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Huans

von

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Prolog

„Meine Geduld ist am Ende!“, knirschte Cedric wütend, „Entscheide dich endlich!“

Sein Atem ging flach und schnell. Mit einem schmerzverzerrten Gesicht hielt er seinen gebrochenen Arm fest, dessen Knochensplitter an der Seite hinausragten. Blutige Fleischfetzen hingen an ihnen.

Verzweifelt schaute Nia von Cedric zu Salvatore und wieder zurück.

„Ich habe so viel für dich getan!“, meinte der blonde Hüne und blickte sie flehentlich an.

Für einen Augeblick schloss sie die Augen, atmete tief durch.

Salvatore oder Cedric?

Nia nahm all ihren Mut zusammen und wisperte mit zittriger Stimme: “Ich entscheide mich für ...“

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The Last Dance

Nia liebte den großen Ball gegen Ende des Schuljahres. Es war für alle etwas ganz besonderes – hauptsächlich natürlich für die Absolventen. Schon in einem Jahr würde sie selber tanzen – „The last Dance“, wie ihn manche feierlich nannten. Ob sie bis dahin schon einen geeigneten Partner gefunden haben würde? Nia liebte die verschiedenen, bunten Kleider, die bei jedem Schritt raschelten und sich beim Drehen bunt wirbelten, das gute Essen, dass von europäischer bis asiatischer Kost reichte, die gelassene Stimmung, den Tanz und die oft verliebten Blicke zwischen den Tanzpartnern.

Sie saß als einzige am Tisch und nippte an ihrem Champagner, der zu zwei Dritteln mit O-Saft gefüllt war. Neidisch betrachtete sie, wie eine Absolventin mit ihrem Schwarm – der in ihrem Jahrgang war - flirtete und dann mit ihm tanzte. Salvatore hieß der Mann ihres Herzens – groß, schlank, intelligent und gutaussehend. Seine Eltern waren Ausländer – oder zumindest ein Elternteil, sodass seine Haut immer gebräunt erschien. Die pechrabenschwarzen Haare waren glatt, nur am Ende jeder Strähne bildeten sich süße kleine Löckchen. Das Beste an ihm waren aber seine Augen – moosgrün und so stechend, dass sie bis auf den Grund der Seele schauen konnten. Salvatores Schönheit war keinem entgangen – weder den jungen Küken noch den alten Hasen. Während die Mädchen ihn abgöttisch liebten und anhimmelten, hassten ihn die Jungs abgrundtief dafür. Alle – bis auf einen. Denn juckte das ganze Tamtam überhaupt nicht – die Rede war von Cedric. Obwohl auch er so wie Salvatore groß, schlank und ruhig war, hätten die beiden nicht unterschiedlicher sein können. Cedrics Haare waren strohblond – manchmal bildete man sich im Schein der Sonne auch ein, dass sie schlohweiß waren. Seine Augen dagegen, gegen diese engelsgleiche Mähne – waren so schwarz wie erkaltete Lava. An sich war ja auch er ein echter Frauenschwarm. Wäre da nur nicht das Wörtchen „Charakter“ auch für Ausschlag gebend ...

Seufzend setzte sich Nia in Bewegung. Sie hatte wirklich keine Lust, nächste Woche in der Schulzeitung „Gerüchteküche“ als „eingebildete Zicke die sich für JEDEN zu schade war“ bezeichnet zu werden. Cedric und Nia waren in derselben Klasse – und saßen auch nebeneinander. „Cedric“, sprach sie ihn vorsichtig aber zugleich bestimmt an, „meinst du nicht ...“ Der Angesprochene hatte sich nicht bewegt und zeigte auch sonst keine Anzeichen dafür, dass er ihr zuhörte. Am liebsten hätte sie ihm seinen kleinen Pferdeschwanz, der schön geflochten am Rücken seines schwarzen Nadelstreifenanzugs hinabhing, abgeschnitten. Säuerlich tippte sie ihm auf die Schulter. Gemächlich drehte er seinen Kopf zu ihr und fixierte sie mit seinen kohlrabenschwarzen Augen. „Was willste?“, knurrte er und zog widerwillig einen Stöpsel seines I Pods aus dem Ohr. „Tanzen“, stieß Nia ebenso garstig hervor. „nö., antwortete er und wollte gerade wider den Stöpsel reinpropfen, als sie seine Hand festhielt und ihn mit unterdrückter Wut anfunkelte. „Heute ist der Abschlussball und alle tanzen.“, zischte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „

Ich weiß – na und?“

„Wir sind die einzigen zwei, die nicht das Tanzbein schwingen!“

„Was für eine Katastrophe!“

„Das ist kein Witz!“

„Sondern?“

„Bitterer Ernst!“

„Ich fürchte mich!“

„Solltest du auch! Was ist, wenn die nächste Woche in „Gerüchteküche schreiben ...“

„Was interessiert mich das?“

„Wa ...?!“

„Wenn dir sooo unglaublich viel an diesem beschissenen Tanz liegt, dann geh doch zu diesem depperten „Salvatore“ und fordere ihn zum Tanzen auf!“

Nia fehlten die Worte. Wie konnte Cedric es nur wagen, dieses große, einzigartige und wundervolle, romantische Fest als „beschissenen“ Tanz abzutun? Und vor allem: Er beleidigte ihren geliebten Salvatore! Außerdem hatte dieser Ignorant erkannt, wie viel ihr an Salvatore lag. Schamesröte schoss ihr ins Gesicht und sie kreischte: „Du bist echt ein behinderter Idiot!“ und machte auf dem Absatz kehrt.

Cedric blieb völlig unbeeindruckt und nuschelte was von „Sei froh, dass die Tanzmusik so laut ist, ansonsten wäre unser „Streit“ auf dem Titelblatt der „Gerüchteküche“.“ Und drehte seine eigene Musik lauter.

Immer noch stocksauer stakste Nia über en Schulhof in Richtung Wohnheim. Wie sie kochte! Und morgen würde sie auch noch neben diesem Deppen sitzen müssen! Zu allem Unglück stolperte sie auch noch und legte sich der Länge nach hin. Tränen vor Wut und Schmerz schossen ihr in die Augen – heute lief wirklich alles schief! Nia fühlte sich wie ein hässliches Entlein; in der Französisch-Schulaufgabe hatte sie eine glatte sechs kassiert, ihre beste Freundin hatte keine Zeit für sie, weil sie jetzt einen Freund hatte und sie zu den Absolventen zählte, ihr Schwarm würdigte sie keines Blickes und ihr bescheuerter Sitznachbar gab ihr auch noch den Rest! Mit kullernden Tränen und laufender Nase hievte sie sich hoch und bemerkte, dass ihr ganzer rechter Unterarm zerschürft war und blutete.

„Alles in Ordnung?“, fragte eine besorgte Stimme hinter ihr.

Gern hätte sie geantwortet: „Na klar! Ich hab ja nur nen Sturzflug geübt und was da meinen Arm runterläuft ist kein Blut, sondern Ketchup!“, aber stattdessen wirbelte sie nur fahrig herum, um zu sehen, wer SIE allen ernstes am miesesten Tag ihres Lebens nach ihrem Wohlbefinden fragte.

Als sie denjenigen erblickte, verschlug es ihr die Sprache: Vor ihr stand leibhaftig in einem elegant geschnittenen grauen Nadelstreifenanzug mit passender Krawatte, goldenen Manschetten und dezenter Krawattennadel Salvatore!

Nia konnte ihr Glück gar nicht fassten – das musste ein Traum sein! Aber er stand tatsächlich vor ihr. Unfassbar!

„J ... Ja!“, antwortete sie schüchtern und hoffte, dass er nicht an ihrer rauen, zittrigen Stimme hörte, dass sie geweint hatte. Jetzt lächelte er sie auch noch an! Nun war es gänzlich aus mit ihr – sie bekam Puddingbeine, sie wurde rot wie eine Tomate und Freudentränen liefen ihr übers Gesicht. Das bemerkte Salvatore anscheinend und zog das Tuch aus seiner Brusttasche hervor.

Behutsam trocknete er die im Dämmerlicht sichtbar glänzenden Tränen ab. Nia stockte der Atem. Er hatte mit ihr gesprochen, sie angelächelt und jetzt BERÜHRTE er sie sogar! Jäh wurde sie aus ihren verliebten Träumen gerissen, als eine unliebsame Frauenstimme – die Stimme seiner Tanzpartnerin – nach ihm rief.

„Ich muss gehen.“, flüsterte er, „Aber weine nicht – das steht dir nicht.“

Nia stand da wie vom Donner gerührt, während sie ihrem Schwarm – den Frauenschwarm der gesamten Schule – hinterher blickte und versuchte, das zu verarbeiten, was dem armen, unglückseligen, hässlichen Entlein soeben wiederfahren war.

Vielleicht war heute nicht der mieseste, sondern der beste Tag ihres Lebens!

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Victim

„Nia! NIA!!!“, kreischte eine fahrige Stimme am nächsten Morgen ins Ohr, als sie noch schlief. Augenblicklich öffnete Nia ihre Augen und erblickte das wutverzerrte Gesicht von Tanja, eine ihrer drei Mitbewohnerinnen. Die anderen beiden, Tonia und Anita, standen direkt hinter ihr.

„Was ist denn los?“, fragte Nia verschlafen und gähnte herzhaft.

„DAS FRAGST DU NOCH?!“, schrie Tonia und Anita und schleuderten ihr eine Zeitung ins Gesicht.

Nia war mit einem Schlag hellwach – es war die von ihr gefürchtete und verhasste „Gerüchteküche“!

Und das Schlimmste war: Sie war auf der Titelseite!

Ihr drehte es den Magen um, als sie die Schlagzeile las:
 

Nia ist sich zu schade für Cedric – nur das Beste vom Besten ist gerade gut genug – wie Salvatore!
 

Genau das hatte sie kommen sehen. Schnell überflog sie den gehässigen Bericht:
 

Gestern, am Abend des Abschlussballs, hatte Nia T. (15, 9c) keinen Tanzpartner. Aus diesem Grund stöckelte sie hochmütig zu ihrem Klassenkameraden Cedric U. (17, 9c) und stritt sich mit ihm!

Sie wurde sogar handgreiflich (!) (Foto 1, u.l.) und Augenzeugen berichten, dass sie sich heftigst gestritten haben.

Der Grund war folgender: Warum hatte er (Cedric) ihr (Nia) nicht wie abgemacht Salvatore I. (16, 9b) als Tanzpartner besorgt? Als er keinen triftigen Grund dafür finden konnte, beleidigte (!!!) sie ihn und schritt (hochnäsigen Hauptes) von dannen.

Doch damit nicht genug, liebe Leserinnen und Leser:

Sie traktierte ihren Schwarm so lange mit dem Handy (Foto 2, o.r.), bis er entnervt (!) zu ihr hinauskam, wo sie schon alles für ein tränenreiches Szenario vorbereitet hatte.

Nia hatte sich absichtlich den rechten Unterarm aufgeschürft, damit er Mitleid mit ihr bekam und doch noch mit ihr tanzte!

Nachdem dieser Plan nun fast geglückt war (Foto 3, o.l.), rief seine geliebte Tanzpartnerin nach ihm. Da Salvatore ein Herz hat und weiß, was sich gehört, kehrte er unversehens zu seiner Partnerin (Claire, 18, 10d) zurück (Foto 4, Mitte).

Das war noch mal Glück im Unglück, meine Leserinnen und Leser!

Was ihr von diesem Skandalverhalten denkt, könnt ihr bis morgen in den Briefkasten der „Gerüchteküche“ schriftlich abgeben!

Zeigen wir Nia, wo ihre Grenzen sind!
 

Nia musste für einige Sekunden die Augen schließen, tief durchatmen und bis zehn zählen. Wie konnte man nur Tatsachen so hinbiegen; so verfälschen wie in diesem Artikel hier?

Das würde noch ein langes Nachspiel mit sich ziehen, sie würde keine ruhige Minute mehr haben! Wer einmal auf der Titelseite der „Gerüchteküche“ stand, konnte bis zu seinem Schulabschluss mit weiteren „Skandalen“ über sich rechnen.

„Und?“, fuhr Anita sie ungeduldig an, „Was hast du dazu zu sagen?!“

Nia hatte ausgerechnet auch noch die Oberhäupter des Salvatore-Fanclubs als Zimmergenossinnen.

Sie erlaubten keinem Mädchen, mit IHM zu sprechen, außer man hatte eine Genehmigung, die man sich ein halbes Jahr davor erringen musste, denn von diesen Formularen gab es nur eine begrenzte Anzahl (20 für 500 Schülerinnen!). Berühren durfte man ihn gar nicht und man musste sich mindestens drei Jahre vor Abschluss als seine Tanzpartnerin bewerben. Danach wurden alle Noten und jedes Verhalten überwacht, denn nur die „Beste“ und „skandalfreie“ durfte mit IHM tanzen.

Tanja, Tonia und Anita nannten sich selbst die „Janata“-Schwestern, je nach ihren Endungen (das „i“ von TONIA wurde allerdings weggelassen) und man munkelte, dass sie sogar Mord begehen würden, wenn ein Mädchen zu nahe kam.

Was Nia gestern Abend getan hatte.

„Ich ...“, begann Nia, aber sie wusste, dass leugnen zwecklos war. 99,9 % der Schule glaubten der „Gerüchteküche“ mehr als den betroffenen Leuten.

Was alles natürlich noch schlimmer machte.

Doch gerade in diesem Moment ertönte der allmorgendliche Wecker für alle Schüler und Schülerinnen und es lief Patrick Nuos „Welcome“.

Geschwind sprang Nia vom Stockbett und raste an den drei „Schwestern“ vorbei ins Bad und schloss ab. Wie die Furien setzten sie nach, aber sie waren zu langsam. Hysterisch rüttelten, zerrten, klopften und hämmerten sie gegen die Badtür. So schnell wie der Wind zog Nia sich an und stürzte todesmutig ins Zimmer zurück, wobei sie Tonia und Anita mit der Tür halb bewusstlos schlug und grapschte ihre eigene Schultasche.

Tanja versuchte sie zu fangen – doch vergeblich. Nia joggte viel zu viel, als dass eine mittelmäßige Schülerin in Sport sie hätte zu fassen kriegen können.

Sie war den Oberhäuptern des Fanclubs entkommen – aber nicht dessen Mitgliedern!

Von allen Seiten ertönte ein höhnisches, böses Wort, jeder warf ihr hasserfüllte Blicke zu. Verzweifelt ließ sie sich auf ihren Sitzplatz fallen. Neben ihr saß – wie immer – Cedric, der es sich auf seinem Tisch gemütlich gemacht hatte und weiterschlief.

Der Unterricht war eine einzige Tortur.

Antje, das Mädchen, das links neben ihr saß (nach dem Mittelgang), ließ „aus Versehen“ ihr Lineal fallen, das Nia aufhob. Doch als sie sich gebückt hatte, hatte Antje ihr einen Kaugummi in Nias langes, glattes, seidiges Haar gespuckt.

Nia war schockiert.

Sie hatte ihre Sitznachbarin eigentlich immer als ruhig, nett und zuvorkommend empfunden. Wie konnte sie nur so etwas tun, wo sie doch genau wusste, dass Nias einziger Stolz ihre schönen, glatten, glänzenden, geschmeidigen schwarzen Haare waren?

Tränen schossen ihr in die Augen.

Was, wenn sie die Haare abschneiden musste?

Das wäre das Schlimmste, was man ihr antun könnte. Mit zitternder Hand meldete Nia sich, aber sie bekam nicht die Erlaubnis, kurz auf die Toilette zu gehen.

„Hey, Nia!“, hörte sie eine Stimme hinter sich flüstern, „Können wir bitte ein Buch bekommen? Wir haben’s vergessen und Cedric hat doch eh immer alles dabei!“

Sie nickte und reichte den beiden Jungs, die hinter ihr saßen, ihr Buch, während sie in Cedrics Tasche nach seinem eigenen wühlte. Gerade, als sie ihren Füller aus ihrem Federmäppchen nehmen wollte, um sich ein paar Notizen zur Stunde zu machen, bemerkte sie, dass es weg war!

Panisch durchsuchte sie ihre Schultasche – das Mäppchen war ein Geburtstagsgeschenk von ihrer besten Freundin Katja gewesen!

Doch egal, wie gründlich sie suchte, sie fand es nicht. Nun hatte sich auch noch ein dicker Kloß in ihrem Hals gebildet – bis ihr ein Licht aufging.

Die Jungs vor ihr mussten es geklaut haben, als die Jungs hinter ihr das Buch haben wollten! Nia lächelte bitter. Wie mies konnte man sein?

Vorsichtig tippte sie ihren Vordermann an und flüsterte:

„Gebt mir bitte mein Federmäppchen zurück, ich weiß, dass ihr es habt!“

Doch Tom, so der Name des Jungen, schaute sie nur verständnislos an. Langsam verlor Nia die Geduld.

„Gib es her, verdammt!“, fauchte sie – allerdings eine Spur zu laut.

„Nach der Stunde kommst du zu mir, Nia!“, knurrte der Lehrer, der es abgrundtief verabscheute, in irgendeiner Weise unterbrochen zu werden. Sie war der Verzweiflung nahe, alssie nickte und merkte, wie Tom hämisch grinste.

Nach der Stunde holte sie sich eine ordentliche Standpauke ab – und drei Aufsätze über

„Wie gehe ich richtig mit meinen Mitschülern um?“

„Warum unterbreche ich den Unterricht des Lehrers nicht?“

und ein Protokoll über die ganze Stunde.

Als sie zu ihrem Platz schlurfte, sah sie ein zerrissenes Buch, eine vollgeschmierte Bank und ein zerrupftes Federmäppchen.

Nia hatte alle Mühe, an sich zu halten und nicht in Tränen auszubrechen. Ungeschickt, weil sie durch end Tränenschleier kaum etwas sah, stopfte sie ihre ramponierten Schulsachen in die Tasche und stürzte aus dem Klassenzimmer. Sie hechtete die Treppe hinunter und sah zu spät das Bein, das ihr gestellt worden war.

Kopfüber fiel sie hinunter, es war ein Wunder, dass sie noch lebte. Aber vielleicht lag es auch daran, dass sie so weich gefallen war?

So schnell wie es unter den momentanen Schmerzen ging, stand sie wieder auf – und staunte nicht schlecht: Sie war auf Cedric gelandet! Noch bevor sie einen Ton herauspressen konnte, fragte er knurrend:

„Alles OK?“

Dieser Satz erinnerte Nia an den vergangenen Abend und den Bericht in der Zeitung. Ohne ein weiteres Wort lief sie weiter – direkt auf die Toilette zu, wo sie den „drei Schwestern“ und einigen hartgesottenen Fans direkt in die Arme lief.

„Sie mal einer an, wer da kommt!“, flötete eine, die aussah wie ein wandelnder Schrank.

Nia war inzwischen alles egal – Freundin weg, verspottet, verachtet, Haare verstümmelt, schlechte Noten und ihr Schwarm würde sicher nie wieder ein Wort mit ihr reden – was konnte also noch schief laufen?

Nichts! – Rein gar nichts!

Anita und Tonia hielten sie an den Armen fest, Tanja an den Beinen. Nia wehrte sich nicht und es juckte sie auch nicht, dass das Monsterweib gegenüber zum Schlag ausholte.

„Habt ihr den Ar*** offen?! Was glaubt ihr, wer ihr seid?!“, fauchte eine Stimme hinter ihr – Cedric!

Augenblicklich ließen die Weibsbilder los, bis ihnen wütend bewusst wurde, welcher verhasster Junge da vor ihnen stand.

„Das ist die Damentoilette!“, kreischte Tanja.

„Glaubste, das juckt mich?“, stieß er fahrig hervor und hängte sich seine Ohrstöpsel um den Hals. Cedric wartete keine Antwort ab, sondern packte Nia beim Handgelenk und schleifte sie raus. Er ließ die dummen Weiber wie vom Donner gerührt einfach stehen.

Inzwischen gebot die Gerettete ihren Tränen keinen Einhalt mehr. Es war ihr egal, wer und wie viele sie sahen. Kaum waren sie in einem unbelebten Korridor angelangt, ließ sie ihrem gesamten Kummer freien Lauf und fiel Cedric so um den Hals, dass er nach hinten taumelte.

Beschwichtigend streichelte er ihr über die Haare.

So ging das ein paar Minuten, bis Nia bemerkte, wo sie war und in wessen Arme sie gerade lag.

Wie von einer Tarantel gestochen fuhr sie zurück.

„Warum ...?!“, keuchte sie aufgebracht und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen weg.

Cedric überlegte kurz.

„Weil du deine Schultasche vergessen hast, nachdem du die Treppe runtergefallen bist.“, erklärte er ihr ganz plausibel, drückte ihr zum Beweis ihr Eigentum in die Hand und bevor sie reagieren konnte, war er auch schon um die Ecke gebogen und außer Sichtweite.

Versteh einer diesen behinderten Idioten!

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Offenbarung

Auch die nächsten Tage wurden nicht besser. Zwar hatte sie das Kaugummi unbeschadet aus ihren Haaren entfernen können, aber sie fühlte sich immer noch mies und leer.

Obwohl sie erst 15 war, ging sie jetzt schon neun Jahre auf diese Schule – ein Internat.

Ihre Mutter war kurz nach ihrer Einschulung gestorben – eine Tatsache, die sie erst drei Jahre später erfahren hatte, weil sie damals noch zu „klein“ war und es womöglich nicht „verkraftet“ hätte. Sie hatte sich nie auf einer Beerdigung oder so von ihrer Mutter richtig verabschieden können.

Ihr Vater überwies immer so viel Geld, dass sie ununterbrochen und ohne eine einzige Fahrt nach Hause auf die Schule gehen konnte. Die Schule wurde als eine der Besten und besondersten gepriesen, aber viel davon hatte Nia noch nicht gespürt.

Sie hatten Spiel- und Sportplatz, eine Mensa, Kiosk, Schreibwarenladen, Internetcafé, Bibliothek und Aufenthaltsraum. Das Schwimmbad war im Bau und eine Sonnenterasse war auch in Planung. Eigentlich sehr nobel – aber sie konnte sich nicht darüber freuen, nicht dafür begeistern, weil sie einfach ... IMMER da war.

Ein Kino fände sie toll – dann würde sie wenigstens mitbekommen, was für Filme in der „Außenwelt“ gespielt wurden – anders konnte man sich nicht über die reale Welt informieren.

Der Kiosk verdiente sein Geld mit Groschenromanen, Mädchenmagazinen, Autozeitschriften und natürlich der „Gerüchteküche“, der erfolgreichsten „Zeitung“ der Schulgeschichte.

Früher hatte Nia sich mit Katja zahllose Mädchenmagazine gekauft und viel ausprobiert. Oder davon geträumt, eines Tages schön und berühmt zu sein und welchen Mann sie dann heiraten würden.

Aber jetzt ...

Katja war mit dem Abschlussball aus ihrem Leben verschwunden. Und sie hatte sich nicht einmal verabschieden können! Allerdings hatte Katja auch nichts drangesetzt, ihr eine Nachricht oder so zu hinterlassen ...

Jetzt war sie ganz allein.

Nias beste und einzige Freundin war fort.

Sie fühlte sich schwach und hilflos, fast so, als hätte man ihr mit Katja alle Lebensenergie entzogen.

Salvatore wurde jetzt noch strenger bewacht denn je – was nach dem Vorfall mit ihr auch nicht weiter verwunderlich war.

Aber nun war er für Nia noch ein Stück weiter in die Ferne gerückt – wobei er schon immer unerreichbar gewesen war. Und dann war da auch noch Cedric – ihr Sitznachbar, der sich letztens wie ein wahrer Held benommen hatte. Seitdem war er nicht mehr zum Unterricht erschienen und Nia machte sich langsam ernsthafte Sorgen, dass sie ihn beim Sturz schwerer verletzt haben könnte. Wie gern würde sie ihm Blumen als Zeichen der Dankbarkeit schenken – hätte sie nur genügend Geld!

Mit mageren 3,20 € kommt man in einem Blumenladen, der sich bei ihnen „Blumenzauber“ nannte, nun wirklich nicht weit. Nia wusste auch nicht, von was sie das kaputte Buch und ihr ramponiertes Federmäppchen zahlen sollte. Das Buch kostete bestimmt um die zwanzig Euro, ein neues Federmäppchen mindestens zehn!

Zwar überwies ihr Vater regelmäßig und gewissenhaft das Schul- und Büchergeld, aber mehr als fünfzig Cent blieben nie übrig. Zu ihrem Geburtstag bekam sie magere fünf Euro – was für sie natürlich viel war, aber von vorn bis hinten nicht reichte.

Ihre Lieblingszeitschrift kostete 1,20€, eine Tasse heiße Schokolade 1,80€! Kaugummi 1.-€ und Haarspangen 80 Cent! Außerdem brauchte sie ein neues Geodreieck, Zirkelminen und einen Killer – für sie geradezu unbezahlbar!

Seufzend schüttelte sie ihr Sparschwein in Form eines Baumstumpfs mit Geier und Schild „Pleitegeier“.

Aber das war ihr egal – sie würde diesem behinderten Idioten eine Blume kaufen.

Nia hatte eine Schwäche für die Blumensprache und kannte alle Blumen mit ihrer einzigartigen Bedeutung in und auswendig, wobei die Anzahl der Blumen jeweils noch eine eigene Bedeutung hatte. Sie fand es einfach nur romantisch und spannend, dass man sich früher einmal nur durch Blumen unterhalten konnte, ohne Worte dazu zu benutzen.

Spontan dachte sie an die Osterglocke, die in der Blumensprache für Respekt stand. Ja, das war eine gute Idee. Natürlich mussten es vier Osterglocken sein, denn die vier stand für Bewunderung – perfekt!

Sie bewunderte und respektierte ihn, weil er ihr trotz dem, dass sie ihn am Vorabend beleidigt hatte, geholfen hat.

„Eine ausgezeichnete Idee!“, lobte sie sich im Geiste selbst und schwang sich vom Bett. Melancholisch schüttelte sie den Inhalt ihres „Sparschweins“ in ihre Hand dun verstaute alles in die Hosentasche ihrer einzigen, ausgewaschenen Jeans.

Zielstrebig begab sie sich auf direktem Weg zum „Blumenzauber“. Kaum war eingetreten, erspähte sie die Osterglocken und schnappte sich zwei Paar.

„Die hier, bitte!“, sagte sie mit einem Lächeln angesichts des verwirrten Gesichtsausdrucks von Bob, dem Blumenverkäufer.

Hatte noch nie jemand so schnell bei ihm seine Ware ausgesucht? Egal.

„Das macht 3,20€.“

Heulend vor Glück, dass sie es passend HATTE und unglücklich darüber, ihr ganzes Geld auf den Kopf gehauen zu haben, ging sie ins Krankenzimmer.

Nia mochte diesen Raum irgendwie, denn alles war weiß und sauber. Licht flutete durch die bodentiefen Fenster und überall standen frische Blumen. Um die Betten herum waren hohe Vorhänge, durch die man nicht hindurch schauen konnte.

Langsam näherte sie sich dem einzigen Bett, wo der Vorhang zugezogen war.

„Cedric?“, fragte sie schüchtern.

Keine Antwort.

„Bestimmt wieder einer seiner doofen Spielchen!“, dachte sie grimmig und riss den Vorhang auf, nachdem er beim dritten Mal nicht antwortete.

Und da lag er:

Seine Hand bandagiert und er in einen Pyjama gekleidet. Cedric schlief tief und fest.

Beschämt und verlegen durch ihr rücksichtsloses Verhalten und schuldbewusst, von wem die Verletzung stammte, stammelte sie eine leise Entschuldigung und stopfte unbeholfen die Blumen in eine Vase auf dem Nachtschrank. Nicht wissend, was sie noch machen sollte, wuselte sie aus dem Zimmer.

Kaum hatte sie die Tür geschlossen, öffnete Cedric die Augen, erblickte die Blumen und nuschelte „Danke.“

Vor dem Krankenzimmer angekommen, kam sich Nia echt hohl vor. Warum hatte sie diesem behinderten Idioten Blumen gekauft? Eine einfache Entschuldigung hätte es auch getan! Reuig bog sie schleunigst um die Ecke, wo sie prompt mit jemanden zusammenstieß. Sich die Nase vor Schmerz reiben schaute sie auf – und es verschlug ihr die Sprache, sodass sie rückwärts taumelte.

Salvatore in einem lässigen Pulli (ein heller, der einen sexy Kontrast zu seiner dunklen Haut bildete) und einer Blue-Jeans.

„E ... Entschulige!“, stotterte sie und Schamesröte stieg ihr ins Gesicht.

„Kein Problem.“, meinte er und lächelte sie auf seine Knie-erweichende Weise an.

Plötzlich schein ihm ein Licht aufzugehen.

„Bist du nicht das Mädchen, das am Ballabend geweint hat? Nia war dein Name, oder?“, fragte ihr Schwarm sie interessiert.

Nia schluckte hart.

„J... ja, das war ich. U... und ich bin auch Nia, Salvatore. I... ich wollte dir danken, dass du an jenem Abend – wenn auch nur kurz – bei mir warst.“, sprudelte es aus dem verlegenen Mädchen heraus – er kannte ihren Namen und er ERINNERTE sich an sie! Milde erstaunt darüber, dass sie seinen Namen kannte, erwiderte er:

„Ach was, das hab ich doch gern gemacht. Man kann doch so ein hübsches Mädchen wie dich nicht mit seiner Verzweiflung allein lassen, oder?“

Noch ehe diese wundervollen Worte gänzlich zu ihr durchgesickert waren, klingelte die Schulglocke.

„Tut mir leid, aber ich muss zum anderen Ende des Schulgebäudes – man sieht sich!“, sagte er und ging von dannen.

Nia hielt sich mit einer Hand an der Türklinke fest, damit sie vor lauter Glück nicht umkippte, mit der anderen hielt sie den Mund zu, damit sie keinen lauten Freudenschrei ausstoßen konnte. Oh Gott! Das konnte doch eben nur ein Traum gewesen sein, oder?!

Plötzlich fiel ihr aber ein, dass sie jetzt Klassenleiterstunde (KS) hatte und das ihre Lehrerin, Frau Wood gar nicht erfreut wäre, wenn sie zu spät käme. So schnell wie sie konnte hechelte sie die langen, leeren Korridore entlang und kam – zu ihrem Glück – gerade noch rechtzeitig an.

Frau Wood verstand überhaupt keinen Spaß – zu spät kommen, den Unterricht stören (sei es schnarchen, lachen, husten, schnupfen, niesen, plaudern, aus dem Fenster schauen oder Schluckauf) sowie Unwissen (Grundwissen, etc.) konnte zu einem Vulkanausbruch übelster Art bei ihr führen, der sich in Strafarbeiten, gebrüllten Strafpredigten oder stundenlangen Nachsitzen manifestierte.

Abgesehen davon war sie eine ausgezeichnete Lehrerin, die den Stoff immer so darlegte, dass ihn selbst der Dümmste verstand.

„Gerade noch rechtzeitig gekommen!“, zischte sie zwischen den Zähnen zu einer atemlosen Nia, die sich erschöpft auf ihren Stuhl fallen ließ.

„Wir haben KS!“, fauchte Frau Wood erklärend, als ob das keiner wüsste.

„Wie ihr vielleicht noch nicht wisst, ist das hier kein normales Internat.“, begann sie, woraufhin ein aufgeregtes Gemurmel und Geschnatter erstand, das sie mit einem heftigen Schlag auf den Tisch augenblicklich abebben ließ.

„Diese Schule hat keine 10 Jahrgangsstufen, sondern insgesamt 14.“

Ein entsetztes Schweigen trat ein.

NOCH LÄNGER zur Schule gehen?!

Nia musste sich vor lauter Fassungslosigkeit anlehnen. Keiner sprach ein Wort, was Frau Wood für weitere Erklärungen nutzte, bevor der – gewohnte – große Krawall über diese Informationen ausbrach.

„Nächstes Schuljahr werdet ihr einige neue, ungewöhnliche Fächer bekommen. Eines davon – das ich unterrichte – ist „Schönschrift“, was aber etwas ganz anderes ist, als ihr es euch vorstellt.“

Nach einem weiteren verdutzten Schweigen musste die Klasse laut losprusten.

„Schönschrift!“, rief jemand, „Wir sind doch nicht mehr in der Grundschule!“

Kaum hatte sich die Klasse etwas beruhigt, wurden alle ärgerlich.

„Wie konnte man uns das verheimlichen?“, fragte jemand berechtigterweise.

„Eure Eltern wussten davon, als ihr hierher geschickt wurdet. Sie mussten ein Formular unterschreiben, das sie dazu verpflichtet, Stillschweigen zu bewahren. Die 10. Klassen werden – wie die oberen Klassen auch – von den unteren neun Klassen isoliert, sodass Kontaktaufnahme praktisch unmöglich ist.“, erklärte Frau Wood in einem sachlichen Ton, als wäre die Offenbarung, die Schule geht vier Jahre länger als geplant oder bisher angenommen, das normalste auf der Welt.

Wie vom Donner gerührt saßen Nia und ihre Klassenkameraden da. Das musste erst mal verdaut werden.

„Neben Schönschrift gibt es noch andere Fächer.“, fuhr die unbekümmerte Lehrerin fort, „Es gibt „Dimension“, „Tiere“, „Kunst“, „Lesen“, „Gabe“, „Wissenschaft“ in den verschiedenen Bereichen: Natur, Politik, Geschichte und jetzt eines der wichtigsten Fächer: „Huan“ von „Human“ und „Animal“. Das wird eines der bedeutensten Hauptfächer überhaupt sein. Natürlich gibt es noch andere, aber das ist das, was mir spontan einfällt.“

Inzwischen war die Klasse zu geschockt, um irgendetwas zu fragen oder sich aufzuregen oder gar zu wundern.

„Teilweise werden die Stunden auch gekoppelt sein. Besonders Geschichtswissenschaft und Dimension, um nur ein Beispiel zu nennen. „Sport“ wird auch eine völlig neue Bedeutung erhalten, glaubt mir. Ihr werdet erstaunt sein, wie viele Dinge es doch gibt, von denen ihr noch nie gehört und nicht die leiseste Ahnung habt!“

Mit Ende diesem Satzes läutete die Glocke, doch es dauerte einige Augenblicke, bis dies zu den Schülern der 9c durchsickerte.

Verwirrt und benommen torkelten sie aus dem Klassenzimmer hinaus.

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Rendevous

Es war Anfang des Monats Juli, als Nia von Frau Wood die von ihrem Vater überwiesenen fünf Euro bekam. Ein Vorschuss auf ihren Geburtstag am 14. Juli, den sie dankbar empfing.

Doch dieses Jahr freute sie sich nicht sonderlich auf ihren "Purzeltag", denn sie war mit niemand anderes außer mit Katja befreundet gewesen - und die war ja jetzt weg. Zu ihrem selbsternannten Unglück war Cedric auch wieder wohlauf, was aber niemanden wirklich interessierte - im Gegenteil, viele hatten es angenehmer empfunden, als er nicht da war, um einen seiner giftigen Sprüche loszulassen.

Nia wurde vom Rest ihrer Klasse - der ganzen Schule sogar! - gemieden, beschimpft, beleidigt und gemobbt. Zeitweise hatte es nachgelassen, weil sich kaum noch einer daran erinnert hatte, was vorgefallen war, doch sobald dieser Fall eintrat, schürte die "Gerüchteküche" wieder das Feuer des hasses.

Und das wöchentlich.
 

Inzwischen war der Pool fertig gebaut worden, sodass am Nachmittag, wenn alle anderen Schüler aus hatten, kaum einer im Internet-Café, auf den Sport- und Spielplätzen, in der Mensa oder gar in der staubigen, alten Bibliothek saß.

Also hatte Nia alles für sich allein - denn wie sollte sie denn schwimmen gehen, ohne das nötige Kleingeld für einen Bikini zu besitzen?

Allerdings hatte sie sich vorgenommen, eisern für einen zu sparen - 15.-€ war der billigste, den sie in einem Katalog erspäht hatte. Fünf Euro hatte sie schon und pro Monat bekam sie Geld zwischen fünfzig Cent und 1,50 €.

"Das kann sich nur noch um Ewigkeiten handeln!", dachte sie betrübt, während sie einsam zwischen den staubigen Bücherreihen der Bibliothek ging.

Jetzt suchte sie schon seit einer geschlagenen Stunde nach einem blöden Lateinwörterbuch, das sie einfach nirgens entdecken konnte! Oder hatten Lexika seit neuestem Beine?!

Mühsam überflog sie die Titel der vor ihr stehenden Bücher.

"Latein für Anfänger"

"Weise Sprüche auf Latein"

"Latein für Mediziner"

"Latein in der Natur"

"Latein - Grundstein aller Sprachen?"

und etliche andere Namen.

Seufzend schlurfte sie durch die nächste Reihe - nichts!

Wie um alles in der Welt sollte sie die Hausaufgabe erledigen, wenn sie die Hälfte der Wörter nicht verstand? Und nächste Woche stand auch noch eine Schulaufgabe auf dem Programm!

"Suchst du was?", fragte die melodische Stimme von Salvatore, die sie unwillkürlich frösteln ließ.

"Äh ... Ähm .. Hast du zufällig ... Kannst du mir sagen, wo ich ein Lateinwörterbuch finde?", stotterte sie und wurde angesichts seines strahlenden, gutaussehenden Äußeren puterrot.

"Hm ...", überlegte er und legte seine Stirn in sexy nachdenkliche Falten.

"Vorhin hatte ich es noch, Eigentlich hab ich es hierhin gestellt." Er verschwand kurz zwischen den Regale, tauchte aber mit leeren Händen wieder auf.

"Seltsam ... Irgendjemand muss es sich genommen haben. Tut mir echt leid."

"K ... Kein Problem! Ist ... ist schon in Ordnung.", sagte Nia und biss sich auf die Unterlippe. "Verdammt!", dachte sie, "Wie soll ich das jetzt machen?"

Salvatore, der anscheinend den Ernst der Lage begriff, fragte vorsichtig:

"Kann ICH dir vielleicht irgendwie weiterhelfen?"

"Was?", stieß Nia ungläubig hervor - sie konnte ihren Ohren nicht trauen.

"Entschuldige, ich wollte dich nicht beläs-" "Nein, nein, nein!", unterbrach sie ihn und strich verlegen eine Haarsträhne hinters Ohr.

"Nein - es wäre mir sogar mehr als recht ..." Als sie sein verwirrtes Gesicht sah, fügte sie eilig hinzu: "Natürlich nur, weil ich ... gehört habe, dass du besser in Französisch ... äh ... Latein bist als ich ... äh ... was natürlich keine große Kunst ist ... ich meine ..."

"Verdammt! Ich laber hier solch einen Müll vor SALVATORE zusammen, das ist ja unglaublich!", dachte sie, verärgert über ihre eigene Dummheit.

Schüchtern schaute Nia zu ihm hoch.

"Hoffentlich hält er mich jetzt nich für doof ...", grübelte sie.

Doch zu ihrer großen Freude lächelte er sie an!

Hach, sein Perlwei-Lächeln ließ wirklich JEDES Frauenherz höherschlagen!

Er führte sie zu einem kleinen Tisch, auf dem mindestens zehn verschiedene Schulbücher, Hefte oder Notizbüchlein verstreut lagen. Mit schnellen Handgriffen bereinigte er die Unordnung.

"Setz dich doch.", bot er ihr an und setzte sich selbst auf einen freien Stuhl.

"Wo hast du deine Probleme?", wollte er wissen und gemeinsam, in ungewohnter Zweisamkeit, die Nia nervös und verlegen machte, lösten sie eine Schwierigkeit nach der anderen.

Keiner von beiden musste befürchten, dass jemand - der Fanclub - hier vorbeischaute, denn der Pool und danach ein leckeres Eis in der Mensa waren viel zu verlockend als eine stickige, staubige Bibliothek. Die Zeit verging wie im Flug, was Nia sehr bedauerte.

Schließlich mussten sie sich voneinander verabschieden.

"Man sieht sich.", sagte Salvatore wie letztes Mal auch.

"Danke für alles. Ich stehe in deiner Schuld.", presste sie verlegen hervor.

"Ach was - hab ich doch gern gemacht.", meinte er lächelnd.

"Nein - was schulde ich dir?", beharrte sie.

"Wenn du so darauf bestehst ...", antwortete der Schönling langsam, "dann möchte ich, dass du in der Schulaufgabe dein Bestes gibst!"

Und mit diesen Worten war er auch schon auf und davon. Von Glück durchflutet machte sich Nia zu ihrem Zimmer auf. Auf halbem Weg dorthin begegnete sie Cedric.

Sie verdrehte die Augen.

"Na? Fertig mit dem geheimem Date mit deinem geliebten SALVATORE?", bohrte er bösartig und schaute sie finster an.

Blitzschnell wirbelte das Mädchen herum, in ihren Augen blankes Entsetzen.

Wenn das jemand hörte! Woher wusste er das überhaupt?!

Grob legte sie ihre Hand auf seinen Mund. Er durfte das auf keinen Fall wiederholen!

Scheinbar ohne Kraftaufwand wischte er ihre Hand weg.

"Woher weißt du das?!", zischte sie wütend.

"Man hat so seine Quellen ...", wich Cedric aus.

"LÜG NICHT!", fuhr sie ihn an.

Er seufzte.

"Es gibt zwei Möglichkeiten:

Entweder, man geht von deinem Honigkuchenpferd-Grinsen aus, oder man war einfach live dabei.", erklärte er ihr in einem beunruhigend ruhigen und sachlichen Ton.

Nia stand wie versteinert da, kam sich vor, als hätte man ihr eine Ohrfeige verpasst.

"Du warst DA? WANN? Warum hab ich dich nicht GESEHEN? Oder zumindest BEMERKT?!", stieß sie hervor.

Erneut seufzte Cedric.

Musste man der ALLES erklären?

"Ich hab wie du ein Lateinwörterbuch gesucht. Gerade als Salvatore um die Ecke kam, hab ich es mir genommen. Und NETT wie er ist, hat er es mir nicht aus der Hand gerissen. Den Rest mit Nachhilfe geben und so weiter und sofort hab ich beim Rausgehen mitbekommen. Zufrieden?", endete ein leicht genervter Cedric seine Darlegung.

Nia wusste beim besten Willen nicht, was sie tun oder sagen sollte, so geschockt und wütend war sie.

Bevor sie irgendetwas unternehmen konnte, fragte er sie:

"Warum hast du mir die Blumen gekauft?"

Sie schluckte.

Woher wusste er das? Er hatte doch geschlafen ... oder etwa nicht?

"Das war ich nicht!", log sie kurzerhand.

"Warst du wohl!"

"War ich nicht!"

"Doch!"

"Nein!"

"Ich hab's mit eigenen Augen gesehen!"

"Du hast geschlafen, wie kannst du so etwas geseh..."

"Ha! Also doch!", triumphierte er.

Nia hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Sie war solch ein Narr!

Als sie Cedric anblickte, wurden seine Gesichtszüge auf einmal entspannter, fast freundlich.

"Warum hast du das getan?", fragte er ruhig mit rauer Stimme und schaute sie mit seinen kohlrabenschwarzen Augen direkt an.

Nia wich seinem Blick peinlich berührt aus.

"Weil ... weil ...", begann sie, fuchtelte theatralisch mit den Händen herum und verlor schließlich die Geduld.

"Ist das nicht TOTAL EGAL? Freu dich darüber und sei glücklich damit!"

Sie war beschämt, dass er "herausgefunden" hatte, dass sie es war, die ihm die Blumen geschenkt hatte, schließlich hasste sie Cedric und liebte Salvatore!

"Warum gibst du so viel sauer erspartes Geld für mich aus? Ich weiß, dass du immer knapp bei Kasse bist, mir geht's kaum anders ... Und natürlich freue ich mich darüber, auch wen sie schon längst verwelkt sind!", sprudelte es aus ihm heraus.

"Wa ...", wollte Nia gerade loslegen, als Cedric, der behinderte Idiot, ihr vier Euro in die Hand drückte.

"HÄ?!", kam es Nia wie aus der Pistole geschossen, doch er erklärte.

"Das ist für die Blumen. Keine Ahnung, was die gekostet haben, aber das spielt auch keine Rolle. Was zählt ist die Geste. Und bevor die irgendetwas erwidern kannst:

Wenn du's nicht annimmst, gehe ich auf direktem Weg zur "Gerüchteküche", erzähle ihnen brühwarm von der "Date-geschichte", liefere die Beweisfotos, kassiere mein Geld für die nützliche Info und bin glücklich - kapiert?"

Nia lief ein kalter Schauer über den Rücken. Wenn er das machen würde, würde der Fanclub sie töten oder zumindest bewusstlos prügeln!

"Das wagst du nicht!", keuchte sie.

"Möchtest du's ausprobieren?", fragte er provkativ.

"NEIN!", ächzte sie und wurde leichenblass.

"Na also!", griente er, klopfte Nia auf die Schulter und ging weg. Cedric ließ sie mit dem Geld stehen.

"Du ... Du behinderter Idiot!", schrie Nia ihm hinterher, nachdem sie den ersten Schreck überwunden hatte.

Zur Antwort winkte er ihr mit dem Mittelfinger - ohne sich umzudrehen.

Aktuelles Buget: Neun Euro.

Fehlendes Geld bis zum Bikini: Sechs Euro.

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Happy Birthday!

Cedric war noch nie so wütend auf Salvatore gewesen.

Wie konnte sich dieser eingebildete Lackaffe erlaben, engere Kontakte zu Nia zu knüpfen?! Und das alles nur wegen nächstem Jahr!

Er könnte ihn erwürgen!

Es war mehr als wahrscheinlich, dass er - Cedric - Nias "Huan" war.

Wieso wollte er dazwischenfunken? Immer noch in düstere Gedanken vertieft begegnete er ihm tatsächlich: SALVATORE!

Cedric funkelte ihn wütend an.

"Kann ich dir irgendwie helfen?", erkundigte sich der Frauenschwarm.

"Tu nicht so SCHEIßFREUNDLICH! Du weißt ganz genau, dass ich stinksauer auf dich bin!", fauchte Cedric ihn an.

"Sie ist nicht dein Eigentum.", konterte Salvatore seelenruhig. "NIEMAND kann voraussagen, wer wessen Huan wird. Und vergiss nicht: Bis dato sind wir die EINZIGEN zwei, die wissen, dass wir Huans sind.

Nia hat keine Ahnung, dass sie ein heiß begehrter "Waker" ist."

Cedric knurrte bedrohlich. "Erzähl mir mal was Neues, Schmalzlocke!", spuckte er aus. "Ich hoffe inständig, das die alte Kotona (na, wer kennt die? ;-)) Unrecht hatte!"

"Das hoffe ich auch.", entgegnete Salvatore kalt, "Denn ich habe genauso wenig Lust an dein Schicksal gebunden zu sein wie du an meines ..."

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Die Tage zogen langsam ins Land. Die Nachmittage wurden immer heißer und die Lehrer weigerten sich, Hitzefrei zu geben, weil "ihr die Schüler dann ja doch in der prallen Sonne liegt und euch bräunt - hier lernt ihr wenigstens was!" (Rektorin).

Was irgendwo auch stimmte, aber beim Sonnenbaden musste man seine Gehirnzellen nicht anstrengen!

Besonders für Nia war es eine schwere Zeit - bis eins im dampfenden Klassenzimmer, das zusammengeschrumpfte Hirn auf Hochtouren - danach entweder ins stickige Zimmer oder in die staubige Bibliothek, um weiter zu lernen.

Zu allem Unglück hatte sie Latein verpatzt und ging vor lauter Schuldbewusstsein Salvatore aus dem Weg.

Cedric war nervig wie immer, was auch nicht gerade zu ihrer "guten Laune" beitrug.

Auch die Lehrer spielten verrückt - nächstes Jahr war Abschlussprüfung in den "normalen" Fächern, weshalb sie ihnen extra viele Hausaufgaben aufgaben - als "Übung" und "Vorbereitung" auf die Prüfungen natürlich.

Nia stand vor dem Waschbecken der Damentoilette und ließ kaltes Wasser über ihre Handgelenke laufen. Anschließend befeuchtete sie ihre Schläfen, ihren Nacken und ihre Haare. Begierig schlürfte sie das kühle Nass aus dem Wasserhahn.

Überall herrschte solch eine Affenhitze, dass man sich wünschte, einfach in einen Kühlschrank krabbeln zu können.

Nia wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab und schaute in den Spiegel. Morgen war ich sechzehnter Geburtstag, von dem außer Katja (und ihrem Vater) niemand etwas wusste.

Irgendwie stimmte sie das traurig.

Lag es daran, dass sie mit keinem feiern konnte? Oder einfach daran, dass Katja nicht mehr bei ihr war?

Grübelnd ging sie zu ihrem Spind, um ihre Schulbücher einzusprerren.

Morgen würde kein fröhlicher Tag werden und das schon allein wegen der Matheschulaufgabe ...

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Nia konnte vor lauter Aufregung nicht einschlafen.

Irgenwann - spät, spät in der Nach war sie dann in einen unruhigen Schlaf gefallen. Als es dämmerte, erwachte sie.

Benommen stieg sie aus dem Bett, zog sich bedächtig an und zog zum letzten mal vor der Schulaufgabe ihre Mathehefte hervor. Immer noch mit der Müdigkeit kämpfend überflog sie die schier unendlich langen Zahlenreihen.

Zur Versicherung, ob sie das System noch beherrschte, fischte sie einen Bleistift aus ihrem Mäppchen und rechnete die Aufgabe erneut.

Frustriert stellte sie fest, das nicht dasselbe herauskam und betrübt ließ sie den Stift auf das Blatt fallen.

Gebannt schaute sie aus dem Fenster und beobachtete, wie der Himmel von einem zartrosa Ton zu einem flammenden Rot überwechselte.

Traurig erinnerte sie sich daran, dass Katja und sie vor nicht einmal zwei Monaten ebenfalls staunend den Sonnenaufgang beobachtet hatten und versucht hatten, durch die Farben des Himmels zu bestimmen, ob der Tag sonnig, bewölkt oder regnerisch werden würde. Heute war er definitiv sonnig.

Nia nahm wieder den Bleistift und schrieb totunglücklich an den Heftrand:

Happy Birthday, Nia!

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In der ersten Stunde hatten sie schon Mathe - wenigstens hatten sie es dann hinter sich.

Cedric kam - wie so oft - verspätet, wurder aber - paradoxerweise - als erster fertig und schlenderte aus dem Klassenzimmer.

Nia gab als zweite ihr Blatt ab, aber nicht, weil sie fertig war, sondern weil sie es aufgegeben hatte.

Jede Aufgabenstellung kam ihr so vor, als hätte sie den Aufgabentyp noch nie in ihrem Leben gesehen - sie war am Boden zerstört.

Vor dem Klassenzimmer lehnte sie sich gegen die Wand, rutschte hinunter in die Hocke und schlang wie ein kleines Kind die Arme um die Beine, das Kinn auf die Knie gestützt.

Cedric, der das anscheinend gesehen hatte und sich sichtlich langweilte, kam mit einer geöffneten Coladose auf Nia zu.

"Lief nich' so gut, was?", erriet er und nahm einen großen Schluck.

Nia schaute demonstrativ zur Seite und flüsterte tonlos: "Nein."

"Hm.", antwortete er und überlegte kurz. "Willste 'n Schluck?", bot Cedric ihr schließlich an und wedelte mit der Coladose vor ihrer Nase herum.

Verdutzt schaute sie ihn an - das wollte sie nicht glauben!

Seit wann war er so nett zu ihr?

Gerade, als sie die Dose dankbar annehmen wollte, fiel ihr auf, dass das ein "indirekter Kuss" wäre und sie damit Salvatore "untreu" wäre.

"Nein, von dir will ich nix!", schmollte sie.

Etwas fassungslos starrte Cedric sie an, bis er ihre Gedanken erriet.

"Oh! Mutieren wir zur Zicke? Nr weil ich nicht Salvatore bin, willste nix saufen? Bitte - wie du willst! Zerfließe in Selbstmitleid darüber, dass du Mathe versaut hast und lass dich in den Armen deines Schwarms trösten - und Nachhilfe geben!!"

Anstatt wie sonst fuchsteufelswild zu werden, überschwemmte Nia ein Gefühl von tiefer Traurigkeit.

Tränen schossen ihr in die Augen, welche sie ergebnislos versuchte wegzublinseln. Jetzt kullerten sie ungehalten ihre Wangen hinunter und Cedric erstarrte.

Besorgt ging er in die Knie, um in Augenhöhe mit ihr zu sein.

"'Ey!", sagte er bekümmert, "So hab' ich das nich' gemeint, entschudige."

In Nias Hals hatte sich ein dicker Kloß gebildet, der es ihr unmöglich machte zu antworten. Stattdessen zuckte sie mit den Schultern, als Zeichen dafür, dass ihr alles egal war.

Ohne jegliche Vorwarnung hob Cedric sie plötzlich hoch, sodass sie einen erschrockenen Schrei ausstieß.

"Pssst!", befahl er ihr und trug sie weg.

"Wohin bringst du mich?", jammerte sie.

"Zu jemanden, den du gut kennst.", murmelte er und zischte: "Und jetzt mach die Augen zu!"

Nia tat, wie ihr geheißen und nach einer scheinbaren Ewigkeit hielt er an und ließ sie runter.

"Augen auf!", befahl er ihr und das Mädchen blinzelte aufgrund des grellen Sonnenlichts ...

...

Vor ihr standen leibhaftig Salvatore und ... Katja!

Augenblicklich verwandelten sich ihre Frusttränen in Freudentränen. Sie konnte es nicht fassen - das war einfach unmöglich! Alles andere war von einem Moment auf den anderen unwichtig geworden: Schule, Mathe, Cedric, einfach alles!

"Alles Gute, altes Haus!", griente Katja und setzte ihr schelmisches Lächeln auf.

"Katja!!!", kreischte Nia und fiel ihr um den Hals. Beide Mädchen kicherten, giggelten und freuten sich des Lebens, sich wiedergefunden zu haben. Für sie war es, als hätten sie sich ewig und drei Tage nicht mehr gesehen.

Salvatore musste unwillkürlich lächeln.

"Ich hab dich sooo vermisst - wo warst du bloß?", keuchte Nia und wischte sich die Tränen ab.

"Das darf ich dir nicht sagen", meine Katja zögerlich und ernst, setzte aber gleich strahlend hinzu: "Die Hauptsache ist doch, dass ich jetzt da bin (wenn auch nur kurz) und dir dein Geschenk gebe, oder?!"

Nia nickte eifrig. Egal, wie kurz Katja blieb, sie kostete jeden Augenblick voll aus. Sie waren beide wie Seelenverwandte, eine ergänzte die andere und wenn sie nicht beisammen waren, waren sie nicht komplett. Sie waren wirklich beste Freundinnen.

"Sooo ... dann will ich mal anfangen!", stieß Katja enthusiastisch aus und zauberte ein schlampig verpacktes Geschenk hervor, das aussah, als wäre schon mal ein Bulldozer drübergefahren.

Nia musste lachen.

"Lach nicht!", schmollte ihre beste Freundin gekünstelt, "Nur der Inhalt zählt! <3"

Hastig riss das Geburtstagskind das kackbraune Papier weg und erstarrte, während Katja sich vor Lachen nicht mehr einkriegen konnte und ihren Bauch hielt. Salvatore blickte verlegen zur Seite.

Nia hielt den knappsten Bikini seit seiner Erfindung in der Hand.

"Du bist doof!", heulte die Beschenkte mit hochrotem Kopf, "Den kann ich doch niemals tragen!"

"Doch! Um deinen Schwarm zu beeindrucken, zum Beispiel!"

Stille.

Ein verwirrter Salvatore: "Dein Schwarm?"

Eine dunkelrot angelaufene Nia, die ihre beste Freundin mit Mordaugen anglotzte.

"Nicht so wichtig!", kicherte Katja und versteckte sich hinter dem Mann der Begierde, damit ihre Freundin sie nicht zu Tode prügeln konnte.

"Wie dem auch sei ...", räusperte er sich, "Hier ist dein Geschenk von mir."

Nias Herz schlug ihr bis zum Hals. Ein Geschenk - von SALVATORE! Behutsam riss sie die Verpackung auf und zum Vorschein kam ...

"Rock 'n Rose!", keuchte sie, "Mein Lieblingsparfum!"

Sie war gerührt und Katja stand vor lauter staunen der Mund offen.

"Was das gekostet hat!", stammelte sie, aber Salvatore schnitt Nias bester Freundin das Wort ab.

"Was zählt, ist, dass ich es dir von Herzen schenke und nicht aus Berechnung, ja?", sagte er mit einer Stimme, die so sanft und melodisch wie der erste Sonnenaufgang im neuen Jahr war.

Nia nickte überglücklich - heute war der schönste Tag ihres Lebens, noch schöner als der am Abschlussball!

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Kaum hatte Cedric Nia bei IHREM Salvatore und Katja abgesetzt, hatte er einen stechenden, bohrenden, alles verzehrenden und brennenden Schmerz in der Brust gespürt,

Da er gewusst hatte, dass er ohnehin unerwünscht gewesen war und nur als "Störfaktor" gesehen worden wäre, war er sofort gegangen.

Sein Geschenk war das Wiedersehen mit Katja gewesen, was ihm nicht nur Zeit, sondern auch Mühe und Geschick abverlangt hatte.

Es gab viele Regeln, Richtlinien und Gesetze, die nicht gebrochen oder übertreten werden durften. Eine davon war das Wiedersehen von Personen, die noch nicht "in der anderen Welt (der Huans) waren".

Ansonsten erfolgte eine sofortige Strafe, in deren "Genuss" Cedric nun gekommen war.

Er bekam keine Luft mehr. Notgedrungen stützte er sich an die Wand, ging aber tapfer weiter.

Verdammt! Wenn das so weiterging, würde er noch ohnmächtig werden!

Reumütig lächelte er. Hatt er nich von Anfang an gewusst, was ihn erwartete?

Ein Gesetzbruch höchsten Grades, das würde nicht ungesühnt bleiben - nicht durch so Kleinigkeiten wie Atemnot oder Schwindel.

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Mysteriöser Fremder

Kaum hatte Cedric Nia bei IHREM Salvatore und Katja abgesetzt, hatte er einen stechenden, bohrenden, alles verzehrenden und brennenden Schmerz in der Brust gespürt,

Da er gewusst hatte, dass er ohnehin unerwünscht gewesen war und nur als "Störfaktor" gesehen worden wäre, war er sofort gegangen.

Sein Geschenk war das Wiedersehen mit Katja gewesen, was ihm nicht nur Zeit, sondern auch Mühe und Geschick abverlangt hatte.

Es gab viele Regeln, Richtlinien und Gesetze, die nicht gebrochen oder übertreten werden durften. Eine davon war das Wiedersehen von Personen, die noch nicht "in der anderen Welt (der Huans) waren".

Ansonsten erfolgte eine sofortige Strafe, in deren "Genuss" Cedric nun gekommen war.

Er bekam keine Luft mehr. Notgedrungen stützte er sich an die Wand, ging aber tapfer weiter.

Verdammt! Wenn das so weiterging, würde er noch ohnmächtig werden!

Reumütig lächelte er. Hatt er nich von Anfang an gewusst, was ihn erwartete?

Ein Gesetzbruch höchsten Grades, das würde nicht ungesühnt bleiben - nicht durch so Kleinigkeiten wie Atemnot oder Schwindel.

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Letzten Endes hatte Katja den ultraknappen Bikini gegen einen richtige ausgetauscht.

Der neue schmeichelte Nias schwarzen Haaren sehr und harmonierte gut mit ihren marineblauen Augen.

Ja, der rosa Bikini gefiel ihr mehr als gut!

Das Parfum hütete sie wie einen Schatz - tief in ihrem Spind versteckt, bevor die "drei Schwestern" fragen konnten, woher sie das Geld für so etwas teures hatte aufbringen können. Falls sie nicht antworten würde, konnte Nia schon förmlich die Schlagzeilen in der "Gerüchteküche" sehen:

"Prostitution für Parfum?" Nia lief es eiskalt den Rücken runter. Nein, so etwas würde sie nicht zulassen! Sicherheitshalber packte sie noch einen Stapel Bücher vor das Duftwässerchen ...

Wohin Cedric geflüchtet war, war ihr herzlich egal. Wer interessierte sich für so einen behinderten Idioten wie ihn?

Schade war nur, dass Katja so schnell wieder gehen musste (was sie nicht ganz verstand, aber sie musste ihre Gründe dafür haben) - aber immerhin hatte sie sie wiedergesehen!

Mist! Jetzt hatte sie ihr Mathebuch doch glatt eingesperrt, obwohl sie es für die nächste Stunde brauchte! Wo hatte sie bloß ihren Kopf? Seufzend sperrte sie ihren Spind wieder auf, zog das Buch heraus und ... an ihr segelte eine Karteikarte zu Boden.

Verwundert klaubte Nia sie auf und las die in Druckbuchstaben geschriebene Frage:

"SATZ DES PYTHAGORAS?"

Desinteressiert schmiss sie die Karte in den nächsten Abfalleimer.

Wer ließ sich so einen Müll einfallen?

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Doch mit der einen Karte war es nicht getan. Die Flut erhöhte sich sogar noch.

Zuerst täglich eine,

in den darauffolgenden Wochen jede Pause

und nach einem Monat jede Stunde!

Nia begann sich allmählich zu ärgern und hätte sofort Cedric verdächtigt, wenn er nicht schon seit ihrem Geburtstag im Krankenflügel liegen würde. Und das ohne Besuchererlaubnis!

All diese dämlichen Karteikarten bezogen sich auf - Mathe.

"NENNE DEN SATZ DES VIETA!"

"DAS VOLUMEN EINES KEGELS?"

"LEITE DIE POLARKOORDINATEN AB!"

Manchmal wurden ihr auch konkrete Aufgaben gestellt, die Nia anscheinend lösen sollte - was sie aber nicht tat. Das war aber auch ganz verständlich, oder? Wer wäre schon so bekloppt und würde ernsthaft auf so etwas antworten? Wohl nur ein Hohlkörper!

Irgendwann wurde es ihr aber doch zu viel. Zu einem Lehrer konnte sie aber nicht gehen, der hätte sie für verrückt und aufmerksamkeitsheischend gehalten und auf die Lauer konnte sie sich auch nicht legen, da es immer während des Unterrichts geschah (davon ging Nia zumindest aus).

Vielleicht war es wirklich das einfachste, die Antworten draufzukritzeln und ab die Post. Dann wäre eventuell Schicht im Schacht. Hoffentlich.

So kam es, dass sie sich in stundenlanger Schwerstarbeit die Lösungen fast aus den Fingern saugte, da Nia sich strikt weigerte (oder einfach zu faul war?) ihre Mathehefte als Berater hervorzuholen.

Zum Schluss kam sie sich richtig dämlich vor. Wirklich wie ein Hohlkörper. Sie beantwortete Fragen von einem Unbekannten (oder einer Unbekannten?), dessen Absicht sie nicht einmal kannte ... Und trotzdem fühlte sie sich nach der getanen Arbeit seltsam befreit und war ... stolz auf sich. All diese Aufgaben hatte sie ohne (naja, fast) Schwierigkeiten bewältigen können! Schließlich brachte sie alle Karteikarten - säuberlich mit Gummibändern befestigt - zum Spind und stopfte sie wieder hinein.

"Wir werden ja sehen, wer den längeren Arm hat!", schnaubte Nia innerlich und stapfte davon.

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Salvatore saß an Cedrics Bett und las Mary Higgins Clarks "Mondlicht steht dir gut". Cedric war gerade aufgewacht.

"Wie fühlst du dich?", frage der Frauenschwarm aus purer Höflichkeit und ohne seinen Blick vom Buch zu heben.

"Beschissen!", stöhnte der Patient und richtete sich mit schmerzverzerrtem Gesicht langsam aufrecht hin.

"Du sollst liegen bleiben!", herrschte Salvatore ihn an.

"Ich hab was zu erledigen!", knurrte der blonde Hühne zurück.

"Die Karteikarten?", fragte der Mann gewordene Frauentraum beiläufig.

"Die Karteikarten!"

"Warum machst du dir solch eine Arbeit? Sie hasst dich!"

"Das geht dich nichts an!"

"Nia ist doch gut in Mathe, wozu braucht sie da deine "Hilfe"?"

"Natürlich ist sie gut in Mathe, ich will sie ja nur ärgern!", fauchte Cedric und dachte still bei sich: "Sie ist so gut in Mathe, dass sie mit einer glatten sechs durchfallen wird, wenn sie nicht aufpasst!"

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Am nächsten Tag fand Nia einen säuberlich geschriebenen Brief in ihrem Spind:

"NIA,

SOLANGE DU NICHT BESSER IN MATHE GEWORDEN BIST, WERDE ICH NICHT AUFHÖREN.

EINE GUTE FREUNDIN."

"Eine gute Freundin?", wiederholte sie irritiert, denn sie hatte ja nur EINE Freundin. Und die war zugleich ihre beste. Bedeutete das etwa, dass Katja ihr diese geheime Hilfe zukommen ließ?

Mit einem Mal fühlte sie sich viel besser.

"Katja, du altes Schlitzohr!", lachte sie sich im Stillen, "Du hast mich fast wieder in die Irre geführt!"

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"Eine gute Freundin?", las Salvatore laut vor, als hätte er sich verlesen und wolle seinen Augen nicht glauben schenken. "Du sinkst so tief, dich als Frau auszugeben? Unfassbar!"

"Das geht dich nichts an!", schnauzte Cedric ihn an und biss sich auf die Unterlippe. Er lehnte sich für seinen Geschmack zu weit aus dem Fenster. Katja war eine sehr intelligente Frau, die im Handumdrehen seinen ganzen "Plan" zunichte machen konnte. Und dann würde es richtig Ärger geben.

Aber darüber wollte sich der Blondschopf noch keine Gedanken machen. Es kam wie es kommen musste. Basta.

"Bring lieber den Brief zu ihrem Schließfach, als dich über andere Leute Dinge zu beschweren!", orderte Cedric und legte sich wieder schlafen.

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Das Wetter war seit Nias Geburtstag alles andere als gut. Es stürmte und regnete die meiste Zeit über. Zeitweise traten auch heftige, typische Sommergewitter auf.

So hatte es die letzten Wochen ausgesehen, aber nicht heute. Es war der letzte Tag vor den Sommerferien und alle saßen wie auf heißen Kohlen.

Alle dreißig Sekunden warfen die Schüler einen verstohlenen Blick auf die im Klassenzimmer hängende Uhr. Wäre sie nicht fest anmontiert, hätten dutzende Lehrer sie schon längst abgerissen und Diskuswerfen damit geprobt.

Bei Frau Wood glaubte man fast, sie würde sich gleich wie eine wilde Furie auf die Uhr stürzen und die Zeiger ausreißen; stattdessen brummte sie aber jedem Schüler, der du*** genug war, nach der Zeit zu schauen, extra viele Hausaufgaben über die Ferien auf.

Als endlich der erlösende Gong ertönte, gab es keinen Halt mehr. Alle Schüler wollten nur noch eins: W-E-G hier! Jeder jubelte und freute sich auf die Ferien, dass sie das Zeugnis ganz vergaßen.

Nia aber nicht.

Sie saß geschockt auf ihrem Stuhl und starrte ihren Giftzettel an. Ein seltsames Taubheitsgefühl breitete sich in ihrem Körper aus, das mit einem merkwürdigen Kribbeln im Kopf endete.

Nia hatte nur durch Notenausgleich bestanden!

Latein und Mathe FÜNF!

Relie und Sport hatten sie noch retten können. Noch nie hatte sie sich so mies und eldend gefühlt. Sie konnte von Glück reden, dass das Zeugnis nicht an ihren Vater geschickt wurde!

Und zu allem Unglück war sie auch noch damit beauftragt worden, SEIN Zeugnis abzuliefern. Derweil wollte Nia niemanden sehen. Und erst recht nicht Cedric! Sie war nämlich froh gewesen, den behinderten Idioten so lange nicht gesehen haben zu müssen, dass sie es fast geschafft hatte, ihn ganz aus ihrem Gedächtnis zu streichen.

Und nun? Jetzt musste sie zu ihm! Frustriert klemmte sie sich den schokobraunen Umschlag unter den Arm und stakste los.

Ihre Gedanken galten nun den Ferien, der sie mit einer seltsamen Hassliebe begegnete. Einerseits war sie glücklich, dass alle Zicken und Tussen (einschließlich, bzw. besonders ihre Mitbewohnerinnen, die "drei Schwestern") weg waren und Pool, Mensa und Zimmer ihr allein gehörten.

Aber andererseits war sie traurig, dass sie nun allein war und alle sich - mehr oder weniger - auf zu Hause freuten, während sie ihren Vater seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte (wie sah er doch gleich noch mal aus? Und vor allem: Wie war sein Name???)

Niedergeschlagen schlenderte sie die Gänge in Richtung Krankenzimmer entlang, wobei sie alle paar Schritte über einen voll gepackten Koffer flog, der unachtsam vor die Zimmertür gestellt worden war.

Irgendwann war der Hindernisparkour auch vorbei und sie fand sich im Krankenflügel wieder.

Sie seufzte, denn sie hatte so viel Lust, Cedric zu sehen, wie ein kleine Maus auf eine ausgehungerte Katze. Sich mit diesem behinderten Idioten abzugeben und womöglich noch zu streiten ... das waren zwei Dinge, die ihr jetzt empfindlich auf den Magen schlagen würden.

"Cedric?", fragte sie selbstbewusst und gespielt heiter, "Bist du wach?"

Als keine Antwort kam, fiel ihr ein Stein vom Herzen. Behutsam näherte sie sich dem Bett mit den einzig zugezogenen Vorhängen und legte den Umschlag auf den Beistelltisch.

Plötzlich ergriff sie eine Frauenkrankheit: Die Neugierde. Ohne es zu wollen, wollte sie wissen, ob er genauso schlecht abgeschnitten hatte wie sie. Wäre eigentlich nur logisch, so oft wie er fehlte und so viel, wie er im Unterricht schlief ...

Mit zittrigen Händen (sie tat ja etwas unerlaubtes) und klopfendem Herzen zottelte sie sein Zeugnis hervor und erstarrte.

Cedric hatte in jedem, aber auch in JEDEM Fach eine glatte ... eins?!!!

Wie war das nur möglich? Er passte nie auf! Schlief! Meldete sich nie! Hatte niemals seine Hausaufgaben! Und trotzdem ... überall einsen??? Außerdem war er ständig krank! ... Was er wohl diesmal hatte?

Erneut wurde Nia neugierig. Nur ein ganz kurzer Blick, sie wollte ihm ja nichts tun oder so, sie wollte bloß wissen ... warum er so lange krank war. Sie brauchte eigentlich auch kein schlechtes Gewissen haben: Schließlich war sie seine Banknachbarin und hatte ein Recht darauf, zu erfahren, was mit ihm los war! So etwas in der Art würde sie Antworten, wenn sie ertappt werden würde.

Denn: Vielleicht täuschte er seine Krankheit nur vor?

Behutsam teilte sie den Vorhang und ...

Pause

...

bereute es augenblicklich wieder.

Nia schlug der Gestank von etwas verwesenden entgegen, was ihr sofort auf den Magen schlug und fast Brechreiz bei ihr auslöste, sobald sie es eingeatmet hatte. Dieser süßlich, beißende Geruch war vernichtend. Cedric selbst sah auch nicht besser aus:

Schneeweiß, nein: leichenblass, fast aschfahl und durchsichtig. Sein Haar war zur Hälfte abrasiert, die andere war zerzaust, ausgerissen, blutverkrustet.

Der Arm auf der Bettdecke: dich eingegipst.

Überall im Gesicht befanden sich Risse, Schnittwunden, Ratscher, blaue Flecke und vor allem viel Blut. Ein Teil seiner Lippe fehlte, das eine Auge war ganz dick und gelb vor Eiter.

Nia zitterte wie Espenlaub.

Ohne den Vorhang wieder zuzuziehen, rannte sie so schnell wie sie konnte aus dem Zimmer, knallte die Tür zu und erbrach sich auf der Damentoilette.

Was um Himmels Willen war mit Cedric geschehen?!

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"Sie hat dich gesehen", ertönten Salvatores ruhige, aber scharf ausgesprochene Worte und schnitten sich wie ein Säbel durch die Stille des Raumes.

"Na und? Hat sie sich wenigstens ordentlich erschrocken?", fragte Cedric mit einem bemühten unbekümmerten und desinteressierten Ton.

"Ja. Ja, ich denke schon - man bekommt nicht alle Tage Frankensteins Sohn zu Gesicht ..."

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Das Bild von einem scheinbar halbtot geprügelten Cedric ging Nia nicht mehr aus dem Kopf.

Sie hatte regelrecht Alpträume davon - es war schließlich etwas anderes, wenn man verstümmelte Menschen in einem Horrorfilm sieht oder jemanden, den man in echt sieht und obendrein auch noch kennt!

Ihre Hauptbeschäftigung in den Ferien bestand aus langeweilen, Hausaufgaben machen, Bücher lesen und ... schwimmen. Das alles brauchte sie jetzt auch dringend, um sich von dem Vorfall letztens abzulenken. Alles war ihr recht - solange es diese Erinnerung verscheuchte!

Heute war schönes Wetter und spontan entschloss sie sich, zum Pool zu watscheln und ihren neuen Bikini auf seine Tauglichkeit zu testen.

Nachdem sie sich umgezogen hatte, sprang sie ins kühle Nass. Es war irgendwie seltsam, ein ganzes Schwimmbecken für sich allein zu haben, nachdem man monatelang nur einen bis zum Rand vollgestopften gewohnt war. Das war ein Grund mehr, ausgiebige Bahnen zu schwimmen und es noch mehr zu genießen!

Wenn Salvatore sie jetzt sehen könnte! Aber er war ja nach Hause gefahren ... Schade eigentlich, denn jetzt wäre eine "sichere Zeit" gewesen, wo nicht immerzu sein Fanclub um ihn herumschwirrte.

Cedric und sie waren die einzigen, die zurückgelassen worden waren.

Warum ausgerechnet er? Seit sie ihn kannte, war auch er über die war auch er über die Ferien da geblieben - was sie mehr als störte! Es ging ihr richtig auf den Keks, keine Erholung von ihm zu haben. Man wollte ja auch mal seine Ruhe!

Wie gern würde sie ihn gegen Salvatore eintauschen!

Außer Atem legte sie sich unter ihren Lieblingsbaum - eine Ulme - und nuckelte süßen, kalten Tee aus ihrer Flasche, der sie binnen Sekunden erfrischte und wieder fit machte.

Danach starrte Nia hohl vor sich her.

Mann, wie ultra-langeweilig ihr war! und DAS sollte noch geschlagene fünf Wochen so gehen??? Unvorstellbar!!! Mitten drin würde sie bestimmt Amok laufen oder irre werden wie die Sims, wenn sie keinen Spaß hatten.

Entnervt zog sie ihr Lieblingsbuch - P.S. Ich liebe dich (an alle Leser, die das Buch kennen: GEHT NICHT IN DEN FILM!!! Ihr werdet bitter enttäuscht sein!) - hervor, legte es aber wieder weg, weil sie keine Lust hatte, es ein siebtes Mal durchzukauen.

Stattdessen nahm sie ihr Deutschbuch zur Hand, wo eine ihrer Lieblingsgeschichten geschrieben stand:
 

"WAHRE GÜTE?
 

An einem warmen, sonnigen Tag eröffnete eine Frau eine Eisdiele.

Sofort stürmten viele Kunden herbei und kauften ihr das leckere Eis in großen Mengen ab.

Da sah sie einen kleinen, quängelnden Jungen, der nach seiner Mutter schlug, biss und kratzte und laut zu heulen anfing, als seine Mama verzweifelt versuchte, mit Engelszungen auf ihn einzureden.

Durch das Gebrüll des Jungen waren andere Leute aufmerksam geworden und schüttelten entsetzt den Kopf, als sie sahen, wie die Mutter den "armen, kleinen Jungen" "schimpfte".

"Och, der Arme!", stieß die Serviererin der Eisdielenbesitzerin aus, "Du solltest ihm ein Eis spendieren!"

Widerwillig tat sie zwei Kugeln auf eine Waffel - niemand außer ihr hatte mitbekommen, wie frech und gemein der Junge zu seiner Mama gewesen war.

Genau in diesem Moment kam ein querschnittsgelähmter, sehr betagter mann herein. Er sah sich verloren, unsicher und hilflos um, kaum fähig, aufgrund seines zudem stark gekrümmten Rückens den Kopf zu heben. Man konnte fast körperlich spüren, wie er sich schämte, so zu sein, wie er war: Verkrüppelt und hässlich.

Entschlossenen Schrittes ging die Besitzerin mit dem Eis auf ihn zu.

"Das ist für Sie", sprach sie zärtlich, "Ich schenke es Ihnen!"

Sie hätte gern mehr gesagt. Etwas aufbauendes. Aber sie konnte nicht. Was hätte sie auch sagen sollen?

Jetzt lächelte er ein zahnloses Lächeln, das einem das Herz aufgehen ließ und das einem kleinen Jungen war, der endlich sein langersehntes Spielzeug bekam.

"D ...anke...", presste er mit Mühe hervor, denn das Sprechen schien ihm auch große Mühe zu bereiten.

Dann aß er das Eis: unbeholfen, tropfend und triefend wie ein kleines Kind - aber überglücklich.

Die Besitzerin half ihm, so gut wie sie konnte: Serviertte auf den Schoß, sie hätte ihn auch gefüttert, aber alle schauten zu, starrten ihn an. Und es wäre ihm unangenehm gewesen, das wusste sie. Deshalb tat sie es auch nicht.

Die Serviererin verstand die Chefin nich, doch die Besitzerin wischte dem alten Mann doch den Mund ab und sagte:

"Kommen Sie doch morgen wieder! Morgen haben wir auch Waffeln, da können Sie auch eine haben, wenn sie wollen!"

Er nickte, so gut es ging. Strahlend. Die Bäckchen rot vor Wonne.
 

Doch er kam nie wieder.

Nach dem Eisdielenbesuch war er gestorben."
 

Gerührt schloss Nia das Buch. Sie mochte die Geschichte sehr. Sie fand sie tiefsinnig und traurig.

In Gedanken versunken räkelte sie sich und ließ ihren Blick über die Szenerie und blieb an einem Rollstuhlfahrer hängen, der sich auf der anderen Seite des Pools befand.

Sie zuckte zusammen. Was hatte ein Rollstuhlfahrer auf dem Schulgelände verloren? Und überhaupt: Das konnte doch wohl kaum die Wahrheit gewordene Geschichte sein, oder?!

Doch schon im nächsten Augenblick erkannte sie ihn: "Cedric!", rief sie. Er war nicht mehr so schlimm entstellt wie letztens -auf die Ferne gesehen- aber immer noch zugerichtet.

Ihr Gesicht erhellte sich sofort wieder, als sie die große, schlanke und majestätische Statur von Salvatore neben ihm erblickte.

So schnell wie sie konnte rannte sie zu ihnen hin.

"Ich ... Ich dachte, du wärst abgereist!", stieß sie keuchend aus. Cedric war im Moment nicht so wichtig.

"Wie du siehst, nicht.", meinte er lächelnd und fügte galant hinzu: "Ich hatte noch was zu erledigen und außerdem wolltest du mich doch auf einen Drink als Dank für die Nachhilfe einladen, oder?"

Als er den versteinerten Gesichtsausdruck sah, lachte er herzlich. "Das war ein Witz. Ich wollte DICH einladen, das ist doch klar, oder?

Nia hatte einen hochroten Kopf bekommen und nickte nur, weil sie nicht antworten konnte.

Wie gut er wieder aussah! Sein blendendes Aussehen verschlug ihr wortwörtlich die Sprache. Seine nassen, schwarzen Haare -er musste sie wohl grad gewaschen haben- machten ihn noch eine Ecke sexier. Von dem grünen Hemd mit der silbernen Kette und der schwarzen Jeans mal ganz abgesehen ...

"Danke ...", nuschelte sie verlegen und erst jetzt fiel ihr wieder ein, dass Cedric auch noch existierte.

"Was ist mit ihm passiert?", fragte sie erfürchtig und erkannte erschrocken, dass sich sein Zustand überhaupt nicht gebessert hatte. Kein einziges Stück. Nia musste sich zusammenreißen, ihren Ekel zu verbergen, der sich ihrer bemächtigte und musste ihren Würgreiz durch heftiges schlucken bändigen.

Es gelang ihr nicht ganz, den angewiderten Blick in ein besorgtes Gesicht zu verwandeln.

"Eine heftige Prügelei.", antworte Salvatore betrübt und lächelte traurig, "Kein schöner Anblick für ein hübsches Mädchen."

Nia wurde wieder rot und vergaß Cedric von einem auf den anderen Moment wieder.

Dadurch, dass sie ihren Schwarm anhimmelte, bekam sie gar nicht mit, wie Cedric die Fäuste bei dieser Bemerkung ballte.

"Deshalb muss ich dich auch leider verlassen.", meinte er und lächelte entschuldigend.

Und fort war er, zusammen mit einem Cedric, der mehr tot als lebendig war.

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Auferstehung von den Toten

"Er hat die Fäuste geballt.", stellte die Krankenschwester mit rauer Stimme fest. "Das ist schlecht! Wenn er sich erholen will, dann darf er nichts mehr fühlen, darf nichts mehr denken und sich nicht mehr bewegen. So sind die Regeln bei den Huans: Wer sich verletzt und sich erholen will, muss eine willenlose Puppe sein ... erschaffen durch Morphium ..."

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Nachdem ihr Schwarm fort war, wollte sie sofort in ihrem Tagebuch von ihrem Date berichten. Es war eine Manie von ihr: Sobald etwas schönes oder schlechtes passiert war, musste sie es niederschreiben, dann ging es ihr viel besser. Wie viel hatte sie dadurch schon verarbeitet! Besonders jetzt, wo sie Katja nicht mehr hatte, der sie alles anvertraute, war ihr Tagebuch wohl das wichtigste, was sie besaß. Er hatte ihr über den Verlust ihrer besten Freundin geholfen, sie konnte Dampf ablassen, wenn Cedric sie wieder genervt hatte, sie konnte von den Schmetterlingen im Bauch erzählen, wenn sie Salvatore getroffen hatte oder sogar ein paar Worte mit ihr gewechselt hatte ... einfach alles. Und danach war sie glücklicher, befreiter, nicht mehr angespannt, sauer oder frustriert.

Die schönen Erinnerungen las sie sich immer wieder durch, sie konnte sie dann wie einen Film vor ihrem geistigen Auge sehen. Darum mochte sie Bücher auch so gern, denn sie hatte ihr eigenes, kostenloses Kino.

Nia hechtete den Gang entlang, die Treppen hinauf, an Klassenzimmern, Putzkräften oder selten gewordenen Lehrern vorbei, bis sie plötzlich ein seltsames Geräusch vernahm, das an den Wänden wiederhallte.

Irritiert blieb das Mädchen stehen und lauschte.

Ihr Herz schlug schnell vom Rennen und das Blut rauschte in ihren Ohren. Ihr Atem ging flach, aber ...

Da war wieder dieses Geräusch!

Diesmal hielt sie die Luft an und horchte.

Doch, sie war sich nun ganz sicher. Da war etwas ... komisches. Sie konnte nicht sagen was es war, aber es war nicht normal.

Nia folgte dem Laut. Ging einen leeren Gang entlang, verharrte, spitzte die Ohren.

Ging weiter. Wieder an Klassenzimmern, Putzkolonnen, leeren Zimmern vorbei.

Nach ein paar Minuten und einigen Abzweigungen weiter hörte sie es deutlicher ... Es waren ... Schreie?!

Und sie kamen direkt aus dem Krankenzimmer!

Mit wild klopfendem Herzen stand sie vor der Tür. Das konnte doch nicht sein! Diese Schreie waren markerschütternd und beängstigend. Sie hatten etwas ... tierisches an sich. Ihr Blutdruck stieg weiter. Was geschah hier?

Gerade, als sie die Tür öffnen wollte, wurde diese aufgerissen und jemand rumpelte sie mit seinem vollen Körpergewicht an.

Nia stieß vor Schreck einen spitzen Schrei aus und taumelte durch die Wucht des Zusammenpralls nach hinten und landete unsanft auf dem Boden.

Als sie nach oben schaute, erblickte sie ... Cedric.

Cedric, keine zehn Minuten her: verprügelt, blutverkrustet, entstellt, schwer verletzt im Rollstuhl - jetzt aber: Cedric, volle Größe, keinerlei Verletzungen, ganz so, als hätte es derartiges nie gegeben! Alles war geheilt: Kein gebrochener Arm, kein fehlendes Stück an der Lippe, keine vereiterten Augen, kein Blut, keine Bandagen, nichts!
 

Wie war das möglich?
 

Oder war das jemand anders gewesen? Hatte er einen Zwillingsbruder?

Nia war leichenblass und glotzte Cedric an, als hätte sie noch nie einen Menschen gesehen.

Sie war entsetzt.

Doch bevor sie etwas sagen konnte, hechtete Salvatore aus dem Zimmer, erblickte die beiden und begriff augenblicklich die Situation.

Er ging auf Nia zu und berührte ihre Stirn - dann fiel sie in ein großes, alles verschlingendes schwarzes Loch und sank bewusstlos zu Boden.

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"Bist du bescheuert?!", brüllte der sonst ruhige und ausgeglichene Frauenschwarm, "Weißt du, was das bedeutet??!"

Schuldbewusst blickte Cedric zu Boden.

"Wir müssen die Erinnerungen von über einem Monat ausbessern! Und nur, weil du's nicht schaffst, dich langsam von deinen Verletzungen zu erholen, sondern vom einen auf den anderen Moment komplett geheilt bist! Normale Menschen können so etwas nicht!

Und Nia ist auch eine von uns - sie weiß es nur noch nicht - was es aber nicht besser macht! Wir sind Huans, Cedric! Wir müssen acht geben, dass das keiner herausfindet! Und was du getan hast, das ... das ...!!!", donnerte er weiter.

"Können wir es ihr nicht einfach erzählen?", versuchte der blonde Hüne die Situation herumzureißen, "In ein paar Wochen erfährt sie es von selbst!"

"Tolle Idee - willst du noch Mal bestraft werden? Wenn du so scharf drauf bist - mach's doch! Aber ich werde es garantiert nicht tun! Du weißt, dass das ein noch viel schlimmerer Gesetzesbruch ist als der mit dem Treffen! Es ist wohl der übelste überhaupt!", plärrte Salvatore, sodass Putz von den weißen Wänden rieselte und die Erde scheinbar bebte.

"Wir können doch nicht hergehen und sagen:

'Hey, du - Nia, wir sind übrigens die voll krass konkrete Huan-Gang und wenn wir verletzt sind, heilen wir uns mit sogenannten "Stoffen" selbst. Der ist von Huan zu Huan unterschiedlich und während wir ihn einnehmen, können wir uns überhaupt nicht bewegen, fühlen oder denken! Normalerweise steuern wir es im Unterbewusstsein so, dass wir uns langsam heilen - wie ein normaler Mensch halt auch. Aber bei manchen ist das nicht der Fall - darum darfst du dich gar nicht wundern, denn das ist völlig normal bei uns!"

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Als Nia erwachte, hatte sie furchtbare Kopfschmerzen.

Der ganze Hinterkopf inklusive Genick schmerzten höllisch, als ob ihr jemand einen Schlag auf den Hinterkopf verpasst hätte.

Vorsichtig drehte sie sich herum und stellte erstaunt fest, wo sie war:

Weißes Bettgestell, weißer Beistelltisch, weiße Vorhänge um ihr Bett, ein seltsamer Geruch in der Luft ... Sie musste im Krankenflügel sein!

Durch die Gardinen erblickte sie eine schlanke, aufrecht sitzende Gestalt, die anscheinend in ein Buch vertieft war.

"Salvatore!", flüsterte sie sehnsüchtig und der Frauenschwarm reagierte sofort.

"Bist du aufgewacht?", fragte er und zupfte behutsam den Vorhang zur Seite, um ihr sein strahlenstes Lächeln zu schenken.

Sie errötete. "Was ... Was ist passiert?", wollte das Mädchen wissen. Sie konnte sich seltsamerweise an nichts mehr erinnern ...

"Du bist auf deinem Weg zum Zimmer die Treppe runtergefallen und hast dir den Kopf böse gestoßen - daraufhin bist du ohnmächtig geworden.", antwortete er, fügte aber schnell hinzu: "Es ist aber nichts schlimmes passiert. Also keine Gehirnerschütterung oder so."

Nia überlegte kurz. Was wollte sie denn oben in ihrem Zimmer?

Langsam, ganz langsam dämmerte es ihr und sie sagte fröhlich:

"Stimmt ja, ich wollte Tagebuch schreiben gehen!"

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Cedric hätte sich am liebsten geohrfeigt. Warum war ihm so ein gravierender, dummer Fehler unterlaufen?!

Er wusste ganz genau, dass so eine "Erinnerungspfuscherei" - so nannte er den Vorgang der Bearbeitung von Erinnerungen - tödlich hätte enden können.

Bei den Huans war es nämlich so: Sie mussten total geheim bleiben, kein Normalsterblicher durfte von ihrer Welt und Existenz erfahren. Taten sie es versehentlich doch, so wurden die Erinnerungen derjenigen Person manipuliert und durch andere ersetzt.

Das geschah natürlich nicht zufällig, sondern war ein komplexer, schwerer Vorgang, der immer lebensbedrohlicher ist, desto länger die Zeitspanne ist. Bis zu einer Woche, höchstens zwei war es ziemlich ungefährlich. Alles, was darüber ging, war kritisch. Nia hatte einen Monat Erinnerungen an sein vermöbeltes Selbst gehabt! Er konnte gar nicht fassen, dass sie es unbeschadet überstanden hatte.

Wütend auf sich selbst schlug er mit der Faust so fest gegen die Wand, dass seine Hand blutete.

"Verdammt!", fluchte er laut, "Jetzt bin ich diesem Lackaffen noch mehr schuldig!"

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Ein schrecklich schöner Tag

Morgen! Morgen!!!

Nia saß einen Augenblick reglos auf ihrem Bett, als sie dann anfing hysterisch zu kichern und in ihr Kissen schrie.

Sie kugelte sich hin und her, juchzte, jubilierte.

Morgen hatte sie ein D-A-T-E mit Salvatore! Ihrem Salvatore!

Sie konnte ihr Glück gar nicht fassen - es war wie im Traum!

Bis vor ein paar Monaten hatte sie immer geglaubt, dass die Wahrscheinlichkeit, das sie von Aliens entführt wurde oder dass der Himmel ihr auf dem Kopf fiel größer war als die Wahrscheinlichkeit mit ihrem Schwarm Salvatore ein Date zu haben!!!

Mit einem fast stupiden, aber überglücklichen Blick starrte sie in die Luft.

Doch mit einem Mal war ihre Freude wie weggeblasen, als ihr die alles entscheidende Frage einfiel und durch Mark und Bein fuhr:

Was würde sie morgen tragen?!

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"Du hast ein Date mit ihr.", wiederholte Cedric tonlos, nachdem er drei große Schlucke Fanta getrunken hatte und nun vor dem Fenster stand, das dem Pausenhof zugewandt war.

"Ja.", antwortete Salvatore geistesabwesend, da er gerade in seinem neuen Buch "Das Parfum" von Patrick Süßkind vertieft war. Nun hob er aber doch den Kopf, stützte ihn auf seine Hand und schaute Cedric interessiert an.

"Hast du daran etwas auszusetzen?"

Bevor der Blondschopf antwortete, nahm er wieder drei große Schlucke.

"Nein, nicht im Geringsten. Wer will schon so ein hässliches Mauerblümchen?"

Salvatore lächelte selbstzufrieden und wandte sich wieder seiner Lektüre zu.

Obwohl Cedric so gleichgültig geredet hatte, war sein Blick so finster, als ob soeben verkündet worden wäre, dass morgen die Welt untergeht.

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Panik machte sich breit. Ihr Puls stieg, alles war aussichtslos.

Bis auf die Jeans und das Top, das sie trug, besaß sie nur noch einmal dasselbe, dann einen Pulli für kalte Tage - als kalt konnte man 36°C im Schatten ja nicht grad bezeichnen - und eine Leggins zum Joggen.

Die Schuluniform kam nicht in Frage.

Das Geld? Neun Euro? Selbst wenn sie für die paar Mäuse was geeignetes gefunden hätte - es war abends: Alle Geschäfte hatten schon längst zu! Und morgen war zu allem Unglück auch noch Sonntag!

Da hatte nur der Kiosk, das Schwimmbad, die Mensa und das Museum offen! - Nicht wirklich die Orte, die ihr bei diesem wichtigen Klamottenproblem helfen konnte.

Nia raufte sich die Haare und massierte sich die Schläfen.

Das hatte ihr schon oft geholfen - wie auch dieses Mal. Ansonsten hätte sie wahrscheinlich hyperventiliert. Aber jetzt war alles wieder in Ordnung.

Nur die Ruhe, gaaanz ruhig, es wird alles wieder gut, du findest schon eine Lösung, bewahr einfach einen kühlen Kopf - ja, so ist es gut ...

Plötzlich hatte sie einen Geistesblitz.

Wie von einer Hornisse gestochen riss sie den Kleiderschrank von Tonia, Tanja und Antje auf - und fand vor, was sie sich erhofft hatte:

Jede Menge Klamotten, die in deren eh schon tonnenschweren Koffern nicht mehr reingepasst hatte!

Nia hatte vor Freude und vor allem vor Erleichterung ganz weiche Knie. Am liebsten hätte sie vor Glück geheult.

Doch nun stand sie vor einem ganz anderen Problem:

Was von diesen vielen, tollen, teuren und modischen Sachen sollte sie bitte sehr anziehen?!

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Die ganze Nacht war sie vor Aufregung wachgelegen, so sehr freute sie sich auf den kommenden Tag.

Nia hatte sich am Ende für ein bequemes Outfit entschieden:

Ein blassrosa Trägertop mit Strasssteinen um den V-Ausschnitt und dazu eine enge, elegante Schlaghosenjeans mit einer Strassstein-Krone als Verzierung.

Die schwarzen Sandalen mit Absatz hatten sich am besten tragen lassen - und sahen zudem noch umwerfend aus.

Schminken wollte sie sich eigentlich nicht, aber auf einen zartrosa Lipgloss und ein wenig Wimperntusche wollte sie dann doch nicht verzichten. Gehörte ja schließlich dazu, oder?

Ihre Haare steckte Nia mit einer sündhaft teuren Swarovski-Haarspange hoch (von Tanja) und zupfte noch ein paar Strähnchen heraus, damit es lässiger aussah.

Als Ohrringe hatte sie sich einfache kleine Stecker ausgesucht.

Nia wollte nicht zu überladen, sondern ganz natürlich erscheinen, was sie ihrer eigenen Meinung nach bestens geschafft hatte.

Vergnügt betrachtete sie sich im Spiegel und grinste breit. Sie sah aus wie eine kleine Prinzessin - und so fühlte sie sich auch. Die Schmetterlinge in ihrem Bauch flatterten schon seit Stunden - und von Minute zu Minute wurde es schlimmer.

Ein Date mit ihrem Schwarm - es war wie im Märchen!

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Salvatore machte sich nicht annähernd so viele Sorgen um seine Klamotten wie Nia.

Er zog eine schwarze Jeans und einen passenden Gürtel dazu aus dem Schrank. Turnschuhe würde er dazu tragen - es war zwar heiß, aber diese Art von Fußbekleidung war nie verkehrt.

Das Oberteil bereitete ihm mehr Kopfzerbrechen.

Salvatore hasste Trägertops, zumindest an sich. Auch Muskelshirts waren ihm zuwider, obwohl er die richtige, passende Statur dazu hatte.

Letzten Endes entschied er sich für ein halbärmliges, hellblaues Hemd.

Sah gut aus und war zudem luftig - zwei Fliegen mit einer Klappe.

Der Frauenschwarm war mehr als gespannt darauf, wie Nia sich zurecht gemacht hatte ...

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Eine halbe Stunde zu früh war Nia am vereinbarten Treffpunkt erschienen, aber sie konnte nicht anders. Ruhelos war sie schon vor zwei Stunden in ihrem Zimmer auf und ab gewandert, wie eine Löwin in ihrem Käfig.

Jetzt hatte die liebe Seele wenigstens Ruhe, obwohl Nia noch immer furchtbar nervös war.

Alle dreißig Sekunden nestelte sie an ihrem Outfit, schaute auf die Uhr, machte Atemübungen zur Beruhigung und verfluchte die Schmetterlinge, die anscheinend Achterbahn flogen. Ihre Hand zitterte und sie konnte gar nicht glauben, was bald geschehen sollte. Ein Date! Schon allein an diesem Gedanken wurde sie puterrot, vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und versuchte wieder auf den Boden zu kommen. "Es war nur ein Date! Nichts weiter!", versuchte sie sich einzureden. Nervös massierte sie ihre Schläfen, knabberte an ihrer Unterlippe und blickte sich hektisch um. Wenn sie jemand so sah, könnte man meinen, sie wäre irgendwo entlaufen! Das reinste Nervenbündel.

Als sie gerade wieder imstande war, klar zu denken, bog ihr Schwarm um die Ecke - wodurch ihr Herz für einige Augenblicke streikte, weiter zu schlagen. Er sah so umwerfend aus! Sofort war die ganze Coolness, die sie sich eine halbe Stunde hart erkämpft hatte, mit einem Schlag wieder weg.

"Du bist aber früh dran", meinte der Frauenschwarm, warf einen demonstrativen Blick auf die Uhr und lächelte sie verschmitzt an.

Natürlich errötete sie - nicht nur wegen seines blendenden Aussehens, sondern auch, weil es ihr unendlich peinlich war "ertappt" worden zu sein.

"Ich ... Ich konnte es einfach nicht mehr abwarten!", gestand sie wahrheitsgetreu, wobei ihre Augen auf ihre Fußspitzen geheftet waren.

Salvatore strich ihr sanft über das schwarze, glänzende Haar und erwiderte nur: "Das macht doch nichts."

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In trauter Zweisamkeit saßen die beiden unter einem großen, von der Sonne ausgebleichten Sonnenschirm und genossen das erfrischende Eis, das sie sich bestellt hatten.

Nia hatte alle Mühe, keinen Kreislaufkollaps zu bekommen oder gar zu hyperventilieren - für sie war dieses Date etwas, was sie sich nicht mal in ihren kühnsten Träumen hätte ausmalen können!

Sie starrte nur ihr Eis an, ganz so, als wolle sie es beschwören, nicht so schnell zu schmelzen. In Wahrheit traute sie sich einfach nicht, Salvatore anzuschauen, da sie befürchtete, vom Stuhl zu kippen. Ihr Herz schlug so schell, er musste es doch hören, oder?!

Die Grillen zirpten im Hintergrund und die Luft flirrte vor Hitze. Aus der Eisdiele konnte man undeutlich Musik hören. Es war ein Sommertag, wie er im Bilderbuche stand: Heiß, blau, herrlich.

Salvatore beobachtete Nia und entgegnete schließlich:

"Du siehst heute noch hübscher aus als sonst."

Nia hätte sich fast an ihrem Eis verschluckt - sie fiel aus allen Wolken!

Falls sie noch mehr erröten konnte - dann tat sie es jetzt. Nia glühte mehr als ein Kachelofen - und sogar ein Schweißbrenner wäre vor Neid erblasst!

"D ... Danke.", presste sie dann nach sekundenlanger Verzögerung hervor. Sie war zwar überglücklich - aber sie könnte sich dafür ohrfeigen, dass sie nur so blöde Sachen sagte oder gar nichts! Für sie herrschte eine Stimmung wie ihm Gefrierfach: Nichts sagend, schweigend ... Das musste sich doch ändern!

"Komm, sag irgendwas", feuerte das Mädchen sich selber an. Sie nahm allen Mut zusammen und schaute ihm ins Gesicht - woraufhin er sie sanft anlächelte. Mist! Ihr Kopf schwirrte schon wieder!

"Du ... Du siehst heute auch sehr gut aus!", gestand sie und krampfte sich dabei so an den Löffel, dass er sich verbog - Nia würde einen guten "Next Uri Geller" abgeben.

Zunächst war er überrascht, dann lächelte er zärtlich. "Danke."

Sofort senkte Nia wieder ihren Blick und betrachtete interessiert das einfache Eisglas, als wäre es aus Diamant geschliffen.

Wieder diese Stille. Salvatore knabberte an seiner Eiswaffel - ansonsten war das Radio zu hören. Und die Grillen. Und sonst ... nichts.

"Was soll das für ein Date sein?! Ich muss irgendwas intelligentes fragen, irgendwas konstruktives sagen, wo man nicht nur mit „Ja“ oder „Nein“ antworten konnte", schalte Nia sich selbst.

Wieder Luft anhaltend und mit einer möglichst normalen Stimme fragend:

"Hast du eine Freundin?"

OK. Die Stimme hat gezittert ohne Ende und klang außerdem panisch. Verdammt!

Wieder war der Frauenschwarm überrascht. Einen Moment lang schaute er sie stillschweigend an, ganz so, als überlege er sich eine gute Antwort. Salvatore schien begriffen zu haben, wie viel Überwindung sie diese Frage gekostet hatte.

"Um ehrlich zu sein - nein, habe ich nicht."

Man sah Nia deutlich an, wie ihr kein Stein, sondern ein ganzes Gebirge vom Herzen fiel. Erleichtert atmete sie auf.

Nun grinste er schelmisch und stellte seinerseits eine Frage, von der er wusste, dass er Nia in Verlegenheit bringen würde:

"Hättest du gern, dass ich eine habe?"

Oh du meine Güte! Solch eine Frage! Wie sollte sie darauf antworten?! Egal wie sie es tat - es würde falsch rüber kommen! Sagte sie "Nein", wüsste er, dass Nia was von ihm will - würde sie mit "Ja" antworten, würde Salvatore denken, sie wolle nichts von ihm!!!

Sie rang nach Worten. "Äh ... Ich ... äh ...", stotterte sie und betrachtete abermals den geteerten, ungefegten Boden und fuhr fort:

"Ich meine ... Es ist ... äh ..."

Salvatore musste lachen. Nia war etwas verdattert und schaute ihn perplex an. Er sah so gut aus!

"Es ist schon OK - du brauchst mir nicht zu antworten.", berichtigte der Frauenschwarm und stellte eine andere Frage, die Nia den Atem verschlug:

"Bist du verliebt?"

Dabei schaute er ihr fest in die Augen, seine schönen, moosgrünen Augen - der Wind spielte mit seinen pechschwarzen Locken und seine braune Haut erschien im Schatten noch etwas dunkler und sexier.

Nia musste schwer schlucken. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und rutschte gleichzeitig in die Hose.

Und wie verliebt sie war! Über beide Ohren! Und er saß ihr gegenüber! Es schmerzte sie fast, so sehr liebe sie ihn.

"Ja ...", antwortete sie zögerlich und biss sich auf die Zunge, um nicht mehr zu sagen.

Erstaunt hob er eine Augenbraue.

"Tatsächlich? Kenne ich ihn?", fragte er.

"Ja, auf alle Fälle ...", zögerte Nia.

"Hm ... Schwierig ...", meinte er runzelte seine Stirn, als er überlegte, wer es sein könnte.

Bevor er zu einer Antwort kam, räumte der Ober die leeren Eisbecher ab und rettete somit Nias Haut.

Sie war nämlich ganz schön ins Schwitzen geraten! Nia war dem Ober für immer und alle Zeiten dankbar und nahm sich fest vor, ihm irgendwann einmal ein dickes Trinkgeld zu geben.

Denn noch einen Moment länger und Salvatore wäre bestimmt draufgekommen - er war unglaublich intelligent und hierfür brauchte er nicht mal einen IQ von 1!

"Zahlen bitte.", sagte er zum Ober und dann an sein Date gerichtet:

"Ich geb’ dir natürlich aus. Ich lad dich ein!"

Nia strahlte - nicht nur über die Geste, nicht nur, dass sie von ihrem Schwarm eingeladen wurde, sondern auch, weil sie es sich sonst nicht (bzw. schwerlich) hätte leisten können!

"Danke!", strahlte sie ihn an und freute sich wie ein Honigkuchenpferd.

Für einen Augenblick verdunkelte sich Salvatores Gesicht und schließlich gestand er ihr betrübt: "Nia, es tut mir leid, aber ich muss jetzt leider gehen - ich habe noch einen wichtigen Termin, den ich leider nicht verschieben kann."

Nias Herzschlag setzte erneut aus, aber nicht aus Freude, sondern aus Enttäuschung. Hatte sie ihn zu sehr gelangweilt? Sie bekam ein langes Gesicht und schaute traurig. Was war sie doch für eine hirnverbrannte Idiotin! Natürlich musste sie ihn zu Tode gelangweilt haben ... Tränen schossen ihr in die Augen und sie blinzelte ein paar Mal.

Anscheinend hatte der Frauenschwarm das bemerkt und fügte sanft hinzu:

"Das wird aber eh nicht das letzte Date gewesen sein."

Nia lächelte schwach. Sie kannte aus vielen Filmen, dass Männer immer so etwas sagten. Außerdem "letztes Date" heißt nicht unbedingt, dass es eins mit ihr war.

Nun erhob sich Salvatore aus dem Korbstuhl und ging auf sie zu, um sich zu verabschieden.

Er beugte sich zu ihr herab, nahm ihr Kinn mit seinen langen, dünnen, braun gebrannten Fingern und küsste sie zärtlich auf den Mund!

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Zu genau diesem Zeitpunkt schaute Cedric aus dem Fenster. Als er sah, dass Salvatore Nia küsste, blieb er stehen. Nachdem die Überraschung der Wut gewichen war, schlug der blonde Hüne mit aller Kraft gegen die Wand. "Wie kannst du es wagen, du eingebildeter Bastard?!"

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Fast wortwörtlich schwebte Nia auf Wolke 7 - sie war schließlich von ihrem Schwarm auf ihrem ersten Date geküsst worden! Es war genau so, wie sie es sich immer erträumt hatte: sanft, zärtlich, entspannt. Salvatore hatte noch nach seinem Zitronen-Eis geschmeckt ... Konnte sich ein verliebtes Mädchen etwas schöneres vorstellen? Wahrscheinlich nicht.

Sie war so beschwingt, dass sie nicht einmal merkte, dass Cedric sie angesprochen hatte. Vergnügt ging sie weiter - mit einem Grinsen das von einem Ohr zum anderen reichte, wenn nicht noch mehr. Ihre Backen waren gerötet und auch sonst strahlte sie so, dass selbst die heiße Sommersonne erblasste.

Nia erwachte ruckartig, als jemand sie festhielt. Erschrocken schaute sie zu dem Übeltäter auf - und erblickte Cedric.

Irgendwas stimmte mit seinem Gesichtsausdruck nicht. Man konnte nicht richtig identifizieren, ob er wütend, verängstigt oder besorgt war. Ihre Alarmglocken schrillten - nicht zuletzt, weil er sie nicht mehr losließ.

"Was willst du?", blaffte sie ihn an - warum musste er ihre gute Laune verderben? Konnte er sein Blabla nicht auf später verschieben, nachdem sie aus ihrem schönen "Traum" erwacht war?

Cedric murmelte irgendetwas unverständliches und blickte dabei zur Seite.

"Was?!", keifte Nia ärgerlich - was sollte diese Farce?!

Nun drückte der junge Mann Nia mit den Schultern an die nächstbeste Wand. Erschrocken zuckte sie zusammen. Was tat er da? Was wollte er von ihr?

Nia war vor Angst wie gelähmt. Ihr Herz klopfte wild. Ihr wurde schlecht. Sie wusste, dass er zu stark war. Eine Welle der Hilflosigkeit brach über ihr zusammen.

Cedric starrte sie an, sodass ihr Blut scheinbar gefror. Nia sog scharf die Luft ein.

"Weißt du, was ihr getan habt?!", fragte er sie in einem mörderischen Ton.

Nia verstand nicht. Was getan haben? Wo? Wer?

Sein steinerner Gesichtsausdruck veränderte sich. Er schien verzweifelt. "Weißt du denn nicht, was ihr damit getan habt?!", wiederholte er abermals die Frage.

Das Mädchen konnte nicht antworten - ihr Gehirn war wie gelähmt. Stattdessen schüttelte sie den Kopf.

Als er das sah, atmete er tief ein, sein Ausdruck war wieder der eines Mörders.

"Du willst mich zerstören, oder?", fragte er wütend und krallte sich in ihren Schultern fest, sodass sie spitz aufschrie.

Als er den Schrei vernahm, ließ er sie für einen kurzen Augenblick los und schaute verwirrt.

Nia rieb sich mit Tränen in den Augen die Schultern. Was war los mit Cedric? So war er doch nie! Was war geschehen, das ihn so aus der Fassung brachte?

Nun schaute der blonde Hüne sie wieder an - undefinierbar, verschlossen, mysteriös, dunkel.

"Ich hasse dich!", klagte Nia leise und jetzt kullerten die ersten Tränen über ihre Wangen.

Wie versteinert starrte Cedric sie an, ganz so, als hätte er sich verhört.

"Ich hasse dich!", wiederholte sie.

Er wurde immer bleicher. "Sag so etwas nicht ...", bat er sie schwach.

Doch Nia war egal, was er sagte - sie hatte ihr Angst eingejagt, furchtbare Angst, er hatte sie von Wolke sieben wieder runtergeholt - jetzt würde sie erst recht tun, was er nicht wollte!

"Ich hasse dich!!", schrie sie ihn an, "Du bist so widerwärtig! Du behinderter Idiot, ich hasse dich! Wie kannst du nur ... Ich hasse dich aus tiefstem Herzen!"

"Sei still!", herrschte er sie an, doch sie hörte einfach nicht auf.

"Ich hasse dich! Ich hasse dich! Ich hasse dich!"

Mit einem Satz war er bei ihr und presste ihr mit aller Gewalt seine Hand auf den Mund, sodass er ihr Geschrei nicht mehr hören musste.

Doch Nia war so in Rage, dass sie ihm in die Hand biss, um sich schlug, trat und weiterschrie.

Sie beschimpfte ihn, wie sie noch nie jemanden beschimpft hatte. Nia wusste nicht einmal, woher sie solche abscheulichen Worte nahm. Sie hasste Cedric wirklich, von ganzer Seele.

Doch mit einem Mal stürzte er wieder auf sie zu, er sah verzweifelt aus - nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie hart und plötzlich.

Es war ganz anders als bei Salvatore: Ihr Schwarm war sanft gewesen und rücksichtsvoll. Cedric war gierig, besitzergreifend und kalt.

Alle Kraft war aus ihr gewichen, er hielt sie wie in einem Schraubstock. Sie schluchzte auf, versuchte sich zu wehren - ergebnislos. Er war stark wie ein Bär. Sie zitterte immer mehr, als er mit ihrer Zunge spielte und an ihrer Lippe knabberte.

Mit einem mal erstarrte sie und glotzte wie hypnotisiert auf einen bestimmten Punkt hinter Cedric.

Als dieser sich vorsichtig umdrehte, erstarrte auch er und ließ Nia so blitzschnell los, als hätte ihn eine Tarantel gestochen:

Hinter ihnen standen Salvatore - und Frau Wood!

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Reue

Salvatore stürzte auf den Übeltäter zu und schlug ihm so fest ins Gesicht, dass er mit dem Kopf gegen das Geländer knallte und blutete.

"Wie kannst du es wagen ...!!!", brüllte er Cedric hasserfüllt an - in seinen Augen loderten die Flammen, die in ihm wüteten.

"Hört auf!", befahl Frau Wood hitzig und ging zu Nia, die augenblicklich in ihren Armen zusammenbrach und herzerweichend losschluchzte. Sie krallte sich am Rücken der Lehrerin fest, vergrub ihr Gesicht in deren weiten Pulli und zitterte wie Espenlaub.

Behutsam hob die sonst so strenge Pädagogin das Mädchen hoch und redete ununterbrochen und sehr sanft auf sie ein.

"Ihr kommt mit.", sagte sie zu den beiden jungen Männern ohne auch nur von Nia aufzublicken.

Folgsam trotteten sie hinter ihr her, während Frau Wood weiterhin mit Nia sprach. Nach einiger Zeit wurde das Mädchen ruhiger und die Schluchzer waren immer seltener zu hören.

Als sie das Büro der Lehrerin betraten, brachte sie Nia in einen kleinen Nebenraum, wo sie sie vorsichtig auf ein Bett absetzte, sie zudeckte und alles verdunkelte. Sie schloss die Tür, damit sie weiterhin ungestört mit Nia reden konnte.

Kaum waren die beiden Hünen allein im Zimmer, herrschte die gleiche angespannte Atmosphäre wie vor ein paar Minuten.

"Was hast du getan?", fragte Salvatore mit einer Grabesstimme, die einem einen Schauer über den Rücken jagte.

Doch der Angesprochene antwortete nicht sondern saß auf einem Stuhl und starrte auf seine Hände. Der eine Finger blutete - ein ganzes Stück Fleisch hing lose daran herunter.

Einige Sekunden verstrichen, als Salvatore mit wutverzerrtem Gesicht vor ihm stand.

"Ich hab alles genau gesehen - sie hat dich beschimpft. Sie hat die "verbotenen Worte" benutzt - sie hasst dich. Aber du - du bist pervers. Du hast es ausgenutzt, dass sie klein und schwach ist, du wolltest sie haben. Du hast uns gesehen, wie ich sie geküsst hab. Das wolltest du auch. Du wolltest sie auch spüren, fühlen, genießen ... Einen Teil von ihr haben. Sie ist ja auch wirklich hübsch - glatte, seidige Haare, sanfte, volle Lippen, schöne, tiefsinnige Augen, ... einen tollen, schlanken Körper ... Für einen Augenblick wolltest du sie besitzen - so wie ich sie besitze. Du hast es genossen, als sie sich unter dir gewunden hat, das du stärker bist, über sie bestimmen kannst, machen kannst, was du willst ... Du bist abartig. Du bist pervers!", flüsterte Salvatore wie eine giftige Natter in Cedrics Ohr.

Cedric stand das Entsetzen deutlich ins Gesicht geschrieben.

"Was wäre passiert, wären wir einige Minuten später gekommen?! Hättest du sie dann ausgezogen und vergewaltigt?!", brüllte der Frauenschwarm und schlug auf ihn ein.

Doch bevor er den ersten Treffer landen konnte, war Frau Wood herbeigeeilt und hielt Salvatores Hand fest.

"Die Situation ist schon kritisch genug - vergesst nicht: sie kann euch hören, wenn sie wieder aufwacht!", herrschte die Lehrerin die beiden unsanft an.

Augenblicklich waren beide wieder mucksmäuschenstill.

"Ich habe von Nia erfahren, was passiert ist.", informierte sie die beiden und setzte sich hinter ihren Bürotisch. Sie deutete auf die beiden Stühle davor, wo die beiden jungen Männer Platz nahmen.

"Was hast du dazu zu sagen, Cedric Urs?", fragte sie unverhohlen und ohne Zeit zu verlieren.

Es vergingen wieder einige Sekunden, bis er sich gefangen hatte, aber schließlich sagte er: "Ich weiß nicht. Sie benutzte die "verbotenen Worte", da ..."

Man merkte deutlich, dass es Salvatore seine ganze Kraft abverlangte, sich nicht auf ihn zu stürzen.

"Sei froh, dass die Prügelstrafe abgeschafft wurde.", zischte Frau Wood leise, "Du weißt nicht, was du ihr damit angetan hast. Es darf zwar niemand erfahren - aber Nia ist in Sachen Körperkontakt überaus empfindlich. Sie wurde fast schon einmal vergewaltigt!"

Beide jungen Männern wurde schlecht, was man ihnen auch sehr deutlich ansah.

Unbeirrt fuhr Frau Wood fort: "Sie wurde fast einmal von ihrem Onkel vergewaltigt, der auf sie aufgepasst hat, als ihr Vater bei der Arbeit war. Seitdem scheute sie eigentlich jede Art von Berührung mit Jungs und Männern. Aber dieses Trauma führte dazu, dass sie den ganzen Vorfall vergaß - eine Art Selbstschutz, könnte man sagen. Doch in ihrem Innersten verbirgt sich diese Angst, die zum Vorschein kommt, wenn man zu schnell zu intim mit ihr wird oder versucht, gewaltsam ihren Körper gefügig zu machen." Sie schaute Cedric unverwandt an. Dieser wurde noch eine Spur blasser, sodass man ihn schon nicht mehr von der weiß gestrichenen Wand unterscheiden konnte.

"Deshalb will ihr Vater auch, dass sie das ganze Jahr über an der Schule bleibt - und das bis zu ihrem endgültigen Abschluss. Er wollte verhindern, dass ihr Onkel sie irgendwie erreichen kann, sie findet und womöglich tatsächlich vergewaltigt. Vor ein paar Monaten hat auch wirklich jemand angerufen und sich nach ihr erkundigt ..." Frau Wood machte eine bedeutsame Pause, während sie sich ihren Kaffee eingoss.

"Du hast sie nur geküsst, oder?!", fragte sie Cedric und durchbohrte ihn förmlich mit ihren Blicken. Röntgenstrahlen waren ein Dreck dagegen!

Perplex antwortete der Blonde: "Natürlich habe ich sie >nur< geküsst!"

Niemals hätten die beiden Männer damit gerechnet - besser: vermutet, dass ausgerechnet Nia so etwas wiederfahren war.

Beide fühlten sich schuldig, als sie erkannten, wie aufdringlich sie dem jungen Mädchen manchmal gegenüber gewesen waren, obwohl sie eine Heidenangst vor ihnen gehabt hatte.

"Ich würde zu gern Schritte gegen dich einleiten, Cedric Urs, aber aufgrund des Wissens, dass Nia dich schon einmal im Kindergarten fast erweckt hätte und Salvatore Augenzeuge war, kann ich nichts machen. Leider.

Aber schließlich weiß ja jeder, was für ein ernstes Spiel hier gespielt wird, nicht wahr, Salvatore?!", endlich wandte sich Frau Wood von Cedric ab, der schon aufrecht unterm Teppich Fallschirm springen konnte, an den heißbegehrten Frauenschwarm, den sie mit derselben Kühle wie seinen Mitschüler konfrontierte.

"Was auch immer du für Gefühle gegenüber Nia hast - Cedrics Leben hängt von deinen Aktionen ab.

Bei den Huans ist das nämlich so:", erklärte sie ihm, als wäre er geistig behindert, "ein Ruler besitzt zwei Huans. Derjenige, den sie mehr mag, bekommt auch mehr Kraft, während der andere weniger bekommt. Es ist wirklich wie eine Waage. Und wenn sie den einen über alles liebt und den anderen abgrundtief hasst, was glaubst du, was passiert? ... Der Kuss war damit fast ein geplanter Mordakt! Und dann auch noch Cedrics dummer Fehler ... Huans, die ihre Teamkameraden in den sicheren Tod treiben, werden verstoßen! Dann besitzt du gar keine Macht mehr - willst du das?!"

Salvatore schüttelte verdrossen den Kopf.

"Natürlich nicht, Frau Wood.", entgegnete er und setzte kaum hörbar hinzu: "Ich werde mich bessern."

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Als Nia erwachte, brannten ihre Lippen wie glühende Kohlen.

Lag das an der heißen Schokolade, die sie vorher von Frau Wood bekommen hatte?

Oder an Salvatore hinreißendem Kuss?

Oder womöglich an Cedrics Überfall?

Was hatte der behinderte Idiot sich dabei gedacht? Warum hatte er das getan?

Sie liebte niemand anderen außer Salvatore - und das würde auch vorerst so bleiben!

Nia beleidigte Cedric täglich - und trotzdem hatte er sie mit seinem voller Sehnsucht brennenden Kuss fast verschlungen!

Salvatores Kuss war ganz anders gewese ... Leicht, zart wie eine sprießende Knospe, sanft wie eine Sommerbrise.

Nia dachte an den seltsamen Gesichtsausdruck von Cedric, als sie ihm sagte, dass sie ihn hasse. Warum hatte er sie gebeten aufzuhören? Was hat sie so schlimmes getan, dass er so ausgerastet war? Der Typ tickte doch nicht mehr ganz richtig!

Wenigstens war nichts schlimmeres passiert ... Salvatore hatte sie wie eine Prinzessin vor dem bösen Drachen gerettet ...

Vorsichtig und mit schmerzverzerrter Mine massierte sie sich die Schultern, die von Cedrics Kraft rot und geschwollen waren.

Sie erschauderte angesichts seiner immensen Kraft.

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Als Nia hörte, dass jemand durch die Tür hereinkam, stellte sie sich schnell schlafend.

Im Moment hatte sie nun wirklich keine Lust, sich mit irgendwem zu unterhalten oder gar zu streiten. Und Salvatore konnte sie nach dieser Aktion sowieso nicht mehr unter die Augen treten.

Was mochte er von ihr denken? Das sie zwei Eisen im Feuer hatte? Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken runter. Panik machte sich breit. Das wäre schrecklich!

Durch ihren Wimpernvorhang erkannte sie Cedric, der durch den Vorhang spähte und sah, dass sie schlief.

Vorsichtig griff er zur Bettdecke und deckte sie zu, obwohl es unglaublich heiß war. Anschließend setzte er sich auf einen Stuhl neben sie.

Schweigsam betrachtete er sie. Sein Kopf hatte er auf seine zusammengefalteten Hände gestützt.

Seine Blicke huschten über die langen, seidigen Haare, die schön geschwungenen Wimpern, die kleine Stupsnase, die roten Bäckchen und den geschminkten Mund.

Beschämt blickte er zu Boden.

"Es tut mir leid.", sagte Cedric in den stillen Raum hinein. Es musste ihm einige Überwindung gekostet haben - sie hatte noch nie gehört, dass er sich bei jemanden entschuldigt hatte.

"Nia ...", setzte er wieder an und seufzte, "Ich .. ich weiß selber nicht, was mit mir los war ..."

Die Worte waren mehr gehaucht als gesprochen.

Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen.

"Ich weiß, du wirst mir das niemals verzeihen können ... Aber bevor du mein Leben ganz vernichtest, bitte ich dich um eine Galgenfrist. Bitte warte bis zu Beginn des nächsten Schuljahres, dann wirst du es vielleicht besser verstehen ..."

Er seufzte und schaute durch einen Schlitz seiner Finger zu ihr, seufzte erneut und ließ seine Hände auf seinen Schoß fallen. Eine Hand war einbandagiert.

Versonnen schüttelte er den Kopf - es hatte alles keinen Sinn.

Wenn Nia erwachte und ihn erblickte, würde sie bestimmt ausrasten.

"Ich hab etwas für dich.", sagte er und trotz der Gefahr, dass sie erwachen würde, fischte er etwas aus der Tasche und legte es in ihre Hand, die unter der Bettdecke hervorlugte.

Es war ihm egal, ob sie glaubte, dass das Geschenk von Salvatore oder ihm war. Denn wenn sie es wüsste, dann würde sie es bestimmt nicht annehmen.

Er schaute sie noch einmal kurz an, dann erhob er sich und verließ das Zimmer.

Kaum war die Tür geschlossen, schlug Nia die Augen weit auf und schaute, was er ihr gegeben hatte - es verschlug ihr die Sprache.

Es war ein Anhänger - ein Amulett um genau zu sein - und hatte die Form eines Herzens, welches golden schimmerte.

Es war zudem mit einem silbernem Kreuz verziert, in dessen Mitte ein dunkelroter Rubin eingelassen war.

Als sie es umdrehte, verstand sie die Welt nicht mehr: Dort stand ihr Name!

Mit zittrigen Händen öffnete sie das Amulett und brach in Tränen aus.

Auf der rechten Seite war ihr junger Vater zu sehen und auf der linken ihre verstorbene, bildhübsche Mutter ...

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Huans

Der Rest der Ferien schien an dem Trio vorbeizufliegen.

Nia war vollauf mit Hausaufgaben, Träumereien, Schwärmereien und Tagebucheinträgen beschäftigt,

Salvatore schien sich vorgenommen zu haben, die Bibliothek durchzulesen, denn gerade las er Charles Berlitz "Das Bermudadreieck - Fenster zum Kosmos?", mit dem er fast fertig war. Vor ihm lagen Illuminati, Meteor, Sakrileg, Die Päpstin, Der träumende Delfin, Wuthering Heights, Romeo und Julia und noch einige andere Titel.

Cedric seines Zeichens faulenzte und trieb viel Sport: Tennis, Schwimmen, Joggen und das ganze andere Sportangebot des Internats.

Nach und nach tröpfelten die Schüler wieder in das Lehrinstitut - alle braun, erholt und fröhlich.

Niemand ahnte, was in den Ferien vorgefallen war.

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Schließlich kam auch der erste Schultag.

Frau Wood war zu vieler Entsetzen ihre Klassenleitung geblieben, was sie nicht im mindesten zu stören schien - irgendwen musst man als Sadist ja immer quälen.

"So meine Lieben,", begann sie, "eure Ferien waren sicher alle angenehm und ihr seid wunderbar erholt. Deshalb brauch ich euch nicht zu schonen und kann gleich zur Sache kommen.

Das Geheimnis dieser Schule wird so gut bewahrt, dass wir nach dieser Schulstunde in ein anderes Gebäudekomplex umziehen werden, m jeden Informationsaustausch mit nicht betroffenen Klassen zu unterbinden."

Aufgeregtes Gemurmel. Was konnte so geheim sein, dass man zu solchen Maßnahmen griff?

Viele waren erst gestern angekommen und dementsprechend froh, dass sie ihre Sachen noch nicht ausgepackt hatten.

"Ruhe!", befahl die strenge Lehrerin, nachdem einige Schüler wild das diskutieren angefangen hatten.

"Auf dieser Erde gibt es drei verschiedene Arten von Menschen - und damit meine ich weder Hautfarbe, Religion oder sonst was -:

Zum einen gibt es natürlich die ganz "normalen" Menschen.

Aber es gibt auch sog. "Huans": das sind Menschen mit Tiergenen. Es kommt von "Human" + "Animal". Durch die Tiergene können sie auch die typischen Eigenschaften des jeweiligen Tieres nutzen. Wer z.B. ein Geparden-Gen hat, ist unglaublich schnell, jemand mit einen Fisch-Gen kann wahnsinnig gut schwimmen, usw."
 

Grabesstille.
 

Dann: Vereinzeltes Kichern.

Anschließend: Lautes losprusten und grölen. Viele hielten sich vor lachen den Bauch.

Fantasy-Fans bekamen leuchtende Augen.

"Ihr glaubt mir nicht? Ich liefere euch den Beweis - ich habe das Eulen-Gen."

Die Schüler konnten sich nicht mehr halten - Hatte die Wood gekifft?!

Doch das Lachen erstarb augenblicklich und wandelte sich in ein entsetztes Schreiben, als Frau Wood ihren Kopf um 180° drehte.

"Nun?", fragte sie und grinste breit, als wolle sie sagen: Noch irgendwelche Zweifel, die ich beseitigen muss? "Ist doch praktisch, nicht wahr? Superscharfe Augen, ich kann euch selbst beobachten, wenn ich vorne etwas anschreibe ... Hat eigentlich nur Vorteile!"

Jeder glaubte ihr. Mit großen Augen starrten sie sie an und hingen förmlich an ihren Lippen.

"Die zweite Sorte von Menschen sind sog. "Waker", die später zu "Rulern" werden. Solch eine Person hat zwei Huans unter seiner Kontrolle, wobei ein Waker nur einen hat.

Ein Waker "erweckt" einen seiner Huans. Hat er das auch mit dem zweiten getan, wird er automatisch zum Ruler, jemanden, der über die Kräfte seiner beiden Huans verfügen kann, wann und wo er will."

Inzwischen hatten die Glupscher der 10D die Größe von Tellern angenommen.

Unfassbar! Das klang ja wie im Märchen - oder besser: Wie in einem Fantasyfilm!

"Nur die Huans selbst kennen ihr Tiergen von Geburt an. Ein Waker erweckt seinen Huan dadurch, dass er beim bloßen hinschauen äußere Formen eines Tieres erkennt und diese dann dem Huan mitteilt. Liegt er richtig, ist einer der Huans erweckt.

Später kämpft ihr als Ruler gegen andere Huans - diese Kämpfe werden aber nie gleich verlaufen, denn es gibt immer bestimmte Regeln, die sich jedes Mal ändern.

In dieser Klasse haben wir nur einen einzigen Huan, die Parallelklasse (Salvatores Klasse) hat dagegen keine Waker/Ruler."

Frau Wood räusperte sich kurz, um die Informationen durchsickern zu lassen, als sie schließlich sagte:

"Cedric, Nia - darf ich bitten?"

Der blonde Hüne stand ohne weiteres auf - man hörte aufgeregte Luftjapser - aber Nia saß wie versteinert da. Sie war doch kein Huan!

"Nia ist ein Waker. Das System mit dem Erwecken war vorher etwas abstrakt und sehr vereinfacht dargestellt, denn in Wirklichkeit muss ein Waker das Äußere des Tieres des Huans erkennen und dann sogleich aufzeichnen.

Nur wenn der Waker richtig liegt, ist die fertige Zeichnung für uns unsichtbar und für Huan und Waker sichtbar."

Nia war entsetzt - sie wollte jeden als "Huan" haben, nur nicht den behinderten Idioten! Hilflos schaute sie sich um. Aber es gab anscheinend kein Entkommen.

Außerdem hatte sie keinen blassen Schimmer, was ER für ein Tier sein sollte - es interessierte sie auch einfach nicht!

Er schaute sie reuig und fordernd zugleich an.

Reuig - hatte er es verdient, ihr Huan zu sein, nach allem, was passiert war?

Fordernd - warum fing sie nicht an? So schlimm war's jetzt auch nicht!

"Du hast ich schon einmal fast erweckt. Erinnerst du dich?", fragte er und schaute ihr direkt mit seinen pechschwarzen Augen an.

Sie zuckte zusammen - wann sollte das denn gewesen sein?!

Hektisch dachte sie nach und mit einem Mal fiel es ihr wie Schuppen von den Augen:

Da war doch dieser Junge im Kindergarten gewesen, der ihre Zeichnung von ihm zerrissen hatte!

Damals war sie in diesen Bengel verliebt, weshalb sie ihm dieses Geschenk machen wollte.

Doch dieser hatte all ihre Mühe einfach in Fetzen gerissen!

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"Nia, du magst doch Cedric, oder?", fragte Frau Diener, die Kindergärtnerin.

Im Hintergrund tobten viele kleine Kinder, die entweder im Sandkasten spielten, mit Legos hantierten, auf Bäume kletterten oder gerade Cowboy spielten. Der Lärmpegel war enorm, aber es war einer der wenigen Augenblicke des Tages, wo mal kein Kind schrie, weil man ihm das Spielzeug weggenommen hatte.

Das kleine Mädchen namens Nia nickte schüchtern.

Die erwachsene Frau seufzte.

"Wenn du ihn magst, solltest du ihn nicht immer ärgern. Wie wäre es, wenn du ...", sie überlegte kurz, "ihn so malst, wie du ihn siehst? Nein, noch besser: Zeichne ihn einfach als Tier! Da freut er sich bestimmt!"

Der letzte Satz überzeugte Nia vollkommen - solange Cedric sich freute, würde sie alles machen!

Voller Eifer setzte sich das kleine Mädchen im rosa Kleidchen und weißen Schleifchen an einen abgenutzten, verschmierten Tisch - vor ihr ein weißes Blatt und gaaaanz viele Buntstifte.

Was war Cedric für ein Tier?

Ein Hase? Nein, er war nicht ängstlich.

Eine Schlange? Cedric war nicht falsch. Also auch nicht.

Eine Biene? Nein.

Eine Eule? Erst recht nicht.

Ein Fuchs? Schon eher.

Cedric war wild und ungestüm und zugleich der Schwarm jedes Mädchens im Kindergarten. Aber ihn juckte das nicht - er war zu allen gleich, außer zu Nia, die piesackte er immer. Er nannte sie ja noch nicht mal bei ihrem Namen! Na-i, weil er doof war! Immer wollte er sie nur ärgern! Cedric war unglaublich stark, viel stärker als alle anderen.

Plötzlich hatte sie eine Eingebung und malte drauflos.

Sie gab sich die größte Mühe, denn Nia hatte noch nie gut malen können.

Mit einem Mal stand ihr junger Schwarm hinter ihr.

"Na, was machst du denn da, Na-i?", fragte er keck und linste über ihre Schulter.

"Ich heiße nicht Na-i! Ich heiße Nia!", schmollte sie - dabei bemerkte sie nicht, wie starr Cedrics Blick geworden war.

"Was soll das denn werden?", wollte er wissen.

Beschämt antwortete sie: "Das bist du, so wie ich dich als Tier sehe. Süß, oder?"

Dabei lachte sie fröhlich und bekam rote Bäckchen.

Doch zu ihrem Entsetzen entriss Cedric ihr Kunstwerk und zerfetzte es in tausend Teile.

"Mach das nie, nie wieder!", herrschte er sie an.

Nia war so entsetzt, dass sie erst eine Minute später anfing laut zu weinen. Sie hatte sich solche Mühe gegeben! Und das Bild war noch nicht einmal fertig gewesen!

"Mach das nie wieder, kapiert?", wiederholte er fauchend, woraufhin sie mit erstickter Stimme schrie:

"Du behinderter Idiot!"

Das war das erste Mal, dass sie ihn so genannt hatte.

Seit diesem Tag mochte sie ihn nicht mehr und wechselte auch kein Wort mehr mit ihm.

Anfangs hatte er sie noch geneckt und versucht, sich mit ihr zu versöhnen, aber sie blockte ab, sodass er letzten Endes etwas enttäuscht aufgeben musste.

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Zu Beginn der neunten Klasse hatte Nia das Gefühl, ein Déja-vu zu haben, als sie Cedric das "erste Mal" sah.

Diese weizenblonden, fast weißen Haare und dazu diese unendlich tiefschwarzen Augen hatten schon damals einen tiefen Eindruck hinterlassen.

Auch die altbekannte Wut zusammen mit dem scheinbar aus dem nichts kommenden Ausdruck "behinderter Idiot" kamen ihr wieder ins Gedächtnis, ohne dass sie wusste, warum.

Cedric war ihr von Anfang an unsympathisch gewesen - er grenzte sich immer aus, war murrig und unsozial, mischte sich in ihre Angelegenheiten und durchschaute ihre Gedanken und Gefühle.

Das gab alles in allem schon viele Minuspunkte - aber ohne zu wissen, dass er im vornherein schon welche gehabt hatte.

Doch warum?

Nia hatte damals nicht die leiseste Ahnung gehabt.

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Nun aber kehrten all diese Erinnerungen zurück und machten Nia, obwohl sie mit ihren sechzehn Jahren eigentlich darüber stehen musste, leicht säuerlich.

Jetzt erinnerte sie sich auch daran, was für ein Tier sie gezeichnet hatte - und nun ergab sein seltsames Verhalten von damals einen Sinn!

Irgendwie beruhigte sie die Tatsache, endlich zu wissen, was dies alles zu bedeuten hatte.

Ob er noch weiß, dass Nia damals in ihn verliebt war?

Ach was - Jungs vergessen so was!

Nachdem sein seltsames Verhalten sie vor über zehn Jahren wütend gemacht hatte, konnte sie es jetzt nachvollziehen und bedauerte sogar, dass sie oft so grob zu ihm war und ihn unabsichtlich in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht hatte.

Doch nun wollte sie sich revangieren: Schnell nahm sie Blatt und Stift - und malte drauflos.

Ihr Zeichenniveau war seit dem Kindergarten kaum besser geworden, weil sie sich seit dem Vorfall geweigert hatte, auch nur einen Buntstift in die Hand zu nehmen.

Aber die Hauptsache war, dass Cedric nun erkannte, was sie zeichnete.

Die ganze Klasse schaute gespannt zu. Viele hielten die Luft an. Andere schauten skeptisch.

Innerhalb einer Minute war Nia fertig und hielt ihrem Huanklassenkameraden das vollendete Werk unter die Nase.

Nun geschah etwas, was sie bei dem "behinderten Idioten" noch nie erlebt hatte:

Er lächelte!

Es war ein seltsames, sanftes, beruhigendes Lächeln, das bei Nia Gänsehaut verursachte.

"Du bist seit dem Kindergarten echt nicht besser geworden, Na-i.", griente er, "Aber es ist vollkommen richtig, so wie damals auch."

Nia schaute erst verdutzt Cedric an, dann ihre Schmiererei und prustete los.

Auf ihrem Blatt war ein Teddybär - Cedric war ein Bär!

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Huans II

Zuerst wusste die Klasse nicht, wie sie reagieren sollte:

Fröhlich, dass Nia ihren Huan gefunden hatte?

Oder traurig, weil der arme Cedric Nia als Waker erwischt hatte?

Letztlich entschieden sie sich für Beifall und Pfiffe, denn nun konnte niemand mehr Cedric als Huan abbekommen - worüber alle mehr als glücklich waren!

Nachdem das Getöse verebbt war - dazu benötigte nur ein ultrastrenger Blick von Frau Wood- fuhr die Lehrerin fort:

"Auch bei den Wakern und den beiden Huans gibt es feste Regeln.

So kann z.B. ein weiblicher Waker/Ruler nur zwei männliche Huans haben, während ein männlicher Waker/Ruler nur zwei weibliche Huans haben können."

Jung und Mädchen brachen gleichermaßen in ein Jubelgeschrei aus - die Jungs träumten von modelartigen, schlanken, großbusigen Huans wie Heidi Klum, Penelope Cruz, Keira Knightley oder Emma Watson, während die Girlies an gutaussehende, intelligente Sunnyboys wie Salvatore, Ville Valo, Johnny Depp, Orlando Bloom oder Gerard Butler dachten.

Als Frau Wood die Stimme erhob, verebbten die Gespräche sofort wieder - keiner wollte auch nur ein Wort verpassen.

"In der nächsten Stunde treffen wir die Huan-Parallelklasse in der Aula, wo sich dann herausstellt, wer welchen Huan erweckt. Deshalb ist diese Klasse auch nur halb so groß - es muss ja aufgehen: Zwei Huans pro Person."

Nias Herz schlug mit einem mal schneller und ihre Handflächen wurden nass. Cedric stieß einen wütenden Schnauber aus, als er ihr Gesicht sah.

Dem Mädchen wurde mit einem Schlag klar, dass somit auch Salvatore verlost ... ähm ... erweckt werden würde!

Nun saß sie auf glühenden Kohlen - was sollte sie machen, wenn sie nicht diejenige war? Am liebsten sterben - davon war sie überzeugt!

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Nias Herz schlug ihr bis zum Hals und sie musste -typisch Frauen!- ganz dringend aufs Klo, als sie die große, bestuhlte Aula betraten.

Die andere Klasse erwartete sie schon - alle musterten sich und sahen einander mit ganz anderen Augen. Besonders die Waker hofften, dass sie IHN oder er SIE bekam - ganz nach dem eigenen Geschmack.

Aber alle Mädchen hatten natürlich einen Favoriten: Salvatore! Viele giggelten und waren sich ihres "Sieges" schon sicher - andere liefen tomatenrot an und beteten, dass sie doch bitte, bitte, bitte, den Frauenschwarm abbekommen mögen.

Es dauerte nicht allzu lange, bis Nia ihren -und den von jeder anderen- erblickt hatte. So unauffällig wie möglich lächelte er und zwinkerte ihr zu.

Nun wurde auch Nia puterrot. Du meine Güte, sah er heute wieder gut aus!

Das Mädchen wollte immer noch nicht dran denken, was sie machen würde, wenn Salvatore nicht ihr Huan werden würde ...

Weinen? Sterben? Ihn sich gewaltsam nehmen? Sie hatte keine Ahnung - sie hoffte einfach das beste.

Nachdem alle Schüler versammelt waren, verkündete Frau Wood ohne Umschweife und lange Rede:

"So - jetzt sind alle da. Alle Huans stellen sich bitte in einer Reihe auf - Jungs und Mädchen getrennt.

Nur Salvatore kommt zu mir."

Die Lehrerin konnte nicht weitersprechen, weil ein ohrenbetäubendes Gemurmel, Gefluche, Geweine und Gemurre gab.

Die Hoffnung der Mädchen sank von alles auf nichts. Sie konnten es gar nicht fassen. War Salvatore etwa der einzige Waker aus der Parallelklasse?!

"Meine Klasse stellt sich den anderen gegenüber.

Nia und Cedric kommen bitte hierher.", fuhr die Lehrerin ohne Beirrung fort. Wo käme sie auch hin, wenn sie sich von so etwas beunruhigen lassen würde? Wer nicht die Klappe hielt, dem entgingen die wichtigen Details - selber Schuld. Deshalb war es auch immer mucksmäuschenstill, sobald Frau Wood sprach.

Gefolgsam ging das Trio auf die Lehrerin zu.

Nia schaute als einzige ihre Klassenleitung an, da sie sich fühlte wie in Trance. War ihr Traum ganz verbaut? War Salvatore wirklich ein Waker?

Ihr wurde unsagbar schlecht. Bitte, bitte nicht! Das konnte doch nicht wahr sein!

"Jeder, der in der 10C ist, ist nun ein Waker. Jungs können nur weibliche Huans erwecken und umgekehrt - nur zur Erinnerung.

Jetzt muss jeder Waker alle Huans begutachten und falls er Flügel, Katzenohren, Tigerschwänze, Pferdehufen, Elefantenrüssel oder sonst was sieht, geht in eine Stille Ecke der Aula - dafür sind ja die Stühle da- und versucht, den Huan zu erwecken.

Kapiert?!", schrie Frau Wood die weiteren Instruktionen.

"Kapiert!!", riefen beide Klassen im perfekt eingespielten Chor.

Während männliche und weibliche Waker ihre Gegenüber abschätzten - jeder hoffte natürlich, ein außergewöhnlich gutaussehendes oder süßes "Exemplar" von Huan abzubekommen - wandte sich eine entnervte Frau Wood an Nia, Salvatore und Cedric.

"Cedric ist, wie vermutet, Nias Huan, Salvatore.", informierte sie den hochgewachsenen jungen Mann, der problemlos zum "Sexiest Man Alive" hätte gewählt werden können und bei dessen Anblick sich selbst Frauenschwärme wie Orlando Bloom und Gerard Butler sich warm anziehen mussten.

"Wenn du auch ihr Huan bist, könnte das zu jenem Problem führen, wie du weißt.", fuhr sie seelenruhig fort.

"Ja, Frau Wood - dessen bin ich mir mehr als bewusst.", antwortete er und drehte sich zu einer krebsroten, verlegenen und verwirrten Nia um.

Mit den letzten paar Sätzen war ihr Mut wieder gestiegen und die Hoffnung von neuem erwacht - sie konnte es gar nicht fassen!!! Sie sandte schon vorsorglich ein Dankesgebet gen Himmel - nur, falls sie später vor Glück umkippen und alles andere um sich vergessen sollte. Sie konnte schon jetzt ein strahlen kaum unterdrücken - obwohl ja noch nichts sicher war!

"Zeichne mich bitte.", forderte ihr Schwarm Nia auf und das ließ sie sich nicht zweimal sagen!

Cedric schnaubte und lehnte sich entnervt gegen eine nahe Wand, um das ganze Spektakel in Seelenruhe zu beobachten.

Nia und Salvatore hatten sich unweit vom blonden Hünen auf zwei freie Stühle platziert.

Der Frauenschwarm war ganz gelassen und ließ sich von Nias Blicken röntgen.

Schüchtern musterte sie ihn.

Was hatte er für tierische Kennzeichen?

Katzenohren? Nein, die konnte sie nicht entdecken.

Pferdehufen? Das würde ja nicht einmal zu ihm passen!

Elefantenrüssel? Daran dachte sie nicht einmal - der Gedanke allein war absurd!

Moment mal!

War da nicht was hinter seinem Rücken?

Nia blinzelte und verengte ihre Augen zu Schlitzen, um besser sehen zu können.

Waren das ... Flossen?! Entsetzt schüttelte sie den Kopf - Salvatore ein Fisch - lächerlich!

Trotzdem war da etwas ... Nia rieb sich die Augen.

Da! Das waren Federn! Je länger sie hinstarrte, desto deutlicher konnte sie sie erkennen.

Salvatore war eine Art Vogel! Bloß welche? Sie überlegte fieberhaft.

Ihr Schwarm war groß und stattlich, fast königlich.

Also vielen so was wie Spatz oder Taube schon mal weg. Kakadu sowieso. Und Papagei erst recht!

Er war sehr intelligent und hatte faszinierende Augen.

Langsam kam es ihr. Vorsichtig setzte sie ihren Bleistift an und fing an zu zeichnen.

Wenn sie richtig lag, wäre sie überglücklich - sie würde regelrecht ausflippen!

Ihr Mund wurde staubtrocken und ihre Hand begann leicht zu zittern. Mit der Zunge befeuchtete sie ihre spröden Lippen.

Flügel, Schnabel, Augen, ... Gefiederfabe.

Nun ergab es auch Sinn, dass sie letztes Schuljahr in Bio alle möglichen Tierarten in- und auswendig gelernt hatten: Es war die Vorbereitung auf die Erkennung seiner Huans gewesen!

Nia war klitschnassgeschwitzt.

Nichts auf dieser Welt wünschte sie sich sehnlicher, las dass Salvatore ihr Huan werden würde, egal was Frau Wood von "Problemen" gefaselt hatte!

Mit zittriger Hand zeigte sie ihrem Frauenschwarm ihr Kunstwerk. Nia traute sich nicht einmal, ihn anzuschauen

Alle Schüler, egal ob Huan oder Waker hielten inne.

Die Luft war zum zerreißen gespannt. Man hätte sogar einen Stecknadelkopf fallen hören.

Vorsichtig linste Nia in Richtung Schwarm: Dieser lächelte sein knieerweichendes Lächeln.

"Hundert Punkte!", grinste er und nahm die etwas misslungene, aber erkennbare, für alle anderen unsichtbare Zeichnung eines Weißkopfseeadlers in die Hand.

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Neuanfang

Als Nia die Augen aufschlug, erkannte sie das inzwischen ihr gut vertraute Krankenzimmer. Sie fühlte sich schwindelig und schwach.

Aber wie war sie hierher gekommen? Vor einem Moment saß sie doch noch Salvatore gegenüber!

Frau Wood saß neben ihr und bevor Nia auch nur den Mund aufmachen konnte, begann die Lehrerin:

"Nachdem du realisiert hast, dass Salvatore tatsächlich dein Huan ist, bist du - vor Freude? - umgekippt."

Nia wurde rot - so etwas war ihr noch nie passiert! Wie peinlich!

Ihre Klassenleitung nestelte an ihrer Manschette herum, ganz so, als wolle sie von etwas ablenken. Anschließend räusperte sie sich und fuhr fort:

"Die Schule ist inzwischen aus und alle sind schon ins andere Gebäude gezogen. Lass mich kurz die wesentlichen Dinge sagen, die ich allen anderen bereits vor Stunden mitgeteilt habe:

Jeder Ruler hat einen Huan für die Offensive und eine für die Defensive.

Das ist im Kampf der elementare Knackpunkt, denn es gibt zwei Arten, jemanden zu besiegen:

1. Der Ruler geht in die Knie

oder

2. Beide Huans werden unschädlich gemacht.

Der defensive Huan ist für die Verteidigung des Rulers zuständig und schützt dich vor den Angriffen des Gegners. Logisch, oder?"

Nia nickte zustimmend und hing an ihren Lippen. Das Schwindelgefühl war mit einem mal wie weggeblasen.

Nun seufzte Frau Wood und schob ihre Brille, die etwas heruntergerutscht war, wieder die Nase hinauf.

"Diese Regeln sind zwar schön und gut, aber: "Ausnahmen bestätigen die Regel", nicht war?", fragte sie bohrend und schaute Nia dabei mit ihrem Röntgenblick an.

Nia schluckte. Hatte sie was falsch gemacht?

Sicherheitshalber nickte sie einfach mal.

"Das Problem, was ich vor der Erweckung von Salvatore angesprochen habe, ist, dass du wider aller Regel zwei offensive Huans hast.

Und das ist, wie du dir vorstellen kannst, denkbar schlecht."

Das Mädchen war wie vom Donner gerührt.

Zwar freute sie sich, dass Salvatore ihr Huan war, aber warum war ausgerechnet immer sie diejenige, die die größten Handicaps hatte?!

Das war so ungerecht! Nichts in ihrem Leben konnte einfach mal glatt gehen!

Nichts!

"Aber ...", begehrte sie auf, doch Frau Wood unterbrach sie und sprach mit einem herrischen Ton:

"Cedric kann nur bedingt als defensiver Huan gesehen werden - er ist ein Bär. Er ist sehr stark, hat aber ein dickes Fell. Aber er wird trotz allem als offensiver Huan eingestuft - daran gibt es nichts zu rütteln.

Im Umkehrschluss bedeutet das für dich, dass du dich in einem richtigen Battle richtig anstrengen musst, da du völlig ungeschützt bist."

Sie seufzte wieder, nahm ihre verdreckte Brille ab, rieb sie an ihrem Rockzipfel und setzte sie entnervt aber elegant wieder auf.

"Da das aber nun einmal so ist, musst du das beste draus machen. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten:

Entweder, deine Huans sind sehr angriffsstark und machen die Gegner platt, bevor sie "Hilfe!" schreien können

oder deine Huans sind sehr viel schneller als die anderen, damit sie innerhalb von einer halben Sekunde bei dir sind, sollte dir etwas zustoßen.

Du hast zwar denkbar schlechte Karten, aber wenn du dich voll reinhängst, trainierst ohne Ende und an dich glaubst, kannst du zu einer echt harten Nuss im Battle werden.

Deine Huans - Cedric und Salvatore - müssen perfekt miteinander harmonieren und aufeinander eingestimmt sein - falls einer von den beiden überhaupt weiß, was das ist."

Der letzte Satz triefte vor Ironie und Sarkasmus, dass Nia es fast greifen konnte.

Langsam wurde sie verzweifelt - sie hatte es um Meilen schwerer als alle anderen!

Das war so ungerecht!

Und jetzt sollte sie ihrem Schwarm und dem behinderten Idioten auch dazu bringen, sich zu verstehen - wo sie das Wort noch nicht einmal buchstabieren konnten und sie sich eher den Todesstoß verpassen würden, als den anderen auch nur beim Vornamen zu nennen!
 

Nia sah schwarz für ihre Karriere als Ruler.

Tiefschwarz.

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Nachdem die Schülerin aus dem Krankenzimmer entlassen worden war, begab sie sich umgehenst auf ihr Zimmer.

Bis auf ihr Hab und Gut war der ganze Raum schon leergeräumt.

Das Zimmer wirkte ganz anders und völlig befremdlich: Abgezogene Betten, Leere, große, düstere Schränke, deren Türen so geöffnet waren, als ob sie einen fressen wollten, blank gefegte Schreibtische und gähnend leere Regale im Bad, das sonst so vollgestopft war, dass man nicht einmal mehr wusste, wo man seinen Zahnstocher hinpacken sollte.

Da man den Spruch "pack deine Siebensachen" ziemlich gut auf Nias Besitz anwenden konnte, war sie schneller fertig als das ein Blitz vom Himmel bis zum Ableiter kam.

Behutsam hievte sie ihren klitzekleinen pinkfarbenen Koffer die Treppen runter - an der letzten wartete schon Frau Wood mit verschränkten Armen und sichtbarer Ungeduld.

Nichts konnte ihr schnell genug gehen!

"Hier lang.", sagte sie knapp angebunden und gemeinsam gingen sie los.

Es ging durch scheinbar endlos geschlungene, leere Korridore, die immer gleich aussahen:

kahl, grau, verlassen.

Klassenzimmertür an Klassenzimmertür, Fenster an Fenster.

Diese Gleichmäßigkeit machte Nia müde - es gab nichts neues und aufregendes, nichts, was das Auge, das Gehirn gefordert hätte, weil es neue Reize gab.

Langsam aber sicher geriet das Mädchen auch außer Atem.

Wie lange waren sie eigentlich schon unterwegs?

Der Himmel war schon am Morgen grau in grau gewesen und die Lichtintensität hatte sich seitdem nicht mehr verändert.

Eine halbe Stunde war es bestimmt schon ... oder gar eine Dreiviertelstunde?

Aber das konnte doch nicht sein! Die Schule war niemals so groß, als dass man so lange darin herumirren konnte!

Außer ... man hatte sich verlaufen.

Aber so was würde Frau Wood doch niemals passieren! ... Oder?

Sicher war: Nia hatte jegliches Zeitgefühl verloren und gerade, als sie etwas anmerken wollte, bleib die Klassenleiterin urplötzlich stehen, sodass Nia sie fast angerempelt hätte.

Frau Wood drehte sich nach rechts und zog einen alten, rostigen Schlüssel aus ihrer Brusttasche hervor.

Nia begriff nicht ganz.

Sollte ihre Lehrerin sie nicht in ein anderes Schulgebäude bringen?

Stattdessen standen sie nun vor einer Tür, die genauso aussah wie alle anderen. Nein:

Auf dieser Tür war ein winziges Schildchen angebracht, dass vergilbt, verblasst und kaum lesbar war:

Abstellkammer

Frau Wood bemerkte den zweifelnden Blick ihrer Schülerin und entgegnete lächelnd:

"Keine Angst, ich bin nicht verrückt oder so."

Was die Schülerin nicht gerade beruhigte - im Gegenteil.

Doch zum Beweis öffnete sie die Tür und das, was Nia erblickte, verschlug ihr den Atem:

Hinter der angeblichen "Abstellkammer" lag eine mit gelben Marmor ausgelegte Empfangshalle, in dessen Fußboden man sich spiegeln konnte.

Die Wände waren im selben zarten Gelbton wie der Boden gehalten und rundherum lief eine weißgoldene Bordüre, die ein Schloss-Flair erzeugte.

In regelmäßigen Abständen hingen goldene Kerzenhalter an der Wand, in der Mitte des Raumes war ein ebenfalls weißgoldenes Mosaik, das Sonne, Mond und Sterne darstellte, im Boden eingelassen.

Die Lobby war mit eleganten, gelben Ledersesseln, Glastischen mit güldenen Löwenfüßen und traumhaften Palmen ausgestattet.

Das absolute Highlight war aber der gigantische, kristallene Kronleuchter, der majestätisch über dem Mosaik schwebte und das Licht in allen Farben brach.

Frau Wood musste die angewurzelte Nia beinahe mitzerren und ihren Mund zuboxen, bevor sie alle drei Zentimeter staunend stehen blieb und alles begutachtete.

Auch der Empfangsschalter war mehr als edel.

Das junge Mädchen kam sich vor wie in einem Märchen.

Noch niemals zuvor hatte sie etwas derartiges gesehen.

Ein 5-Sterne-Hotel!

Ein Paradies!

Allerdings kam sie sich auch "etwas" fehl am Platz vor.

Sie fühlte sich gegen den ganzen Protz und Prunk klein, hässlich, unbedeutend, schäbig, störend und ... nackt vor.

Aber was sollte sie machen? Ganz bestimmt nicht in Selbstmitleid zerfließen denn ... denn DAS alles ...

schien ihre neue Schule zu sein!

Frau Woods Stimme riss sie aus ihren angenehmen Tagträumen, in denen sie sich als Prinzessin mit goldenem Krönchen gesehen hatte und Salvatore ihr Prinz auf dem weißen Schimmel.

"Hier ist dein Zimmerschlüssel - verlier in bitte nicht!

Deine Nummer ist die 357. Vorne links ist der Aufzug.

Alles weitere wirst du morgen zusammen mit den anderen erfahren."

Bevor Nia sich von ihr abwandte, um in den gläsernen, mit Reliefs versehenen Lift zu steigen, fügte die Lehrerin noch hinzu:

"Vergiss vor lauter Staunen das Atmen nicht!"

Doch das bekam das junge Mädchen schon nicht mehr mit. Ihre Bäckchen waren vor Vorfreude gerötet. Wie würde nach all dem Luxus im Empfangssaal wohl ihr Zimmer aussehen?

Egal was kam - soeben war sie in einen neuen Lebensabschnitt getreten, von dem sie nicht abwarten konnte, wie es weiterging.

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Nachdem Nia mit dem Aufzug nach oben gefahren war, kam sie zu dem Schluss, dass man in solch einer noblen Schule bestimmt Einzelzimmer hatte.

Sie malte sich aus, wie die Einrichtung aussehen könnte, während sie den Gang entlangschlenderte, wo sich ihr Zimmer befinden musste.

Bestimmt gabs riesige Betten ... und einen eigenen Kühlschrank! Ein gigantischer Spiegel! ...

350 ... 352 ... 354 ... 358 .. 357! Da!

Voller Vorfreude und klopfendem Herzen riss sie die Tür und fiel im selben Augenblick aber aus allen Wolken:

Salvatore, nur mit Boxershorts bekleidet - Nasenblutenfaktor schlechthin und Herzkreislaufkollapsursache Nummer eins- debattierte mit einem Cedric, dessen Haare klitschnass waren und dessen Lenden nur durch ein äußerst knappes Handtuch bedeckt wurden.

Ihr Frauenschwarm hatte einen Rasierer in der Hand und fuhr sich zwischendurch immer wieder über die Wangen und übers Kinn, wo sich innerhalb der letzten paar Tage ein leichter, sexy Dreitagebart gebildet hatte.

Der behinderte Idiot hatte selbst dann seine Haare geschlossen und geflochten, wenn er sie frisch gewaschen hatte. Seltsamer Kauz!

Keiner der beiden hatte sie kommen hören und deshalb stolperte sie schnell wieder rückwärts und wollte gerade die Türe heimlich schließen, als sie das Gespräch aufschnappte:

"Nia wird ausflippen, wenn sie dich so sieht, Cedric!", meckerte Salvatore und suchte in seinem Kulturbeutel verzweifelt nach seinem Rasierschaum.

"Mir doch egal! Ich wohne hier!", konterte dieser zurück und rubbelte sich mit einem kleinen Handtuch die Haarspitzen trocken.

"Sie aber auch!", meinte der Frauenschwarm.

"Na und?! Schau doch mal in den Spiegel! Du rennst auch nur in Boxershorts rum! Nicht sehr üppig bekleidet, falls man das mal so sagen darf!"

"Das ist etwas ganz anderes ...!"

"Ach ja? Und wieso? Nur weil sie in dich verliebt ist, darfst du so rumlaufen und ich nicht?!"

Kurzes, entsetztes Schweigen.

"Das spielt doch gar keine Rolle - und überhaupt: Woher willst du das denn wissen?!", bohrte Salvatore nach.

Cedric winkte entnervt ab und legte sich aufs Bett.

"Das sieht doch ein Blinder mit einem Krückstock!

Wie zärtlich sie dich ansieht, wenn du grad nicht hinschaust, wie schüchtern sie tut, wenn sie mit dir redet, wie rot sie immer anläuft, wenn du sie anlächelst ...

Nur, um es mal grob zu umreißen ..."

Nia blieb die Spucke weg. Merkte man ihr das so sehr an, dass sie in Salvatore verschossen war?

Oder konnte "nur" Cedric sie lesen wie ein offenes Buch?!

Egal wie es war - es war ihr peinlich, unangenehm und am liebsten wäre sie auf der Stelle im Erdboden verschwunden!

Sie wollte nicht mehr hören - das war mehr als genug!

Bestimmt glühte sie wie ein Leuchtturm!

Schnell zog sie die Tür zu - aber leider zu laut.

Salvatore öffnete sie wieder und alle drei sahen sich erschrocken an und erstarrten zu Salzsäulen.

"Ha ... Hallo.", presste Nia tonlos und krächzend hervor.

Meine Güte - wie ultramegahyperunendlichpeinlich! Sie wurde noch einige Nuancen dunkler, als sie Salvatore und Cedric nun so vor sich stehen sah, sodass die Tür doch wieder schnell zugedonnert wurde.

Drei Minuten später wurde sie abermals geöffnet - gerade genug Zeit für das über beide Ohren verliebte Mädchen, um sich wieder zu beruhigen und keinen Kollaps zu erleiden.

Inzwischen waren beide Jungs vollkommen angekleidet, aber auch sichtlich verlegen - mehr oder minder:

Cedric sah noch bockiger aus als sonst und Salvatore hatte ein nervöses Lächeln auf den Lippen.

"Entschuldige.", meinte der Frauenschwarm sanft, "Hoffentlich haben wir dir nicht einen allzu großen Schrecken eingejagt."

Cedric räusperte sich, um einen Lacher zu unterdrücken, woraufhin Salvatore ihn mit einem bösen Blick strafte, was den blonden Hünen allerdings ziemlich kalt ließ.

"Hast du uns belauscht?", fragte Cedric geradeheraus und ohne Umschweife, während er sich auf seine coole Art und Weise seine Haare abtrocknete.

Auch Salvatore beäugte sie interessiert, obwohl es ihm für andere fast greifbar gegen den Strich ging, WIE man seine Nia fragte.

Verlegen strich sie sich eine Strähne hinters Ohr.

"Nur ab da ... wo ihr euch über euren ... ähm ... "Aufzug" gestritten habt ...", stotterte sie nervös und bemerkte peinlich berührt, dass ihre Schuhe mal wieder dringend geputzt werden sollten.

Man hörte förmlich die Räder in ihren Hirnen rattern, als sie das gesamte Gespräch noch einmal zurückspulten und wieder von vorn abspielten.

Plötzlich breitete sich eine Grabesstille aus - der Groschen war gefallen.

Sie hatte auch mit angehört, dass sie sich über die Liebe von ihr gegenüber Salvatore unterhalten hatten.

"So lange?!", stieß Cedric entsetzt hervor und schlug sich die Hand vors Gesicht, sodass Nia unwillkürlich zusammenzuckte. Entnervt ging der Blondling zum Bett.

Ihr Schwarm seufzte nur, "Egal - Komm erst mal rein und pack dein Zeug aus."

Gehorsam trat sie ins Zimmer und bemerkte erst jetzt, wie schön ihr neues Heim war:

Im Raum standen drei Himmelbetten - eines in weißgold, eines in blaugold und das letzte in rotgold.

Alle waren durch ein jeweils farblich passendes Nachttischschränkchen voneinander getrennt.

Hieß das etwa ...?!

Hieß das etwa, dass sie neben Salvatore schlief?!

Ihrem Schwarm?! Sofort glühte sie wieder und die Schmetterlinge flogen fast Amok.

"Du schläfst in der Mitte.", sagte beide Jungs synchron - Salvatore herzzerschmelzend lieb, Cedric grantig und trotzig.

"Ah ... Ja ... OK!", stammelte sie überglücklich - sie musste echt Acht geben, dass sie vor Freude nicht hyperventilierte!

Nia fühlte sich wie in einem Freudentaumel - auch wenn der behinderte Idiot da war und alles dämpfte - allerdings nur minimal, angesichts all dem anderen guten.

Flugs hatte sie ihr ganzes Gepäck verstaut:

Wecker, Ohrringe und Halskette in den Nachtschrank,

Spardose, Tagebuch sowie Fotoalbum auf den großen, pompösen, fein geschnitzten Schreibtisch,

Jeans, Trägertop, Socken, Unterwäsche, Bikini und Abschlusskleid in den gleichschön gestalteten, riesigen Wandschrank

und zu guter letzt Haarnadel und Badehandtuch in das luxuriöse, gigantische Bad, in dem Whirlpool und Sauna selbstverständlich zum Standard gehörten.

Fasziniert schauten ihr die beiden Jungs zu und bewunderten, wie sie das alles innerhalb weniger Minuten bewerkstelligte, wofür sie Stunden gebraucht hatten.

Steckte es etwa allen Frauen im Blut?!

"Fertig!", bemerkte Nia glückselig und zog ihren dunkelblauen Schlafanzug mit dem schlafenden Mond mit Nachtmütze heraus und schlenderte gemütlich ins Bad.

Als sie fertig war, lag Salvatore im Bett und las Illuminati, während Cedric auf dem Himmelbett flackte und Sakrileg verschlang.

Nia ließ sich ebenfalls aufs Bett nieder und war begeistert:

Ein Wasserbett!

Sie musste sich die Augen vor Ungläubigkeit reiben, als sie den Plasmafernseher gegenüber der Betten sah, der mindestens so breit wie sie hoch war!

Noch nie, nie nie nie nie hatte Nia solch eine große "Mattscheibe" gesehen!

Sie giggelte in sich hinein.

Was würde sie hier wohl noch alles erleben?

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Erste Herausforderung

Eigentlich hatte Nia geglaubt, das Wort "Stress" mehr als genug am eigenen Leib gespürt zu haben als sie noch mit den "drei Schwestern" (Tanja, Tonia, Antje) zusammengewohnt hatte - aber "ihre" Jungs waren auch nicht von schlechten Eltern:

Salvatore schien ein Morgenmuffel ohnegleichen zu sein, der partout nicht aus dem Bett wollte und bei dem selbst zwanzig lautstark schrillende Wecker nichts gebracht hätten - ach selbst ein Knallfrosch neben seinem Ohr hätte nichts gebracht! -

und Cedric stand viel zu früh auf und schlief aufgrund seines niedrigen Blutdrucks, den er nicht in den Griff bekam, egal wie viele Liegestützen er machte, im geschlossenem Bad wieder ein.

Nia hätte beiden am liebsten in Ohr gebrüllt - aber das ging natürlich nicht.

Deshalb musste sie sich gezwungenermaßen im Zimmer umziehen, während der behinderte Idiot im Bad ein Schnarchkonzert veranstaltete.

Typischerweise erwachte Salvatore genau dann und Cedric kam genau dann aus dem Bad, wenn sie nur in Unterwäsche bekleidet dastand.

Feuerrot vor Scham flüchtete sie sogleich in den Waschraum und ließ die ebenfalls verlegenen Jungs - die nun hellwach waren - zurück.

Nachdem alle drei irgendwann fertig waren, stürzten und hetzten sie durchs Gebäude, auf der Such nach dem richtigen Klassenzimmer - man war meistens so durch den Prunk und Protz abgelenkt, dass man gar nicht drauf achtete, wohin man lief oder sich schlicht und ergreifend den Weg nicht merkte.

Nia löffelte während der ganzen Hetze ihren Joghurt, Salvatore schlürfte seinen Drink und Cedric schlang seinen Toast herunter.

Endlich - nach einer scheinbaren Ewigkeit und vielen herumirrens - sie hatten sich eine halbe Stunde früher auf den Weg gemacht, um rechtzeitig anzukommen - ließen sie sich auf den Gong genau in ihre Stühle fallen.

Frau Wood hatte sie - wie immer- schon erwartet und begann unversehens mit dem Unterricht.

"Jeder hat nun zwei Huans und ist ein Ruler.

Ein Ruler hat - wie schon erwähnt - einen defensiven und einen offensiven Huan." Dabei schaute sie Nia mit einem bedeutungsschwangeren Blick an und fuhr fort, während sie die Kreide nach Farben sortierte.

"Was macht man also mit seinen Huans?

Entweder, man lässt sie, wie sie sind, erfreut sich daran und hat seinen "Spaß"

oder

man lässt sie gegen andere Artgenossen kämpfen, um sie und euch selbst stärker zu machen.

Nun ja, jeder Kampf hat seine individuellen Regeln.

Ein Beispiel:

Kämpft ihr IM Wasser - wo der Ruler natürlich auch ist- so ist Feuer natürlich wirkungslos und braucht als Angriffsart gar nicht erst in Erwägung gezogen werden.

Eine Regel - Rule - dagegen besagt, dass keine elektrischen Angriffe erfolgen dürfen, weil dies auch euch in große Gefahr bringen würde.

Deshalb ist kein Kampf gleich und die Regeln ändern sich am laufenden Band, sind aber immer logisch. Kommt halt immer aufs Terrain an.

Das tolle ist ja, dass man diese Rules auch manipulieren und verändern darf.

Dies könnt ihr mithilfe von "Kristallen" ändern.

Herrscht im momentanen Terrain ein Schneesturm, auf dem ihr nicht attackieren könnt, weil eure beiden Huans z. B. Vögel sind, könnt ihr durch solch einen Kristall das Gebiet wechseln und so die Regeln ändern.

Natürlich gibt es auch Kristalle, die für den Gegner wie die Apokalypse sind.

Nimmt man beispielsweise das Extrem "Luft", wo also jeder fliegen muss, der Gegner aber keine fliegenden Huans hat, so habt ihr gewonnen, denn er fällt in die Tiefe und der Battle ist vorbei.

Dasselbe gilt auch für Feuer und ein paar andere - diese Kristalle sind allerdings so selten, dass man sie vielleicht einmal im Leben zu Gesicht bekommt, wenn überhaupt.

Kommen wir zum nächsten Punkt:

Die Heilung.

Die Ruler können während des gesamten Kampfes nicht geheilt werden - eure Huans dagegen schon.

Und da sind wir gleich bei der nächsten wichtigen Sache angelangt:

Wie heile ich meinen Huan?

Das geht nämlich ganz anders, als ihr denkt. Es geht nicht mit Aspirin, Antibiotikum oder ähnlichem!

Es geht mit sog. "Stoffen". Aber was ist solch ein Stoff?

Ein Stoff ist eine Art "Nahrungsmittel", das aber nicht zwingend etwas sein muss, was das Tier in Realität frisst oder säuft - ich habe schon mal eine Giraffe erlebt, dessen "Stoff" Cola war!

Das Thema ist äußerst speziell und außer den Huan selbst weiß keiner seinen Stoff - außer er sagt es freiwillig. Aber im Normalfall bleibt so etwas im Verborgenen - es wäre schließlich ein großer Vorteil für den Gegner, wenn er den Heilprozess des Huans stoppen könnte, indem er den Stoff wegnimmt, nicht wahr?

In einigen wenigen Ausnahmen kann dieser Heilstoff aber auch lebensgefährlich sein - nicht für den Huan, aber für den Mensch im Huan.

Manch andere Stoffe sind schwer zu finden oder zu kaufen ...

Aber das ist die Sorge eurer Huans - die Ruler brauchen sich nicht darum zu kümmern.

Ein Battle wird zunächst aus der Connection von Ruler und Huans gebildet, die zwar immer vorhanden ist, im Battle allerdings ausgeprägter ist.

Mit seiner solchen Connection geht auch eine sog. "Last" einher, die, je stärker eure Huans sind, umso schwerer wird.

Das kann sich verschiedenartig auswirken: Dem Ruler wird unsagbar schlecht, schwindelig, übel oder wird sogar ohnmächtig."

Beim letzten Wort ruhten die Augen der Lehrerin für einige Augenblicke auf Nia.

Und jetzt verstand diese - sie war damals nicht vor Freude umgekippt, dass Salvatore ihr Huan war, sondern, weil die "Last" zu hoch gewesen war!

Das Mädchen schluckte heftig. Wie komplex diese Welt doch war!

"Aber genau dadurch werdet auch ihr stärker, erreicht Level und könnt Magie erlernen und aktiv im Kampf eingreifen - aber ihr habt dieses Können auch wirklich nur für den Battle, nicht außerhalb. Nur, um das im Vornherein zu sagen ...

Je nachdem, wie viel Schaden ihr über einen bestimmten Zeitraum ihr einem besiegten Gegner zugefügt habt, bekommt ihr mehr oder weniger Geld.

Natürlich kommt es auch aufs gegnerische und eigene Level an - besiege ich jemanden, der dreißig Stufen unter mir ist, so ist das ein Kinderspiel und keine müde Mark wert.

Mach ich allerdings jemanden platt, der zehn Level höher ist als man selbst - das schafft man mit der richtigen Technik und etwas Glück problemlos - so ist das schon eine reife Leistung und wird mit einer ordentlichen Stange Geld entlohnt.

Damit kann man sich ausgeklügeltere Kristalle, Waffen, Rüstungen, usw. kaufen oder man legt es aufs Sparkonto, wo's beständig wächst oder man kauft Angriffe für seine Huans.

Wie ihr seht - es ist wirklich unglaublich, wie vielfältig die Welt der Huans ist!

Neben den Kristallen gibt es auch noch "Schlüssel" - es sind auch Regeln, allerdings "kleinere", könnte man sagen.

Bestimme ich z.B. per Kristall, dass der Kampf im Wasser stattfindet, so kann ich mit einem Schlüssel beispielsweise festlegen, dass keine Haie erlaubt sind.

Solche Schlüssel sind oftmals im wahrsten Sinne des Wortes der "Schlüssel zum Erfolg", auch wenn ihre Einsatzzahl pro Kampf begrenzt ist.
 

So - bevor ihr mir alle einschläft, probieren wir es doch gleich mal aus!

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Nia fühlte sich irgendwie äußerst unwohl, als sie sich auf den Weg zum gigantischen Trainingplatz machten.

Links neben ihr ging Cedric - sein Blick war hart, starr und undurchdringlich.

Rechts neben ihr ging Salvatore - er lächelte sie an und sprach ihr beruhigende Worte zu.

Kein Wunder also, dass Nia die wütenden Blicke der Mädchen auf sich zog, die sich am liebsten wie die Aasgeier auf ihre Beute gestürzt hätten und sie zerfleischen würden.

Ein Glück, dass ihre beiden Schützlinge nicht von ihrer Seite wichen!

Nia mochte sich gar nicht ausmalen, was sonst passiert wäre ...

Das Mädchen war wirklich fasziniert von der Anlage, wo ein Sandstrand mit Palmen an einer schneebedeckten Tundra grenzte, die wiederum direkt neben einem blubbernden Vulkan weilte.

Alles widersprach den Naturgesetzen, als sich ein gigantischer Eisberg frei schwebend vor ihr auftürmte oder das es entgegengesetzt der Schwerkraft regnete.

Sie bekam deshalb auch gar nicht mit, dass ihre Truppe einem Gegner zugeteilt wurde - nämlich Tonia mit ihren beiden Huans Patrick und Tom.

"Wach auf, du Schlampe!", fuhr sie Nia an, sodass der Frauenschwarm ihr einen bitterbösen Blick zuwarf, der sie sogleich verstummen ließ.

Diese warf sich entschuldigend zu Boden - denn wer war schon lebensmüde genug, den Liebling aller Mädchen gegen sich aufzulehnen?

Cedric natürlich ausgeschlossen.

Nachdem sie sich wieder erhoben hatte, marschierte Frau Wood mit einem vollen Sack durch die Reihen, aus welchem sich jeder 10 Gegenstände aussuchen durfte.

"Wie in einem richtigen Battle gibt es auch "Sonderitems". Die sind äußerst nützlich!"

Genau so etwas hatte Nia anscheinend erwischt:

Es war ein kleines, dünnes Fläschchen, nicht größer als ein Tintenpatrone, in der ein graue, rauchförmige Gestalt umherwaberte.

Das war zumindest das, was Nia erkennen konnte. Oder täuschte sie sich?

Alle anderen Gegenstände waren "normale" Schlüssel - ein besonders witziger besagte, dass eine Toilette erscheinen würde und nach dem Gegner schnappt.

Die Area der beiden Gegnerinnen war der normale Schulhof, wodurch schon im Vornherein viele Regeln klar wurden:

Keine Fäkalsprache und eigentlich auch keine Schlägerei!

Frau Wood beobachtete alles, aber besonders Nia.

Sie war das Sorgenkind von allen - zwei offensive Huans ... Das war wirklich ein großes Handicap!

Die Klassenleitung, Salvatore und Cedric hatten, während das Mädchen bewusstlos gewesen war, ausgemacht, dass vorerst nur ein Huan eine Connection eingehen würde, aufgrund der viel zu hohen Last.

Und dieser Huan war natürlich Salvatore - wer sonst?

Cedric hatte sich zwar gegen diese Abmachung gewehrt, doch es hatte nichts gebracht.

Ein Huan, der von seinem Ruler mehr gemocht wird als der andere, wird automatisch stärker - er bekommt quasi die Energie des nicht so geliebten Huans zugeschrieben.

Und in Nias Fall war es eindeutig Salvatore, den sie begünstigte.

Cedric würde ihr nur Anweisungen und hilfreiche Tips geben.

Schließlich war sie eine blutige Anfängerin!

"Wenn du dich mit einem deiner Huans verbinden willst, musst du seinen Namen nennen und dann "connect" sagen.

Versuch's in diesem Kampf aber nur mit Salvatore, ja?", erklärte der blonde junge Mann Nia erstaunlich geduldig, sodass sie nur nickte und brav gehorchte:

"Salvatore - connect!"

Kaum waren diese Worte ausgesprochen, war ihr so, als hätte sie einen kräftigen Tritt in den Magen versetzt bekommen.

Die Luft blieb ihr weg, ihr wurde übel und alles schien sich zu drehen.

Als sie nach hinten kippte, fing Cedric sie problemlos und ohne großen Ausdruck der Überraschung im Gesicht auf. Als hätte er nichts anderes erwartet.

"Das ist die "Last", die mit einer Connection einhergeht.

In deinen Körper wird so viel Kraft gepumpt, bis du fähig bist, deinen Huan zu bändigen. Und da du in Salvatore einen sehr starken Kämpfer hast, wirst du auch dementsprechend belastet.", erläuterte er und stellte sie wieder auf ihre Beine, ließ sie aber nicht vollständig los.

Trotz flimmernder Augen erkannte sie Salvatore deutlich vor sich:

Groß, schlank, majestätisch.

Seine schwarzen Haare flatterten in der Brise, als sich plötzlich das Haar an seinen Kopf schmiegte und silbergrau - nein, weiß wurde.

Auch sein Gesicht wurde weiß - seine moosgrünen Augen wurden von einen Moment auf den anderen sonnengelb. Seine Nase verformte sich zu einem mächtigen Schnabel.

Aus seinem Rücken schossen zwei mächtige, gigantisch große, braune Schwingen.

Anschließend schrumpfte er und der Rest seines Körpers verwandelte sich vollständig zu dem eines Weißkopfseeadlers.

Nia blieb vor lauter Staunen der Mund offen.

Ihr Schwarm war tatsächlich ein Huan! Ein Tiermensch! Bislang hatte sie ja keinen handfesten Beweis gehabt und man hatte es auch noch nicht richtig glauben können - aber es war tatsächlich wahr! Jedes einzelne Wort!

Das musste man auch erst mal verdauen ...

"Alle sind bereit, Nia. Setz als erstes das Sonderitem ein, denn wenn du Glück hast, ist es so stark, dass du den Gegner gleich damit ausschaltest!", berichtete Cedric seelenruhig und drückte ihr das kleine Fläschchen in die Hand.

"Du musst es werfen.", wies er sie an und Nia tat wie ihr geheißen ...

und staunte nicht schlecht.

Aus der Phiole erschien eine unbekannte Frau mittleren Alters, hochgewachsen, brünett und sehr modisch gekleidet. Ein paar Fältchen weniger und sie wäre der gefeierte Star auf dem Coverbild der Cosmopolitan gewesen.

Ihre Augen waren allerdings zu gefährlich engen Schlitzen zusammengekniffen.

Wütend wirbelte sie sich zu Tonia um, die entsetzt und leichenblass die Erscheinung anstarrte.

"Hab ich dich nicht gesagt, du sollst mir immer Briefe schreiben?", fragte die Frau und klang dabei wie eine wütende Schlange, die sich aber hart am Riemen riss - alles triefte nur vor Sarkasmus und Hass.

"Und wie ungepflegt du schon wieder aussiehst! Derweil warst du doch erst vor einer Woche bei mir! Ich hab so viel Geld für deinen neuen Look ausgegeben und jetzt läufst du schon wieder rum wie der letzte Bettler!

Fettige Haare, ungeschnittene Nägel, ungezupfte Brauen, gelbe Zähne, verrutschte Kontaktlinsen, zu viel Rouge, knalliger Lippenstift ...

Kannst du denn gar nichts allein?!

Ich dachte, du wärst ein Mitglied der drei Schwestern! Ich wette, dein Zimmer ist nicht aufgeräumt! Weißt du was, werte Tochter?!"

Alle blickten nun auf das Schlachtfeld von Nia und Tonia, sensationsgeil, belustigt - was war das für ein Spektakel? Warum wurde Tonia so runtergeputzt und war das tatsächlich ihre Mutter?!

"Du bekommst kein Taschengeld mehr und ich nehme dir dein Handy endgültig weg!"

Das war anscheinend zu viel für Tonia denn diese kippte steif wie ein Brett um und wurde als kampfunfähig befunden.

Jeder lachte - nur Nia nicht, denn irgendwie begriff sie nicht, wie die Mutter ihres Gegners in die Flasche gelangt war.

"Dieses Fläschchen hieß "Angst". Und Tonia wurde mit ihrer größten Angst konfrontiert: Handyverbot und kein Taschengeld. dadurch ist sie wohl vor Schreck umgekippt.

Gut gemacht, Nia - du hast deinen ersten Kampf gewonnen!", lobte Salvatore das Mädchen, das rot anlief, strahlend.

Frau Wood grinste in sich hinein und stapfte auf die Gewinnerin zu.

"Gratulation, Nia. Hier ist dein Lohn.", verkündete sie feierlich und drückte ihr etwas in die Hand.

Es war ein 100-Schein, aber was war das bitte sehr für eine Währung?!

"Das ist "Genkin", die Geldeinheit bei uns. Ein Genkin ist fünfzig Cent - also genau die Hälfte.", erklärte Salvatore ihr sachlich und in seiner liebevollen Art.

Cedric nahm ihr die drei Schlüssel, die sie zudem erhalten hatte, aus der Hand und inspizierte sie. Nach einer Weile sagte er:

"Man kann die Art und die Wirkung eines Schlüssels bestimmen, indem man Farbe, Größe, Gewicht und Aussehen in Augenschein nimmt. Dieser hier beispielsweise ..." Er hielt Nia einen durchsichtigen, kleinen Schlüssel vor die Nase, "dient dazu, Wind zu machen. Die Farbe von Luft ist durchsichtig. Da er außerdem relativ klein ist, kann man höchstwahrscheinlich nicht mehr als eine Böe hervorrufen ... Zudem war er billig, da er sehr einfach und ohne Verzierungen ist ... Schwer ist er auch nicht ... Ja, mehr als ein bisschen Wind ist nicht drin!", schloss Cedric schließlich.

Nia schaute ihn ungläubig an - er hatte noch nie so viel auf einmal gesprochen! Zumindest nichts sachliches.

"Sein Spezialgebiet sind Schlüssel und Kristalle, musst du wissen. Er sammelt selbst welche, denn in seltenen Fällen kann man mit bestimmten Schlüsselkombinationen Gegebenheiten ändern.", erläuterte der Frauenschwarm und als er Nias ratlosen Blick sah, fuhr er fort:

"Ein simples Beispiel: Du hasst Paprika, aber mit einer speziellen Schlüsselkombi liebst du sie. Oder man wird gut in Mathe, obwohl man gerade von ungerade nicht unterscheiden kann."

Nia machte große Augen. So etwas großartiges konnten diese kleinen Dinger bewirken?

Unfassbar!
 

Nachdem jeder Kampf ausgefochten war und der Gewinner des jeweiligen Kampfes seinen Lohn erhalten hatte, erklärte Frau Woode den Unterricht als beendet - allerdings sollte Nia noch dableiben.

Zwei ratlose Huans mussten sich von ihrem Ruler verabschieden und begaben sich auf ihr Zimmer.

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"Sag mal ...", begann ein kaffeeschlürfender Salvatore, der sich lässig auf sein Bett legte und den konzentriert lesenden Cedric anstarrte, welcher sichtlich angepisst war, "bist du verliebt?"

Eigentlich hatte der blonde junge Mann so tun wollen, als hätte er nichts gehört, aber bei dieser Frage riss er ungläubig den Kopf zur Seite, sodass es laut knackte und glotzte den verhassten Frauenschwarm so an, als hätte er sich eben verhört.

"Bist du verliebt?", wiederholte Nias Günstling und schaute sein Gegenüber tief und fest in die Augen, während er mit seiner Kaffeetasse spielte.

Cedric lief feuerrot an.

"Das geht dich einen Scheißdreck an!", plärrte er und knallte unsanft das Buch zu. Salvatore dagegen blieb vollkommen cool und unnahbar.

"Ich will nicht wissen, in wen, sondern nur, ob du verliebt bist. Du musst nur mit „Ja“ oder „Nein“ antworten!", erklärte er ihm wie einem geistig Behinderten.

Cedric, der sich inzwischen erhoben hatte, ballte die Fäuste und kaute auf seiner Unterlippe herum - eine schlechte Angewohnheit aus Kindertagen. Seine Stirn war in Falten gelegt - er dachte angestrengt nach. Abwechselnd wurde sein Blick weich, sodass selbst Butter dahingeschmolzen wäre und dann wiederum schüttelte er ungläubig den Kopf. Anscheinend focht er einen Kampf mit sich selbst aus.

Doch das interessierte Salvatore kein bisschen - "Und? Darf ich das als ein „Nein“ auffassen?"

Resigniert und verwirrt nickte er, seine Stirn noch immer in tiefe Furchen gelegt.

Das Gesicht des Frauenschwarms hellte sich auf - immer ein Warnsignal und rotes Tuch für Cedric - und er flötete beschwingt:

"Sehr gut! Dann gehört Nia mir also allein!"

Urplötzlich verfinsterte sich die Mine des blonden Hünen und er fauchte wie eine kampfbereite, gereizte Katze: "Dass du ja die Finger von ihr lässt! Nia ist nicht dein Eigentum, kapiert?!"

"Was regst du dich denn so auf, Cedric? Bist du etwa eifersüchtig, dass sie mich liebt und dich nicht?", fragte Salvatore mit einem hämischen Grinsen auf seinem Gesicht - jede Silbe war ausgesprochen worden als wäre sie pures Gift.

Cedric wurde rot - "Das hat nichts damit zu tun!"

"Ach ja? Womit denn dann?"

"Na mit ... Mit ... uns Huans! Du willst nur alle Kraft haben, damit ich kläglich zugrunde gehe!"

"Daran hab ich gar nicht gedacht ... Ich habe eigentlich nur meine Gefühlt zu ihr in Betracht gezogen ..."

Cedric schluckte hart und fragte heiser: "Und was ist bei dieser >Befragung< herausgekommen?"

"Das ich sie liebe!", antwortete Salvatore so selbstverständlich, als handle es sich um die Tatsache, dass die Sonne heiß ist, die Erde ein Planet und der Mond für die Ursache der Gezeiten.

Cedric war mit einem Mal sehr blass geworden, gegen seinen Willen und konnte nicht einmal mehr die Kraft aufbringen, etwas zu sagen.

"Zur nächsten Feierlichkeit werde ich es ihr gestehen.", fuhr der Frauenschwarm unbeirrt fort.

"Das kannst du nicht machen!", japste der Blonde, "Du bringst mich um damit, verstehst du?! Du bringst mich ins Grab! Du tötest mich!!"

Doch Nias Schwarm lachte nur kurz auf und verkündete mit fester, entschlossener Stimme: "Mein Entschluss steht fest - und nichts und niemand kann mich davon abbringen!"

Cedric konnte von nun na die Stunden bis zu seinem eigenen Tod zählen ....... oder?

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Mitternachtsball

Nia ahnte von alldem freilich nichts. Sie war viel zu sehr mit sich selbst - besser: mit dem neuen Unterrichtsstoff beschäftigt als mit allem anderen.

Ihr schrulliger Geschichtslehrer Herr Mori, war sehr stämmig, immer im Anzug - egal ob es eiskalt war wie in Sibirien oder zum zerfließen heiß- und aus seiner Nase wuchsen mehr Haare als sich auf dem Kopf befanden.

Alles in allem war er aber sehr nett und klärte gerne grundlegende, alltägliche Dinge - auf gut Deutsch: er wich fast immer vom Thema ab, weil er keinen Unterricht machen wollte.

Dies war den Schülern natürlich mehr als recht.

"Warum gibt es überhaupt Huans und das ganze Waker/Ruler-Zeugs?", fragte er die Klasse zu Beginn seiner Stunde mit seiner rauen, alten Stimme.

Eine peinlich berührte Pause entstand. Sie beschäftigten sich andauernd mit dieser Thematik - es war schon fast ihr Lebensinhalt geworden - aber niemand konnte auf diese Basisfrage antworten! Beschämend ...

"Huans waren ursprünglich Menschen ...", erklärte er, als er durch das aufgeregte Gemurmel der Klasse abbrechen musste.

Huans waren einmal Menschen?! Eigentlich so logisch - und trotzdem unvorstellbar! Wie konnte das geschehen? Wie ist es möglich, dass sich Menschen in Tiere verwandeln ...?

"Huans waren ursprünglich Menschen ...", griff Herr Mori das Thema wieder auf, "die als Versuchsobjekte zur Erschaffung von "höheren", "besseren" Menschen fungierten."

Diesmal sprach keiner ein Wort - alle waren geschockt. Es war des Menschen eigene "Schuld"? Die Menschen hatten Versuche an ... Menschen gemacht? Normalerweise waren es doch Ratten oder Mäuse! Aber ... Menschen?!

"Ein Mensch ist nämlich schwach, langsam, hört schlecht, sieht mies und hat all seine ursprünglichen Instinkte verloren - sogar sein schützendes Fell.

Mit der Injektion von Tier-Genen wollte man dieses Problem angehen, ohne zu wissen, dass sie es tatsächlich geschafft hatten, eine neue Rasse zu züchten, die nur die Forscher selbst im Zaum halten konnten. Die Forscher sind die Ruler - die heutigen Ruler sind Nachkommen dieser Forscher!"

Die Klasse staunte nicht schlecht - erst Versuche an Menschen und dann kam tatsächlich etwas neues, unerwartetes heraus? Solch ein Zufall konnte es fast nicht geben!

Und doch ...

Und doch war es tatsächlich geschehen!

Flankiert von Salvatore und Cedric hatte Nia den "lebenden Beweis" - außer sie drehte schon vollkommen am Rad und sponn sich alles nur Zusammen. Aber die Verwandlung von Salvatore beim letzten Kampf war echt ... deshalb musste der Rest auch wahr sein!

Nia schrieb alles eifrigst mit - dieses Jahr wollte sie ohne Notenausgleich bestehen!

"Du bist süß, Nia.", flüsterte der Frauenschwarm seiner Angebeteten zärtlich ins Ohr, sodass ihre Gesichtsfarbe zu der einer überreifen Tomate umschlug.

"Halt's Maul, Lackaffe!", keifte Cedric kaum hörbar über den Tisch.

Wieder spürte der blonde junge Mann, wie seine eh schon knappen Energievorräte weiter schrumpften und er abermals Atemnot bekam.

Niemand wusste, dass das Gleichgewicht zwischen Salvatore und ihm inzwischen so gestört war, dass Cedrics Lebensspanne schon spürbar darunter litt ...

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"Wo ist Salvatore?", war Nias erste Frage, als sie nur Cedric in ihrem Gemeinschaftszimmer vorfand.

"Woher soll ichn das wissn?", knurrte der Angesprochene zurück und biss säuerlich in einen Apfel. Er wirkte sichtlich entnervt - Das andauernde "Salvatore hier - Salvatore da" schien ihm auf die Nerven zu gehen.

Kaputt vom vielen lernen ließ sie sich aufs Bett plumpsen. Wortlos starrte sie die Decke an.

"Was er wohl gerade macht? Wo er wohl gerade ist?", nuschelte Nia gedankenverloren vor sich hin und schmuste dabei mit ihrem Kopfkissen.

Cedric knirschte mit den Zähnen - er war an einem sehr gefährlichen Punkt angelangt: Kurz vorm Explodieren.

"Kennst du die Geschichte vom weiblichen Ruler Ni?", fragte er ruhig und guckte dabei Löcher in die Luft.

Verdutzt schaute sie ihn an - "Nein.", gestand sie, "Worum geht's?"

"Ni ist die kleine Schwester von Ichi und ist unsterblich in seinen besten Freund San verliebt. Wie es der Zufall will, sind die beiden ihre Huans. Obwohl sie anfänglich beide gleichermaßen liebt - jeden auf seine eigene Art und Weise: Bruderliebe und echte Liebe, verknallt sich auch San in sie und die beiden kommen sich immer näher ...", Cedric machte eine kurze Pause und schaute wütend und unglaublich traurig zugleich bevor er fortfuhr:

"Unmerklich wird der Bruder Ichi immer schwächer, da das Gleichgewicht gestört ist und schließlich merkt er, dass er nur noch wenige Tage zu leben hat.

Doch Ni und San sind blind vor Liebe und denken, da Ichi so wohlauf aussieht wie immer, dass sie von Gott begnadigt wurden und das empfindliche Waagschalen-System bei ihnen nicht existiert.

In dieser trügerischen Sicherheit gestehen sie sich auf dem Mitternachtsball im Herbst ihre Liebe - während der Bruder Ichi ..."

Abermals machte er eine Pause. Nia hing an seinen Lippen und hätte gern die letzten Worte aus ihm herausgeschüttelt, als er mit rauer Stimme endete:

"stirbt. Aber das bemerken die beiden erst, als sie in der Morgendämmerung nach Hause zurückkehren. Doch dann ist es natürlich schon zu spät ..."

Cedric schaute Nia mit seinen kohlrabenschwarzen Augen an.

Entsetzt starrte sie zurück.

"A ... Aber das ist eine Legende, nicht wahr?", krächzte sie und lachte nervös dabei.

"Nein, leider nicht.", seufzte der blonde junge Mann und setzte sich neben sie aufs Bett. "Es ist nichts als die Wahrheit, Na-i."

Gedankenverloren spielte er mit ihren schönen, langen, duftenden und glänzenden Haaren. Dabei schaute er sie verträumt an - ganz so, als wäre er weit, weit weg. Seine Blicke wanderten über ihre Haare, ihre Augen, ihre Ohren, ihre Wangen, ihre Nase und blieben schließlich an ihrem Mund hängen.

Diesen starrte er an, als wäre er verhext oder etwas, was er noch nie gesehen hatte.

Nach einigen Augenblicken riss er sich von dem Anblick ab und vergrub sein Gesicht in seiner Hand. Er seufzte schwer.

Schließlich wandte er sich wieder an Nia, seine Augen waren plötzlich nicht mehr so hart wie erkaltete Lava, sondern ein weicher Ausdruck hatte sich in ihnen eingeschlichen.

Oder täuschte sie sich da?

"Mach nicht denselben Fehler wie Ni und San.", bat er sie flüsternd, weiter mit ihren Haaren spielend.

"Wie meinst du das?", hakte Nia interessiert nach. Allen - bis auf Katja, hatte sie verheimlicht, dass Salvatore ihr Schwarm war.

"Ich weiß, dass du in Salvatore verliebt bist, Na-i.", seufzte Cedric schwermütig.

Zu seiner eigenen Bestätigung lief sie puterrot an.

Cedrics Verhalten wurde ihr immer unheimlicher. Seit wann war er so ruhig, ernst und vorsichtig?!

"Cedric du machst mir Angst. Sei wieder ganz der behinderte Idiot - und halte dich aus meinen Lebensangelegenheiten heraus!", sagte sie mit Nachdruck, löste seine Hand aus ihren Haaren und setzte sich auf.

Jetzt räusperte er sich.

"Willste ...", fing er an, "willste zam mit mir auf'n Mitternachtsba..."

Weiter kam er nicht, denn Salvatore war soeben ins Zimmer getreten.

Freudig sprang Nia auf und lief eiligst zu ihm. Wie ein kleiner Hund hechelte sie um ihn herum, nach Aufmerksamkeit heischend.

Zu Cedrics Schmerz und blankem Entsetzen küsste er sie.

"Du ...!", schrie der blonde junge Mann wütend und packte den Frauenschwarm unsanft am Kragen seines blau-schwarz kariertem Holzfällerhemdes.

"Cedric! Lass Salvatore gefälligst los! Wie kannst du es wagen ...?!", kreischte Nia, doch ihr Angebeteter wischte Cedrics Hand anscheinend so mühelos wie eine lästige Fliege weg.

Cedrics Augen wurden groß und er schluckte hart. Wie konnte ein Weißkopfseeadler einen Bären ...?

"Verschwinde!", schluchzte Nia, "Ich will dich nicht mehr sehen!"

Salvatore lächelte und machte kurzen Prozess: Er packte Cedric nun seinerseits am Kragen und "stellte" ihn vor die Tür - und schloss ab.

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Kalte Wut kochte in ihm hoch, als er sich wieder von diesem Schlag erholt hatte - es war unfassbar!

Da er ein Bären-Huan war, wäre es kein Problem gewesen, die Tür wieder einzutreten, doch auf einmal wurde ihm speiübel, und er schaffte es gerade noch rechtzeitig bis zur nächsten Toilette, wo er sich ausgiebigst erbrach und seine Speisekarte rückwärts sah.

Er fror und schwitzte gleichzeitig, seine gesamte Haut riss auf und blutete.

Ihm war, als würde eine höhere Macht die Luft aus seinen Lungen pressen.

Die Waage war endgültig gekippt ...

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Als Cedric erwachte, lag er mit dem Gesicht auf dem Boden der Herrentoilette.

Ein Gemisch aus Urin, Kot und Erbrochenem stieg ihm in die Nase - es war ihm unbegreiflich, wie er bei diesem Gestank nicht schon früher aufgewacht war.

Kaum fähig, einen Finger zu rühren, richtete er sich trotzdem unter großen Schmerzen auf und sah sich in einer riesigen Blutlache.

Aufgrund des extrem hohen Blutverlustes wurde ihm schwindelig und übel. Nichtsdestotrotz raffte er sich auf und verließ den Raum, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Wenn er nicht sterben wollte, musste er sich retten - und dazu musste er sich etwas einfallen lassen. Etwas anderes als der Versuch davor, Nia auf den Ball einzuladen.

Ein Plan B musste her ...

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Nia war zu ihren Lebzeiten noch nie so aufgeregt und hibbelig gewesen.

Es war Mitternachtsball und Salvatore hatte sie zu seiner Tanzpartnerin erwählt! Am Ende des letzten Schuljahres hatte sie noch sehnsüchtige Blicke auf das Tanzpaar Salvatore geworfen und davon geträumt, irgendwann, in einer fernen, weit weit entfernten Zukunft mit ihm zu tanzen ... Und nun tat sie es jetzt schon! Irgendwie kam sie sich wie in einem Märchen vor - sie war Aschenputtel und ihr Schwarm der gutaussehende Prinz.

Ihr schlichtes, hellblaues Kleid schmeichelte ihrer vorteilhaften Figur sehr und ihre hochgesteckten Haare ließen nun freien Blick auf ihre weiblichen Schultern gewähren.

Nervös knabberte sie auf ihrer Unterlippe und schlug das Angebot des Kellners aus, Orangensaft im Sektglas zu trinken - sie zitterte vor Aufregung so stark, dass sie es so oder so nur hätte fallen lassen.

Die feierliche Stimmung, die Dekoration und die traumhafte Musik setzten dem ganzen noch eins oben drauf:

Der gigantische Ballsaal war über und über mit Bannern und Leuchtketten übersät, sodass man nicht einmal mehr sagen konnte, wo die Decke oder die Wand war. Ein "kleines" Orchester, das aus ungefähr 60 Mann bestand, spielte dazu pompöse Musik und zeigte, wozu die "Old School" fähig war.

Die Tanzfläche in der Mitte bildete den Glanzpunkt: Das riesige Mosaik zog magisch den Blick auf sich. Und der Kronleuchter, von dem man wortwörtlich geblendet war, sowieso.

Schließlich erblickte sie ihn - er war zwar viel zu früh, aber das war ja egal ...: groß, schlank in einem schlichten, schwarzen Anzug mit passender schwarzer Krawatte gewandet - Salvatore sah einfach umwerfend aus!

Obwohl seltsamerweise die sexy Aura fehlte ...

"Du bist auch früh dran!", begrüßte sie ihn belustigt - die Schmetterlinge flogen Achterbahn.

"Ich kann eine Dame von solcher Schönheit doch nicht warten lassen, oder?", antwortete er galant wie eh und je und eröffnete den Tanz mit ihr: Wiener Walzer.

Zärtlich steckte er ihr eine rote Rose ins Haar. Nias Gesicht nahm dieselbe Farbe an wie die Blume.

Der Frauenschwarm musste lächeln. Behutsam führte er sie im Tanz - wie ein wahrer Prinz. Nia war überglücklich.

Nachdem die Musik verklungen war, führte er sie auf den barocken Balkon mit seinen endlosen weißen Säulen und den Engelsfiguren.

Der Mond schien hell - die Sterne funkelten romantisch. Sie sahen fast aus wie kleine Juwelen.

"Nia, heute Abend siehst du aus wie eine Prinzessin aus einer anderen Welt.", schmeichelte er ihr und strich ihr zärtlich durchs Haar.

Nia brachte keinen Ton heraus - es war ein Wunder, dass sie nicht wie eine Glühbirne leuchtete.

"Heute ist eine ganz besondere Nacht für mich.", gestand er und schaute ihr tief in die Augen.

Nia schluckte schwer.

Sein Blick wanderte über ihre Haare, ihre Augen, ihre Schultern, ihre Hüften - wieder zurück zum Gesicht, wo sie schließlich an den Lippen hängen blieben.

Nia stockte. Woher kannte Nia diesen Blick? Irgendwo hatte sie dieses Verhalten schon mal gesehen ... oder?

Nein, bestimmt täuschte sie sich!

Salvatore riss sich von ihrem Anblick ab und vergrub sein Gesicht in seiner Hand - aber nur für eine Sekunde, dann schaute er so schnell wieder zu Nia, als hätte er einen Stromschlag verpasst bekommen.

"Nia", flüsterte er heiser, "damit wir so zusammen bleiben können wie bisher, darfst du den behinderten Idioten nicht so hassen ... Auch wenn er sich ständig zwischen uns schiebt - wenn er stirbt, bin ich nicht länger dein Huan und muss von der Schule verschwinden!"

Wie vom Donner gerührt starrte Nia ihren Schwarm an.

"Ver ... schwinden?", wiederholte sie begriffsstutzig, als hätte sie sich verhört.

Doch er nickte.

Nia wurde mit einem mal übel ... Das war schrecklich! Grausam!

"Oh, es tut mir so leid, Salvatore!", schniefte sie und lehnte sich an seine große, starke Schulter, "Wenn ich das vorher gewusst hätte ...!"

"Schon gut.", beschwichtigte er sie, "Pass in Zukunft einfach besser auf, ja?"

"Ja, versprochen!"

Eine kurze Pause entstand. Nia genoss diesen Augenblick:

Sie, das kleine Mädchen stand in Samt und Seide gewandet neben ihrem Schwarm auf einem romantischen Balkon und betrachteten die Sterne. Im Hintergrund lief königliche Musik und eine kühle Brise fuhr ihr durch das Haar.

Gab es etwas schöneres? Beide genossen es in vollen Zügen, bis Salvatore die Stille durchbrach:

"Ich muss kurz weg. Wenn ich wiederkomme, werde ich so tun, als hätte dieses streng vertrauliche Gespräch nie stattgefunden, OK?"

Nia nickte und er verschwand - Nia akzeptierte alles, was ihr Schwarm ihr sagte, auch wenn er sich noch so seltsam benahm ...

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Kaum hatte er sich durch die Menge der Tanzenden geschoben, vorbei an dem großen Buffet, zwischen die Kellner mit voll beladenen Tabletts hindurch, fast quer durchs Orchester und erreichte endlich eine stille Ecke, verwandelte er sich wieder zurück.

"Gerade noch geschafft!", atmete Cedric erleichtert auf.

Wenn die Sache nicht aufflog, hatte er sich soeben selbstständig das Leben gerettet!

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Wohl war, der Mitternachtsball war wahrscheinlich der schönste Abend in Nias Leben gewesen. Noch nie sind die Schmetterlinge so heftig in ihrem Bauch herumgeflogen wie an diesem Abend!

Wolke sieben war noch nie so schön und die rosarote Brille war noch nie so pink, das Leben noch nie so strahlend!

Das war der Eindruck, den sie gewonnen hatte, als sie glücklich in ihrem Bett einschlief - kaum hatte sie die Augen geschlossen und ihr Atem ging in gleichmäßigen Zügen, durchschnitt Salvatores Stimme die nächtliche Luft wie ein Rasiermesser.

"Beachtlich, was du noch zustande bringst, obwohl du schon scheintot warst."

"Du meinst den Bann, den ich dir auferlegt habe?", fragte Cedric scheinheilig aber grollend, "“Ich liebe dich“ und ähnliche Worte sind ebenfalls "verbotene Worte" wie „Ich hasse dich“ und das weißt du ganz genau.

Stell dir vor, sogar ich hänge an meinem Leben, auch wenn es keinen Pfifferling wert ist!"

Salvatore ließ ein kleines, ersticktes Glucksen vernehmen.

"Du bist wirkliche in Meister deines Fachs - mich mit Schlüsseln zu bannen, sodass ich jene Worte nicht aussprechen kann ist schon eine reife Leistung.", gestand der Frauenschwarm.

"Doch kein Bann dauert ewig, Cedric Urs - nichts währt ewiglich!", knirschte Nias Günstling bedrohlich.

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Schönschrift

Am darauffolgenden Tag hatten sie zum ersten mal Schönschrift.

"Nun kommen wir also endlich zu dem Fach, das ich unterrichte.", begann Frau Wood und freute sich diebisch, "Wer auch immer sein erbsengroßes Hirn nicht von der Sonne hat verbrutzeln lassen oder sich weggetanzt hat, kann sich noch daran erinnern, dass es den atemberaubenden Ausdruck "Schönschrift" hält.

Anfangs wird dieses Fach von den Schülern belächelt und kaum einer tut etwas dafür. Aber wenn dann die Schulaufgabe rausgegeben wird, sind sie am Boden zerstört, wenn mindestens die Hälfte der Klasse ihre F's (= 6) kassiert.

"Schönschrift" ... Die Schüler der 10D mussten schlucken. Was konnte das schwieriges wohl sein?

""Schönschrift" ist die "Kunst" mit einem Füller, Feder, Kugelschreiber oder was auch immer zu schreiben ohne diesen Stift zu berühren.

Man lässt ihn quasi lebendig werden und die Gedanken von einem aufschreiben ohne dass man an die Beschäftigung des Schreibens gebunden zu sein.

Es ist äußerst praktisch, wenn man sich z.B. Kochrezepte aus dem Radio damit aufschreibt. Man wiederholt im Geist schnell die Zutaten - und schwupps - stehen sie auf dem Blatt, ohne sich schwarz darüber zu ärgern, dass man nicht mit dem Schreiben mitgekommen ist.

Da ihr alle wie der ungläubige Thomas dreinschaut, werde ich es euch demonstrieren."

Frau Wood hatte recht - es gab zwar kein aufgeregtes Gemurmel wie sonst, aber alle schauten sie an, als hätte sie irgendetwas genommen, was ihr nicht gut tat.

Doch nun erhob sich wie von Geisterhand der Füller, der drei Meter weiter weg auf ihrem Pult lag und kritzelte etwas auf ein Blatt. Gleichzeitig erhob sich die Kreide und schrieb in fein säuberlicher Schrift:

"Schaut mich nicht an wie eine Kuh wenn's donnert - an so etwas "ungewöhnliches" werdet ihr euch in Zukunft gewöhnen müssen!"

Füller und Kreide legten sich selbstständig wieder an ihren angestammten Platz.

Der gesamten Klasse stand der Mund vor lauter staunen offen.

Niemand wagte es, das infrage zu stellen, was er soeben gesehen hatte, denn es war unglaublich - aber Realität!

"Ihr werdet in einem bestimmten Zeitraum dann eure Tests über verschiedene Schriftarten schreiben.

Seien es nun Hieroglyphen, Runen oder Steinzeitmalerei, alles kommt dran und neben dem - selbstverständlichen - Verbot des Spickens gilt auch, dass ihr ohne Hände, Füße, Mund oder mit was ihr sonst auch immer schreibt, den Test bearbeiten müsst.

Euer gesamter Körper darf weder Kontakt mit dem Schreibgerät noch zum Blatt haben."

Nun wussten sie also, was sich hinter dem Kunstwort "Schönschrift" verbarg, was niemanden sonderlich erfreute.

Alle stellten es sich schwierig vor - aber keiner hatte auch nur die leiseste Ahnung, dass es noch viel, viel schwerer werden würde als in ihren kühnsten Träumen.

Nun teilte Frau Wood lässig Stifte und Papier aus - sie schien sich schon auf die verzweifelten Gesichter ihrer Schüler zu freuen.

"Um dieses Fach zu meistern muss man klar geordnete Gedankengänge haben. Wer nicht zwei unterschiedliche Dinge auf einmal denken kann, beschränkt sich auf eines.

Profis - wie ich - können etwas schreiben, zugleich reden und noch an die Einkäufe am Nachmittag denken, ohne dass dies in dem Geschriebenen erscheint.

Man muss sich auf den Füller - oder was auch immer - konzentrieren und sich vorstellen, man nehme ihn mit der Hand auf. So als hinge er an unsichtbaren Marionettenfäden.

Falls ihr das schaffen solltet, werdet ihr erstaunt sein, wie viel Kraft euch das abverlangen wird - Ein Schüler hat das einmal sehr treffend mit der Erklimmung des Mount Everest verglichen, denn genau so kommt es einem am Anfang vor.

Aber genug gelabert - fangt an!", schloss die Lehrerin und beobachtete amüsiert die angestrengten Gesichter ihrer Schützlinge:

Manche hatten ihre Stirn so in Falten gelegt, als hätte man sie umgepflügt, andere lief schon der Schweiß über die Stirn und wieder andere schienen den Stift mit ihren Blicken eher töten zu wollen.

Nur Cedric und Salvatore schafften es auf anhieb - beide stammten aus alten Familien, wo "Schönschrift" geläufiger war als das Schreiben per Hand.

Nia starrte ihren Stift mit einer Mine grimmiger Entschlossenheit an, aber man konnte deutlich erkennen, dass sie ihn am liebsten entzwei brechen würde und gegen die Wand schleudern wolle.

Nach fünf Minuten bösartige Blicke bewegte er sich.

Ihr Gesicht hellte sich sofort auf - sie hatte es geschafft! Und von wegen "Erklimmung des Mount Everest" - sie spürte gar nichts!

"Oh, Entschuldigung. Ich bin gegen deinen Tisch gestoßen.", unterbrach ein Klassenkamerad Nias innerlichen Triumph.

Damit war ihr Stolz gebrochen.

So ein verdammter Mist!

"Stell dir vor, deine ganze Energie fließt in den Stift - du bist der Stift.", half der blendend aussehende Salvatore ihr weiter und eine erneut ehrgeizige Nia machte sich ans Werk.

Angestrengt konzentrierte sie sich auf das Schreibutensil vor ihr.

Kraft fließen lassen ...

Kraft fließen lassen ...

...

Plötzlich fühlte es sich so an, als würde alle Lebensenergie aus ihr herausströmen.

Arme und Beine wurden taub und ihr Kopf fühlte sich seltsam leer an.

In ihren Ohren hörte sie das Rauschen ihres eigenen Blutes.

Durch eine Art Nebelschleier nahm sie wahr, dass der Stift sich wie von Geisterhand aufstellte - danach wurde alles schwarz um sie.

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"Du könntest schön langsam Stammgast hier werden.", tönte die Stimme von Cedric an ihr Ohr, als sie aufwachte und sich im Krankenzimmer wiederfand, "Möchtest du eine Mitgliedskarte?"

Obwohl ihr immer noch schlecht und schwindlig war, ignorierte sie Cedrics Sticheleien und fragte:

"Wo ist Salvatore?"

Entnervt antwortete Cedric: "Bei der Wahl."

"Hä? Welche Wahl?", fragte Nia wie benommen.

Die Lippen des Blondschopfs kräuselten sich. "Na welche wohl: Es gibt nur die eine! Zum First und Second - du weißt doch ...!"

Nia schaute ihn mit tellergroßen Augen an. "First? Second? Was ist das denn?"

Cedric seufzte schwer. "Die Wahl vom First und Second wird gemacht, damit jeder Huan einen festen Prozentsatz an Kraft und Magie bekommt. Das machen die Huans unter sich aus; jeder kriegt was von den 100%; wenn der First - der immer mehr als 50% bekommt - bestimmt ist, geht er zur allgemeinen Wahl und kriegt seinen neuen Titel. Es wird dann eingetragen und ändert sich bist zur nächsten Wahl nicht mehr.", erläuterte er.

Nia verstand. Aber ... "Was ist bei 50%? Und was bringt das ganze überhaupt?", wollte sie wissen.

Wer hätte gedacht, dass die Welt der Huans so vielschichtig ist! Nia war direkt verblüfft - es gab sogar Titel!

"50% hat es in der Geschichte der Huans noch nie gegeben. Das würde nämlich bedeuten, dass der Ruler beide Huans genau gleich gern hat. Das ist quasi unmöglich - eine Schwankung von 10%-15% ist normal.", erläuterte Cedric während er immer wieder von einem knackig grünen Apfel abbiss.

"Um deiner nächsten Frage gleich entgegen zu kommen:", kaute der junge Mann, "Es gibt auch Fälle, da hat der First 100% und der Second 0% - allerdings stirbt dann der Second; ab 4% oder weniger wird's mehr als kritisch!"

Nia sog erschrocken die Luft ein.

Auf einmal war ihr schlecht, ja - speiübel.

Konnte es sein, ...?!

Cedric schaute sie mit einer ruhigen Entschlossenheit an, "Wie ich an deinen Augen ablesen kann, hast du's schon erkannt:

Jepp, die "verbotenen Worte" bringen einen der beiden Huans ein großes Stück in Richtung 0% - den definitiven Tod also.", meinte er lässig und fuchtelte locker mit dem Apfel in der Luft herum, als würde er gerade die Wetterlage für morgen verkünden.

Tränen schossen Nia in die Augen. Soeben stellte sie sich vor, dass Cedric - der behinderte Idiot - unter die gefährliche 4%-Marke fiel ...

Obwohl sie ihn verabscheute ... Obwohl er sich immer wieder in ihre Angelegenheiten mischte ... Obwohl er ihr so viel schon versaut hatte ... Obwohl er immer gemein zu ihr war ...

Das durfte auf keinen Fall geschehen!

Ihre Augen brannten, heiße Tränen kullerten Nias Wangen hinunter und ein dicker, fetter Kloß hatt sich in ihrem Hals gebildet, bevor sie sich auch nur versah.

Angesichts ihrer Tränen wurde Cedric rot.

"Hey ... Du wirst doch nicht etwa weinen?", fragte er überflüssigerweise und fühlte sich unbehaglich.

Vorsichtig wischte er mit seinem Ärmel eine Träne aus ihrem Gesicht.

"Oh Cedric - ich ...", krächzte Nia hilflos, brachte den Satz aber nicht zu Ende, weil sie ein heftiger Weinkrampf schüttelte.

Sie erkannte, wie furchtbar der Verlust des "behinderten Idioten" für sie wäre.

Noch mehr Tränen kullerten aus ihren Augen.

"'ey! Jetz mach mal'n Punkt!", knurrte Cedric verzweifelt, als er sah, dass der Tränenfluss nicht gestoppt worden war. Seine Stimme war ganz rau, aber weich.

Zärtlich streichelte er über ihre Wange - wie ein Scheibenwischer wischte er eine Träne nach der anderen weg.

"Hör auf, sonst muss ich dich ..", nuschelte er, hob zärtlich ihr Kinn und beugte sich behutsam zu ihr runter.

Nia wehrte sich nicht, sondern spürte ein Kribbeln im Bauch.

Doch dieser Moment war ihm nicht vergönnt - die Tür flog auf und Cedric zuckte zurück als hätte er einen Elektroschock bekommen und fiel glatt vom Stuhl.

Mächtig, männlich, majestätisch: Salvatore stand wie ein strahlender Ritter in der Tür und betrachtete den Schauplatz:

Eine weinende Nia und ein Arschloch, der eben so schnell zurückgezuckt war, als hätte er etwas mit seiner Nia angestellt ...!

"Hast du sie zum Weinen gebracht?!", giftete Salvatore den Blonden an und stürzte sich auf ihn.

"Hey! Ich .. nein ... na ja ... doch ...", stammelte Cedric, doch Nia funkte dazwischen:

"Er hat mir nichts getan, Salvatore - es ist nichts passiert!", beteuerte sie und der Frauenschwarm ließ auf Geheiß seiner Prinzessin Cedric los.

"W ... Wie war die Wahl?", wollte das junge Mädchen wissen und schluckte.

Wann starb ein Huan mit weniger als 4%?

Nach der Wahl oder erst, wenn er es mit eigenen Ohren gehört hatte?

Oder spürte er das einfach?

"95-5", antwortete Salvatore knapp und Nia bildete sich ein, eine Spur Bitterkeit darin gehört zu haben, oder etwa nicht?

Nein, das war bestimmt nur Einbildung gewesen!

Ihr und vor allem Cedric, der vor lauter Anspannung sogar die Luft angehalten hatte, fiel ein Stein in der Größenordnung des Mount Everest vom Herzen.

1% vorbei!

Um ein Haar hätte es ihn erwischt, aber wie durch ein Wunder hatte er es überstanden!

Natürlich hielt dieser Zustand nicht für immer und ewig, aber fürs erste hatte er sein Schäfchen ins Trockene gebracht!

Der blonde Hüne wischte sich den Schweiß von der Stirn und rappelte sich auf.

Salvatore hatte sich inzwischen auf Nias Bettrand gesetzt und ihre Tränen getrocknet. Nia war froh, dass Cedric nun doch nicht starb - jetzt konnte sie ihre Aufmerksamkeit ja wieder voll und ganz ihrem Schwarm zuwenden.

"Was hältst du davon, wenn wir in die Stadt shoppen gehen? Heute war ein anstrengender Schultag für uns beide gewesen - Schönschrift, Wahl ...

Du hast dir eine Erholung mehr als verdient, findest du nicht?", flüsterte Nias Flamme beruhigend, zärtlich und liebevoll.

Noch bevor sie antworten konnte, mischte Cedric sich ein:

"Ich komm mit!"

Die beiden Turteltauben drehten erschrocken ihren Kopf zu ihm, fast so, als hätten sie völlig vergessen, dass es ihn auch noch gab.

"Warum solltest du?!", fragte Salvatore barsch und seine sonst so warmen, freundlichen Augen schauten seinen Erzfeind herablassend, kalt und vernichtend an.

"Warum?", wiederholte Cedric stupide, "Na weil wir eine Gruppe sind: Ein Ruler, zwei Huans! Das sind nach Adam Riese drei Personen und nicht zwei!"

"Und wer sagt dir, dass wir das als Gruppe machen und nicht nur wir zwei?! Vielleicht wollen wir dich gar nicht dabeihaben!", schnarrte der Frauenschwarm wütend.

Nia wurde rot vor Verlegenheit.

Das würde ja - wieder mal- ein Date sein! Auf keinen Fall sollte da der behinderte Idiot dabei sein!

Doch gerade als Nia ihren Mund aufmachte, öffnete sich erneut die Tür und den Mädchen verschlug es die Sprache:

Ein Mann mit absoluten Top-Model-Maßen, etwas längeren, schokobraunen Haaren, bernsteinfarbenen Augen und einem Lächeln, das ansteckend war, betrat den Raum.

Sein langer, weißer Arztkittel stand ihm ausgezeichnet.

"Ich möchte euch ja nicht unterbrechen ... Aber es ist eine Grundregel, dass der Ruler nie allein mit einem Huan, sondern immer mit beiden unterwegs sein muss. Has du das etwa nicht gewusst, Salvatore?", fragte der Arzt und sein Blick bohrte sich in die Augen des Frauenschwarms, der trotzig und vor allem wütend zurückstarrte, da sein geplantes Date soeben wie eine Seifenblase geplatzt war.

Geladene Stille entstand zwischen den beiden, die Nia schließlich etwas unpassend brach:

"Ähm ... Wie hießen Sie doch gleich wieder, Herr ...?"

Der Unbekannte lachte und zeigte eine Reihe strahlend weißer Zähne.

"Ich bin kein Arzt - ich bin so alt wie du - ich bin nur beim freiwilligen Rettungsdienst!"

Er musste wieder lachen.

"Mein Name ist Miguel Sorro. Freut mich, dich kennen zu lernen, Nia.", sagte er galant und hauchte ihr einen Kuss auf die Hand.

"Miguel ...", wiederholte Nia gedankenverloren und errötete leicht,

"Woher kennen Sie ... äh ... kennst du meinen Namen?"

"Na ja ... Jemand, der so oft im Krankenflügel liegt und außerdem noch DIE ist, die zwei offensive Huans - Salvatore, der Frauenschwarm und Cedric, den Außenseiter - hat ..." Beide jungen Männer schnaubten, doch Miguel fuhr unbeirrt fort: " ... die muss man doch kennen, oder?"

Miguel schaute zwischen den drei hin und her.

"Wenn ihr heute noch eure Shoppintour machen wollt ...", überbrückte der Neue die wiederaufkommende, unangenehme Stille, "Dann würde ich mich langsam auf die Socken machen, bevor ihr hier noch Wurzeln schlagt!"

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Kaum war Nia und ihre Huans aus dem Raum gewesen, trat Frau Wood ein und fragte Miguel interessiert:

"Und? Was hältst du von ihr?"

Der junge Mann lachte in sich hinein.

"Du hattest Recht, Eunice. Man kann die "sagenumwobene" Nia lesen wie ein offenes Buch."

Er schritt zum Fenster und zog den Vorhang mit einem seiner langen, wohlgeformten Fingern zurück.

Keine Minute später flitzte Nia über den Hof.

"Wie ein offenes Buch ...", nuschelte er mehr zu sich als zu Frau Wood.

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Shopping

Nia konnte sich nicht mehr daran erinnern, das letzte mal shoppen gegangen zu sein. Sie genoss die frische Luft und den Wind, der durch ihre Haare wehte - wann war sie das letzte mal so frei gewesen?

Und dazu war sie auch noch mit ihrem Schwarm unterwegs! - Mal den behinderten Idioten ausgeblendet konnte das nur ein hervorragender Nachmittag werden!

"Tob dich aus, Nia.", lächelte Salvatore und fügte verlegen hinzu: "Jungs können mit "shoppen" nicht viel anfangen, aber für dich ..."

Nia spürte, wie ihr Gesicht heiß vor Verlegenheit wurde. Salvatore war der geborene Gentleman! Hach, sie hätte dahinschmelzen können!

Die Altstadt war so bezaubernd wie in einem Märchenland:

Kleine Läden mit wuchtigen, reich verzierten Fassaden, die an 1001 Nach erinnerten und lauter exotischer hübschen Sachen vollgestopft waren:

lange Kleider mit Schleiern, Brokat und Seide, lange, verschnörkelte Ohrringe, wohlriechende Gewürze, unbekannte Früchte und unendlich viele andere Dinge, die Nias Augen zum Leuchten brachten.

Zuerst flitzte sie zu einem kleinen Schmuckladen, von dessen Decke Seidentücher aller Formen und Farben hingen und viele Windspiele, die in der Sonne geheimnisvoll glänzten und wunderschöne Melodien spielten.

"Schaut mal - wie süüüß!", stieß Nia aus und hielt den beiden Jungs - wohl eher Salvatore als Cedric - ein Paar Ohrringe in Form von roten Rosen unter die Nase.

Cedric rümpfte die Nase, als hätte er etwas verfaultes gerochen - Salvatore dagegen lächelte zärtlich, nahm sie seinem Ruler vorsichtig aus der Hand und hielt sie behutsam an ihre Ohren.

"Sie stehen dir ausgezeichnet, Nia!", flüsterte er, "Rote Rosen stehen für ewige Liebe!"

Schamesröte stieg dem Mädchen ins Gesicht. Jedes Mal, wenn Salvatore das Wort "Liebe" aussprach, wurde ihr heiß und kalt und Schmetterlinge flogen in ihrem Bauch in unermessliche Höhen. Und erst sein Lächeln ... Nia kribbelte es überall und sie strich sich verlegen eine Strähne hinters Ohr.

"Dieses Paar mit der dazugehörigen Kette und dem Ring, bitte!", rief der Frauenschwarm dem Verkäufer zu.

Nia traute ihren Ohren nicht!

"Hä?!", stieß sie aus, "A ... Aber ...!"

Doch bevor sie irgendwelche Einwände vorbringen konnte, meinte Salvatore belustigt: "Kein "aber"! Geschenke dieser Art nimmt man doch liebend gerne an, oder?"

Das Mädchen nickte stumm und strahlte. Ihr heiß und innig geliebter Salvatore hatte ihr ein Geschenk gemacht! Vorsichtig legte der gutaussehende Gentleman den Schmuck an - den Ring beinahe so feierlich wie auf einer Hochzeit, was Nia noch mehr in Verlegenheit brachte.

Cedric schaute dem ganzen Spektakel aus sicherer Entfernung mit einer finsteren Mine zu.

"Ich werde ihn in Ehren halten, Salvatore!", kicherte Nia und küsste ihn auf den Mund.

Cedric wurde mit einem Mal so schlecht, dass er dazu gezwungen war, sich an einem Laternenpfosten festzuhalten.

Lag das an dem gefährlichen, sensiblen Gleichgewicht der beiden Huans? Oder an diesem wie Gift und Galle brennendem Gefühl in seiner Bauchgegend und dieser unbeschreiblichen Wut?

Als die beiden sich auch noch kuschelnd in den Armen lagen, brach der Blondschopf vor Schmerz fast zusammen.

"Auseinander!", fauchte Cedric wütend und funkelte Salvatore böse an.

Dieser begriff - mehr oder minder - den Ernst der Situation und befreite sich mit sanfter Gewalt aus Nias Umarmung.

"Angerissen?", fragte der Frauenschwarm kaltherzig, aber ernst.

Cedric lächelte spöttisch und wütend zurück.

"Fast übertreten!", knurrte er.

Nia wechselte einen verwirrten Blick von ihrem Schwarm zum behinderten Idioten und wieder zurück. Salvatore, der ihren Blick bemerkte, meinte beschwichtigend:

"Nichts wichtiges, mach dir keine Sorgen!"

Doch der blonde jung Mann erwiderte sauer: "Und ob das wichtig ist!"

Cedric wandte sich an Nia: "Immer, wenn die 4%-Marke eines Huans eintritt, obwohl sie davor darüber war, nennt man das "anreißen". Sobald sich dieser Zustand verfestigt oder sogar noch sinkt, nennt man das "übertreten". Wenn das eine Zeit lang so bleibt, hat der betroffene Huan immer stärkere Schmerzen und stirbt letzten Endes."

Nia war während Cedrics Rede immer blasser geworden - inzwischen konnte man nicht mehr sagen, ob die Wand oder das Mädchen bleicher waren.

Soeben war ihr bewusst geworden - schmerzlich bewusst sogar, dass Salvatores Zärtlichkeiten gegenüber ihr immer Schmerz und Leid für den behinderten Idioten bedeuteten

Aber was viel, viel schlimmer, ja, sogar grausam war: Es bedeutete, dass sie und ihr Schwarm niemals zusammen sein konnten! Tränen schossen ihr bei dieser Erkenntnis in die Augen, doch Salvatore zerstreute diese Zweifel gleich:

"Du denkst zu weit, Nia! Heute soll ein schöner Tag für dich werden - lass ihn dir nicht durch so etwas verderben!"

Cedric war so empört, dass er seinen Mund nur auf und zuklappte wie ein Fisch an Land.

Der Frauenschwarm führte das Mädchen inzwischen zum nächsten Stand, der Klamotten verkaufte. Der Kummer war mit einem Mal wie weggeblasen und Nia strahlte wieder.

Auch Cedrics Gesichtsausdruck hellte sich bei ihrem Anblick wieder etwas auf und er setzte sich in Bewegung um seinem Ruler näher zu sein.

"Ich wollte mir schon lange neue Klamotten kaufen!", plapperte Nia fröhlich und zog ein Kleidungsstück nach dem anderen vom Stand.

Jetzt fiel sein Blick auf den Schmuck den Salvatore ihr geschenkt hatte:

Die Halskette, die Ohrringe und der Ring standen ihr außergewöhnlich gut.

Doch das hätte er niemals zugegeben.

Er musste fast lächeln als er ihr glücklich strahlendes Gesicht sah und wie sehr sie sich über das Geschenk freute. Nun hatte sie etwas, was sie immer tragen konnte - egal zu welchem Anlass - und sie immer an ihren Schwarm erinnerte.

Nia war in der Umkleide verschwunden, aber wie man es von einer Frau erwartete, tauchte sie Sekunden später komplett umgezogen wieder auf.

Ihr neues Outfit ließ sowohl Cedric als auch Salvatore erröten:

Das V-förmig ausgeschnittene T-shirt, welches eng geschnitten war, umschmeichelte ihre vorteilhafte Figur. Die 3/4- Hose ließ ungewohnt viel Bein hervorblitzen.

Beide Jungs erröteten; Cedric sogar so, das er sich peinlich berührt wegdrehte - er hatte einige Augenblicke gebraucht um sich von ihrem Anblick loszureißen.

"Du siehst zauberhaft aus, Nia", umschmeichelte Salvatore sie ehrlich und war ganz fasziniert von ihrer schönen, ungewohnten Erscheinung.

Nia lief tiefrot an und verkrümelte sich dezent zurück in die Umkleide. Was als nächstes kam, hätten sich die beiden nicht im Traum ausmalen können obwohl das Mädchen beflissen durch die Vorhänge wisperte:

"Ich glaube, das ist zu gewagt!"

Keiner der zwei Jungs hatten sie wirklich ernst genommen, dachten nur daran, das alle Frauen wohl so etwas auf ihrer Shoppingtour sagten. Als sie heraustrat, blieb ihnen die Spucke weg:

Nia hatte ein äußerst tief ausgeschnittenes, nicht mal bis zu den Knien reichendes Kleid an, dass am Dekoltée mit verführerisch aussehenden Spitzen verziert war. Die dünnen Träger ließen ihre wohlgeformten Schultern sehen und ihre wunderschönen, langen Beine kamen perfekt zur Geltung.

Sowohl Salvatore als auch Cedric mussten sich zwingen, ihren Blick von ihrem Ausschnitt zu nehmen und wussten im nächsten Augenblick auch nicht, wo sie sonst hinschauen sollten:

Auf ihre nackten Beine?

Die freien Schultern?

In ihr schönes Gesicht?

Cedric schaute schnell zu Boden und auch Salvatore war sichtlich beschämt.

Nia wurde nicht annähernd bewusst, was für Gefühle sie auslöste; wie sehr sie das Blut ihrer beiden Gefährten in Wallung brachte.

"Das nehmen wir.", krächzte Cedric nur, damit sie endlich wieder ihre normalen Klamotten anzog.

Zwar spürte der Blondschopf den zornigen Blick seines Widersachers, doch das juckte ihn überhaupt nicht.

Als Cedric bezahlt hatte, war Nia bereits wieder umgezogen, was ihn sehr erleichterte. Wortlos nahm sie die Einkaufstüte entgegen.

Natürlich freute sie sich wie ein Schneekönig, aber sie hatte gehofft, dass Salvatore ihr dieses Geschenk machen würde und nicht der behinderte Idiot!

Cedrics Gesichtsausdruck verdunkelte sich, als er ihre enttäuschte Mine sah.

"'Ey! Wenigstens kannste dich bedanken oder haste beim Umziehen deine Zunge verschluckt?", knurrte der Blonde und funkelte sie an.

Doch bevor Nia entsetzt schauen konnte oder Salvatore emört Einwände erheben konnte, wurde auf einmal alles schwarz um sie.

Alles verschwand: Geschäfte, Menschen, Bäume, Autos und zum Schluss selbst der Boden, auf dem sie standen.

Nia entfuhr ein erschrockener, spitzer Schrei, aber die beiden Huans begriffen sofort, was Sache war.

"Jemand hat einen Battle gegen uns begonnen!", murmelte Salvatore geistesabwesend und rief laut: "Annehmen!"

Mit einem Schlag entstanden tausende Pixel um sie, die immer kleiner wurden und schließlich ein scharfes Bild ergaben:

Eine unendlich weite, saftig grüne Wiese und ein wolkenloser, stahlblauer Himmel.

Vor ihnen stand in einiger Entfernung Anita, einer der drei Janata-Schwestern, die Oberhäupter des Salvatore-Fanclubs, die sich Nia noch entfernt und düster erinnern konnte. Neben ihr standen zwei Jungs, ihre Huans, die sie noch nie in ihrem Schulleben gesehen hatte.

"Jetzt hab ich dich, Nia!", brüllte Anita wie in Raserei. "Hans, Franz - Connect!"

Vor den Augen des Dreiergespanns verwandelten sich die beiden Jungs in einen Elefanten und einen Tiger. Nia starrte sie ungläubig an, sodass Anita, ihre Widersacherin, laut und gehässig lachte.

"Ich werde dich niederwalzen! Ich werde dich vernichten!", kreischte sie wie wahnsinnig und befahl gebieterisch: "Franz - zum Angriff! Zerfetze das Gör mit deinen Krallen, sodass man sie nicht wiedererkennt!"

Salvatore raunte Nia ungeduldig zu: "Nia! Verbünde dich mit mir - schnell!"

Verdutzt stotterte das Mädchen: "S ... Salvatore - Connect!"

Und im nächsten Augenblick war ihr Schwarm ein Adler geworden - gerade noch rechtzeitig, um den herannahenden Angriff des Feindes abzuwehren. Anita stampfte wütend mit dem Fuß auf.

"Los Franz! Verspeiß dieses Grillhähnchen; rupf es wie ein Huhn!", plärrte sie wie von Sinnen.

Nun musste der Frauenschwarm acht geben: Wenn er nicht aufpasste und Vorsicht walten ließ, indem er dem Angriff des Tigers auswich, so konnte Nia womöglich böse verletzt werden. Andererseits: Wenn er den Angriff vollends abfing, wäre er womöglich stark angeschlagen und konnte seinen Ruler vor künftigen Attacken nicht mehr schützen.

All diese Gedanken liefen im Bruchteil einer Sekunde durch Salvatores Gehirn und handelte blitzschnell: Im vollem Sturzflug peilte er das Auge des Tigers an, der seine geplante Attacke abbrechen musste um im nächsten Augenblick noch im vollen Besitz seines Augenlichts zu sein, was ihm aber nicht ganz gelang.

Salvatore streifte den Gegner mit seinen rasiermesserscharfen Schnabel am Kopf, sodass er eine tiefe Wunde hinterließ.

Der Frauenschwarm schmeckte das Blut seines Widersachers und spuckte es aus.

Anita tobte.

Sie wusste, dass, solange Salvatore fliegen konnte, sie keine Chance hatte, Nia zu vernichten. Natürlich war ihr bewusst, dass sie ausgerechnet ihren Schwarm, von dessen Fanclub sie eine der obersten drei war, aus dem Weg räumen musste, um zu siegen.

Aber es war ja nur ein Spiel - nicht wahr?

Von demher spielte es keine Rolle. Ein plötzlicher Geistesblitz durchzuckte sie. Mit linkischen Fingern zog sie einen matt schwarz schimmernden Schlüssel mit einem eingravierten Seil aus der Tasche.

Ohne Zweitgedanken schleuderte sie ihn aufs Schlachtfeld, wo er sich auflöste, sich in ein schwarzes Seil verwandelte und sich wie eine Klapperschlange aufrichtete und auf den majestätischen Weißkopfseeadler zuschoss.

Bevor Salvatore sich rühren konnte - außerdem wusste er, dass Flucht zwecklos war, wickelten sich die Seilenden um seine Flügel, zurrten sie fest und schließlich wurde der Strick unsichtbar.

Augenblicklich stürzte der verwandelte Frauenschwarm wie ein Stein vom Himmel.

"Salvatore!", stieß Nia entsetzt aus.

Was sollte sie tun?

Ihr Schwarm kam dumpf auf dem Boden auf. Bis jetzt hatte sie nur stumm und nutzlos zugeschaut, aber sie musste jetzt etwas unternehmen!

"Sie hat ihm die Fähigkeit des Fliegens genommen.", erklärte Cedric in einer Seelenruhe, als ob er es genießen würde - doch darüber konnte Nia sich nun nicht ärgern.

Seine Augen huschten nervös über die Area, als suchten sie eine Art Notausgang, eine Lösung - also war er nicht ganz so ruhig, wie er tat.

Am liebsten hätte ihm Nia eine gefegt und geschrieen:

"Ach nee - glaubst du etwa, ich habe keine Augen im Kopf oder was?!"

Doch stattdessen nickte sie stumm und schluckte schwer. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Ihre Handflächen wurden schweißig.

"Pack sie!", lautete Anitas nächster Befehl und Cedric schubste Nia zur Seite, sodass sie "nur" leichte Schürfwunden vom Aufprall erlitt, aber den tödlichen Krallen des Tigers entwischt war.

"Wa ... Wa ... Was soll ich nur tun?", fragte Nia hilflos und weinerlich.

Salvatore konnte nicht fliegen, obwohl er ein Vogel war, Nia musste vor einem wild gewordenen Tiger die Beine in die Hand nehmen und Cedric stand nur nutzlos herum!

Irgendwie keine berauschenden Aussichten ...

Der Gentleman war inzwischen wieder auf seinen Adlerkrallen, aber man sah deutlich, dass er damit viel zu langsam und unbeholfen war.

"Lass mich helfen!", bot der blonde Hüne an, aber Salvatore warf ihm einen vernichtenden Blick zu.

"Niemals in meinem gesamten Leben, du 5%-Missgeburt!", fauchte der Frauenschwarm böse.

Cedric war es deutlich anzusehen, dass er dem Vogel am liebsten jede Feder einzeln ausgerissen hätte, aber er riss sich gewaltig am Riemen.

"Du weißt genauso gut wie ich, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis der Tiger dich zerreißt, der Elefant dich zermalmt und Anita dir die Lichter auspustet! Drei gegen einen - Nia kann man ja auch nicht zählen ... - wie willst du das schaffen?", murrte der Blondschopf und fügte trotzig hinzu:

"Außerdem hast du von deinen ach so tollen 95% nicht mal 30% verwendet, damit die "Last" für Nia nicht zu groß und sie geschont wird! Und jetzt verhindert das "Seil" das du deine Kräfte erhöhen kannst, oder etwa nicht?!"

Beide schauten sich feindselig an. Nia brauchte länger um das Gesagte zu verarbeiten und bemerkte erst jetzt, dass es tatsächlich stimmte:

Die "Last" war dieses Mal geradezu lächerlich!

Das Mädchen wurde rot - Leider konnten sie sich nicht länger beratschlagen und Pläne schmieden, da Anitas Tiger-Huan erneut zum Schlag ausholte. Mit knapper Not konnte der Frauenschwarm wieder entkommen, aber der Abstand war beträchtlich geschrumpft.

Da meldete sich Salvatore wieder zu Wort: "Wie du siehst komme ich hier prima allein zurecht. Ich brauche keine Hilfe!"

Cedric schüttelte verzagt den Kopf - für den war echt jedes Wort zu viel! - und wandte sich an Nia:

"Lass Vernunft walten, Ruler! Dein Adler hat gestutzte Flügel und steht einem tollwütigen Tiger gegenüber! Selbst wenn er ihn besiegt - was ich nicht glaube - so muss er noch an diesem Dickwanst von Elefant vorbei, bevor er sich dem Ruler, unserem eigentlichem Zielobjekt, zuwenden kann!

Das ist fast unmöglich! Aber wenn du dich mit mir verbündest; ich gegen den Tiger, er gegen den Elefanten und du gegen den Ruler ... Dann können wir es schaffen!"

Nia biss sich nervös auf die Unterlippe und schaute sich um: Er hatte leider Recht!

"Hör nicht auf ihn!", fauchte Salvatore, aber Nia schüttelte den Kopf und rief:

"Cedric - Connect!"

Der blonde Hüne lächelte zufrieden und verwandelte sich flugs in einen Bären:

Hellblondes Haar wurde kurz und braun, langgliedrige Finger wurden zu kurzen Krallen und plüschigen Pfoten.

Eine akkurate Nase wurde zu der eines Bären und die Augen wurden dunkelbraun.

Alles war Plüsch und Fell - wie ein Wollknäuel!

Nia spürte einen Augenblick die Last, die aber kaum der Rede wert war: Ihre Beine waren kurz wie Pudding und ihr war kurz übel, dann war es wieder weg.

"Ich habe einen Plan, Ruler! Willst du ihn befolgen?", fragte Cedric herausfordernd und Nia überlegte keine Sekunde: "Ja!"

"Gut!" Sofort stürzte sich der Blonde auf den Tiger, der eben gerade noch mit dem Adler beschäftigt gewesen war und nun überrascht wurde.

Mit einem Prankenhieb war er aus dem Weg geräumt, obwohl er sich fauchend und knurrend wieder aufrichtete.

Immerhin war er nun stark angeschlagen, denn dickes, dunkelrotes Blut tropfte die Flanke des Tigers hinab.

"Adler - du gehst zum Elefanten!", ordnete Cedric an und Salvatore gehorchte widerstrebend, nachdem er Nias fordernden Blick sah.

Der Bär hielt dabei weiterhin den Tiger in Schach.

"Nia! Der kleine durchsichtige Schlüssel den du bekommen hast - setz ihn ein!", ächzte Cedric, da er gerade mit der "großen Katze" rangelte.

Verdutzt wühlte das Mädchen in ihren Taschen und fand schließlich das Gesuchte: Der Schlüsse, an dem ihr der behinderte Idiot erklärt hatte, was Farbe, Größe und Gewicht bei solch einem Ding ausmachten.

"Mehr als eine Böe ist nicht drin ...", hallte Cedrics Stimme von damals in ihren Ohren. Verwundert starrte sie erst den Gegenstand, dann den Bären an.

Trotzdem zögerte sie nicht länger und warf den Schlüssel in die Area.

Plötzlich spürte sie ein Kribbeln im Rücken, welcher über ihre Arme bis in die Hände floss.

"Du kannst es kontrollieren, Nia!", erklärte der Bär und biss zwischendurch in den Schenkel seines gestreiften Widersachers.

"Beförder den Lackaffen so hoch wie du kannst über den Dickwanst von Elefant und lauf so schnell wie möglich zu dieser blöden Pute deren Name ich schon wieder vergessen habe, verstanden?! Du musst sie ausknocken, erst dann ist der Kampf vorbei, Nia!"

Die Angesprochene schluckte schwer. Es war ihr erster richtiger Battle, aber es war zugleich eine Herausforderung.

Auf die Plätze, fertig - los!

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Fight!

Obwohl Nia keine Ahnung hatte, wie sie die Böe kontrollieren sollte, funktionierte es doch. Ihr größter Wunsch war den Kampf endlich zu beenden und Salvatore zu verarzten.

Kaum war dieses Verlangen aufgekeimt, verschwand das Kribbeln in ihren Händen und ein lauer Windhauch fuhr unter des Adlers ausgestreckte Schwingen, sodass er schwindelerregende Höhen erreichte.

Gebannt schaute sie zu, doch das Kampfgetümmel um sie herum holte sie aus ihren Tagträumen, bevor sie darin hatte versinken können.

Nun rannte Nia weiter auf ihre Gegnerin zu, die ihr schon mit einem irren, wahnsinnigen Gesichtsausdruck entgegengesprungen kam. Bevor Nia ausweichen konnte, hatte Anita sie erreicht und biss ihr mit erschreckend langen Vampirzähnen in den Oberarm.

Die Verletzte stieß einen schmerzverzerrten, spitzen Schrei aus und trat ihrer Widersacherin mit dem Knie in den Bauch.

In Nias Augen waren Tränen geschossen.

Die „Janata“-Schwester grinste höhnisch und befriedigt. Mit ihrem rechten Daumen wischte sie das Blut von ihrem Reißzahn.

Der Kick in die Magengegend schien ihr gar nichts ausgemacht zu haben!

„Na? Was sagst du zu meinen süßen, kleinen Zähnchen?“, fragte Anita lässig.

Nia antwortete nicht.

Ihr Hirn arbeitete auf Hochtouren.

Wie sollte sie sie schlagen?!

Sie hatte sich noch nie mit jemanden geprügelt! Wie konnte man doch gleich jemanden K.O. schlagen, ohne das er große Blessuren davontrug? Nia konnte sich beim besten Willen nicht mehr dran erinnern.

„Es ist eines der neuesten Modelle auf dem Markt – hat zwar viel Moos gekostet, aber es hat sich gelohnt, nicht wahr?“, plapperte Anita fröhlich weiter, denn anscheinend glaubte sie, dass der Sieg schon ihr gehörte.

Salvatore benutzte die Thermik aus, um noch höher in die Luft zu steigen. Als er hoch genug war, legte er seine Flügel eng an seinen gefederten Leib und ließ sich fallen wie ein Stein.

Der Sturzflug hatte etwas berauschendes an sich; alles war so schnell, niemand konnte sich ihm in den Weg stellen, womit er der uneingeschränkte Herr der Lüfte war.

Nun fuhr er seine tödlichen, scharfkantigen Klauen aus, damit sie sich im nächsten Augenblick in das rechte Auge des Elefanten gruben konnten. Dieser trötete vor Schmerz laut auf und versuchte panisch, Salvatore wie eine lästige Fliege mit seinem Rüssel zu vertreiben.

Doch der Frauenschwarm dachte gar nicht daran und hüpfte auf die linke Seite, um dem Dickhäuter das andere Auge auszustechen.

Dazu sollte es aber nicht mehr kommen, denn der Elefant verwandelte sich wieder in einen Menschen zurück.

Der erste Gegner war damit erfolgreich ausgelöscht. Salvatore leckte sich das Blut von der Schnabelspitze.

Wie bei jedem besiegten menschlichen Huan hatte er dieselben Verletzungen wie sein tierisches Ich. Hans, so der Name des Elefanten-Huans, wand sich auf dem Boden wie eine Schlange. Sein Gesicht war mit seinen Händen bedeckt, sodass das Wimmern gedämpft wurde.

Nias Schwarm beobachtete ihn noch einige Augenblicke, dann wandte er sich ab und widmete seine Aufmerksamkeit Cedric.

Dieser kämpfte wortwörtlich verbissen mit dem Tiger, doch bei genauerem hinsehen erkannte man, dass der Bär zwar sehr aggressiv angriff, aber den Attacken seines Widersachers immer ausweichte oder so blockte, dass sie ihn nicht verletzten.

Man hätte meinen können, dass er das aus Strategie oder Taktik macht – wenn man es nicht besser wüsste ...

Nias spitzer Schrei ließ Salvatore herumfahren.

Sie steckte in ernsthaften Schwierigkeiten! Der gutaussehende junge Mann verfluchte sich innerlich, ich nicht gleich zu Hilfe geeilt zu sein.

Mangels Flugfähigkeit, bewegte er sich unbeholfen in einer Mischung aus hüpfen und watscheln fort, um Nia zu erreichen.

Doch er hatte nicht mit Hans gerechnet, der ihn am Bein festhielt und gefährlich drohend fauchte:

„Du bleibst hier!“

Währenddessen hatte Nia einen ihrer – ihrer Meinung nach höchst seltenen – Geistesblitze. Ohne weiter nachzudenken griff sie in ihre Tasche und zog eines der acht verbliebenen Gegenstände hervor, die sie nach ihrem ersten Kampf erhalten hatte.

Bevor Anita etwas dagegen tun konnte, warf Nia das Item in die Luft.

Beide staunten nicht schlecht, als sie sahen, was für ein Gegenstand es war:

Hoch, schmal mit dickem Bauch und mit kitschig-bunten Blumen verziert: Eine Vase!

Nachdem die beiden Mädchen den ersten Schock überwunden hatten, prustete Anita lauthals los: „Was besseres hast du nicht zu bieten? Eine Blumenvase?!“

Aber Nia war das gerade recht.

Genau das hatte sie gebraucht – es war einfach genial!

Als die Janata-Schwester Nias selbstzufriedenes Gesicht sah, blieb ihr das Lachen im Halse stecken und sie geriet wieder in Rage.

Die Zähne gefletscht, sprang sie wieder auf Nia zu.

Allerdings war diese diesmal schneller: Mit einer geschickten Drehung, die schon fast an Ballett erinnerte, wich sie dem Angriff aus, holte aus und zerschmetterte die hässliche Vase mit einem lauten Klirren auf Anitas Hinterkopf.

Diese brach bewusstlos zusammen.

Die Landschaft wurde plötzlich wieder grobkörnig und pixelig, bis sie schließlich schwarz wurde.

Dann kippte auch Nia in das leere, schwarze Nichts ...

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Als das Mädchen wieder die Augen aufschlug, befand sie sich ausnahmsweise Mal nicht im Krankenzimmer, sondern in ihrem eigenen Bett.

Cedric saß auf seinem eigenen: Oberkörper frei, nur eine kurze Jeans an und ein blütenweißes Handtuch auf seinen klitschnassen Haaren.

Täuschte Nia sich oder wusch er sich andauernd die Loden?

„Bist du wach?“, fragte er ohne sich zu ihr zu wenden.

„Was ist passiert? Warum bin ich nicht im Krankenflügel?“

Cedric seufzte. „Du wolltest nicht – hast, nachdem du ohnmächtig geworden bist, immer wieder gemurmelt: „Nein! Nicht ins Krankenzimmer!“ oder so ähnlich. Deshalb haben wir dich hierher gebracht. Die Schmalzlocke muss noch was regeln, deshalb ist er nicht da ...“

Jetzt grinste er.

„Übrigens: Sauberer Schlag! Hätt’ ich dir gar nicht zugetraut!“

Als der behinderte Idiot so ansah, mit diesem lammfrommen Blick und dem sanftem Lächeln, schlug ihr Herz plötzlich doppelt so schnell.

Nia schüttelte den Kopf und redete sich ein, dass das immer noch die Nachwirkungen des Kampfes seien.

„A ... Also hab ich – haben wir“, verbesserte sie sich schnell, „gewonnen?“

Cedric machte eine kurze, theatralische Pause und antwortete dann strahlend: „Jepp!“

Daraufhin warf er ihr einen Beutel zu, den sie erstaunt auffing.

„Was ist das?“, wollte sie wissen, aber sie hatte nicht einmal den Mund aufgemacht, da antwortete er schon:

„Das ist das Preisgeld für den gewonnenen Kampf. Ist ganz ordentlich, da Anita fünf Level höher war ...“

Nia begriff und strahlte. Irgendwie war sie unheimlich stolz auf sich ...

So ein schwieriger Battle und sie hatte ihn überstanden!

Schon lange war sie nicht mehr so selbstsicher gewesen wie in diesem Moment.

„Was ist aus Anita, Hans und Franz geworden?“

„Liegen im Krankenzimmer.“

„Ach so ...“, Nia wollte gerade das Geld in ihren Nachttisch verstauen, als ihr ein messerscharfer Schmerz in den Oberarm fuhr, der sie leise aufstöhnen ließ.

„Was is’?“, hakte Cedric nach, dem das Zucken nicht entgangen war.

„Nichts – Wirklich! Gar nichts!“, beteuerte Nia, setzte ihr schönstes künstliches Lächeln auf und verwünschte ihre Vergesslichkeit.

Sie wollte nicht, dass ihr Erfolg den Glanz verlor oder Salvatore sich Sorgen macht ...

Und Cedric ... Sie wollte auf keinen Fall in seiner Schuld stehen!

Der blonde Hüne beäugte sie noch einige Augenblicke misstrauisch, dann stand er auf, trocknete sich die Haare ab und hing sich das Handtuch um beide Schultern.

Schließlich ging er auf sie zu.

„Nichts ist nichts!“, knurrte er leise und wieder einmal bemerkte Nia, dass sich sein Grummeln wie das eines Bären anhörte.

Schweißperlen traten auf ihre Stirn und unbewusst verdeckte sie ihre Verletzung mit der Hand.

„Ich weiß nicht, wovon du sprichst!“, täuschte sie vor, doch mit einer kräftigen Handbewegung war ihre Hand wie weggewischt und nachdem er ihren Ärmel hochgekrempelt hatte, war die Wunde vollends sichtbar.

„Sie hat dich gebissen ...“, murmelte Cedric fassungslos und starrte auf die blutverkrustete Stelle.

„Ist schon OK ...“, nuschelte Nia verlegen, denn ihr war es irgendwie unangenehm, ihn so besorgt zu sehen.

„Es is’ nich’ OK!“, fauchte er sie an, sodass sie erschrocken zusammenfuhr. „Es ist nicht OK.“, sagte er noch einmal sanft und küsste unvermittelt die Verletzung.

Wie aus Reflex scheuerte Nia ihm eine.

„Ey! Was soll’n das?!“, plärrte er verwirrt.

Das Mädchen war flammend rot. Was erlaubte der sich ...?!

Doch diese Frage beantwortete sich wie von selbst: Ein gleißendes Licht ging von der Stelle aus und Nia sah vor ihren eigenen zwei Augen, wie sich die Wunde in sekundenschnelle verschloss.

„Wie ...?“, stieß sie ungläubig hervor und Cedric antwortete, während er seine rot geschwollene Backe rieb: „Das ist unsere Kraft. Während des Kampfes können wir dich zwar nicht heilen – wohl aber danach. Aber dazu müssen wir die Stelle halt küssen ... Ich dachte du wüsstest das!“

Verlegen schüttelte Nia den Kopf. Irgendwie schämte sie sich dafür, ihn geschlagen zu haben, obwohl er ihr nur helfen wollte.

„Danke“, presste sie mühsam und leise hervor, den Blick nach unten gesenkt.

Für einen kurzen Moment bildete sich Nia ein, Cedric wäre errötet.

Doch dieser wandte sich von ihr ab und murrte in einem freundlichen Ton:

„Das nächste Mal musst du einem so etwas wichtiges gleich sagen!“

Doch als Nia schwieg fuhr er sie an:

„Hör mal – die Kämpfe werden nich’ leichter! Im Gegenteil – wenn du uns so was gravierendes verschweigst, kann des böse Folgen haben! Du bis’ der Ruler – ohne dich geht nix! Kapiert?!“ Cedric hatte sie an der Schulter gepackt und aufs Bett gedrückt, sodass sein Gesicht gefährlich nahe über dem ihren schwebte.

„A ... Aber ...“, stammelte sie verdutzt, doch sie wurde unterbrochen.

„Kein „aber“! Du hast keine Ahnung ... Keine Ahnung, was hier eigentlich abgeht!“, brüllte er, sodass Nias Ohren schon klingelten.

Seine Finger vergruben sich schmerzhaft in ihrer Haut.

„Aua!“, entfuhr es ihr und sie funkelte ihn böse an, „Du tust mir weh!“

Erschrocken von seinem plötzlichen Wutausbruch ließ er sie so schnell los, als hätte ihn etwas gebissen.

Mit hochrotem Kopf setzte er sich wieder auf die Bettkante zurück.

„Entschuldigung.“, flüsterte er und langte sich an den Kopf.

Was war nur los mit ihm?

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Unterdessen befand sich Salvatore im Krankenflügel und trank gierig aus einem großen Becher ein dunkelrotes dickflüssiges Getränk.

„Irgendwelche Neuigkeiten von Roy, Miguel?“, fragte er, nachdem er abgesetzt hatte.

Seine Verletzungen an Armen und Kopf verschwanden wie von Geisterhand.

„Nein, nichts. Im Moment scheint alles ruhig zu sein.“, antwortete der Angesprochene.

„Das ist es ja eben!“, keifte Salvatore ungehalten und setzte dann mit einer Stimme, die der eines eiskalten windes auf dem Friedhof glich hinzu:

„Es ist viel zu still ...“

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Stadt über den Wolken

Kaum schwiegen die beiden Streithähne Nia und Cedric, trat Salvatore in das geräumige Zimmer.

Er warf dem Blondschopf einen vernichtenden, giftigen Blick zu, als er ihn auf Nias Bettkante erblickte.

Dieser rappelte sich hoch und schenkte seinem Erzfeind einen nicht minder garstigen Blick.

„Geht es dir schon wieder besser?“, wandte der Frauenschwarm sich fragend an Nia.

„J ... Ja! Danke!“, stotterte das Mädchen und schüttelte energisch den Kopf, um die Gedanken an Cedrics Kuss auf ihren Oberarm wie eine lästige Fliege zu verscheuchen.

Als Salvatore sie zärtlich anlächelte, flatterten ihre Schmetterlinge wieder wie verrückt.

„Nach dem letzten Kampf dürfte es klar sein, dass du unbedingt eine Ausrüstung brauchst, findest du nicht auch? Ich bin froh, dass dir im letzten Gefecht nichts ernsthaftes zugestoßen ist!“, erklärte Nias Günstling und schaute ihr dabei tief in die Augen, sodass sie eine flammend rote Gesichtsfarbe annahm und Cedric leise knurrte.

„Dann sollten wir aber auch keine Zeit verschwenden!“, tadelte der blonde Hüne die beiden und bezog sich dabei auf die festgesogenen Blicke der zwei Turteltauben.

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Zwar hatte Nia gewusst, dass die neue Schule groß und pompös war, aber es war wie ein riesiges Schloss, in dem man sich schneller verirren konnte als man „Wo bin ich?“ sagen konnte.

Doch die beiden Huans wussten sehr genau wo es langging und so führten sie ihren Ruler zielsicher durch die langen, beeindruckenden und verzierten Gänge.

Irgendwie fühlte Nia sich wie eine Prinzessin, die zwei Ritter zu ihren Begleitern zählen konnte.

Überall an den Wänden hingen kostbare Gemälde, wovon sie die meisten nicht einmal kannte.

Als sie aber Da Vincis „Mona Lisa“ entdeckte, stockte ihr der Atem.

War dies das Original? Unmöglich! Und wenn doch: Was hatte es hier zu suchen?

„Manchmal geschieht es, dass Huans auf Ruler Fähigkeiten übertragen oder ungeahnte Kräfte freisetzen.

Nur dank oder durch uns entstehen solche Meisterwerke oder Weltrekorde. Da Vinci ist ein Genie, weil er sich seiner Huans entledigt und ihre Fertigkeiten in sich aufgenommen hat.“, erklärte Cedric so düster, als würde es ihn höchstpersönlich betreffen.

„So was geht?“, frage Nia verblüfft und war völlig baff.

Sie wusste nicht, was erschreckender war:

Die Tatsache, dass Da Vinci ein Ruler gewesen war oder dass er die Fähigkeiten seiner Huans aufgesogen hatte.

„Allerdings weiß man nicht genau, ob er Suicide oder Dislink dabei verwendet hat.“, fügte Salvatore finster hinzu.

„Was ist das? Wie soll das gehen?“, fragte Nia schockiert.

„Suicide ist die Tötung eines eigenen Huans durch eigene Kraft, wie z.B. die Nutzung „verbotener Worte“.“, erklärte Cedric und schaute Nia mit einem Blick an, der ihr durch Mark und Bein ging.

„“Dislink“ bedeutet, dass man sich als Waker oder Ruler von seinen Huans abwendet. Aber viele glauben, dass Kräfte so nicht übertragen werden können.“, erklärte Salvatore weiter um die unangenehme, angespannte Stille zwischen Nia und dem behinderten Idioten zu überbrücken.

Das Mädchen war sprachlos.

So etwas funktionierte? Wie grausam!

Alle drei waren zum Gespräch stehen geblieben. Nun wandte Cedric sich ab und ging weiter.

„Wir wollen hier ja keine Wurzeln schlagen, oder?“, fragte er keck und warf einen herausfordernden Blick zurück.

Die Unterhaltung war für ihn damit beendet und als Nia ihm nachsetzte um ihn wieder einmal wüst zu beschimpfen, was er sich eigentlich einbildete, trottete Salvatore gemächlich hinterher.

Wenigstens war sie nun nicht mehr traurig oder bedrückt.

Eigentlich hätte er dem behinderten Idioten dankbar sein müssen.

Eigentlich ...

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Nach endlos vielen weiteren Gängen standen sie endlich vor einem hölzernen, dunklen Tor, dass mindestens so hoch war wie ein zweistöckiges Haus.

Nia stand vor lauter Staunen der Mund offen.

„Klappe zu, es zieht!“, griente Cedric, doch bevor diese loswettern konnte, hatte ihr Schwarm ihren Mund mit einem sanften Kuss verschlossen.

Am liebsten hätte der Bären-Huan diesen Lackaffen eine geballert, aber damit würde er alles nur noch schlimmer machen – deshalb ließ er es bleiben.

Er spürte schon, dass sein Atem wieder flacher ging und seine Glieder zu schmerzen begannen. Verdammt! Nicht, dass er die Hürde riss!

Doch statt sich um die beiden Turteltauben zu kümmern, bei denen er es sich sowieso verscherzt hätte, wenn er etwas gesagt hätte, öffnete Cedric mit einigem Kraftaufwand das tonnenschwere Tor.

Selbst für einen Bären-Huan war das eine echte Leistung, aber vielleicht lag es auch daran, dass er sich vorstellte, dieses Tor wäre Salvatores Gesicht, welches er gerade zerquetschte?

Nia traute ihren Augen nicht und ließ von ihrem Schwarm ab, als sie eine in der Luft schwebende und bis in den Himmel reichende gläserne Platten erblickte, die anscheinend eine Treppe bildeten.

Darunter befanden sich ... Wolken?!

Wie hoch waren sie bitte gerade?

Als der Ruler hinunter schaute, wurde ihr schwindelig und sie musste sich an Salvatore festhalten.

„Hast du Höhenangst?“, fragte er besorgt und strich ihr dabei sanft über die Wange.

Nia nickte und ihr angsterfüllter Blick haftete immer noch auf den Wolken, die sich unter der Treppe befanden.

Doch als sie nach oben blickte, war dort genau dasselbe Bild zu sehen: Wolken!

Nias Verwirrtheit steigerte sich noch um ein Vielfaches.

„Es ist eine optische Täuschung. Ein Spiegel.“, erklärte Cedric wissentlich und trat zur Bestätigung drauf.

„Das ist die Unendlichkeit, die unsere Welt reflektiert.“, pflichtete Salvatore bei und fügte sanft hinzu: „Nichts, wovor du dich fürchten müsstest.“

Die junge Frau schluckte schwer und nickte schließlich.

Ihr Herzschlag raste nun auch nicht mehr.

Todesmutig betrat sie die erste Stufe und stieß einen spitzen Schrei aus, als sich diese einige Zentimeter senkte. Anscheinend gaben sie nach!

Nervös lächelnd betrat sie die zweite, die beiden Jungs im Schlepptau.

So gut wie es ging konzentrierte sie sich auf die Treppe und nicht auf die scheinbar unendliche Höhe unter sich.

Das war aber einfacherer gesagt als getan, den die Stufen bestanden schließlich aus Glas!

Scheinbar eine Ewigkeit später, die in Wahrheit nur ein paar Minuten waren, hatte sie endlich alle Stufen erklimmt.

Allerdings wusste sie nicht, wie es weitergehen sollte, denn vor ihr befanden sich nichts als ... bauschige Wattewölkchen!

Mit zitternden Knien stand sie auf dem Absatz und stierte entsetzt auf das, was vor ihr lag.

Musste sie etwa jetzt gleich alles wieder runtergehen?!

Sie war jetzt schon ein einziges Nervenbündel!

Cedric drängelte sich an ihr vorbei und stellte sich vor sie.

„Ich, Cedric Urs, 1. Huan von Nia Toshiki“, sprach er mit voller, voluminöser Stimme, „beschwöre dich!“

Bei den letzten Worten riss er sich seinen Ohrstecker raus und warf ihn in die Luft.

Vor Nias Augen blähte sich die bauschige Wolke zu einer Kugel und verformte sich langsam.

„Ich“, setzte nun auch Nias Günstling an, „Salvatore Haliaeetus Ieucocephalus, 2. Huan von Nia Toshiki, befehle dir: Manifestiere dich!“

Dabei streifte er sich einen Ring vom rechten Mittelfinger und schmiss ihn in das wabernde Wolkengemisch.

Mit einem Schlag strahlte es ein gleißendes Licht aus, sodass Nia die Augen zukneifen musste.

Als sie diese wieder öffnete, staunte sie nicht schlecht:

„Ein Haus?!“, fragte sie ungläubig angesichts des mannshohen Hauses mit rotem Ziegeldacht, reichlich verzierten Wänden und einer aufwendigen Tür. Das ganze Gestell stand auf Rädern.

An der Front des Hauses war eine große Uhr angebracht, darüber ein kleines Fenster, das sperrangelweit offen stand.

„Nein ... eine Kuckucksuhr?“, Nia sog erstaunt die Luft ein.

„Fast“, bemerkte Salvatore vergnügt.

Plötzlich sprang dem Mädchen etwas auf die Schulter, sodass es aufschrie.

„Nicht doch, Miss!“, ertönte es neben ihrem Ohr und sie erschauderte.

Ganz nah bei ihrem Gesicht saß tatsächlich ...

„Ein Homo fata alfar. Ein Elf. Ein Werelf, um ganz genau zu sein! Mein Name ist Aelf. Und ihr seid ...“

„Nia. Nia Toshiki“, keuchte sie und wusste kaum noch, wo ihr der Kopf stand.

Es gab tatsächlich Elfen? Das war kein Hirngespinst oder gar Kindermärchen?

Aelf war allerhöchstens 15 Zentimeter groß, hatte zu ihrer Überraschung aber keine Flügel – dafür aber einen feinen Bart.

Seine braunen Haare waren sorgsam zurückgekämmt und seine weite, schwarze und flatternde Kleidung passte wie die Faust aufs Auge.

Wäre er so groß wie Cedric oder Salvatore, hätte er ohne weiteres umwerfend ausgesehen.

Aelfs wache, grüne Augen schauten sie unverwandt und sprühend vor Lebenslust an.

„Ein sehr hübscher Name, Miss! Toshiki ... Das ist nicht das erste Mal, dass mir dieser Name unterkommt!“, sprudelte es aus dem Werelf heraus.

„Eh?“, stieß Nia erstaunt aus.

„Toshiki. Toshiki Ying ist die sagenhafte Heldin, die es uns ermöglicht hat, weiter zu existieren! Obwohl sie ursprünglich vorhatte, uns alle auszulöschen, hat sie uns am Leben gelassen!“, Aelf war so aufgeregt, dass er auf Nias Schulter auf- und abhüpfte.

„Aelf, wir haben keine Zeit für Kaffeekränzchen!“, murrte Cedric und riss die Tür auf, um im nächsten Augenblick auch schon darin zu verschwinden.

„Ist ja schon gut, du Spielverderber!“, schnaubte der Werelf und sprang zurück auf den Bock, „Alles einsteigen, bitte!“

Salvatore half seinem Ruler galant in die merkwürdige Kutsche. Drinnen befanden sich zwei purpurrote Sofas, die mit Samt überzogen waren und als Füße goldene Löwentatzen hatten.

Cedric saß bereits und fummelte seinen Ohrring wieder rein, den er anscheinend vom kleinen, orientalischen Beistelltisch genommen hatte, wo auch Salvatores Ring lag.

„Wozu der ganze Aufwand mit dem Ohrring und dem Ring?“, fragte Nia interessiert.

Ihr Schwarm wusste die Antwort: „Es sind Sicherheitsmaßnahmen. Zudem hat jeder Ruler nur eine Kutsche. Ohrstecker und Ring sind quasi die Fahrkarten.“

Nia nickte und schaute aus dem Fenster, um dort noch weitere, seltsame Gefährte zu erblicken:

Schloss Neuschwanstein, der Notre Dame, die Münchner Philharmonie, die Glyptothek ... alle in Miniaturausgabe und auf Rädern!

Das Mädchen konnte sich gar nicht satt sehen und strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Dass sie dabei durch Wolken fuhren und die Häuser nur noch winzige Punkte waren, störte sie nicht im geringsten, denn ihre Höhenangst war wie weggeblasen.

„Schaut mal da! Das ist doch der Tokyo Tower!“, rief sie voller Freude.

Die gute Laune steckte auch die beiden Huans an, die neugierig aus dem Fenster blickten.

„Quatschkopf – das ist der Eiffelturm!“, berichtigte Cedric sie grinsend.

Nia hörte ihm gar nicht zu, so aufgedreht war sie. Solch einen Spaß hatte sie schon lange nicht mehr gehabt!

Doch leider war die Fahrt kurz darauf zu Ende und nun standen sie am Rand einer im Boden verkehrt herum eingelassenen Pyramide. Auf den Treppenabsätzen befanden sich riesige Kisten, Kästen, Kartons und Schatullen, die nach unten hin immer aufwendiger verziert waren.

Der jungen Frau stockte der Atem.

„Was um alles in der Welt ist denn das?“, keuchte sie angesichts des Ausmaßes und Seltsamkeit des Gebildes, das zu ihren Füßen lag.

„Das ... darin kauft man ein?“, fragte sie und die beiden Jungs nickten beipflichtend.

„Aber dazu braucht man einen Schlüssel, den du bei trägst.“, berichtigte Salvatore sie gutmütig.

„Hä? A ... Aber ich habe keinen! Wo soll der bitte sein?“, platzte es panisch aus ihr heraus.

„Da“, sagte Cedric und tippte ihr zwischen ihre Brüste.

Bevor der blonde Hüne irgendetwas tun konnte, hatte er sich eine saubere Backpfeife von Nia eingehandelt und wurde von Salvatore ordentlich gewürgt. Als Schaum vor seinem Mund stand, ließ der Frauenschwarm, barmherzig wie er war, von ihm ab und wandte sich wieder an seinen Ruler.

„Was damit gesagt werden sollte, ist, dass sich der „Schlüssel“ in deinem Herzen befindet.“

„Eh?!“, stieß Nia erschrocken und erstaunt zugleich aus und stellte sich soeben vor, wie Salvatore und Cedric mit Skalpell und Schere an ihr zugange waren, um an den Schlüssel zu kommen.

Irgendwie überkam sie gerade eine richtige Gänsehaut!

Doch ihr Schwarm schüttelte den Kopf, ganz so, als hätte er ihre Gedanken erraten.

Nia atmete erleichtert auf. Ihr war soeben ein Stein vom Herzen gefallen!

„Man muss allerdings dazu sagen ...“, röchelte Cedric, der sich die Würgemale rieb, „dass der „Schlüssel“ nicht so aussieht wie ein normaler Schlüssel“

Er machte eine kurze Pause, damit seine Worte ihre Wirkung entfalten konnten.

Nia blickte, wie erwartet, verwirrt drein.

„Dieser Schlüssel besteht aus geschliffenen und ungeschliffenen E-d-el-s-t-e-i-n-e-n! Je reiner, klarer und wertvoller dieser Edelstein ist, desto weiter darfst du beim Einkauf dieser auf den Kopf gestellten Pyramide nach unten. Onyx ist beispielsweise sehr dunkel un bei den meisten Rulern ungeschliffen, da sie ein böses Herz haben – sie dürfen nur bei der „Billigware“ schauen, die zwar auch teuer sein kann, aber nicht annähernd so stark ist wie dieselbe Waffe von einem Ruler mit einem geschliffenen Rosenquarz. Klar so weit?“

Nia schluckte und nickte.

Es stand natürlich ganz außer Frage, welches wohl der wertvollste aller Edelsteine war:

Der geschliffene Diamant!

Cedric fuhr fort:

„Natürlich kann sich solch ein sog. „Herzschlüssel“ auch verändern, indem einem etwas schreckliches zustößt oder man wird plötzlich böse.

Der „Abstieg“, also wenn dein Edelsteinschlüssel von Rosenquarz zu Onyx wird, ist sehr viel einfacher als der „Aufstieg“. Alles steht und fällt mit einem reinen oder unreinen Herzen.“

Nia musste erneut schlucken. Das war ja dann fast wie ein Seelenstriptease!

So konnte man also erkennen, wer „gut“ und wer „böse“ war.

Irgendwie unheimlich ...

„Wir werden jetzt deinen Herzschlüssel entfesseln“, kündete Salvatore an und schrieb in einer irren Geschwindigkeit weiß leuchtende, seltsame und unbekannte Schriftzeichen in die Luft.

Cedric tat es ihm gleicht.

Nia hatte das seltsame Gefühl, zu versagen, und „nichts wert zu sein“, wenn sie einen unreinen, wertlosen Herzschlüssel zutage fördern würde.

Mit einem Mal brannte ihre Brust und bunte, aneinandergereihte, perlenförmige Edelsteine kamen ans Licht.

Am Ende der Kette war ...

„Ein Diamant?!“, stießen Huans und Ruler gleichermaßen erstaunt aus.

Alle drei staunten Bauklötze, besonders Nia, die mit diesem Ergebnis am allerwenigsten gerechnet hatte.

Wie gebannt starrten alle auf den astrein geschliffenen, glasklaren und wertvollen Edelstein.

Salvatore löste sich zuerst aus der Starre und schenkte Nia ein breites, zufriedenes Lächeln, als wollte er sagen: „Ich wusste es! Ich habe keine Sekunde daran gezweifelt!“

Das Herz des Mädchens schlug unglaublich schnell und ihre Schmetterlinge begannen wieder zu flattern.

Ein Glücksgefühl durchströmte sie und sie war vor allem eins: Erleichtert und stolz.

„Na dann mal los!“, flötete Cedric beschwingt und rannte so schnell die scheinbar unendlich vielen Treppen hinunter, dass Nia und Salvatore Schwierigkeiten hatten, mit ihm Schritt zu halten.

Die Ruler und Huans die sich auf den Stufen befanden, bekamen immer größere Augen, je weiter sie hinunterstürzten.

Ein Ruler mit einem Diamanten-Herzschlüssel war ungefähr genauso selten wie eine Oase in der Wüste!

Völlig außer Atem, aber trotzdem voller Tatendrang erreichten sie schließlich die unterste Stufe, die recht klein war. Hier stand nur ein einziger Shop, der zwar pompöser, glamouröser und aufwendiger gestaltet war alle anderen, aber auch recht ... einsam und verlassen aussah.

Als das Trio den Laden betrat, staunten sie zunächst nicht über die phänomenale Auswahl an Waffen, sondern über dem hinterm Tresen laut schnarchenden Verkäufer.

„Entschuldigung.“, sagte Salvatore höflich, aber mit derselben Tonlage, als würde man „Wach auf!“ brüllen. Als der Ladenbesitzer immer noch nicht nach dem dritten und vierten Mal reagierte und die Wortwahl von Nias Schwarm immer schärfer wurde, ging Cedric kurzerhand her und watschte den Verkäufer – und zwar nicht gerade sanft.

Nia sog erschrocken die Luft ein – wie konnte der behinderte Idiot es nur wagen, fremde Leute einfach zu schlagen?

Doch Cedrics „Methode“ brachte den gewünschten Erfolg: Der Mann blinzelte verschlafen, gähnte herzhaft und ohne Hand vorm Mund, sodass selbst eine Bio-Niete erkennen konnte, dass der Kerl keine Mandeln mehr hatte. Anschließend streckte er sich ausgiebigst und kratzte sich am Hinterkopf, nachdem er sich aufgesetzt hatte.

Dann fragte er mit einer rauen, „versoffenen“ Stimme von jemanden, der lange geschlafen hatte:

„Was kannich füreuch tuuun?“

Als Cedric ihn noch eine Backpfeife gab, war er vollends erwacht und packte den Blondschopf unsanft am Schlafittchen.

Nia stieß einen spitzen Schrei aus. Die würden sich doch wohl nicht prügeln?

„Du ...! Wie kannst du es wagen?!“ Doch dann wanderte sein Blick von Cedric zu Salvatore, dann zu Nia und wieder zu Cedric.

„K ... Kundschaft?“, fragte der Verkäufer wie betäubt und setzte mit schwerer Zunge hinzu „Von Meister Salvatore und Cedric?“

„Ganz recht“, antwortete der Frauenschwarm lächelnd und der Ladenbesitzer ließ den blonden Hünen augenblicklich los. Nia atmete erleichtert auf und war froh, dass die zum zerschneiden gespannte Luft sich sofort auflöste.

„Ich bin untröstlich!“, beteuerte er und vor lauter Nervosität bildeten sich Schweißperlen auf seiner Stirn, „Wie konnte ich nur ...“

„Schon gut“, schnitt Salvatore ihm unsanft das Wort ab und deutete unverwandt auf Nia, „Wir suchen eine Waffe für unseren Ruler Nia Toshiki.“

Unterdessen fummelte Cedric an seinem zerknitterten Kragen und fragte sich, warum heute anscheinend alle das Bedürfnis hatten, ihn zu würgen oder zu schlagen.

Nun wandte sich der Verkäufer an Nia, „Es tut mir leid, Fräulein Nia, aber hier auf der Diamant-Ebene haben wir so selten Kunden, dass man manchmal ... ganz ... träge wird“, erklärte er und fügte lächelnd hinzu, „Nenn mich Ralf“

Das Mädchen nickte stumm.

„Was für eine Waffe suchst du denn?“

Es dauerte ein paar Sekunden, bevor sie begriff, das die Frage an sie gerichtet gewesen war.

„Äh ... Ich weiß nicht so recht ...“, stammelte sie und um die Wahrheit zu sagen: Sie hatte sich noch nie darüber Gedanken gemacht! Warum auch? Sie hatte nie damit gerechnet, mal zu kämpfen und außerdem hatte sie genug andere Probleme, die ihr mehr am Herz lagen.

Ralf musterte sie abschätzend, sodass ich Cedrics Blick verfinsterte.

Sowohl der blonde Hüne als auch Salvatore hassten das, was als nächstes kam.

Völlig ungeniert, als sei es das natürlichste der Welt für zwei fremde Menschen, die sich seit nicht einmal fünf Minuten kannten, tastete Ralf Nia ab, die erschrocken aufschrie und zurückzuckte.

„Das ist für die Messung“, war die Erklärung – damit hieß es: Stillhalten.

Arme, Beine, Kopf, Brust, Hüfte ... alles wurde untersucht, gemessen und festgehalten.

Als der Verkäufer fertig war, war Nia puterrot. Die beiden Jungs standen da wie zwei hungrige Wölfe, die nur darauf warteten, dass ihre Beute ihnen den Rücken zudrehte oder eine falsche Bewegung machte.

Deshalb sprach Ralf nun auch sehr vorsichtig und bedächtig.

„Du bist klein und sehr leicht. Dein Körperbauch ist sehr zart und feingliedrig ... Schwere Waffen kannst du auf keinen Fall benutzen – dazu reicht deine Körperkraft auch gar nicht aus.“

Nun sprach Ralf nicht mehr zu sich selbst, sondern direkt zu Nia:

„Ich würde dir entweder einen Bogen, einen Speer oder einen Degen empfehlen. Du musst aber bedenken, dass ein Bogen nur im Fernkampf effektiv ist, ein Speer sehr lang und daher schwer zu handhaben ist und ein Degen keine feste Klinge im eigentlichen Sinne hat – Es ist eine Stechwaffe.“

Nia schluckte.

Was sollte sie nehmen?

Der Verkäufer schloss kurz die Augen und überlegte. „Der Degen wäre für dich am besten, glaub’s mir“, sagte er mit Nachdruck, als er ihr zweifelndes Gesicht sah.

Wie aus dem Nichts zauberte er plötzlich einen wunderschönen, silbernen und mit einem einzigen Rubin besetzten Degen hervor.

Er war schlicht, sprühte aber vor Eleganz und Vollkommenheit.

Nia machte große Augen und nahem die Waffe ehrfürchtig entgegen. Als sie diese ausprobierte, spürte sie, wie einfach, leicht und „harmonisch“ Waffe und Ruler zueinander passten, fast so, als wäre der Degen ihr verlängerter Arm.

„Wie ... Wieviel kostet das?“, fragte Nia schüchtern, denn irgendwie war es ihr unheimlich, dass ihr diese Waffe so vertraut vorkam.

Außerdem war es das erste Mal, dass sie so etwas teures bezahlen würde! Ralf warf Salvatore einen Blick zu und als dieser nickte, krächzte der Verkäufer:

„Das passt so. Er gehört dir!“

Noch bevor Nia sich bedanken oder wundern konnte, hatte ihr Schwarm sie bereits mit ihrer neuesten Errungenschaft aus dem Laden gedrängt.

Jetzt konnte sie sich endlich verteidigen und war nicht die ganze Zeit auf Salvatore oder den behinderten Idioten angewiesen – nun konnten die nächsten Kämpfe ruhig kommen!

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Rätselhafte Zeiten

Am folgenden Tag mussten sich alle Huans zum Krankenzimmer begeben, um sich dort dem zweiwöchentlichen Untersuchungen zu unterziehen. Es war wirklich nichts weltbewegendes:

Körpergröße, Gewicht, Blutabnahme, Reflextest, Ausdauertest, ...

Die Ruler wurden dazu nicht benötigt und so war es an dem Morgen im Klassenzimmer still wie in einem Grab und manchmal bildete man sich sogar ein, dass die Stimme des Lehrers an den Wänden widerhallte.

Allgemein war die Stimmung mehr als gelangweilt.

Bis sie Frau Wood in der 2. Stunde hatten.

„Aufgewacht, ihr Penner!“, fauchte sie die Klasse an, wobei sich ihre Stimme wie eine Giftspritze anhörte.

Irgendeine tödliche Würge- oder Giftschlange hätte eher als Huan zu ihr gepasst als eine Eule.

„Auch wenn unsere „heiß und innig geliebten“ Huans nicht da sind, heißt das noch lange nicht, dass ihr euch auf die faule Haut legen könnt!“, keifte die Lehrerin angesichts des noch nicht vollends erwachten Schülerverbandes.

„Zum Beweis schreiben wir - pardon: Ihr jetzt eine Extemporale!“

Als alle sie fragend und desinteressiert anglotzten, brüllte sie:

„Eine EX, ihr Hornochsen! Meine Güte, mit eurem IQ könnt ihr ja unterm Teppich Fallschirm springen!“

Nia war mitten ihm Gähnen versteinert.

Eine Ex?

Jetzt?!!

Sie hatte kein Stück gelernt oder gar geübt!

Ihr neuer Degen war viel spannender gewesen als Schönschrift zu pauken!

Das Mädchen kam sich wirklich albern vor, schließlich hatte Frau Wood sie noch am Anfang des Schuljahres davor gewarnt, ihr Fach nicht zu unterschätzen.

Und nun hatte Nia es doch getan ...

Selten ging es ihr so schlecht in einer Ex wie in dieser – in Mathe hatte sie zumindest immer etwas hingeschrieben!

Aber nun waren ihr fast wortwörtlich die Hände gebunden. Zwar erging es den anderen nicht besser als ihr, doch das war nur ein schwacher Trost.

Egal, wie sehr sich Nia auf den Stift vor sich konzentrierte, alles, was dabei herauskam waren Kopfschmerzen und Schweißperlen auf der Stirn, sodass sie schlussendlich ein leeres Blatt Papier abgab.

Sie war enttäuscht von sich selbst und ihrer Naivität, zu glauben, dass sie Schönschrift schon beherrschte. Kaputt von der Konzentration, die sie viel Kraft gekostet hatte, ging sie zu ihrem Schließfach, um die Bücher für die nächste Stunden zu holen.

Kaum war ihr Spind offen, erinnerte sie sich an die Karteikartenflut, die ihr so sehr geholfen hatte, dass sie inzwischen nur noch Vierer und Dreier in Mathe schrieb.

Trotzdem vermisste sie die Aufgaben und besonders die gut gemeinten Ratschläge ihrer besten Freundin sehr.

Obwohl Nia nun auch in „Katjas Welt“ war, hatte sie diese noch kein einziges Mal zu Gesicht bekommen.

Waren die Trennungsregeln der Jahrgänge wirklich so strikt, dass sie sich noch nicht hatten treffen können?

Wo war Katja jetzt?

Ging es ihr gut?

Vermisste Katja Nia genauso wie sie Katja?

Tausend wirre Gedanken und Fragen schossen dem armen Mädchen durch den Kopf, auf die es keine Antworten gab.
 

Zumindest jetzt noch nicht ...

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Scheinbar ruhig und gefasst stand eine große, schlanke Gestalt vor der verschlossenen Tür von der Lehrerin E. Wood. Ihre hellbraunen, nicht einmal schulterlangen dünnen Haare waren zu einem Zopf hochgesteckt. Ihr sonst so fröhliches, unbekümmertes Gemüt war einer Mine tiefer Entschlossenheit und großem Ernst gewichen.

Nervös nestelte Katja an ihrem braunen Pulli herum, um sich die schweißnassen Finger abzuwischen.

Es hatte sie viel Mühe gekostet, hierher zu kommen, denn sie wollte diese Frau nie wieder unter vier Augen sprechen – dafür gab es viele Gründe. Katja schüttelte entnervt den Kopf. Nicht jetzt!

Es ging gerade um wichtigeres als um die Vergangenheit!

Fest entschlossen klopfte sie schnell zwei Mal laut und deutlich an die Tür, bevor sie doch noch kalte Füße bekam und umkehrte.

Von drinnen ertönte ein tiefes, festes „Herein“ und Katja tat wie ihr geheißen. Seit sie diesen Raum das erste Mal gesehen hatte, hatte sich nichts verändert:

Das ganze Zimmer, dessen Decke unglaublich hoch war, war an jeder Wand mit Bücherregalen zugestellt, die bis oben hin mit Lektüren aller Art gefüllt waren – Romane, Lexika, Krimis, Naturführer, Schulbücher und unendlich vielen mehr.

Auch der Boden war bedeckt mit alten Schinken, die keinen Platz mehr in den Schränken gehabt hatten.

Man konnte gar nicht glauben, wenn man es nicht wusste, dass dies keine Bibliothek, sondern der Wohnbereich von Frau Wood war.

Es gab sonst auch keine Stühle, Tische oder gar Lampen, nur einen Teppich in einer Ecke des Raumes, auf dem ein dicker Ast stand, zeigte, wo die Lehrerin, die Eule, in der Dunkelheit nächtigte.

Die vielen Bücher zeigten, dass sie tatsächlich weise und wissbegierig war und nicht, wie viele annahmen, eine Schlange verkörperte, die viel eher zu ihrem reizbaren Temperament gepasst hätte.

„Was gibt’s?“, fragte Frau Wood ungeduldig, ohne von einem fetten Wälzer aufzublicken.

„Frau Wood ...“, begann Katja mit einer nervösen, hohen Stimme, die scheinbar nicht ihre eigene war.

„Wir sind unter uns, Katja!“, unterbrach die Lehrerin sie unwirsch, legte das Buch mit dem Titel „Einsteins Relativitätstheorie – die Folgen für unseren Alltag“ zur Seite, stand auf, ging auf ihre Schülerin zu und berührte sanft ihre Wange, sodass Katja angeekelt zurückzuckte.

Es kostete sie all ihre Überwindung, das folgende Wort auszusprechen:

„Mama ... Mama, ich ...“, Frau Eunice Wood lächelte ihre leibliche Tochter an und gurrte:

„Ja, mein kleiner Schatz? Was kann ich für dich tun?“

Katja holte tief Luft und sprach wieder mit einer halbwegs sicheren Stimme:

„Mama, ich suche jemanden.

Einen Mann.

Ich glaube, du weißt ganz genau, wen ich meine ...“

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Als Nia wieder in ihrem Zimmer war, fiel ihr Blick aus dem Fenster.

Zwar schien die Sonne, doch es kam einem so vor, als wäre es kalt wie in Sibirien. Es war Ende Oktober und der kräftige Wind zerrte und zottelte an den relativ vielen, kunterbunten Blättern der Bäume.

Der Boden war schon ein scheinbares Meer aus roten, sonnengelben, schokobraunen und mintgrünen Laub.

Der Herbst war gekommen.

Und damit Nias verhassteste Jahreszeit, wobei ...

Der Herbst an sich war eigentlich schön, gäbe es nicht diesen einen einzigen Tag:

Halloween!

Wie sehr sie dieses „Fest“ verabscheute!

Und das schlimmste war auch noch, dass es an diesem Internat ein echter Kult geworden war!

Egal, wie sehr sie sich in den vergangenen Jahren angestrengt hatte, sich zu verstecken, war sie bislang immer gefunden und dadurch natürlich noch mehr gepiesackt worden.

Es war einfach ein hoffnungsloses Unterfangen gewesen und für dieses Jahr hatte sie sich vorgenommen, sich ihrer Angst zu stellen und sich mitten ins Getümmel zu stürzen!

Ein Kostüm war auch schon fertig: Sie würde als „kleines Schlossgespenst“ gehen!

Das war einfach, unkompliziert und zudem würde sie so keiner erkennen.

Sie war auf jeden Fall für den heutigen Abend gerüstet!

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Halloween - 1. Aufgabe

Halloween war wirklich eines der beliebtesten und größten Feste des Jahres neben Ostern, Valentinstag, Weihnachten, dem Schul- und Sportfest natürlich.

Dementsprechend gigantisch war auch der betriebene Aufwand: Überall hing Dekoration, egal ob ausgehöhlte Kürbisköpfe, mannshohe Särge, verwitterte Grabsteine, mit durchsichtigen Schnüren befestigte Fledermäuse, Spinnennetze mit den dazugehörenden, tellergroßen Spinnen, Girlanden und so weiter.

Nia hasste Halloween aus einem ganz einfachen Grund:

Sie hatte selbst vor dem kleinen Schlossgespenst, als das sie sich verkleidete, so große Angst, dass sie fast laut aufkreischte, als sie sich selbst im Spiegel erblickte.

Zum Glück hatte das weder Salvatore noch der gehässige Cedric mitbekommen.

Auch diese zwei waren vom allgemeinen Rummel ergriffen und hatten sich ebenfalls verkleidet.

Der große, schlanke, gutaussehende und majestätische Salvatore hatte sich kalkweiß geschminkt und einen langen, schwarzen und seidenen Mantel an.

Seine pechschwarzen Haare waren so zurück gegelt, dass sich keine einzige Strähne herausstahl.

Als er Nia anlächelte, erblickte sie zwei spitze, scharfe und lange Zähne – Salvatore war Graf Dracula!

Hätte Nia nicht vor Schiss die Hosen voll gehabt, hätte sie ihren Schwarm als umwerfend empfunden.

Auch Cedric war ein Bild von einem Mann: Ihn kleidete auch ein langer, bauschender Mantel und seine Haare waren streng zurückgebunden.

Außer Augen und Mund war sein Gesicht nicht sichtbar, denn er trug eine weiße Maske – das Phantom der Oper!

„Wir müssen los, es fängt gleich an!“, ermahnte der blonde Hüne die beiden Turteltauben, die sich schon wieder aneinander festzusaugen drohten.

Wie zur Bestätigung ertönte die Durchsage:

„Bitte alle in den großen Festsaal versammeln! Ich wiederhole: Bitte alle ...“

Also machte sich das Trio flugs auf den Weg, wobei Nia vor Schreck fast in einen offenen Sarg gehopst wäre, als sie mit einer faustgroßen Spinne in Augenhöhe konfrontiert wurde.

Schließlich erreichten sie den „großen Festsaal“, der nicht umsonst so heiß: Nia tränten und schmerzten die Augen, so prunkvoll war alles, außerdem hatte der Saal mindestens die Ausmaße eines Fußballstadions – so kam es ihr zumindest vor.

Der Sprecher des Festivals war Miguel, der, auch ohne oben auf einer Bühne zu stehen, alle überblicken konnte. Er hatte sich als Sensenmann verkleidet, was bei Nia ein wahres Feuerwerk an Gänsehaut, Zähneklappern und Kniezittern hervorrief.

Allerdings musste sie zugeben, dass er ein imposantes Bild abgab:

Mindestens 1, 90 m groß, durchtrainiert, zerstrubbelte, dunkelbraune Haare und ... zwei unterschiedliche Augenfarben. Das eine war hellgrün, fast gelb und das andere kräftig, strahlend blau.

„Willkommen auf dem diesjährigen Halloweenfest!“, begrüßte er alle enthusiastisch und die Menge jubelte ihm zu, „Heuer gibt es einen neuen Kontest, der aus insgesamt drei Teilen besteht!“

Das Publikum war mucksmäuschenstill – alle lauschten gebannt.

„Alle machen mit“, fuhr Miguel fort und deutete auf eine imposant große Blumenvase, die voller dunkelblauer Rosen gefüllt war.

„Das hier ist der so genannte „Leichenpott“, aber keine Angst, meine Damen, der heißt nur so“, fügte er lachend hinzu, als er manch panischen Blick, beispielsweise den von Nia, erspäht hatte und erläuterte des weiteren:

„Jeder zieht eine blaue Rose, an welcher eine kleine Aufgabe steht. Das kann alles mögliche sein: Etwas ausleihen, jemanden erschrecken, etwas singen, tanzen oder darstellen ... Und das innerhalb oder für eine bestimmte Zeit. Das Limit für die erste Aufgabe ist eine halbe Stunde!

Keine Angst, wenn ihr jemanden nicht kennt: Überall hängen Listen mit Namen und Bildern! So und bevor ich noch einen fusseligen Mund bekomme: Aufgabe 2 gibt’s ab 22.30 Uhr hier im Saal! Jeder, der diese Challenge löst, bekommt eine gelbe Rose!

Also:

Auf die Plätze, fertig ...“

Doch bevor er fertig sprechen konnte, hatten sich schon alle auf den „Leichenpott“ gestürzt.

„Ach ja: Es sind noch einige Sachen von unseren größeren Festivals dabei, die übrig geblieben sind!

Für denjenigen, der alle Aufgaben meistert, wartet ein toller Preis!“, flötete Miguel ins Mikro und zupfte selbst eine blaue Rose aus dem Pott.

Augenblicklich wusste jeder, was er mit den „größeren Festivals“ gemeint hatte: Valentinstag!

Sofort schlug allen das Herz bis zum Halse, denn schließlich hatte jeder einen Schwarm und hoffte nun inständig, dass ihre Aufgabe etwas mit dieser Peron zu tun hatte!

Auch Nias Puls beschleunigte sich zusehendst.

„Salvatore! Irgendwas mit Salvatore!”, betete sie im Stillen, doch als sie ihre Aufgabe las, kotzte sie Gift und Galle:

Küsse Cedric Urs!

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Ebenso wie Nia hatten Cedric und Salvatore ihre Aufgaben erhalten, doch im Gegensatz zu ihr waren sie damit sehr zufrieden.

Trotz allem bekam der Blondschopf kalte Füße.

Zwar hatte das, was er tun sollte, mit seinem Ruler zu tun und obwohl es keine größere Sache war, wurde er unglaublich nervös.

So etwas hatte er noch nie zuvor gemacht!

Als er sich umblickte, stellte er verwundert fest, dass Nia, die vor einer Sekunde noch neben ihm stand, spurlos verschwunden war!

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Kochend vor Wut stapfte Nia an der gruseligen Deko vorbei ohne mit der Wimper zu zucken.

Momentan war ihr eh alles egal!

Wie gern würde sie den Aufgabensteller würgen!

Diesen Auftrag würde sie bestimmt nicht ausführen!

Warum sollte sie jemanden küssen, den sie über alles hasste und der sie zudem mal zu so etwas gezwungen hatte? Unmöglich!

Außerdem war sie verliebt! Und zwar nicht in Cedric, sondern in Salvatore!

Eher würde sie sich die Zunge herausschneiden!

Aber warum ging sie trotz dem festen Vorsatz, die Aufgabe nicht zu erfüllen, weg von ihren Huans, weg von dem blonden Hünen? Warum versteckte sie sich?

Vielleicht ...

Vielleicht, weil sie die Schmach nicht ertragen hätte?

Schmollend wie ein kleines Kind setzte sie sich in eine dunkle Ecke.

Das war doch alles doof! Zwar hatte sie sich dieses Jahr ein Herz gefasst und war verkleidet auf dem Halloweenfest aufgekreuzt, aber dennoch spielte ihr Schicksal solch einen „Streich“, den sie gar nicht lustig fand.

Sobald die halbe Stunde vorbei war, würde sie ausscheiden, aber das war ihr ganz recht.

Sie bekam direkt Gänsehaut bei dem Gedanken, Cedric zu küssen. Jede Faser ihres Körpers sträubte sich dagegen.

Lieber hätte sie einen Frosch oder ein Schwein geküsst als ihn!
 

Was Nia aber nicht wusste, war, dass sie von zwei Männern gesucht wurde ...

Von zwei Männern, die noch etwas mit ihr zu „tun“ hatten.

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Das die Tiersinne eines Huans auch aktiv waren, wenn sie sich in Menschengestalt befanden, wussten die wenigsten.

Salvatore konnte selbst beim schummrigsten Licht alles glasklar erkennen.

Dies konnte Cedric zwar nicht, dafür war sein Geruchssinn so scharf, dass er es riechen konnte, wenn jemand am anderen Ende des Klassenzimmers einen fahren ließ.

Dementsprechend einfach war es für ihn, die frische, duftende Fährte von seinem Ruler aufzuspüren. Er roch sie, bevor er sie sah, doch im gleichen Augenblick bemerkte er, dass Salvatore bei ihr war – er war ihm zuvor gekommen.

„Nia“, flüsterte der Frauenschwarm zärtlich, „Hab ich dich endlich gefunden“

Das Mädchen traute seinen Ohren kaum und Cedric sah selbst bei diesem schwachen Licht ihr strahlendes Lächeln und die Schamesröte in ihrem Gesicht.

Wütend versteckte sich Cedric hinter einer Mauer und knirschte mit den Zähnen. Dabei sahen seine Augen unendlich traurig aus. Seine Fäuste waren geballt.

Der blonde Hüne bekam nicht das hinreißende, romantische Gedicht mit, bei dem Salvatore Nia zuletzt zärtlich auf den Mund küsste, sondern nur noch die letzten paar Sätze:

„Nia, ich flehe dich an: Bitte, meistere deine Aufgaben, dann ... Dann werde ich dir ein Geschenk überreichen. Aber das geht nur, wen du diese erste und zweite Aufgabe erfolgreich abschließt!“

Nia schaute zunächst ihren Schwarm entsetzt an, doch sie liebte ihn so sehr, dass sie alles für ihn tun würde. Auch Cedric Urs küssen, wenn es sein musste.

Zur Bestätigung nickte sie eifrig und zum Abschied küsste er sie erneut sanft auf den Mund. Dann schaute er Cedric, der sich in der Dunkelheit versteckt geglaubt hatte, genau an.

Dieser wich entsetzt zurück und schalt sich einen Narren, dass er vergessen hatte, dass Salvatore einen ausgezeichneten Sehsinn hatte.

Der Frauenschwarm verschwand ebenso schnell, wie er gekommen war.

Eine ganze Weile saß Nia noch in der Ecke, bis sie sich ein Herz fasste.

___________________________________________________________________________
 

Eins war so sicher wie das Amen in der Kirche: Sie liebte Salvatore über alles und das würde auch immer so bleiben. Deshalb würde sie auch jeder seiner Bitten folge leisten, so absurd oder seltsam sie auch waren.

Für sie war das nicht Hörigkeit, sondern ein Liebesbeweis.

Genau.

Das sie in wenigen Minuten Cedric finden und küssen würde, hatte nichts mit ihren Gefühlen zu tun, sondern war einzig und allein ein Beweis ihrer hingebungsvollen Liebe an ihren Salvatore.

Es dauerte noch kurz, bis sie die schrecklichen Momente jenes Nachmittags, als Cedric sie gegen ihren Willen geküsst hatte, verdrängt hatte. Doch dann stand sie entschlossen auf und machte sich auf die Suche.

Erstaunlicherweise trat sie nur um die Ecke, wo der blonde Hüne schon stand, aber sie dachte sich nichts über diesen „Zufall“.

„Dich hab ich gesucht“, flüsterte sie.

Cedric schaute sie erst erstaunt, dann verlegen an. Sein harter Gesichtsausdruck wurde merklich weicher.

„I ... Ich dich auch“, stammelte er beschämt.

Seit Salvatore bei ihr gewesen war, hatte sie ihr albernes Schlossgespenst-Kostüm abgelegt und stand nun in einem weißen Rollkragenpulli mit einer verwaschenen, alten Jeans vor ihm. Ihre Haare waren ganz zerzaust, aber das machte sie eher noch liebenswerter und niedlicher.

Cedric räusperte sich. Die Situation war ihm anscheinend äußerst unangenehm.

„Würdest du ...“, setzte er an, verbesserte sich aber, „Ich wollte ... Ich wollte dich fragen ... ob du mit mir tanzt.“

Nia war überrascht von dieser Bitte, war sich aber zugleich bewusst, dass dies seine Aufgabe war. Es war das erste Mal, das er so etwas fragte.

Glaubte sie zumindest, denn damals, beim großen Ball, hatte sich Cedric als Salvatore ausgegeben, ohne das jemand etwas bemerkt hatte.

Nia konnte im diffusen Licht nicht sehen, wie rot der Blondschopf geworden war.

Nachdenklich wandte sie ihr Köpfchen erst zur einen, dann zur anderen Seite, als würde sie überlegen.

„In Ordnung“, antwortete sie schließlich und Cedric stieß einen kaum hörbaren, erleichterten Seufzer aus.

Aber wie hieß es so schön?

„Ein Kummer geht, ein anderer kommt.“

___________________________________________________________________________
 

Das war für Nia die Gelegenheit, ihre bescheuerte Aufgabe hinter sich zu bringen.

Kurz, bündig und schmerzlos.

Dabei kam sie sich nicht unfair oder gar gemein vor, weil sie mehr oder minder mit den Gefühlen eines anderen spielte, sondern sie fühlte sich großartig, da sie damit Salvatores Versprechen einen Schritt näher kommen würde.

Deshalb tanzte sie mit ihm und sie musste zugeben, dass Cedric ein ausgezeichneter Tänzer war, der wunderbar führte.

Nein!

Salvatore war besser!

Um Klassen besser!

Jetzt war der Augenblick gekommen.

Sie blieb zur Überraschung Cedrics stehen, stellte sich auf die Zehenspitzen und ...

Verdammt!

Warum schlug ihr Herz so schnell?

Sie hatten doch nur einen langsamen Walzer getanzt!

Cedric war zunächst erstarrt und schaute sie ungläubig an. Sein Gesicht zeigte fast Entsetzen.

Nia wollte ihm nur einen ganz kurzen Schmatzer auf den Mund geben – nicht mehr und nicht weniger.

Doch als ihre Lippen die seinen berührten, küsste er sie sinnlich und so romantisch wie in einem Märchen.

Nia wollte aufhören, aber irgendwie konnte sie nicht.

Dann knabberte er zärtlich und neckisch zugleich an ihrer Unterlippe.

Ihr Puls beschleunigte sich merklich und im ganzen Körper breitete sich eine angenehme Wärme aus.

Schließlich spielte er mit ihrer Zunge, was ein wahres Feuerwerk der Gefühle in ihr auslöste. In ihrem Bauch kribbelte es und sie fühlte sich wie im siebten Himmel. Es war der leidenschaftlichste Kuss, den sie in ihrem ganzen Leben hatte.

Sie konnte direkt den Hunger und das Verlangen von ihm spüren.

Vorsichtig legte er eine Hand um ihre Hüften, während er mit der anderen sanft ihren Kopf hielt, damit sich die Intensität des Kusses noch verstärkte.

Er hatte so große und warme Hände! Nia fühlte sich geborgen.

Sie hatte die Welt um sich herum vergessen.

Nach einer scheinbaren Ewigkeit löste er kurz den Kuss und flüsterte heiser:

„Nia, Nia ich ...“

Mit einem Mal wurde das Mädchen wieder in die Realität zurückkatapultiert:

Die ganze Zeit über hatte sie sich vorgestellt, Salvatore würde sie so küssen und nun stand sie einem großen, blonden jungen Mann gegenüber, den sie über alles hasste!

„Lass mich in Ruhe!“, schrie sie und stieß ihn unsanft weg.

Cedric starrte sie entsetzt und vor allem verwirrt an.

Was war los?

Doch mit einem Mal viel es ihm wie Schuppen von den Augen: Es war ihre Aufgaben gewesen!

Der verwirrten Mine wich zunächst ein wütender Gesichtsausdruck.

„Du!“, knurrte er bedrohlich.

Doch dann schüttelte er resignierend den Kopf und als er sie wieder anschaute, lag unendliche Trauer in seinen Augen.

„Du ...“, wisperte er kaum hörbar.

Dann drehte er sich ruckartig um und lief davon.

Nias Herz hatte für einige Momente aufgehört zu schlagen, als sie seinen letzten Blick gesehen hatte.

War ihre Entscheidung wirklich richtig gewesen?

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Kommentare zu dieser Fanfic (36)
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Von:  AimaiLeafy
2013-05-28T06:51:03+00:00 28.05.2013 08:51
Oh mein Gosh, ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll QQ erstmal, denke ich, muss ich sagen, wie sehr mir die Beschreibung von Cedrics Zurichtung gefallen hat. Ich meine, klar, es war ziemlich ekelig und ich kann mir gut vorstellen, warum Nia sich übergeben musste... aber es war verdammt gut geschrieben! Unverschönt und direkt, wie es sein muss 'w' ♥ Mehr von solch schön ausführlichen Beschreibungen >w< ♥!!!
Und dann... muss ich gestehen, dass ich ziemlich schockiert bin über Nia Q_Q da wird sie halbtraumatisiert von Cedrics Anblick und wenn sie ihn sieht, ist er ihr vollkommen schnuppe °___°?! Okay, ich könnte verstehen, wenn sie es meiden würde ihn anzugucken (würde ich auch *hüstl*) aber, dass Salvatore ihr in so einem moment so viel wichtiger ist... ich meine, klar, sie weiß nicht, dass Cedric wegen ihr so aussieht, aber sollte sein Zustand in diesem Augenblick nicht dennoch wichtiger sein, als nach Salvatore zu schmachten xD? Cedric tat mir da richtig leid QQ aber Salvatore bekommt dennoch Pluspoints, da ich es gut finde, dass er sich um ihn kümmert. Warum auch immer er das tut xD!
Ansonsten muss ich aber sagen, dass ich es gut finde, wie du beschrieben hast, wie Nia versucht ihre Abscheu zu verbergen - also nachdem sie aufgehört hat Salvatore anzuschmachten xD!
Sowieso mag ich den momentanen Gang der Geschichte sehr - richtig spannend! Man will sofort weiter lesen *___* ♥!
Von:  AimaiLeafy
2013-05-27T10:23:12+00:00 27.05.2013 12:23
Und dann kam er. Der CLIFFHÄNGER. EwE Ehm ja, da MUSS mann ja wirklich sofort weiter lesen xD!

Das Kapitel gefiel mir auf jeden Fall sehr gut! Cedric wird mir immer sympathischer ;///; so niedlich, wie er, trotz seines Zustandes (ICH WILL WISSEN, WAS LOS IST-----) sich trotzdem noch aufraft um ihr zu helfen. Und es überrascht mich, dass Salvatore ihn darin unterstützt OwO macht er das wegen Nia? Hasst er Cedric vielleicht nicht so sehr wie umgekehrt und tut ihm einfach nur den Gefallen? Oder gibt es einen ganz anderen Grund? Ich finde deren "Beziehung" im Allgemeinen sehr interessant! Sie scheinen sich besser (und länger?) zu kennen, als nur "Klassenkameraden" . ob das was mit ihrem Dasein als Huans zu tun hat? Ich meine es scheint ja so, dass Salvatore Interesse an eine Bindung hat, denn ansonsten würde er jawohl kaum an dem Krankenbett von jemanden sitzen, der ihn eigentlich konstant nur böse anfunkelt xDDD und ihm helfen bei seiner Geheimaktion mit Nia Öö
Ich freu mich schon mehr herauszufinden >w< und ich freu mich aufs weiterlesen, was ich heute Abend auch tun werde, hehe xD!
Von:  AimaiLeafy
2013-05-26T18:55:00+00:00 26.05.2013 20:55
ALLE HERZEN BITTE AN CEDRIC ♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥
Warum ist er nur so herzallerliebst ;///////; ich will ihn knuddln und lieb haben und aaaaaw so süüüß! Mir war sofort klar, als ich Katjas Namen las, dass dieses verbotene Treffen Cedric zu verdanken war (aber da Salvatore auch da war, habe ich mir gedacht, dass er vielleicht auch etwas damit zu tun hat?) und hoffte, dass Nia es auch sehen würde, aber... schniff, leider nicht ;; aber klar, sie kann es auch nicht wissen und erst recht nicht, was Cedric dafür auf sich genommen hat! Hach. Hach ♥ sie bedeutet ihm wirklich viel uu

Mir hat dieses Kapitel auch am besten gefallen - wegen dem Anfang und weil CEDRIC EIN GROßES KNUFFI IST. NIA! Runter mit deiner rosaroten Brille und erblicke diesen strahlenden ritter in seiner fast-goldenen Rüstung *___*!!

(Skizze ist übrigens fertig xD)
Von:  AimaiLeafy
2013-05-26T08:28:00+00:00 26.05.2013 10:28
Ooooooh wir beginnen mit einem anderen Erzählerwinkel als Nia? Das finde ich cool! Ich mag wechselnde Erzähler (der allwissende Erzähler ist daher auch mein Lieblingserzähler >w< ♥) und die szene an sich gefällt mir. Sie wirft viele Fragen auf (die ich dank Spoiler ja schon beantworten kann xD) und entfacht Spannung *^* ♥ Hmm... ich glaube diese Szene weckt eine Bildidee in mir! Ich habe da jetzt auch mal mein Lesezeichen gesetzt, denn jetzt denke ich, zeichne ich das erstmal, hehe è_e ♥
Ich lese dann später weiter - ich denke, du verzeihst, wenn ich später noch ein Kommentar schreibe, oder xD?
Von:  AimaiLeafy
2013-05-26T08:23:32+00:00 26.05.2013 10:23
Bevor ich weiter lese, möchte ich schonmal sagen, dass ich auf den Vater gespannt bin, der ihr nur so wenig Geld da lässt - ich meine, hallo xD?! Gut, dass sie (wahrscheinlich, nehme ich an...?) in der Schule essen bekommt, ansonsten würde das arme Mädchen ja eingehen è_e ist er mega geizig, oder kostet die Schule so viel Geld? Naja, das erfährt man ja sicherlich noch, denn es scheint ja wichtig zu sein xD!

Und Cedric wird mir immer sympathischer u///u und Salvatore eher ins Gegenteil gehend... haha, ob das daher kommt, dass ich Nia/Cedric besser finde xD? Ich schließe mich Racuun einfach mal an, denn auch ich finde, dass dein Schreibstil flüssiger wird >w< im allgemeinen mag ich deine Wortgewandtheit sehr! Du benutzt viele verschiedene Wörter und nie die gleichen, was ich angenehm finde, hihi. Für das Remake würde ich mir ein paar mehr Beschreibungen der Gegenden wünschen; im allgeinen mehr Beschreibungen, denn momentan finde ich, dass die Dialoge noch zu sehr überwiegen - es wirkt irgendwie so schnell und persönlich würde ich mich lieber "länger" in einer Szene aufhalten um mich gänzlich in sie einleben zu können 'w' ♥ n-nur so als kleine Anmerkung, vielleicht ist das ja in den späteren Kapiteln schon ganz anders; das werde ich dann ja noch herausfinden >w<!!!
Von:  AimaiLeafy
2013-05-26T08:08:02+00:00 26.05.2013 10:08
Hachja, da sind die Schüler nicht die einzigen, die verwirrt und benommen sind xD Ich denke auch gerade WHAT DA FUG. Aber natürlich hält sich mein Erstaunen im Rahmen, denn ich wusste ja schon, dass Huans nicht nur eine Geschichte um ein Love-Triangle ist, sondern auch etwas anderes ♥ aber der unwissende Leser haut das garantiert um xD was nur gut ist!
Und da haben wir ja auch die Erklärung für den Titel dieser Geschichte, hehe *grins* Was ich mich jetzt vor allen Dingen frage (denn ich habe natürlich viele Fragen!) wie Katja und Nia befreundet sein konnten, denn... Katja war doch in einer höheren Klasse, oder? Ich meine, es ist lange her, dass ich die anderen beiden Kapitel gelesen habe, daher weiß ich nicht mehr so genau in welcher Klasse genau Katja nun war, denn wenn sie nur eine Klasse über ihr war, ist ja klar, warum sie so ohne richtigen Abschied verschwunden ist, hehe xD! Aber das erfahre ich ja sicherlich noch è_e ♥
Ich finde es übrigens sympathisch, dass Nia die Blumensprache beherrscht u//u ♥ das ist sooo süß!
Von:  AimaiLeafy
2013-05-26T07:45:27+00:00 26.05.2013 09:45
Es ist zwar schon eine halbe Ewigkeit her, dass ich dieses Kapitel gelesen habe, aaaaaber ich möchte es nicht unkommentiert lassen è_e ♥ im Endeffekt will ich ja alle Kapitel kommentiert haben, also muss hier ja auch eines von mir stehen, hehe!
Dass mir dieses Kapitel gefiel, muss ich ja eeeigentlich nicht sagen, immerhin habe ich dazu ein Bildchen gezeichnet xD! Und daher ist meine Lieblingszene wohl auch klar. Es ist die Endszene mit den beiden ♥ noch hat man noch nicht so viel Screentime mit Salvatore geniesen können, aber ich glaube, ich weiß jetzt schon, zu welchem Pairing ich tendiere... aber ich lasse mich überraschen è_e ♥
Cedric finde ich einfach im Allgemeinen sehr cool. Wie er so ohne Schamgefühl in die Damentoilette rennt... einfach genial xD also egal, wie das Kapitel im Remake aussehen wird, bitte lass die Szene drin ♥!
Von:  AimaiLeafy
2012-08-04T04:45:30+00:00 04.08.2012 06:45
Und, wie gesagt, ich habe denn auch gleich mal weiter gelesen xD!

Ich muss sagen, ich war hier wirklich ziemlich verwundert! Ich fühlte mich wirklich in das kalte Wasser geworfen und dachte einen kurzen Augenblick "Falsches Kapitel geklickt?". Aber das ist ja nichts schlechtes, so wird man als Leser erst einmal aufgerüttelt xD ich mag die Beschreibungen der beiden Jungs gerne; man kann sie sich richtig schön vorstellen, besonders wie unterschiedlich sie sind. Besonders gut finde ich, dass der Eindruck unserer Erzählerin miteinfliest: man merkt deutlich welchen von den beiden sie anschwärmt xD! Dagegen fehlt mir ein wenig die Beschreibung von Nia ;; aber die kommt wahrscheinlich im nächsten Kapitel, nicht wahr? Aber auch ohne Beschreibung bekommen wir durch ihre Handlungen einen guten Einblick in ihr Seelenleben ♥!

Und ich muss sagen, ich liebe Salvatores Namen *^* er hat so einen wunderschönen Klang, das man den Namen dauerhaft vor sich hin sagen möchte xD Nia, alleine schon wegen seinem Namen solltest du ihn wählen, jap >D!!!
Von:  AimaiLeafy
2012-08-04T04:36:24+00:00 04.08.2012 06:36
Es ist schon eine Weile her, dass ich diesen Prolog zusammen mit dem ersten Kapitel gelesen habe... aber ich dachte mir "Verdammt, wenn du es gelesen hast, dann kannst du ihr auch gleich sagen, wie du es fandest >_<!" Und das werde ich nun tun >D!
Der Prolog ist kurz - aber gut! Als Leser spürt man sofort eine gewisse Spannung und man fragt sich sofort, was denn da los sein könnte O.O man will weiter lesen; und darum handelt ein Prolog ja! Also, sehr effektiv, haha xD! Man fragt sich sofort was ihre Entscheidung mit seinen Verletzungen zu tun hat und wie das alles in Verbindung miteinander steht... als Action-fan fand ich die Beschreibung von seiner Verletzung natürlich sofort ansprechend, haha xD! Ich dachte sofort: Komm schon, ich will mehr >D!
Und natürlich ein super cliffänger... da muss man wirklich einfach weiter lesen, was ich denn ja auch sofort gemacht habe *lach* also, sehr guter Prolog! Ein wenig kurz, aber ja, spannungserregend è_e!
Von:  absouuru
2012-03-08T20:44:17+00:00 08.03.2012 21:44
Du wagst es, diese FF so enden zu lassen bzw nicht weiter schreiben zu wollen?? QAQ Was ist nur los mit dir!? DX Reiß dich zusammen und schreib weiter!! Das ist ein Befehl!!! DXX

..*schluchz* bitteeee QAQ Ich hab die gesamte FF gerade innerhalb von 3h verschlungen..und dann dieses abrupte Ende? Das kannst du deinen Lesern nicht antun! Q////Q Also bitte, schreib weiter. Egal wie, wann (obwohl...besser gleich DX)..aber hauptsache du schreibst weiter ;////; *schluchz*


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