50 Mio Yen von Kiru (Hakuei x Rose (Blut und Horror)) ================================================================================ „Ein bisschen wie ein gehetztes Tier.“ -------------------------------------- Beta’d: nach einigen... Zwischenfällen (xD) dann endlich von Tattoo (die IMMER Tattoo bleiben wird, egal, ob sie sich kurz zu YukiAddict umbenennt oder nicht |D) A/N: woah… endlich mal eine FF, die ich auch nach dem ersten kompletten Durchlesen nicht bescheuert finde... |D ich hoffe, sie gefällt euch! Ach ja, und 50 Mio Yen sind etwa 480.000$, also schon eine ganze Menge ^^ ~*~*~*~ Ich hatte den Wahnsinn vor Augen. Jeden Tag begegnete ich Leuten, die psychisch krank waren, die Verfolgungswahn, Platzangst oder sonstige Paranoia hatten. Tag für Tag hatte ich mit ihnen zu tun. Nun ja, Tag für Tag klang vielleicht ein wenig übertrieben, ich war erst seit ungefähr vier Monaten in der Klinik. Aber dennoch machte es sich schon bei mir bemerkbar, dass ich fast ausschließlich mit Geistesgestörten zusammen war. Ich selbst war nicht krank. Gut, das sagten wahrscheinlich viele, aber in meinem Fall stimmte es sogar – ich war kerngesund. Ich hatte mich freiwillig einweisen lassen. Jetzt könnte man argumentieren, dass jemand, der sich freiwillig in eine Nervenheilanstalt einweisen ließ, nicht mehr ganz dicht sein konnte. Ich hielt dagegen. Denn ich hatte einen guten Grund dafür. Dieser betrug 50 Millionen Yen und hatte auch einen Namen: Rose. An meiner Tür klopfte es. Ich lag gerade auf dem Rücken und ohne Shirt auf meinem Bett und las eines der Bücher, die ich mir aus der hauseigenen Bibliothek ausgeliehen hatte. Wenigstens gab es so was, dann musste ich mich nicht die gesamte Zeit mit den restlichen Irren herumschlagen. Wobei ‚herumschlagen’ bei manchen der richtige Ausdruck war. Einen kurzen Blick zur Tür werfend, sagte ich ‚herein’ und ließ mein Buch sinken, als geöffnet wurde. Shizuko betrachtete mich einen Moment, ich erwiderte ihren Blick unschuldig. „Habe ich Ihnen nicht schon einige Male gesagt, dass Sie sich gefälligst vernünftig anziehen sollen?“, fragte sie und man hörte deutlich das Missfallen in ihrer Stimme. Shizuko war eine der Schwestern in der Abteilung, in der ich untergebracht war, sie war zwar streng, aber ansonsten ganz sympathisch. „Ist das meine Schuld oder die des Instituts, wenn die Klimaanlage kaputt ist?“, fragte ich zurück und setzte mich auf. „Was ist denn?“ „Sie bekommen endlich einen Mitbewohner“, meinte sie und ein leicht schadenfreudiges Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. „Vielleicht lernen Sie dann, sich anständig zu benehmen. Ich rieche schon wieder Rauch im Zimmer.“ Ich seufzte leise. Shizuko hatte mir bereits von Anfang an einen Mitbewohner andrehen wollen, einmal, weil sie der Ansicht war, dass ich dann ‚sozialer’ werden, dann, weil sie definitiv einen überzeugten Nichtraucher aussuchen würde, der mich am Rauchen hinderte, und schließlich, damit ich nicht mehr so ‚frech’ war, wie sie es nannte. „Und dabei hab ich schon am Fenster geraucht“, überlegte ich. „So viel kann man hier eigentlich nicht riechen. Was ist es denn für eine Person?“ „Was ich nur für Sie hoffe, ist, dass Sie die Zigarettenstummel nicht wieder nach unten auf den Rasen geworfen haben“, bemerkte Shizuko und hob eine Augenbraue. Ich schürzte lediglich die Lippen, jetzt selbst unschuldig aussehend. „Wie auch immer“, jetzt seufzte sie ebenfalls, „Ihr zukünftiger Zimmernachbar heißt Rose, ist deutlich jünger als Sie und scheint sehr nett zu sein. Er ist ein bisschen verängstigt, das werden Sie dann merken.“ „Warum hatte ich eigentlich dabei kein Mitspracherecht?“, merkte ich stirnrunzelnd an. „Ich muss schließlich wahrscheinlich noch einiges an Zeit mit ihm verbringen...“ „So ist das nun mal, Sie können sich nicht aussuchen, mit wem Sie sich ein Zimmer teilen, das kann keiner hier“, belehrte Shizuko mich ernst. „Da werden wir auch für Sie keine Ausnahme machen.“ „Aber ich bin sicher, Sie haben ihn absichtlich nur für mich persönlich herausgepickt, nicht wahr?“, erwiderte ich amüsiert. „Wie ich Sie kenne, ist er so ziemlich das genaue Gegenteil von mir. Allein der Name – klingt Rose nach jemandem, mit dem ich mich gut verstehen würde?“ Shizuko musterte mich noch einen Augenblick lang. „Ich sage ihm, dass Sie sich sehr über seine Anwesenheit freuen, ja?“ Da musste ich lächeln. „Vielen Dank“, konnte ich noch sagen, dann hatte sie schon wieder die Tür hinter sich geschlossen. Ich mochte Shizuko, man konnte sie ein bisschen triezen, ohne Angst zu haben, dass sie es gleich persönlich nahm. Ich war auch davon überzeugt, dass sie mich ziemlich gut leiden konnte, sonst würde sie mich nicht so behandeln. Eher widerwillig stand ich auf und streifte mir schnell ein Shirt über. Es war noch nicht unerträglich heiß, aber der herannahende Sommer machte sich schon deutlich bemerkbar, daher verbrachte ich meine Zeit lieber im kalten Gebäude. Dort lief ich auch weniger Gefahr, schief angeschaut zu werden, wenn ich oben ohne herumlief. Ich meine, ich sah schon ungewöhnlich aus mit meinen ganzen Tattoos, das stimmte. Aber ich zeigte sie sehr gerne, eigentlich gerade weil mir die negativen Reaktionen gefielen. Gerade, als ich mich umsah, ob ich noch irgendetwas wegräumen sollte, wurde meine Tür unvermittelt aufgerissen, jemand huschte ins Zimmer und knallte die Tür hinter sich wieder zu. Es war ein Jugendlicher, er wirkte, als hätte er noch nicht einmal die zwanzig erreicht, mit strahlend weißblonden schulterlangen Haaren und einem ärmellosen pinken Top. Natürlich hatte er auch noch Hosen an, aber die fand ich in dem Moment nicht ganz so interessant wie sein Oberteil. Ohne, dass ich etwas dagegen hätte tun können, wanderte eine Augenbraue von mir nach oben. Was mich allerdings ebenfalls irritierte, war, dass der Jugendliche ziemlich gehetzt und außer Atem wirkte. „Rose?“, riet ich neugierig. Der Blonde fuhr zusammen und drehte sich zu mir um, starrte mich mit großen Hundeaugen an. Ansonsten keine Reaktion. „Bist du Rose?“, versuchte ich es ein zweites Mal. Er kam mir vom Gesicht her etwas bekannt vor, aber der Rose, dessen Bild ich vor mehr als einem halben Jahr gesehen hatte, hatte schwarze Haare gehabt. Daher war ich mir nicht ganz sicher. Keine erkennbare Regung, bis auf dass er sich an die Tür zu drücken schien. „Mein Name ist Hakuei“, redete ich einfach weiter. „Wenn du Rose bist, dann sind wir ab jetzt Mitbewohner. Falls nicht, bitte ich dich, den Raum wieder zu verlassen.“ Der Jugendliche tastete nach der Türklinke und umfasste sie, unternahm aber nichts weiter. Er zuckte ein zweites Mal zusammen, als es an der Zimmertür klopfte, rührte sich aber ansonsten keinen Millimeter. „Egal, wer auch immer du bist, wärst du so freundlich und würdest einen Schritt zur Seite gehen, damit man die Tür aufmachen kann?“, bat ich ihn so höflich wie nur irgend möglich. Keine Reaktion, wie auch zu erwarten. Daher tat ich etwas, das ihn merklich verängstigte: Ich ging auf ihn zu. Wenn er sich nicht bewegt hätte, dann hätte ich ihn kurzerhand genommen und woanders abgestellt, so ein Fliegengewicht wie ihn hätte ich ohne Probleme tragen können. Aber, wie erwartet, flüchtete er sich vor mir an der Wand entlang zur anderen Ecke des Raumes. „Ist er schon hier?“, wollte Shizuko wissen, nachdem ich die Tür geöffnet hatte, und betrat den Raum anschließend. „Ah, da ist er ja. Haben Sie sich schon mit ihm angefreundet?“ „Und ob, wir sind die besten Freunde, ich werde nicht mehr von seiner Seite weichen“, nickte ich mit einem gleich ernsten Gesichtsausdruck und nahm ihr den Koffer ab, trug ihn dann zum zweiten Bett im Zimmer und stellte ihn daneben ab, worauf Shizuko sich bedankte und mir gleich einen zweiten Koffer in die Hand drückte. Rose hatte sich in die Ecke gedrängt und beobachtete uns nervös. „Ich glaube, ich brauche Sie beide nicht bekannt zu machen, das werden Sie selbst übernehmen“, meinte die Schwester und sah von mir zu Rose, welcher sie angsterfüllt anstarrte. „Über alles andere haben wir Sie bereits informiert, wenn Sie irgendwelche Fragen haben, Hilfe möchten, egal in welcher Art, wenn irgendetwas sein sollte, wir sind rund um die Uhr für Sie da. Fühlen Sie sich hier wie zuhause. Okay?“ Sie schenkte ihm ein beruhigendes Lächeln, was ihn vollkommen kalt zu lassen schien. „Ihnen muss wirklich was an ihm liegen“, flüsterte ich Shizuko zu, während ich ihr noch zurück zur Tür folgte. „Das ist das erste Mal, dass ich Sie habe lächeln sehen.“ „Fangen Sie schon wieder so an?“, gab sie zurück, musste aber jetzt erneut etwas lächeln. „Er ist der Sohn einer bekannten Persönlichkeit, dass Sie mir ja auf ihn Acht geben. Wenn herauskommt, dass Sie ihm irgendetwas angetan haben, können Sie sich auf etwas gefasst machen. Bitte, passen Sie etwas auf ihn auf. Normalerweise würde ich das nicht von Ihnen verlangen, aber unter diesen Umständen...“ Ich nickte. „Kein Problem. Ist er mit einem Star verwandt, oder warum?“, wollte ich wissen. Shizuko erwiderte nichts, sondern zog die Tür einfach hinter sich zu. Ich wandte mich wieder dem Blonden zu, der mich mehr und mehr an ein in die Enge getriebenes Tier erinnerte. „Möchtest du nach draußen gehen?“, fragte ich ihn. Er schüttelte heftig den Kopf. „Bleibst du lieber hier?“ Auf diese Frage zögerte er und schien sich nicht ganz im Klaren zu sein, was die bessere Alternative wäre. „Dann pack doch am besten erst einmal aus, ja? Vielleicht fühlst du dich dann ein wenig sicherer.“ Damit ging ich zurück zu meinem Bett, streckte mich darauf aus und nahm mir wieder mein Buch. Während ich entspannt weiterlas, passierte eine lange Weile erst einmal gar nichts. Dann musste Rose wohl aufgegangen sein, dass ich nicht jeden Moment aufspringen und ihn anfallen würde, denn er rutschte an der Wand entlang in Richtung seines Bettes. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass er immer wieder zu mir blickte, merklich verstört, um sich zu vergewissern, dass ich auch ja liegen blieb. Als er erst einmal bei seinem Bett angekommen war, hievte er den ersten Koffer darauf, öffnete ihn und begann vorsichtig, seine Kleidungsstücke im geräumigen Schrank hinter sich zu verstauen. Ich musste mich zwar zwingen, aber ich schaute nicht zu ihm herüber, um ihn nicht weiter zu verunsichern. Sollte er erst einmal richtig hier ankommen. Etwa eine halbe Stunde später war der Blonde fertig und hatte sich auch – soweit ich das feststellen konnte – beruhigt. Er hockte sich auf sein Bett und starrte mich durchdringend an, als würde er sagen wollen ‚spiel mit mir!’. Als ich ihm jedoch den Kopf zudrehte und ihn ansah, schaute er sofort weg, beinahe schuldbewusst. „Wenn du fernsehen möchtest, tu dir keinen Zwang an, das stört mich nicht“, versicherte ich ihm. Er schüttelte nur leicht den Kopf. „Willst du dich denn ein wenig umsehen?“ Wieder ein Kopfschütteln ohne mich eines Blickes zu würdigen. „Möchtest du was lesen?“ Da hob er den Blick endlich und musterte mich neugierig. „Ich habe einige Bücher aus der Bücherei, die kannst du dir gerne fürs erste ausleihen, bis du einen eigenen Ausweis hast“, bot ich an. „Was interessiert dich denn, Politik?“ Auf der Stelle nickte er. Volltreffer. Ich zeigte in Richtung des kleinen Tisches. „Schau mal, die Bücher auf der rechten Seite könnten interessant für dich sein.“ Noch immer etwas verunsichert stand Rose auf und ging zum Tisch herüber, um dann kurz darauf wieder zu seinem Bett zurückzukehren, ein Buch in der Hand. Nachdem er es sich auf dem Bauch bequem gemacht hatte, sah er mich von der Seite an. „Danke“, murmelte er sehr leise, kaum hörbar. Ich lächelte schwach, ohne seinen Blick zu erwidern. „Kein Problem.“ Und so verbrachte ich den ersten Nachmittag mit meinem Auftrag lesend und in Ruhe. ~*~ Ich war kein Yakuza, war niemals einer gewesen. Ich arbeitete 80% meiner Zeit auf der illegalen Seite des Gesetzes, ich sympathisierte mit vielen Yakuza und ich bekam auch von sehr vielen Yakuzachefs Jobangebote, aber ich hatte mich nie, in meinem ganzen Leben nicht, für eine oder mehrere Yakuza-Gruppen entschieden. Ich war sehr zufrieden damit, hatte ich doch den ganzen Stress mit den Clankriegen und den Feindschaften auch innerhalb eines Clans nicht am Hals. Manchmal hatte ich für die Polizei gearbeitet, wenn die Bezahlung oder die Belohnung gut gewesen war, wenn ich meinen Kopf dadurch noch aus der Schlinge ziehen konnte oder wenn mich der Auftrag gereizt hatte, aber fast immer konnten die Ganoven mir bessere Angebote machen. Ich nahm alle möglichen Jobs an – einmal hatte ich mich als Transvestit verkleidet, um Zugang zu geheimen Informationen zu bekommen, ein anderes Mal hatte ich mich als Diener in einen Haushalt einer sehr angesehenen Familie eingeschlichen, um unbemerkt den Hausherren zu ermorden, der einem Yakuza ein Dorn im Auge gewesen war. Ich liebte meine verdeckte Arbeit, wenn ich mich als jemand ausgeben konnte, der ich nicht war. Die positiven Seiten an meiner Art zu arbeiten waren offensichtlich: Es gab extrem gute Bezahlung, es war abwechslungsreich, herausfordernd und spannend, ich bekam Anerkennung dafür und es machte mir Spaß. Genauso klar waren allerdings auch die Nachteile: Es war oftmals sehr gefährlich, anstrengend und nervenzehrend, teilweise regelrecht frustrierend, und dadurch, dass ich für jeden arbeitete, konnte leicht Misstrauen entstehen. Fassten wir es zusammen: Ich lebte auf einem gefährlichen Pflaster und tat es gerne. Und so war ich auch in der Klinik gelandet – durch einen Auftrag. Oder vielmehr durch zwei. Eine Kurzfassung: Es gab zwei verfeindete Clans, den Maihara- und den Suzuki-Clan. Die Bosse beider Clans hatten mehrere Kinder, damit die Thronfolge gesichert war, allerdings war der Maihara-Clan so unvorsichtig gewesen und hatte lediglich den ältesten Sohn zum Yakuzachef ausgebildet. Der wurde natürlich auch prompt mit fünfundzwanzig umgebracht, vom Suzuki-Clan, der drei ausgebildete Erben hatte, die alle drei indirekt am Mord des Maihara-Erben beteiligt gewesen waren. Allerdings wusste nur einer der drei, nämlich der jüngste, wer welche Rolle inne gehabt hatte und wer letztendlich der Mörder gewesen war. Das war bekannt, weil er sich einmal verplappert hatte. Und nun hatte der Suzuki-Clan ein Problem, weil der jüngste Sohn gleichzeitig Vaters Liebling war und auf keinen Fall sterben durfte. Deshalb musste er beschützt werden. Andererseits wollte der Maihara-Clan Rache für seinen Erben und das ging nur, wenn man wusste, wer verantwortlich war. Deshalb musste der jüngste Suzuki-Erbe erst reden und dann umgebracht werden. Konsequenz: Beide Clans heuerten mich an. Ich hätte fast laut losgelacht, als ich vom Maihara-Clan den Auftrag bekam, den jüngsten Suzuki auszuquetschen, wo ich vorher vom Suzuki-Clan eben genau den Auftrag bekommen hatte, so etwas zu vermeiden. Der Plan des Suzuki-Clans war der folgende: Da der jüngste Sohn, Min Woo No, ein Halbkoreaner, genannt Rose, psychisch noch nie wirklich stabil gewesen war, wollte man ihn in eine Nervenklinik einweisen, und zwar in DIE Nervenklinik überhaupt – die renommierteste, sicherste, teuerste und erfolgreichste in ganz Japan. Dort würde der Kleine sicher sein, da der Maihara-Clan niemals auf die Idee kommen würde, dort zu suchen, und wenn, dann hätten sie keine Möglichkeit, Rose irgendetwas anzuhaben. Trotzdem sollte er doppelt abgesichert werden. Das Problem dabei war, dass die Maiharas sämtliche Mitglieder des Suzuki-Clans kannten und sofort nach ihnen suchen lassen würden, würde jemand zusammen mit Rose verschwinden. Ein Außenseiter, dem man trotzdem vertrauen konnte, musste her. Dieser sollte sich erst als normaler Patient in die Anstalt einweisen lassen, um dann anschließend wie zufällig auf Rose zu treffen und ihm fortan nicht mehr von der Seite zu weichen. So lange, bis ein bisschen Gras über die Sache gewachsen war oder man sich dazu entschloss, Rose für eine Zeit ins Ausland zu bringen. Bezahlung dementsprechend hoch, Unterkunftskosten für die Klinik wurden gestellt. Da sagte ich nicht nein. Der Plan des Maihara-Clans dagegen war nicht weniger durchdacht: Durch ein Leck im Suzuki-Clan wussten die Maiharas, dass Rose in Sicherheit gebracht werden sollte, und zwar in ebenjener Nervenklinik. Da sie wussten, dass sie ihm als Außenstehende nichts würden anhaben können, wenn er erst einmal eingewiesen war, beschlossen sie, jemand anderes, jemand Unbekanntes für sich arbeiten zu lassen, der sich vor Roses Ankunft bereits freiwillig in die Anstalt einweisen ließ, damit niemand Verdacht schöpfte. Durch indiskrete Manipulation würde irgendwie dafür gesorgt werden, dass dieser Außenstehende mit Rose in Kontakt kam, sich mit ihm anfreundete und soweit sein Vertrauen gewann, dass er ihm freiwillig alles erzählte – natürlich auch die Informationen über den Mord. Anschließend sollte man es wie einen Unfall aussehen lassen. Soweit auch kein Problem, die Bezahlung ebenfalls mehr als angemessen. Da konnte ich ebenfalls nicht ablehnen. Und nun befand ich mich genau in der Mitte. Zumindest, was die Entscheidungen betraf. Sorgte ich dafür, dass Rose die nächsten Monate heil überstand, würde ich 50 Millionen Yen, also nicht ganz 480.000 Dollar, bekommen. Schaffte ich es, die Informationen aus ihm herauszukriegen und ihn danach unauffällig verschwinden zu lassen, bekam ich ebenfalls 50 Millionen Yen. Ich konnte mich nicht entscheiden – es reizte mich beides, einmal die Pflicht, für jemanden verantwortlich zu sein und mich um ihn zu kümmern, andererseits die Herausforderung, mich so skrupellos auf Roses Kosten zu verstellen. Das Schöne im Moment allerdings war, dass ich noch Zeit hatte, mich zu entscheiden. In beiden Aufträgen ging es erst einmal darum, dass ich mich mit Rose anfreunden sollte, also würde ich das zu Beginn tun. Vielleicht konnte ich mich besser entscheiden, wenn ich ihn näher kannte. Ging er mir auf die Nerven, würde ich ihn aus dem Weg räumen, war er nett, würde ich ihm helfen. Natürlich müsste ich auch mit Konsequenzen rechnen, das war mir klar. Wenn ich ihn umbrachte, konnte ich hinterher bei den Suzukis behaupten, es wäre wirklich ein Unfall gewesen oder aber es wäre alles so schnell gegangen, dass ich nicht mehr hätte reagieren können. Wenn ich ihn am Leben ließ, wurde es schon schwieriger, mich bei den Maiharas zu rechtfertigen – ich könnte behaupten, dass ich nicht an ihn herangekommen sei, aber in dem Fall hätte ich sie kontaktieren und sie darüber informieren müssen.... Na ja, mir würde schon etwas Passendes einfallen, wenn es so weit kommen würde. Jetzt wollte ich erst den Auftrag noch genießen. ~*~ Am Abend des selben Tages, an dem Rose eingewiesen worden war, gab es die erste kleinere Krise. Jeden Tag gab es ab sieben Uhr Abendessen, und spätestens bis halb acht musste man im Essenssaal sein, ansonsten ging man mit knurrendem Magen schlafen. „Komm mit, ich bring dich zum Esssaal, ja?“, bot ich Rose freundlich an, bereits auf meiner Bettkante sitzend und ihn erwartungsvoll ansehend. Er drehte mir den Kopf zu und betrachtete mich ein paar Momente wortlos. Dann schüttelte er den Kopf. „Möchtest du nichts essen?“, fragte ich ihn. Rose runzelte etwas die Stirn und verneinte erneut geräuschlos. Anmerkung: Er war eine Bohnenstange. Er war eine Sellerie, eine Stange Lauch oder eine Laterne, wie man’s haben wollte. Er war deutlich untergewichtig und spindeldürr, was mir besonders auffiel, da er etwa so groß war wie ich, also über 1,80m. „Aber danach hast du keine Möglichkeit mehr, etwas zu essen“, warnte ich ihn, worauf er nur mit einem Schulterzucken antwortete. „Ist das, weil du generell nichts isst?“ Er schwieg. „Oder fühlst du dich hier einfach noch nicht wohl?“, fragte ich weiter. Er senkte lediglich seinen Blick. Ohne weiteren Kommentar stand ich auf und verließ das Zimmer. Obwohl er mir ein wenig auf die Nerven ging, wollte ich ihn nicht anfahren oder ihn gleich vorverurteilen. Wer wusste, was er in seinem Leben durchgemacht hatte. Außerdem brauchte er wahrscheinlich erst einmal Ruhe und einige Tage, um sich in den Alltag einzufinden. Beim Essen unterhielt ich mich mit einem genialen, aber leider schwachsinnigen Wissenschaftler. Er hatte eine unheimliche Kombinationsgabe und konnte sich unendlich lange Zahlenreihen merken, allerdings hielt er sich für Albert Einstein, Isaac Newton und Charles Darwin zugleich. Er hatte zu viel Zeit in Europa verbracht, bekam ich das Gefühl. Andererseits war es erfrischend, wenn man das Gefühl hatte, mit drei verschiedenen Personen an einem Tisch zu sitzen, und dabei nicht immer hin- und herschauen musste. Da er sich logischerweise an seinen vorherigen Namen nicht mehr erinnerte, verpasste ich ihm insgeheim einen neuen: Albert Newin. Um nett zu sein, stapelte ich einige von den Sachen, die man auch kalt essen konnte, auf einem Teller und nahm ihn mit mir auf mein bzw. Roses und mein Zimmer. Vielleicht bekam er ja doch noch Hunger. Fehlanzeige. Er bedankte sich zwar einsilbig dafür, würdigte anschließend aber weder mich noch das Essen eines Blickes, so vertieft schien er in das Buch. Oder aber er wollte bloß keinen Kontakt mit seiner Umwelt und sich langsam zu Tode hungern. Sollte mich erst einmal nicht interessieren, ich würde schon eingreifen, wenn es ernst würde. Um noch einmal an die frische Luft zu kommen, unternahm ich einen Spaziergang auf dem Klinikgelände. Es war sehr gepflegt, der Rasen hatte eine exakte Länge von vier Zentimetern, in den Blumenbeeten wuchs kein einziges Unkrautpflänzchen, die Wege waren immer sauber. Es missfiel mir zutiefst. Ich mochte lieber die Natur, so wie sie war, eine Vegetation, durch die man sich erst einmal durchkämpfen musste. Unbehelligt von menschlichen Eingriffen. Als ich zurückkam, las Rose noch immer. Auch noch, als ich schlafen ging. Er hatte seine Nachttischlampe angeschaltet und so von mir weggedreht, dass ich durch das Licht nicht gestört wurde. Ich kümmerte mich nicht weiter darum, sondern schlief zufrieden ein. In der Nacht wachte ich kurz auf, nur, um festzustellen, dass Rose noch immer las. Auch am nächsten Morgen, als ich aufwachte, las er. Er wirkte sehr müde und ausgelaugt. Hatte er die gesamte Nacht gelesen? Er hatte sich nicht einmal umgezogen. Was sollte das? Wollte er versuchen, ohne Schlaf auszukommen? Misstraute er mir so sehr, dass er sich in meiner Gegenwart keine Schwächen erlauben wollte? Wenigstens war das Essen, das ich ihm am vorigen Abend mitgebracht hatte, verschwunden. Das war ja schon mal ein Anfang. Ich stand auf, ging in dem Badezimmer, das zu unserem Zimmer gehörte, duschen und zog mich an. Rose rührte sich nicht von der Stelle. „Hast du die ganze Nacht nicht geschlafen?“, wollte ich von ihm wissen. Er hob den Kopf und blinzelte mich schläfrig an. Er wirkte, als würden ihm jeden Moment die Augen zufallen. Das reichte mir. Ich stapfte zu seinem Bett herüber, weshalb er auf der Stelle verängstigt daraus flüchtete und hinter dem Tisch in Deckung ging. Kurzerhand nahm ich seine Bettdecke und sein Kissen, legte beides kurz auf meinem Bett ab, ehe ich seine Matratze nahm und sie ins doch sehr geräumige Badezimmer trug. Dort legte ich sie auf den Boden, warf dann noch seine Decke und sein Kissen darauf und nahm genügend Abstand vom Bad, dass Rose ohne Probleme hinein konnte. Mehr als verwirrt hatte mich der Blonde beobachtet und die Stirn gerunzelt. „Schlaf da“, befahl ich ihm. „Das Badezimmer kannst du abschließen, da musst du keine Angst haben, dass dir irgendetwas passiert. Ich werde den ganzen Morgen weg sein, bis etwa zwei Uhr, da musst du dir auch keine Sorgen machen. Ach ja, und ich bring dir gleich ein bisschen Frühstück. Okay?“ Mit großen, verwunderten Augen nickte Rose langsam. Ich wünschte ihm noch freundlich eine gute Nacht und verließ das Zimmer. „Fällt es nicht auf, wenn du ständig das Gelände verlässt?“ „Hm.“ Ich zündete mir eine Zigarette an und legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen. Ich mochte es, wenn mir die Sonne ins Gesicht schien. „Da ich freiwillig hier bin, kann ich machen, was ich möchte. Es wurde zwar gesagt, dass es besser sei, wenn ich die gesamte Zeit in Reichweite bliebe, aber dazu zwingen können sie mich nicht. Und da in der Klinik sowohl Zigaretten als auch Alkohol verboten sind, denken sich die Pfleger schon ihren Teil.“ Ich warf Gara einen Blick zu. „Allerdings solltest DU dich nicht erwischen lassen, ansonsten fällt der gesamte Auftrag ins Wasser, das ist dir klar?“ Er trat seine Zigarette auf dem Boden aus und seufzte. „Natürlich weiß ich das. Aber wir brauchen doch Gewissheit, dass du uns nicht hintergehst und deinen Auftrag auch gewissenhaft ausführst. Wir zählen auf dich.“ „Aber ich denke, dass du nicht so selbstlos bist und dich freiwillig in Gefahr begibst, oder sehe ich das falsch?“, bemerkte ich und hob eine Augenbraue. Sein Gesicht verdüsterte sich. „Wenn du versagst, bin ich dran. Ich war es schließlich, der dich vorgeschlagen hat.“ Wenn er damit mal keinen Fehler gemacht hatte, dachte ich mir schadenfroh. „Dann werde ich mich doch besonders anstrengen, wenn es hier nicht nur um deinen Ruf, sondern auch um dein Leben geht“, versicherte ich ihm. Er musterte mich skeptisch. „Mach keine Scheiße. Sonst kannst du dich auch auf was gefasst machen. Und außerdem brauchst du die 50 Millionen doch, oder nicht?“ „Dann kann ich mich ganz in die USA absetzen“, stimmte ich ihm zu und verkniff mir ein Lächeln. Und egal, wie es ausging, 50 Millionen bekam ich so oder so. „Ach ja, er ist übrigens gestern angekommen“, warf ich noch beiläufig ein. Garas Neugier war geweckt. „Und? Wie sieht er aus, was macht er für einen Eindruck? Konntest du dich schon mit ihm gut stellen?“ „Er hat keine schwarzen Haare mehr, sondern weißblonde“, begann ich mit dem, was ihn wahrscheinlich am wenigsten interessierte. „Ich hätte ihn fast nicht erkannt. Er wirkt extrem verstört und unsicher, hat absolut kein Vertrauen in niemanden. Ein bisschen wie ein gehetztes Tier. Letzte Nacht hat er nicht mal geschlafen, und essen tut er auch nur, wenn ich nicht dabei bin oder schlafe. Oh, und er redet nicht.“ „Ist er stumm?“ „Nein, das nicht, er KANN, wenn er möchte. Er will nur anscheinend noch nicht. Ich bin erst einmal ein bisschen auf Distanz gegangen, war aber trotzdem freundlich zu ihm, sodass er das Gefühl kriegt, er muss mir irgendetwas zurückgeben.“ Ich war auf seine Persönlichkeit gespannt. Als Sohn eines Yakuzabosses und als dessen Liebling war er bestimmt eine interessante Person. „Du solltest trotzdem so schnell wie möglich an ihn herankommen“, widersprach Gara ungehalten. Ich nickte, war aber anderer Meinung. Ich würde Rose Zeit lassen, sich an mich zu gewöhnen. Wenn ich ihn drängte, dann würde dabei nichts herauskommen. Als ich gegen zwei Uhr ins Zimmer zurückkehrte, saß Rose weinend neben meinem Bett auf dem Boden. Er hatte die Knie an die Brust gezogen, die Stirn darauf gelegt und schluchzte leise. Ich schloss die Tür hinter mir geräuschvoll, damit er mich bemerkte und ich ihn nicht unabsichtlich erschreckte. Keine Reaktion von seiner Seite. „Rose?“, fragte ich leise. Als wieder nichts kam, sprach ich weiter. „Darf ich mich zu dir setzen?“ Entweder er ignorierte mich oder er realisierte überhaupt nicht, dass ich da war und mit ihm redete. Langsam schritt ich zu ihm und ließ mich neben ihn sinken. Wahrscheinlich hätte ich genauso gut auf dem Tisch tanzen können, und es wäre ihm egal gewesen. „Darf ich dich anfassen?“, wollte ich wissen. Erneut keine Regung seinerseits. Also strich ich ihm vorsichtig über den Kopf, aber das einzige, was ich dadurch erreichte, war, dass Rose meine Hand wegschlug. Als er den Kopf hob und mich endlich ansah, lag in seinen Augen sowohl Angst als auch Wut und Hilflosigkeit. „Verschwinde“, murmelte er leise. „Hast du gut geschlafen?“, erinnerte ich ihn daran, was ich unaufgefordert für ihn getan hatte. So etwas funktionierte immer – zumindest mit netten Leuten. Erinnere sie daran, was du für sie getan hast, und sie fühlen sich verpflichtet, freundlicher zu dir zu sein. Auch bei Rose schien es zu wirken. Er senkte seinen Blick für einen Moment. „Ich will hier weg“, wisperte er. „Warum?“, fragte ich sanft. Er musterte mich. „Es ist unheimlich hier. Überall ist es dunkel, und die Leute sind viel unheimlicher als bei mir zuhause. Viel, viel unheimlicher. Viele sind viel heller, haben eine fast schon weiße Aura. Das beunruhigt mich“, fuhr er sehr leise fort. Er sprach schnell, als müsste er das alles unbedingt loswerden. „Was meinst du mit heller?“ Jetzt hatte ich ihn, dachte ich. „Ihre Aura“, wiederholte er. „Sie leuchten. Das macht mir Angst. Bei mir zuhause sind sie alle dunkel, da ist alles düster. Das bin ich gewohnt. Du bist auch dunkel. Aber... du hast einen Schatten hinter dir, einen großen Schatten, er folgt dir überall hin, er lässt dich nicht in Ruhe... Ich habe ihn auch. So einen Schatten.“ Wow, der Kleine war wirklich ziemlich abgedreht. „Schatten?“ Er nickte langsam. „Ja“, wisperte er. „Den Tod. Du trägst ihn mit dir herum, er folgt dir und wartet. Er wartet nur...“ Gegen meinen Willen bekam ich eine Gänsehaut. Was erzählte Rose da? Der Tod folgte mir? Die Leute hier hatten eine leuchtende Aura? .... Aber wenigstens redete er mit mir. „Bist du deshalb hier?“, wollte ich wissen. „Weil du diese Schatten und diese Auren siehst?“ „Nein.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich bin hier, weil ich bin, was ich bin.“ Ich hatte das Gefühl, dass er nicht viel präziser werden würde, und ich fand es unhöflich, jetzt schon nachzuhaken. Also ließ ich seine Aussage erst einmal im Raum stehen. „Du wirst auch erst einmal deine Zeit brauchen, bis du dich hier eingewöhnt hast. Aber ich kann dich beruhigen, eigentlich sind alle sehr nett hier, und wenn du irgendwelche Fragen oder Probleme hast, kannst du dich ohne Bedenken an die Pfleger wenden. ... Oder an mich“, fügte ich noch hinzu und lächelte beruhigend. „Da wir jetzt zusammen wohnen, möchte ich, dass wir uns auch gut verstehen.“ Der Blonde blinzelte zu mir hoch. „Ja...“, murmelte er leise und betrachtete mich dann einen Moment eingehend. „Willst du mir etwas Böses?“, wollte er anschließend leise wissen. Wie kam er denn jetzt darauf? Ich schüttelte den Kopf. „Nein, will ich nicht. Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“ „Gut.“ Er schenkte mir ein angedeutetes Lächeln. „Das ist gut.“ Und damit schien die Sache für ihn erledigt zu sein. An diesem Abend ließ er zwar das Licht an, ging aber dennoch schlafen. ~*~*~*~ to be continued~ ist Rose nicht ein Herzchen? |D und ein großes Danke schön an Tattoo, die sich jetzt doch aufraffen konnte, das Ding hier zu beta'n ;) alle im Chor: DANKE 3 [Wen's interessiert - die nächsten Kapitel haben etwa alle die Länge 3.500-4.000 Wörter, und insgesamt sind es acht Kapitel ^^] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)