Die Bestie von julianehahn ================================================================================ Part 1 ------ Er rannte, wie er es noch nie in seinem Leben getan hatte. Doch trotzdem zu langsam. Die Bestie kam unaufhaltsam näher, er konnte es spüren. Dieses Wesen würde ihn verfolgen, bis es seine Arbeit getan hatte. Plötzlich war sie vor ihm, die Bestie schnitt ihm den Weg ab. Langsam kam sie näher. Sie roch nach verfaulten Gedärmen. Robert wich zurück. Soweit wie er konnte, bis er plötzlich auf Wiederstand stieß, ein Baum. Seine Chancen zu fliehen waren schlagartig gesunken. Nein, sie hatten sich aufgelöst. Als die Bestie, die sich fortwährend auf ihn zubewegte, ins Mondlicht trat, das zwischen den Bäumen des dunklen Waldes hindurchschimmerte, nahm ihm ihr Anblick den Atem. Er hatte einen streunenden Kampfhund erwartet, dieses Wesen aber hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit solch einem Tier. Sein Fell war pechschwaz und samten wie das eines Panthers und unter der Haut konnte er sehen, wie sich die Muskeln spannten. Das Wesen war elegant, unglaublich elegant, aber als er in sein Gesicht sah, konnte er den Hass fast körperlich spüren. Die Luft vibrierte. Robert hatte diese Welt nie gemocht, ebenso wenig wie die Menschen, die auf ihr lebten. Sie waren allem was anders war feindlich gesinnt. Robert hatte nie Anschluss gefunden, er hatte es auch nie gewollt. Diese Welt war zu oberflächlich. Und doch es hatte einen Menschen gegeben, den er geliebt hatte, Laura. Sie konnte ihn verstehen, ihr hatte er alles erzählen können, alles schlechte, verachtenswerte. Sie hatte ihn trotzdem geliebt. Als sie, von einem Auto angefahren, im Krankenhaus gestorben war, war für ihn eine Welt zusammengebrochen. Sein Leben war sinnlos geworden. Doch jetzt, gerade in diesem Augenblick, als er den fauligen, nach Tod riechenden Atem des geifernden dunklen Wesens auf seinem Gesicht spürte und in seine hasserfüllten, flackernden Augen sah, fasste er den Entschluss zu kämpfen. Die Bestie würde ihn zerfleischen und von diesem Leben erlösen, aber er würde dagegen kämpfen, auch wenn es gegen seinen Willen war. Er reagierte instinktiv, als er sein Knie mit voller Wucht auf den Brustkorb des Monsters fahren ließ. Das Monster heulte auf , kippte nach hinten, rollte sich zur Seite weg und war sofort wieder auf den Füßen. Gegen dieses schaurig schöne und doch zugleich irrsinnig gefährliche Wesen konnte er nichts ausrichten, er war verloren, das wusste er. Als es ihn ansprang wurde er mit voller Wucht gegen den Baum geschleudert, vor dem er gestanden hatte und brach in die Knie. Ein plötzlicher stechender Schmerz füllte seinen Brustkorb aus. Die Bestie hatte ihn getroffen, vielleicht sogar lebensgefährlich. Aber es war noch nicht vorbei. Robert wollte nichts sehnlicher, als zu sterben, in diesem Augenblick. Es würde ihn töten. Er würde aufhören zu existieren, noch bevor er wahrnehmen würde, dass er tot war - wenn das Wesen seine Arbeit gut machen würde. Obwohl er wusste was passieren würde, waren seine Sinne zum zerreißen gespannt. Er konnte den Tod riechen, als die Bestie näherkam. Sie knurrte nicht. Kein Muskel in ihrem Gesicht regte sich. Doch der Ausdruck ihrer Augen musste Robert erkennen lassen, dass er Recht hatte. Sie würde ihn töten, egal wie, egal wann, aber sie würde es tun. Es gab kein Entrinnen, keine Chance zu fliehen. Vor diesem eleganten und gleichzeitig grausamen Wesen konnte er nicht weglaufen. Es würde ihn finden. Es würde ihn selbst umbringen, würde er in diesem Moment die Chance bekommen zu fliehen. Er bekam sie nicht. In Roberts Ohren dröhnte das Geräusch von reißendem Fleisch, als sich die Zähne des schwarzen Schattens in seine Kehle gruben. Er spürte nichts außer die panische Angst, die seinen Verstand vernebelte. Dann war es vorbei. Part 2 ------ Sebastian konnte es noch immer nicht glauben. Er hatte Roberts Leiche mit eigenen Augen gesehen, aber aufgenommen und verstanden hatte er es nicht. Er war einer der Ersten gewesen, der von Roberts Tod erfahren hatte. Sebastian war aus Sorge um ihn mit dem Suchtrupp mit gegangen, den der dicke Polizist zusammengetrommelt hatte. Als einer der Männer Roberts Leiche gefunden hatte, hatte Sebastian keinen klaren Gedanken mehr fassen können. Sein Kopf war benebelt gewesen und sein Herz hatte sich angefühlt, als ob jemand mit einer Feile darüber gefahren war. Der Anblick Roberts zerfleischter Kehle hatte ihn geschockt. Einen Moment war er unfähig gewesen zu denken, dann hatte ihn die blanke Furcht gepackt. Wer oder besser gesagt WAS hatte Robert so entstellt?! Das war kein Mensch gewesen! Eher ein großes Tier, doch selbst das schien ihm unwahrscheinlich. Er spürte wie ihm jemand seine Hand auf die Schulter legte. Sebastian zuckte zusammen und drehte sich ruckartig um. Er musste wohl kreidebleich sein und der Schock stand ihm wahrscheinlich ins Gesicht geschrieben, denn Kathrin sprach das Wort, das ihr auf der Zunge lag, nicht zu Ende. Stattdessen nahm sie ihn in den Arm. Da brach die Wand in Sebastians Kopf, er fing an zu schluchzen. Part 3 ------ In dem Loch vor ihm war nichts als gähnende Leere. Der Wald um ihn herum war zwar dunkel, aber eigentlich hätte Licht in die kleine Höhle fallen müssen Er schüttelte den Gedanken ab und stieg in das Dunkel hinab. Sebastian tastete sich an der Wand entlang, es war glitschig und feucht hier unten. Er rümpfte die Nase, dieser strenge modrige Geruch, er kam ihm bekannt vor! Aber er war noch nie zuvor hier gewesen. Nicht in diesem Wald und erst recht nicht in dieser Grotte. Trotzdem kannte er die Höhle. Sebastian tastete sich weiter, er musste noch ein wenig nach rechts gehen, dann... was dann? Er wusste es nicht, aber der Gedanke war zum Greifen nahe. Vor einem Augenblick hatte er gewusst was ihn dort erwartete. Er blieb stehen. Das einzige Geräusch, das er hörte war sein eigener Atem, schwer und laut. Warum machte er sich so verrückt?! Er hatte ein Déjà-Vu, das war alles. Sebastian versuchte daran zu glauben, aber der wusste, dass es nicht so war. Er kannte diese Höhle. Sebastian kniff die Augen zusammen und versuchte den Gedanken zu verdrängen. Sein Herz raste. Irgendwo unter ihm erscholl ein leises scharrendes Geräusch, das ihn hochfahren lies. Es hörte sich an, als ob jemand mit Raubtierklauen über eine steinerne Wand fahren würde - oder besser ETWAS, denn das Geräusch war keines, das ein Mensch verursachen konnte. Sebastian konnte es deutlich hören, es war real. Er keuchte auf, fuhr herum und... starrte zum Grottenausgang, der keiner mehr war. Dort war kein Lichtschimmer mehr, der sich seinen Weg durch die schmale Öffnung der Höhle bahnte, dort waren weder Bäume noch ein Fetzen grauer Himmel. Sebastian schrie. Jemand faste ihn am Arm und schüttelte ihn. "Seb", die Stimme war eindringlicher. Sebastian war schwarz vor den Augen. Als sich sein Blick klärte, schaute er in Kathrins verstörtes Gesicht. "Was ist? Hast du schlecht geträumt?!" "Ja, aber es ist in Ordnung." Irgendwas in Sebastian riet ihm, Kathrin nichts zu erzählen. Er würde sie in Gefahr bringen, wenn er ihr davon berichtete. Das wusste er. Nein, die tonlose Stimme, die ihm aus dem Alptraum in die Realität gefolgt war, wusste es. Part 4 ------ Die Tür fiel mit lautem Krachen ins Schloss. Azal zog Mantel und Schuhe aus und ließ sich auf das Sofa im Wohnzimmer fallen. Brinkmann war das Schlimmste, was ihm hatte passieren können, so einen Chef zu haben war Hölle pur! Vor ein paar Jahren auf dieser Betriebsreise nach Jugoslawien hatte er sich noch gut mit ihm verstanden, aber seitdem hatte Brinkmann sich verändert. Der lebenslustige und menschenfreundliche Vorgesetzte war zum Tyrann geworden, dem es Spaß machte andere zu quälen. Azal wusste warum. Brinkmanns Frau war bei dem Unfall damals ums Leben gekommen, aber für ihn war das kein Grund so unerträglich zu werden. Azal verdrängte den Gedanken und versuchte sich mit Fernsehen abzulenken. Es gelang ihm nicht. Der Gedanke an Brinkmanns Frau blieb. Er hatte sie gesehen als man sie gefunden hatte. Sie war fast unerkennbar gewesen, aber er und Brinkmann hatten sie sofort erkannt. Brinkmann hatte ihren Tod jetzt noch nicht verkraftet, das wusste Azal. Er spielte sich zwar immer auf, aber im Grunde war er so erbärmlich, dass er einem fast schon wieder Leid tun konnte. Auf dem Bildschirm erschien eine blonde Frau, die Nachrichtensprecherin. Azal wollte wegschalten, denn im Moment waren Nachrichten das letzte, was er sehen wollte, aber das Bild, das hinter der Blonden eingeblendet wurde hinderte ihn daran. Das war Stetter, Sebastian Stetter! Neben ihm saß seine Freundin Kathrin, die in die Kamera schaute, als wolle sie sie explodieren lassen und umarmte ihn, wahrscheinlich um ihn zu trösten. Azal war auf einmal hellwach. Die Nachrichtensprecherin verschwand vom Bildschirm und ein neues Bild tauchte auf. Das Passfoto eines Mannes. Azal keuchte. Das war Robert! Plötzlich drehte sich alles. Er konnte kaum noch atmen und sackte auf dem Sofa zusammen. Die Nachrichtensprecherin erzählte irgendetwas über eine Leiche, deren Kehlkopf von einem Raubtier, das den Menschen nicht bekannt sei, zerfetzt wurde, danach berichtete sie über irgendwelche Kriegswirren. Azal nahm es nur zur Hälfte auf. Irgendetwas in seinem Kopf pochte. Ein dumpfes Klopfen. Er nahm alle Kraft zusammen und richtete sich wieder auf. Was er auf dem Bildschirm sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Die monotone Stimme der Sprecherin hielt an und berichtete über politische Ereignisse, aber auf dem flimmernden Bildschirm war das Bild einer Leiche, deren Kehlkopf zerfetzt war, Robert. Die Nachrichtensprecherin lachte. Grausam und schrill. Hinter Azals Stirn läuteten die Alarmglocken. Was ging dort vor sich? Das Fenster neben ihm zerbarst. Er schmiss sich auf den Boden. Lauter kleine Glassplitter regneten nieder und gruben sich in seine Haut, aber Azal spürte es nicht. Sein Blick war starr auf den schwarzen Schemen gerichtet, der aus der Nacht durch sein Fenster geschnellt war. Seine Augen weiteten sich, als er erkannte was dort vor ihm stand. Die Raubkatze knurrte drohend. War das überhaupt eine Katze? Azal hatte nie zuvor so ein Tier gesehen. Sein Fell glänzte und aus seinem Maul ragten riesige Reißzähne hervor. Zwischen ihnen sickerte Schaum hindurch und tropfte auf den Boden. Dort wo die Tropfen auftrafen färbte sich der Teppich rot. Azal konnte sehen, wie sich der Speichel bis zum Fußboden durchätzte. Er setzte zu einem verzweifelten Schrei an, doch schon war die Bestie über ihm und schlug ihm ihre Fangzähne in den Hals. Azal stöhnte leise, dann sackte er zusammen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)