Huans von Nagisa_Tsubaragi ================================================================================ Kapitel 18: Fight! ------------------ Obwohl Nia keine Ahnung hatte, wie sie die Böe kontrollieren sollte, funktionierte es doch. Ihr größter Wunsch war den Kampf endlich zu beenden und Salvatore zu verarzten. Kaum war dieses Verlangen aufgekeimt, verschwand das Kribbeln in ihren Händen und ein lauer Windhauch fuhr unter des Adlers ausgestreckte Schwingen, sodass er schwindelerregende Höhen erreichte. Gebannt schaute sie zu, doch das Kampfgetümmel um sie herum holte sie aus ihren Tagträumen, bevor sie darin hatte versinken können. Nun rannte Nia weiter auf ihre Gegnerin zu, die ihr schon mit einem irren, wahnsinnigen Gesichtsausdruck entgegengesprungen kam. Bevor Nia ausweichen konnte, hatte Anita sie erreicht und biss ihr mit erschreckend langen Vampirzähnen in den Oberarm. Die Verletzte stieß einen schmerzverzerrten, spitzen Schrei aus und trat ihrer Widersacherin mit dem Knie in den Bauch. In Nias Augen waren Tränen geschossen. Die „Janata“-Schwester grinste höhnisch und befriedigt. Mit ihrem rechten Daumen wischte sie das Blut von ihrem Reißzahn. Der Kick in die Magengegend schien ihr gar nichts ausgemacht zu haben! „Na? Was sagst du zu meinen süßen, kleinen Zähnchen?“, fragte Anita lässig. Nia antwortete nicht. Ihr Hirn arbeitete auf Hochtouren. Wie sollte sie sie schlagen?! Sie hatte sich noch nie mit jemanden geprügelt! Wie konnte man doch gleich jemanden K.O. schlagen, ohne das er große Blessuren davontrug? Nia konnte sich beim besten Willen nicht mehr dran erinnern. „Es ist eines der neuesten Modelle auf dem Markt – hat zwar viel Moos gekostet, aber es hat sich gelohnt, nicht wahr?“, plapperte Anita fröhlich weiter, denn anscheinend glaubte sie, dass der Sieg schon ihr gehörte. Salvatore benutzte die Thermik aus, um noch höher in die Luft zu steigen. Als er hoch genug war, legte er seine Flügel eng an seinen gefederten Leib und ließ sich fallen wie ein Stein. Der Sturzflug hatte etwas berauschendes an sich; alles war so schnell, niemand konnte sich ihm in den Weg stellen, womit er der uneingeschränkte Herr der Lüfte war. Nun fuhr er seine tödlichen, scharfkantigen Klauen aus, damit sie sich im nächsten Augenblick in das rechte Auge des Elefanten gruben konnten. Dieser trötete vor Schmerz laut auf und versuchte panisch, Salvatore wie eine lästige Fliege mit seinem Rüssel zu vertreiben. Doch der Frauenschwarm dachte gar nicht daran und hüpfte auf die linke Seite, um dem Dickhäuter das andere Auge auszustechen. Dazu sollte es aber nicht mehr kommen, denn der Elefant verwandelte sich wieder in einen Menschen zurück. Der erste Gegner war damit erfolgreich ausgelöscht. Salvatore leckte sich das Blut von der Schnabelspitze. Wie bei jedem besiegten menschlichen Huan hatte er dieselben Verletzungen wie sein tierisches Ich. Hans, so der Name des Elefanten-Huans, wand sich auf dem Boden wie eine Schlange. Sein Gesicht war mit seinen Händen bedeckt, sodass das Wimmern gedämpft wurde. Nias Schwarm beobachtete ihn noch einige Augenblicke, dann wandte er sich ab und widmete seine Aufmerksamkeit Cedric. Dieser kämpfte wortwörtlich verbissen mit dem Tiger, doch bei genauerem hinsehen erkannte man, dass der Bär zwar sehr aggressiv angriff, aber den Attacken seines Widersachers immer ausweichte oder so blockte, dass sie ihn nicht verletzten. Man hätte meinen können, dass er das aus Strategie oder Taktik macht – wenn man es nicht besser wüsste ... Nias spitzer Schrei ließ Salvatore herumfahren. Sie steckte in ernsthaften Schwierigkeiten! Der gutaussehende junge Mann verfluchte sich innerlich, ich nicht gleich zu Hilfe geeilt zu sein. Mangels Flugfähigkeit, bewegte er sich unbeholfen in einer Mischung aus hüpfen und watscheln fort, um Nia zu erreichen. Doch er hatte nicht mit Hans gerechnet, der ihn am Bein festhielt und gefährlich drohend fauchte: „Du bleibst hier!“ Währenddessen hatte Nia einen ihrer – ihrer Meinung nach höchst seltenen – Geistesblitze. Ohne weiter nachzudenken griff sie in ihre Tasche und zog eines der acht verbliebenen Gegenstände hervor, die sie nach ihrem ersten Kampf erhalten hatte. Bevor Anita etwas dagegen tun konnte, warf Nia das Item in die Luft. Beide staunten nicht schlecht, als sie sahen, was für ein Gegenstand es war: Hoch, schmal mit dickem Bauch und mit kitschig-bunten Blumen verziert: Eine Vase! Nachdem die beiden Mädchen den ersten Schock überwunden hatten, prustete Anita lauthals los: „Was besseres hast du nicht zu bieten? Eine Blumenvase?!“ Aber Nia war das gerade recht. Genau das hatte sie gebraucht – es war einfach genial! Als die Janata-Schwester Nias selbstzufriedenes Gesicht sah, blieb ihr das Lachen im Halse stecken und sie geriet wieder in Rage. Die Zähne gefletscht, sprang sie wieder auf Nia zu. Allerdings war diese diesmal schneller: Mit einer geschickten Drehung, die schon fast an Ballett erinnerte, wich sie dem Angriff aus, holte aus und zerschmetterte die hässliche Vase mit einem lauten Klirren auf Anitas Hinterkopf. Diese brach bewusstlos zusammen. Die Landschaft wurde plötzlich wieder grobkörnig und pixelig, bis sie schließlich schwarz wurde. Dann kippte auch Nia in das leere, schwarze Nichts ... ___________________________________________________________________________ Als das Mädchen wieder die Augen aufschlug, befand sie sich ausnahmsweise Mal nicht im Krankenzimmer, sondern in ihrem eigenen Bett. Cedric saß auf seinem eigenen: Oberkörper frei, nur eine kurze Jeans an und ein blütenweißes Handtuch auf seinen klitschnassen Haaren. Täuschte Nia sich oder wusch er sich andauernd die Loden? „Bist du wach?“, fragte er ohne sich zu ihr zu wenden. „Was ist passiert? Warum bin ich nicht im Krankenflügel?“ Cedric seufzte. „Du wolltest nicht – hast, nachdem du ohnmächtig geworden bist, immer wieder gemurmelt: „Nein! Nicht ins Krankenzimmer!“ oder so ähnlich. Deshalb haben wir dich hierher gebracht. Die Schmalzlocke muss noch was regeln, deshalb ist er nicht da ...“ Jetzt grinste er. „Übrigens: Sauberer Schlag! Hätt’ ich dir gar nicht zugetraut!“ Als der behinderte Idiot so ansah, mit diesem lammfrommen Blick und dem sanftem Lächeln, schlug ihr Herz plötzlich doppelt so schnell. Nia schüttelte den Kopf und redete sich ein, dass das immer noch die Nachwirkungen des Kampfes seien. „A ... Also hab ich – haben wir“, verbesserte sie sich schnell, „gewonnen?“ Cedric machte eine kurze, theatralische Pause und antwortete dann strahlend: „Jepp!“ Daraufhin warf er ihr einen Beutel zu, den sie erstaunt auffing. „Was ist das?“, wollte sie wissen, aber sie hatte nicht einmal den Mund aufgemacht, da antwortete er schon: „Das ist das Preisgeld für den gewonnenen Kampf. Ist ganz ordentlich, da Anita fünf Level höher war ...“ Nia begriff und strahlte. Irgendwie war sie unheimlich stolz auf sich ... So ein schwieriger Battle und sie hatte ihn überstanden! Schon lange war sie nicht mehr so selbstsicher gewesen wie in diesem Moment. „Was ist aus Anita, Hans und Franz geworden?“ „Liegen im Krankenzimmer.“ „Ach so ...“, Nia wollte gerade das Geld in ihren Nachttisch verstauen, als ihr ein messerscharfer Schmerz in den Oberarm fuhr, der sie leise aufstöhnen ließ. „Was is’?“, hakte Cedric nach, dem das Zucken nicht entgangen war. „Nichts – Wirklich! Gar nichts!“, beteuerte Nia, setzte ihr schönstes künstliches Lächeln auf und verwünschte ihre Vergesslichkeit. Sie wollte nicht, dass ihr Erfolg den Glanz verlor oder Salvatore sich Sorgen macht ... Und Cedric ... Sie wollte auf keinen Fall in seiner Schuld stehen! Der blonde Hüne beäugte sie noch einige Augenblicke misstrauisch, dann stand er auf, trocknete sich die Haare ab und hing sich das Handtuch um beide Schultern. Schließlich ging er auf sie zu. „Nichts ist nichts!“, knurrte er leise und wieder einmal bemerkte Nia, dass sich sein Grummeln wie das eines Bären anhörte. Schweißperlen traten auf ihre Stirn und unbewusst verdeckte sie ihre Verletzung mit der Hand. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst!“, täuschte sie vor, doch mit einer kräftigen Handbewegung war ihre Hand wie weggewischt und nachdem er ihren Ärmel hochgekrempelt hatte, war die Wunde vollends sichtbar. „Sie hat dich gebissen ...“, murmelte Cedric fassungslos und starrte auf die blutverkrustete Stelle. „Ist schon OK ...“, nuschelte Nia verlegen, denn ihr war es irgendwie unangenehm, ihn so besorgt zu sehen. „Es is’ nich’ OK!“, fauchte er sie an, sodass sie erschrocken zusammenfuhr. „Es ist nicht OK.“, sagte er noch einmal sanft und küsste unvermittelt die Verletzung. Wie aus Reflex scheuerte Nia ihm eine. „Ey! Was soll’n das?!“, plärrte er verwirrt. Das Mädchen war flammend rot. Was erlaubte der sich ...?! Doch diese Frage beantwortete sich wie von selbst: Ein gleißendes Licht ging von der Stelle aus und Nia sah vor ihren eigenen zwei Augen, wie sich die Wunde in sekundenschnelle verschloss. „Wie ...?“, stieß sie ungläubig hervor und Cedric antwortete, während er seine rot geschwollene Backe rieb: „Das ist unsere Kraft. Während des Kampfes können wir dich zwar nicht heilen – wohl aber danach. Aber dazu müssen wir die Stelle halt küssen ... Ich dachte du wüsstest das!“ Verlegen schüttelte Nia den Kopf. Irgendwie schämte sie sich dafür, ihn geschlagen zu haben, obwohl er ihr nur helfen wollte. „Danke“, presste sie mühsam und leise hervor, den Blick nach unten gesenkt. Für einen kurzen Moment bildete sich Nia ein, Cedric wäre errötet. Doch dieser wandte sich von ihr ab und murrte in einem freundlichen Ton: „Das nächste Mal musst du einem so etwas wichtiges gleich sagen!“ Doch als Nia schwieg fuhr er sie an: „Hör mal – die Kämpfe werden nich’ leichter! Im Gegenteil – wenn du uns so was gravierendes verschweigst, kann des böse Folgen haben! Du bis’ der Ruler – ohne dich geht nix! Kapiert?!“ Cedric hatte sie an der Schulter gepackt und aufs Bett gedrückt, sodass sein Gesicht gefährlich nahe über dem ihren schwebte. „A ... Aber ...“, stammelte sie verdutzt, doch sie wurde unterbrochen. „Kein „aber“! Du hast keine Ahnung ... Keine Ahnung, was hier eigentlich abgeht!“, brüllte er, sodass Nias Ohren schon klingelten. Seine Finger vergruben sich schmerzhaft in ihrer Haut. „Aua!“, entfuhr es ihr und sie funkelte ihn böse an, „Du tust mir weh!“ Erschrocken von seinem plötzlichen Wutausbruch ließ er sie so schnell los, als hätte ihn etwas gebissen. Mit hochrotem Kopf setzte er sich wieder auf die Bettkante zurück. „Entschuldigung.“, flüsterte er und langte sich an den Kopf. Was war nur los mit ihm? ___________________________________________________________________________ Unterdessen befand sich Salvatore im Krankenflügel und trank gierig aus einem großen Becher ein dunkelrotes dickflüssiges Getränk. „Irgendwelche Neuigkeiten von Roy, Miguel?“, fragte er, nachdem er abgesetzt hatte. Seine Verletzungen an Armen und Kopf verschwanden wie von Geisterhand. „Nein, nichts. Im Moment scheint alles ruhig zu sein.“, antwortete der Angesprochene. „Das ist es ja eben!“, keifte Salvatore ungehalten und setzte dann mit einer Stimme, die der eines eiskalten windes auf dem Friedhof glich hinzu: „Es ist viel zu still ...“ ___________________________________________________________________________ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)