Hinter den Spiegeln von abgemeldet (-Tsengfic-) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Hinter den Spiegeln Zähflüssig tropfte das Blut die Wand herab. Es hatte bereits die rote Farbe verloren, einen braunen Schimmer angenommen. Bald würde es schwarz sein. Und es stank. Er hatte schon vorher gewusst, das gerinnendes Blut übel roch. Das es schlimmer wurde, je älter die Flüssigkeit war. Der Geruch kroch in seine Nase, setzte sich dort fest. Würde nie wieder verschwinden. Es war der Gestank seines eigenen Bluts, der dem Jungen bittere Galle die, vom Kotzen und Schrein raue Kehle hoch trieb. Viel mehr als Magensäfte waren nicht mehr in seinem geschundenem Körper. Er hatte alles längst von sich gegeben, immer und immer wieder. Bis nichts mehr in ihm war. Es war das Wasser gewesen, das man ihm hingestellt hatte. Das er so gierig trank. Er hätte auf seinen Instinkt hören müssen, auf das was sein Körper ihm sagte. Es riecht komisch, trink es nicht! Diesen Fehler würde er nicht mehr korrigieren können. Und jetzt gab es sowieso nur noch den Geruch des Bluts. Der Junge zog sich hoch, lehnte sich gegen die weiß gekachelte Wand. Drei weiße Wände, an denen sein Blut klebte, und ein Spiegel. Das wäre also das letzte, was er vor seinem Tod sehen würde. Er atmete. Noch konnte er sich dazu zwingen, die Luft in die Lungen zu ziehen. Abgestanden Luft. Und mit jedem Atemzug meinte er seine eigenen Schreie schmecken zu können, die in dieser Luft hingen, zwischen den weißen Wänden und dem Spiegel. Der Junge schloss die Augen, versuchte sich zu erinnern. An grüne Reisfelder, An das Lachen seiner kleinen Schwester. An den Geruch seiner Mutter. An das Gesicht seines Vaters. Aber alles woran er sich erinnern konnte waren brennende Hütten und Uniformen. Die Schreie seiner sterbenden Schwester. Die verzehrte Fratze seines Vaters, als der SOLDIER ihn köpfte. Und der Gestank, der an seiner Mutter hing, als die Männer in den Uniformen verschwunden waren. Hieß es nicht, das man vor dem Tod Frieden mit sich selbst machen sollte? Sonst würde das böse Karma einen in das nächste Leben begleiten. Das waren die Worte seiner Mutter, als sie bleich und ausgemergelt auf der schäbigen Matratze lag. Der gestreifte Stoff war fleckig von den Körperflüssigkeiten, die sie nicht mehr halten konnte. An jenem Tag, als seine Mutter an Typhus starb, weil keiner der ShinRa-Ärzte sich um die Flüchtlinge kümmern wollte, hatte der Junge gelernt, das der Tod nicht schön aussah. Und wenn sich auf dem Gesicht seiner Mutter Frieden spiegelte, dann wollte er nicht in Frieden sterben. Sterben... Nein, noch nicht. Nicht so. Langsam, Zentimeter für Zentimeter zog er sich hoch. Zwang den fragilen Körper dazu, aufzustehen. Die Knochenbrüche zu ignorieren. So wie er sich damals gezwungen hatte, aufzustehen. Aus der Hütte zu gehen, und keinen Blick zurück zu werfen. Niemand hatte ihn daran gehindert zu gehen. Ein Maul weniger, das gestopft werden musste. Keiner gab dem kleinen Jungen eine große Chance. Er würde zwei, vielleicht drei Tage überleben. Das glaubten sie. Und weil er wusste, das sie es glaubten, überlebte er. Nur um ihnen das Gegenteil zu beweisen. Zu beweisen, das er härter war als alle, die ihm das Recht des Überlebens abstritten. Er war der Jüngste, der Kleinste, der Hübscheste, der Intelligenteste, das alles wurde ihm gesagt. Aber es zählte nicht. Was zählte war nur eine Sache: Er war der Brutalste. Er überlebte, er kämpfte. Jeden Tag mit allen Mitteln. Schließlich respektierten sie ihn, ließen ihn in Ruhe. Und er vergaß grüne Reisfelder und das Lachen eines kleinen Mädchens. Seine Welt war nun winzig. Drei Straßenzüge, ein Zimmer, das er sich mit acht anderen teilte. Und eine Katze, die immer wieder zu ihm kam. Er mochte die Katze. Sie stellte keine Fragen. Sie lachte nicht über ihn. Sie war einfach da, wenn sie Streicheleinheiten wollte. Nahm sie sich, stupste ihn dafür an, und schlief schnurrend auf seinem Bauch. Auch er konnte schlafen, wenn die Katze da war. Dann kamen wieder die Männer in den Uniformen. Mit den Schwertern und den seltsam leuchtenden Augen. Ihnen waren Katzen egal. Und einer trat seiner Katze in den Bauch. Mit seinem schweren Kampfstiefel mit der Stahlkappe. Weil die Katze Hunger hatte, weil sie versucht hatte etwas von dem Essen zu bekommen, das die SOLDIER aßen. Er konnte seine Katze nicht füttern. Und trotzdem war sie immer wieder zu ihm gekommen. Sie starb noch am selben Nachmittag. Er wollte sich daran erinnern, das alles ganz friedlich gewesen war, das sie mit einem leisen Schnurren und viel gutem Karma in ein anderes Leben glitt. Vielleicht nicht als Katze, sondern als Mensch in einem großen Haus, einem weichen Bett und einem gefüllten Kühlschrank. Er wollte sich nicht daran erinnern, das seine Katze jämmerlich schrie, innerlich verblutete, und er ihr schließlich das Genick brach, damit es schneller ging. Niemand hatte geglaubt, das ein Junge SOLDIER töten könnte. Das ein Junge einem Elite-Soldaten so nahe kommen würde, das er ihm mit dem Messer den Bauch aufschlitzen konnte. Niemand glaubte, das ein Junge das für eine Katze tun würde. Aber auch SOLDIER mussten schlafen. Und auch SOLDIER waren gegen Kabelbinder machtlos. Und erst recht wehrlos, wenn sie kein Schwert in ihren Händen hielten. Sie fanden den SOLDIER am Morgen. Und den Jungen, der neben ihm hockte und beobachtete wie rotes Blut langsam schwarz wurde. Sie lachten bitter, als er ihnen sagte, das er es wegen seiner Katze getan hatte. In ein paar Augen glimmte sogar so etwas wie Mitleid. Ein paar Stimmen flüsterten leise: "Der arme Junge. Dieser verdammte Krieg hat ihn traumatisiert." Und dann war da der Mann, der ihn nicht mitleidig oder hasserfüllt ansah. Nur prüfend. Der ihn nicht Armer Junge oder Wutei Bastard nannte. Dem er ein weiteres Mal erzählen musste, wie und warum er einen SOLDIER umgebracht hatte. Dann verschwand der Mann. Und der Junge wartete auf das Hinrichtungskommando. Aber es kamen keine SOLDIER. Nur ein Mann und eine Frau. Beide trugen den selben blauen Anzug. Sie nahmen den Jungen mit, sagten ihm das es das letzte Mal sein würde, das er einen Blick auf Wutai werfen könnte. Der Junge sah nicht zurück. Sie brachten ihn in die Stadt. Hier war alles noch größer, noch dreckiger. Und der Junge spürte, das er noch härter werden musste. Sie führten ihn in den Turm, ließen ihn aus einem gläsernen Aufzug auf die Stadt herunter blicken. Und fragten ihn, ob er Angst hätte. Er antwortete ihnen, das er vor nichts mehr Angst haben könnte. Als sie lachten, wusste er, dass es die falsche Antwort gewesen war . Jetzt hatte er Angst. Jetzt stand er in seinem eigenen Blut, in seinem eigenen Erbrochenen und zitterte vor Angst. Nicht um sein Leben. Nicht vor dem Mann, der immer wieder hereingekommen war, auf ihn eingeprügelt hatte, auf ihn einredete, Ihm alles genommen hatte, was er meinte noch zu besitzen. Seinen Stolz, das letzte bisschen Gefühl von Ehre. Der Mann hatte all das in Scherben geschlagen. Bis nur noch das nackte Selbst des Jungen zurück blieb. Aber vor dem Mann hatte er keine Angst. So schwach, so stark am Zittern, das er sich kaum auf den Beinen halten konnte, öffnete der Junge die Augen. Er sah drei weiße Wände und einen Spiegel. Drei Wände an denen sein Blut klebte. Ein Spiegel, in dem sich ein zierlicher, nackter Körper reflektierte. Der eines 13jährigen. Zu dünn, zu schmächtig. Mit blauen Flecken übersät. Schwarze, halblange Haare, die strähnig in ein hohlwangiges Gesicht fielen. Unter dem braunen, stinkenden Blut war das Bindi nicht mehr zu erkennen, das er von dem Mann bekommen hatte, an dessen Gesicht er sich nicht mehr erinnerte. Er wusste nicht mehr wie sein Vater aussah. Aber auch das machte ihm keine Angst. Als er das verstand, glimmten die dunklen Augen auf, flackerten ein letztes Mal, ehe sie kalt wurden. Und es war das, was dem Jungen Angst machte. ~*~ Hinter dem Spiegel, in einem angenehm beheizten Raum, dessen Klimasystem zuverlässig den abgestandenen Zigarettenqualm filterte und durch frische Luft ersetzte, nippte Verdot an seiner Kaffeetasse und nickte zufrieden. "Er ist jetzt bereit." "Bereit wofür?" Reeve war sichtlich angewidert von den Methoden der Turks, sich einen Teil ihres Nachwuchs heran zu züchten. Der andere Mann lachte nur trocken. "Beginnen wir mit was einfachem wie Sprachunterricht, Lesen und Schreiben lernen. Sein Name bietet sich dafür ja an. Sind nur fünf Buchstaben. Und Tseng schreiben zu können, sollte er schnell lernen. Er wird es brauchen. Sehr oft." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)