfen keinem seiner Worte glauben schenken!“ „Aber, Mr Brooks…“, protestierte Benjamin leise. Die Verzweiflung stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Genug jetzt!“, befahl der Richter und schlug mit seinem Hammer kräftig aufs Pult. Ach, wie er all das genoss! Dennoch konnte er es nicht nur bei Mr Brooks Zeugenaussage belassen. Es mussten mehr her, um ein „gerechtes“ Urteil fällen zu können. Aber auch das sollte kein Problem für ihn darstellen. Nachdem sich Mr Brooks wieder gesetzt hatte, wurde ein neuer Zeuge in den Zeugenstand gerufen. Zu Benjamins Entsetzen handelte es sich dabei um einen weiteren seiner Kunden, der die Aussage Mr Brooks bestätigte und von ähnlichen Geschehen berichtete, die jedoch nie stattgefunden hatten. Nur wen kümmerte das noch in diesem Moment? Benjamin war, als durchlebe er einen schrecklichen Albtraum, der von Sekunde zu Sekunde schlimmer wurde und ihn immer tiefer in Verzweiflung stürzte. Neben Mr Brooks hatten vier weitere seiner besten Kunden gegen ihn ausgesagt, hatten die Lüge, ohne mit der Wimper zu zucken oder auch nur Anzeichen eines schlechten Gewissens zu offenbaren, vorgetragen und sein Schicksal besiegelt. Seine Verwirrung hatte mittlerweile maßlosem Entsetzen Platz gemacht, das er nur schwer verbergen konnte. Richter Turpin konnte dieses sofort in den Augen des Angeklagten lesen und weidete sich daran. Doch war ihm bewusst, dass er all dem langsam ein Ende bereiten musste, wenn er diesen verfluchten Barbier endlich loswerden wollte. Er richtete seinen durchdringenden Blick auf den Angeklagten und sprach kühl: „Allem Anschein nach, Mr Barker, haben Sie nicht nur versucht, solch ehrenwerte Gentlemen, wie sie hier gerade zugegen sind, zu ermorden, nein, Sie leugnen sogar alles noch und bezichtigen Mr Brooks der Lüge. Das wird in der Tat ein weiteres Nachspiel für Sie haben.“ Nein! Benjamin schüttelte in stummer Verzweiflung den Kopf. Am liebsten hätte er seine Unschuld herausgeschrieen, doch dies würde wahrscheinlich noch ein Nachspiel haben und es war niemand da, der ihm Gehör schenke konnte. Alles war aus. Man beschuldigte ihn des Mordversuchs und er konnte noch nicht einmal beweisen, dass dies falsch war und all die angeblichen Beweise und Aussagen nichts weiter als dreckige Lügen waren. Der Richter hatte sich kurz mit zwei seiner Berater zurückgezogen, um ein endgültiges Urteil zu fällen. Währenddessen herrschte im Saal ein aufgebrachtes Stimmengewirr. Viele waren empört über die Dreistigkeit des Barbiers, seine grausige Tat einfach abzustreiten. Der Barbier selbst betete, wenigsten noch einmal mit Lucy sprechen zu können. Sie war die einzige Person, die wusste, dass er unschuldig war, doch auch auf sie würde man nicht hören. Sie war ja bloß eine Frau… Nach einiger Zeit hatte man sich auf ein ihrer Meinung nach gerechtes Urteil geeinigt. Der Richter und die zwei Berater nahmen wieder Platz. Dieser musste nicht einmal mit seinem Hammer für Ruhe sorgen. Kaum hatte man gesehen, dass das Urteil entschieden war, kehrte Stille ein. Eine grausame Stille für Benjamin, die die bedeutungsvolle Atmosphäre nur noch unterstrich. Ihm war fast schwindelig vor Furcht vor dem Urteil, als er hinauf zum Richter starrte. Turpin hatte sich etwas über sein Pult gebeugt, um auch ja keine Reaktion von Benjamin verpassen zu können. Er ließ noch ein wenig Zeit verstreichen, bis er sich schließlich dazu aufraffte, das Urteil bekannt zu geben. „Mr Barker“, verkündete er. Seine Stimme war kalt und gleichgültig und doch ließ er jedes Wort genüsslich auf der Zunge zergehen, als sei es eine besondere Köstlichkeit, die es galt, zu genießen, während er endlich die Bekanntmachung verlauten ließ. „Hiermit verurteile ich Sie zu einer lebenslänglichen Haft in Australien. Möge Gott Ihrer Seele gnädig sein.“ Bei diesen Worten schlug er mit dem Hammer aufs Pult. Das Gericht war beendet und das Urteil endgültig und unwiderruflich gefällt. ______________________________________________________________________ So und hier ist das nächste Kapitel, auch wenn ich es vom Inhalt her gehasst habe, hat es ziemlichen Spaß gemacht, das zu schreiben und mit dem Ergebnis bin auch ziemlich zufrieden. Ich glaube, so oder so ähnlich dürften sich viele Gerichtsverfahren damals zugetragen haben. (wer was bezüglich der historischen Details in dieser FF wissen will, soll mal in der Inhaltsangabe nachschauen). Auf jeden Fall tut mir Benjamin Leid. Doch leider fängt für ihn jetzt erst das wahre Grauen an... lg -Hakura Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)