Denn am Ende steht... von Leira ================================================================================ Kapitel 25: Déjà vu ------------------- Hi! Ich grüße euch :D Zuerst einmal meinen verbindlichsten Dank an alle, die immer noch fleißig Kommentare schreiben - im Olympischen Sinne würdet ihr eine Goldmedaille verdienen :) Ich danke euch, dass ihr nach 25 Kapiteln immer noch so viel Durchhaltevermögen besitzt :D Nun... nachdem er letztes Mal ja so gar keinen Auftritt hatte... darf er diesmal wieder die allererste Geige spielen - die Rede ist natürlich von Shinichi. Was genau ihm widerfährt, das zu lesen ist jetzt an euch; ich für meinen Teil ziehe mich hiermit zurück, wünsche viel Vergnügen, bis nächste Woche, Eure Leira :D _______________________________________________________________________ Die Tür knarrte laut, als sie geöffnet wurde. Er fuhr hoch, als das unangenehme Geräusch ihn aus seinen nicht minder unangenehmen Träumen riss. Zuerst war er etwas desorientiert - sein Mund war trocken, sein Kopf schwirrte ein wenig… Wo war er? Wie lange war er eigentlich schon hier? Dann kehrte seine Erinnerung zurück. Er war immer noch im Hauptquartier, immer noch in diesem Drecksloch gefangen und wusste immer noch nicht, ob er das alles überleben würde und ob seine lebensmüde Aktion mit Gin das letzte Mal irgendetwas genützt hatte. Und er wusste nicht, ob auf Sharon Verlass war, geschweige denn, was sie plante. Er blinzelte, sah, wer ihm da in seinen bescheidenen Räumlichkeiten seine Aufwartung machte – es waren Gin und Vodka. Draußen auf dem Gang standen Korn und Chianti, soweit er das erkennen konnte. „Aufstehen.“ Gins Stimme klang harsch. Vielleicht sogar verärgert? Shinichi versuchte, als er dem Befehl Folge leistete, irgendetwas in der Mimik seines Gegners zu erkennen, leider erfolglos. Erstens war das Licht hier drin nicht ausreichend, zweitens hatte der große Blonde seinen Hut wie gewohnt mehr als einfach nur weit ins Gesicht gezogen. Dann ertönte ein Schuss, ein lautes, schrilles Quietschen zerriss die Stille, schnitt wie ein Messer durch die Luft. Shinichi drehte den Kopf, so gut es ging, und sah sie daliegen - seine Zellengenossin, die Ratte. Niedergestreckt. Ein Omen? Chianti schob ihre Waffe wieder ins Halfter an ihrer Hüfte, lächelte bösartig. Draußen auf dem Gang war es im Vergleich zur Zelle gleißend hell. Er blinzelte geblendet, stolperte ein paar Schritte, ehe er einigermaßen würdevoll den Gang entlang schreiten konnte, vor ihm Gin und Vodka, hinter ihm Korn und Chianti. In seinem Kopf herrschte Chaos - immer und immer wieder drehten sich seine Gedanken um zwei Fragen. Kann ich Sharon vertrauen? Oder werde ich jetzt sterben…? Er hatte Angst. Es fiel ihm schwer, es zuzugeben – aber er konnte es nicht leugnen. Es war eine Tatsache. Nach ein paar Minuten, in denen er sie wieder durch Gänge und Korridore, über Treppen und Stiegen durch den Gebäudekomplex gewandert waren, wusste er zwar nicht mehr, wo er war - oder ob er zurückfinden würde – aber er ahnte wohl, wohin es jetzt ging. Die Tendenz zeigte nach oben. Zum Boss. Anscheinend hielt er ihn jetzt für zermürbt genug. Seines Erachtens war das verfrüht… zwar tippte er mal grob darauf, so circa anderthalb Tage hier zu sein, bedachte er dieses nie gekannte Durstgefühl - ein Gefühl, dass seine Gedanken beherrschte, seinen Augen Streiche spielte... aber zermürbt fühlte er sich nicht. Warum also ging’s jetzt zum Boss? Hatte sich Vermouth geirrt? Dann waren sie im Penthouse angekommen - Champaign, die rothaarige, attraktive Sekretärin stand bereits wartend in der Tür. Hinter ihr, an den Schreibtisch gelehnt, stand Vermouth. Sie zerrten ihn wortlos weiter. Er wagte es nicht, sie anzusehen, aus Angst, man könne dadurch erkennen, dass er sich Hilfe von ihr erhoffte. Es beschämte ihn, aber er wusste, sie hatte Recht... Alleine würde er es diesmal nicht schaffen. Als sie das Büro des Bosses betraten, saß eben jener, wie auch schon beim ersten Mal, hinter seinem Mahagonischreibtisch und telefonierte. Neben ihm versanken alle in einer tiefen Verbeugung, verharrten in dieser Stellung. Einzig und allein er blieb stehen. Der Boss legte auf, schaute ihn irgendwie amüsiert an. „Weißt du, Kudô - jetzt wäre es eigentlich schon an der Zeit, mir ein wenig Respekt zu zeigen. Schließlich bist du jetzt nicht mehr klein…“ Shinichi sagte nichts, schaute ihn nur voller Verachtung an. Das Lächeln auf Cognacs Lippen gefror. „Du sollst dich vor mir verbeugen, hab ich gesagt. Hörst du schlecht, Kudô?“ Er stand auf, ging um den Tisch herum. „Nein, ich hör ganz gut. Sie können sich diese Machtspielchen und rhetorischen Fragen eigentlich sparen.“ Shinichi schluckte. Wenn schon abtreten, dann mit einem großen Paukenschlag am Ende. Cognac starrte dem jungen Detektiven mit zusammengekniffenen Augen eisig ins Gesicht. „Das ist deine letzte Chance.“ Nicht einmal ein unterkühltes Lächeln war jetzt noch auf seinen Lippen. „Und wenn ich die nicht nutze…?“ Die nächsten Dinge passierten sehr schnell. Er fühlte gerade noch, wie jemand seine Hand in seinen Nacken legte, dann seine Haare packte, ihn nach vorn zog - und ihm dann sein Knie in die Magengegend rammte. Shinichi schrie auf, krümmte sich vor Schmerzen, blieb aber stehen, wenn auch nun in gebeugter Haltung. Der Boss tätschelte ihm den Hinterkopf. „Braver Junge. Es geht doch.“ Er verschränkte die Arme galant hinter dem Rücken, beugte sich ebenfalls nach vorne, schaute ihm ins Gesicht und lächelte ihn hämisch an. „An und für sich mache ich mir die Hände an meinen aufmüpfigen Gefangenen nicht mehr schmutzig, musst du wissen, also darfst du dich jetzt sehr geehrt fühlen. Ich hab das eigentlich nicht mehr nötig - ich habe genügend andere Menschen, die mir diese Arbeit mit Freuden abnehmen…“ In seinen Augen glitzerte es böse. „Aber besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen, so ist es doch, nicht wahr?“ Shinichi starrte ihn wuterfüllt an, allerdings sparte er sich einen Kommentar. Er richtete sich wieder auf. „Meine Damen, meine Herren - du auch, mein lieber, hoch geschätzter Gast - ihr dürft euch nun wieder bequem hinstellen.“ Er lächelte gönnerhaft. Shinichi drückte leise stöhnend die Wirbelsäule durch, bemühte sich, nicht zu sehr gequält auszusehen, als er sich wieder aufrichtete. „So.“ Der Mann mit den dunklen Haaren und dem aristokratisch anmutenden Gesicht ließ sich mit vor der Brust verschränkten Armen gegen die Schreibtischkante sinken, musterte seinen Gefangenen gründlich - dann seufzte er zufrieden. „Die gute Brandy hat saubere Arbeit geleistet, wie mir scheint.“ Er fuhr sich mit einer Hand übers Kinn, ließ sie dort liegen. Shinichi schaute ihn aufmerksam an. In den Augen des Bosses funkelte eine Intelligenz, die seiner wohl in nichts nachzustehen schien. Ein wacher, reger Geist. Allein die Tatsache, dass er dieses Unternehmen, wollte man es so nennen, leitete, bewies, dass dieser Kopf nicht nur gut aussah - sondern auch schlau war, und aufgeweckt - und skrupellos. Er war wie Moriarty. Intelligent, skrupellos, machthungrig. Die Art, sich zu bewegen, wie er die Finger beim Nachdenken aneinander legte, sein Aussehen - die grauen Augen… Er saß hier in seinem Büro wie die Spinne in ihrem Netz und spann die Fäden, mit denen sie ihre Fliegen tanzen ließ… Und war die Zeit reif, wurde eine Fliege gefressen. Ein Charakter, der einen das Fürchten lehren konnte. Allein wie er da stand, strömte er eine Aura von Macht aus. Shinichi hatte sich während der einsamen Stunden in seiner Zelle gewundert, wie ein doch recht junger Mann, er schätzte ihn auf etwa siebenunddreißig Jahre, dieses Verbrechersyndikat so ohne wenn und aber leiten konnte. Nun, ein wenn gab es ja. Seine Augen flackerten kurz zu Vermouth, die neben ihm stand. Eine seiner Fliegen hatte sich fast freigekämpft. Aber nichtsdestotrotz… er schien wahrlich ein Machtmensch, eine Führungspersönlichkeit zu sein. Er wusste wo es langging und was er wollte - und wie er dorthin gelang und es auch kriegte. Seine Vorgänger hatten in ihm einen für ihre Zwecke mehr als geeigneten Nachfolger gewählt. „Shinichi Kudô.“ Seine Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Ihre Blicke trafen sich, ließen einander nicht mehr los. Er fixierte die blauen Augen des Oberschülers, suchten in ihnen die Antwort zu finden, auf die eine Frage, die ihn schon so lange beschäftigte… Wie schaffte es dieser Bastard nur immer, ihnen einen Strich durch die Rechnung zu machen? Mit scheinbar schlafwandlerischer Sicherheit ihre Pläne aufzudecken und zu durchkreuzen, mit einem gewinnenden Lächeln auf dem Gesicht… Wie schaffte er das? Nun, er hatte ja nun die Gelegenheit, ihn dazu mal genauer zu befragen. „Mich würden da ein paar Dinge brennend interessieren, mein junger Freund…“ „Und wie kommen Sie darauf, dass ich Ihnen diese Dinge erzählen werde?“ Shinichi wandte den Blick nicht ab. Cognac auch nicht. „Eigentlich ist es mir egal, ob du sie mir erzählst oder nicht. Ich denke du weißt, dass es unwahrscheinlich ist, dass du diesen Raum lebend verlassen wirst. Es wäre nur meinen Zwecken dienlich, wenn ich alles von dir erfahre, als selber Energie und Ressourcen an die Suche zu verschwenden.“ Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare, lächelte triumphierend. „Also, fangen wir an… je länger du redest, desto länger wirst du noch leben. Frage Nummer eins; Wer außer dir weiß noch von uns? Wer außer dir weiß von dem Gift? Gibt es außer dir und Sherry noch andere Personen, die von der speziellen Wirkung von APTX 4869 betroffen sind? Wie viel weiß das FBI? Wie viel die Tokioter Polizei? Und…“ Er lächelte humorlos. „…wie schaffst du es immer wieder, mir dazwischen zu funken? Ich muss gestehen, es nervt mich ein wenig, meine Pläne ständig umdisponieren zu müssen…“ Er ließ die Hände sinken, die er gerade benutzt hatte, um seine Fragen anschaulich aufzulisten. „Sind das nicht ein wenig viele Fragen auf einmal?“, murmelte Shinichi sarkastisch. „Könnten Sie mir das schriftlich geben, ich fürchte, soviel kann sich mein malträtiertes Hirn auf die Schnelle nicht merken.“ Cognac wurde fast unmerklich weißer - aber seine Gesichtszüge verhärteten sich sichtlich. „Du hältst dich wohl für witzig? Oder für besonders schlau?“ Seine Stimme klang wie das Zischen einer wütenden Schlange, bereit zum todbringenden, giftigen Biss. „Wieso oder? Kann ich denn nicht beides sein?“ Er bemühte sich, besonders gelangweilt, besonders provokant zu klingen. Innerlich lachte er - und fragte sich, woher er diesen Mut nahm. War das der Galgenhumor? Verlor er gerade die Nerven komplett? Oder war er einfach nur dumm? Warum reizte er den Mann, der ihm mit einem Fingerschnippen sein Ende bereiten konnte, bis aufs Blut? Weil du stolz bist. Shinichi schluckte. Weil du endlich wieder bist, wer du wirklich bist. Wer du wirklich sein willst. Deswegen. Cognac trat näher, vergrub seine Hände in seinen Hosentaschen, schaute ihn prüfend an. Shinichi seufzte leise. „Wissen Sie… auf eine Frage kann ich Ihnen vielleicht sogar eine Antwort geben. Und zwar auf die Letzte. Wieso habe ich es geschafft, ihnen immer wieder dazwischen zu funken? Nun, ganz einfach.“ Er legte den Kopf schief, lächelte leicht. „Sie sind zu auffällig. Sie und ihre ganzen Untergebenen. Und Sie hinterlassen zu viele Spuren.“ Der Boss zog interessiert die Augenbrauen hoch. „Ich bin ganz Ohr…?“ Shinichi überlegte kurz. „Nun, zuerst mal… ehrlich… dieser Schwarztick hat vielleicht Stil in ihren Augen, aber diese Art von Uniformierung fällt auf. Dann seid ihr zu unvorsichtig… es ist zu leicht, euch eine Wanze unterzujubeln, einen Transmitter… und ihr handelt zu offensichtlich. Der Fall mit Pisco, zum Beispiel. Es war ein Leichtes, Gins Wagen aufzubrechen, um dort einen Transmitter zu deponieren… diese alten Porsches sind einfach zu leicht zu knacken… es reicht ein Drahtkleiderbügel und schon ist das Auto offen. Ich brauche wohl nicht sagen, wie einfach es wahr, nachdem ich euch eine Wanze untergejubelt habe, euch zuzuhören… und die richtigen Schlüsse zu ziehen.“ Shinichi verschränkte die Arme vor der Brust. „Und so wars bei einigen Aktionen. Immer wurde durch zwei Zeichen meine Aufmerksamkeit auf euch gelenkt: die schwarzen Mäntel und die Codenamen… man braucht nur zufällig einem von euch beim Telefonieren zu zuhören…“ Er seufzte. „Also, wenn ihr wollt, dass eure verdeckten Operationen auch verdeckt bleiben, dann haltet euch doch einfach an diese alte Weisheit: nirgendwo ist ein Blatt besser versteckt als im Wald. Anpassung und Tarnung ist das A und O.“ Der Boss sah ihn an. „So einfach war das also?“ „Die meiste Zeit, ja. Das heißt, bei Tequila, bei Pisco, bei Kir… manchmal half auch der Zufall nach, aber wenn man nur ein wenig mit eurer Vorgehensweise vertraut ist, hab ihr es einem nicht schwer gemacht, die Zeichen richtig zu deuten.“ Shinichi schluckte. Der Boss sah ihn prüfend an. „Weißt du, mein lieber Herr Meisterdetektiv, es ist wirklich schade.“ Er fischte eine Zigarre aus seiner Sakkotasche, zündete sie in aller Ruhe an, zog daran und blies Shinichi die erste Rauchwolke ins Gesicht. „Wirklich, wirklich sehr schade.“ Shinichi sagte nichts, zog einzig und allein eine Augenbraue hoch. „Du willst wissen, was ich meine? Warum fragst du nicht?" Er nahm erneut einen tiefen Zug von seiner Zigarre, inhalierte tief, ließ dann den Rauch, ohne ihn richtig auszublasen, aus seinem Mund entweichen. Es sah aus, als würde er innerlich verbrennen. „Was ich so ungemein bedauernswert finde, mein Freund, ist die Tatsache, dass ein so schlauer, gewitzter Kopf wie du, sich schon so festgefahren hat… sich dem ‚Guten’“, er verzog das Gesicht vor Ekel, spie nun den Rauch förmlich aus, „verschrieben hat, mit Haut und Haar, mit Herz und Seele - unwiederbringlich verloren für unsere Zwecke. Jemanden wie dich suche ich schon lange - junge Leute mit deinen Fähigkeiten sind rar gestreut. Aber dein Umfeld hat dich für unsere Sache verdorben, darum ist es wohl unnütz, dich zu fragen, ob du dich uns anschließt.“ „Das sehen sie richtig.“, murmelte Shinichi. „Dachte ich mir.“ Cognac zog an seiner Zigarre, wandte sich ab, blies im Gehen den Rauch in kleinen Kringeln aus, schaute gedankenverloren aus dem Fenster, nicht ohne jedoch im selbigen Shinichis Reaktionen zu beobachten. „Hast du nun vor, mir eine meiner anderen Fragen freiwillig zu beantworten?“ Shinichi schüttelte den Kopf. „Nein.“ „Hm.“ Der Boss er Organisation paffte vor sich hin, drehte sich um, ging zu Shinichi hin, schaute ihm lange ins Gesicht. „Auch das ist sehr schade. Ich hätte mich gerne noch länger mit dir unterhalten. Du bist ein geistreicher, amüsanter Gesprächspartner, dass muss man dir lassen.“ Damit drückte er seine Zigarre in einem Kristallaschenbecher aus. „Hm.“ Der Boss blickte ihn an. „Dann ist es wohl jetzt Zeit für dich, zu sterben. Oder willst du vielleicht nicht doch noch etwas loswerden? Deine Seele - etwas erleichtern?“ Shinichi presste die Lippen zusammen, schüttelte stur den Kopf. „Dann hast du jetzt genau drei Minuten Zeit, um dein letztes Gebet zu sprechen. Um um Gnade zu bitten oder dich bei deinem Gott zu beschweren…“ Er lächelte Vermouth zu. „Du weißt, was du zu tun hast?“ Sie nickte nur. Dann ging sie, hinter ihr fiel die Tür ins Schloss. Shinichi wandte seinen Kopf, wollte Gins Gesicht sehen. Der Blonde hatte wie immer seinen Hut bis weit über die Augen ins Gesicht gezogen, aber an seinen zusammengekniffenen Lippen konnte er erkennen, dass ihm diese Wendung der Geschichte nicht gefiel. Dass er wütend war. Und daraus schloss er, dass seine Aktion bei ihrem letzten Treffen nicht umsonst gewesen war. Cognac schien das ebenfalls zu bemerken. „Du bist selber Schuld, das weißt du doch, Gin?“ Der Blonde nickte unmerklich. „Ich dulde es einfach nicht, wenn man meine Befehle missachtet. Das geht einfach nicht… wo kämen wir denn hin?“ Seine Stimme klang beherrscht- aber eiskalt, grausam. „Ich hätte dir gern die Chance gegeben, deinen Fehler von damals zu korrigieren, das weißt du. Aber das geht jetzt nicht mehr. Du musst lernen, dich nicht so provozieren zu lassen.“ Shinichi warf ihm einen weiteren Blick zu - und sah geradewegs in Gins Augen. Hass. Unglaublicher, abgrundtiefer Hass war in seinen Augen zu sehen. Hass auf ihn. Und eine unbeschreibliche Mordlust funkelte in ihnen. Er konnte nur mit Mühe seine Schadenfreude verbergen, schließlich war sein Plan aufgegangen - Gin zu einer Tat zu reizen, die dem Boss missfallen würde, und ihm damit bestrafen würde, indem er ihm das Privileg nahm, ihm sein Ende zu bereiten. Nichtsdestotrotz wurde Shinichi nervös. Wo war Sharon? Auf was warteten sie hier noch? Wieder kamen ihm diese Bedenken - ob er Sharon vertrauen durfte. Ob er sich nicht lieber auf seine Intuition verlassen sollte… dafür müsste er aber zuerst einmal wissen, was ihm seine innere Stimme anriet. Er schluckte, horchte in sich hinein. Sie schwieg. Seine innere Stimme war in den Wortstreik getreten, wie es schien. Also… Was sollte er machen, wo ihn alles und jeder hier auf Erden verlassen zu haben schien…? Ran… Wie ging es ihr wohl? Würde er sie jemals, jemals wieder sehen? Wie weit war Ai wohl schon mit dem Gegengift? Weiter kam er in seinen Gedankengängen allerdings nicht mehr. In diesem Moment betrat Vermouth die Szene wieder, mit einem Tablett balancierte sie sieben unterschiedliche Gläser. Allesamt Spirituosen. „Lass uns mal Russisch Roulette auf eine andere Art spielen, mein junger Detektiv…“ Der Boss, der die letzten Minuten aus dem Fenster gesehen hatte, wandte sich wieder um, schaute ihn kalkulierend an. Die rothaarige Frau lachte schallend, zeigte ihre makellosen weißen Zähne. Chianti und Korn hatten ein beinahe identisches, hämisches Grinsen auf ihren Zügen, selbst Vodka verzog seine Lippen amüsiert - nur Gin nicht. Er schaute sehr, sehr angespannt auf die Gläser. Er war misstrauisch, Shinichi konnte es förmlich riechen. Cognac beobachtete Vermouth genau. Dies hier war ihre Prüfung; er misstraute ihr, bedingt durch die Sensibilisierung durch Gin und seine Beobachtungen. Deshalb hatte er ihren Vorschlag angenommen; ihn mittels der Alkoholika zu töten, in einem Spiel – er sah diese Sache hier als weiteren Test. Sie würden es merken, wenn sie die Gläser nicht vergiftet hatte. Aber wenn sie ihn, den sie doch angeblich schützte, hier und heute umbrachte… dann war sie wieder absolut vertrauenswürdig, und alles, was auf einen Verrat gedeutet hatte, nichts weiter als ein Hirngespinst. Und so lächelte er sanft. „Vermouth hatte die Idee, und sie war auch gleich so gütig, diese Gläser zu präparieren - sechs der Getränke hier sind vergiftet - eins ist es nicht.“ Die Vorfreude in seiner Stimme war Ekel erregend. „Um zu testen, ob sie auch wirklich meinen Befehl ausgeführt hat, denke ich, wir sollten es testen.“ Er machte die Tür auf - und herbei eilte Brandy, mit einem kleinen Käfig. In ihm saß eine weiße Maus. Die junge Frau sah ihn neugierig an, konnte kaum ihre Augen von ihm, ihrem ersten echten Erfolg, abwenden. Erst die Stimme ihres Chefs lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf das, wozu sie gerufen worden war. „Such dir was aus. Und du drehst dich um. Gin, sorg dafür, dass er nichts sieht.“ Die Forscherin nickte, dann zog sie eine Pipette hervor. Gin packte Shinichi am Arm und drehte ihn herum, starrte ihn an. Shinichi starrte zurück, wohl wissend, er tat besser daran, nichts zu versuchen. Ein ersticktes Quietschen hinter seinem Rücken sagte ihm, dass der Test wohl positiv ausgefallen war. Gin ließ ihn wieder los, Shinichi drehte sich um, sah gerade noch Brandy mit der toten Maus verschwinden. Dann erregte ein Räuspern seine Aufmerksamkeit. Cognac lächelte ihn an. „Such dir eins aus.“ Vor ihm standen jetzt die sieben Gläser. Wermut, Cognac, Vodka, Gin, Champagner, Chianti und Korn. Champaign lächelte süß. Shinichi schluckte, starrte sie an. Er hatte gerade ein Déjà- vu, soviel war sicher. Diese Getränkeauswahlszene war ganz ähnlich wie im Film… wie in Sharons Film. Denn am Ende steht der Tod... Dort hatte auch, nach einer gesellschaftlichen Feier, ein Tablett mit unterschiedlichen Drinks auf dem Tisch gestanden. Es war die Szene, kurz vor der Entlarvung der Mörderin. Die Szene, in der er starb. Was hatte der Detektiv damals getrunken? Er war dran gestorben… Die Stimme des Bosses riss ihn wieder aus seinen Gedanken. „Wenn du wider Erwarten das nicht vergiftete Glas erwischt - dann wirst du noch einen Tag länger mein Gast sein.“ Er trat an in heran, packte mit einer Hand sein Kinn, zwang den jungen Detektiven, ihn anzusehen. „Fragt sich nur, ob das wünschenswert ist.“ Er ließ ihn los - dann verpasste er ihm einen Schlag ins Gesicht. Shinichi schrie nicht, biss sich nur auf die Lippen, atmete schwer. „Nun wähle!“ Cognac starrte ihn lauernd an. Shinichi ließ seinen Blick über die Gläser gleiten. Sie hieß Vermouth - und mit Wermut hatte sie getötet… zumindest hatte das ihr Film-Ich getan. Aber jetzt? Er warf den sieben Personen, die vor ihm standen, einen musternden Blick zu. Würde sie ihn töten? Hatte sie das gestern wirklich ernst gemeint? Er schaute die blonde Frau an, versuchte, in ihren Augen zu lesen. Würde Wermut ihn töten…? Die Wermutmörderin…? Woran starb der Detektiv im Film gleich noch mal? Er kratzte sich unsicher am Hinterkopf. Shinichi hatte Angst. Große Angst. Wo hast du das Gift reingeschüttet? Sollte der Film eine Warnung sein? Warst du deswegen so erpicht darauf gewesen, einen Schauspieler zu nehmen, der mir ähnlich sah? Shinichi stöhnte auf, fuhr sich über die Augen, rief sich die Filmszene ins Gedächtnis. „Woher weißt du, wer der Wermutmörder ist, Daniel?“ Sie schaute ihn bewundernd an. Er lächelte überlegen- „Das ist ganz einfach, Isabelle. … Das war im Salon gewesen. Dieser Detektiv hatte seine Schlussfolgerungen vor seiner Freundin dargelegt. Sie waren allein gewesen, alle anderen waren im Speisezimmer, beim Verhör. Dann… „Komm, lass uns anstoßen. Der Champagner hier blieb wohl vom Empfang vorhin übrig…“ „Aber denkst du nicht…?“ „Nein, das ist bestimmt nicht vergiftet. Die gute Vermouth tötete mit vergiftetem Wermut, nicht mit Champagner, hab ich dir doch gerade erst gesagt…“ Gläser klirrten, er setzte das Glas an die Lippen… … und keuchte, schrie auf, griff sich verzweifelt an den Hals, rang nach Atem, Atem… „Nein!!!“ Ihr Glas fiel zu Boden und zerbarst klirrend. Shinichi blinzelte. Es war der Champagner gewesen. Nicht der Wermut. Im Film hatte sie den Detektiv umgebracht, indem sie ihn getäuscht hatte. Ihn, der sich sicher glaubte, ins Messer laufen lassen. Er ging hin zum Tisch, schaute ihr ein letztes Mal ins Gesicht, versuchte etwas in ihren Augen zu lesen… Dann griff er nach einem Glas. „Und nun trink.“ Cognac schaute ihn mit vor Neugierde funkelnden Augen an. Shinichi setzte das Glas mit zitternden Fingern an die Lippen - dann trank er es mit einem Zug aus, verzog das Gesicht, als der Alkohol in Mundhöhle und Hals brannte. Er keuchte, verzog das Gesicht, sah in sechs gespannte Gesichter. Dann brach er zusammen. Das Glas rollte aus seiner Hand, die restliche Flüssigkeit rann heraus, verteilte sich über das Parkett. Shinichi lag auf dem Boden, atmete schwer. Der Boss trat nach vorne, beobachtete ihn genau. Er schien um Atem zu ringen, verzweifelt nach Luft zu schnappen - er hatte offensichtlich Schwierigkeiten. Dann, langsam... Wurde er immer stiller, immer ruhiger… Atmete aus - und nicht mehr ein. Seine Hände entspannten sich, sein Körper erschlaffte. Stille trat ein. Man hätte eine Stecknadel fallen gehört. Der Boss lächelte scheinbar entschuldigend. „Tja. Pech gehabt.“ Er beugte sich neugierig über den leblosen Körper des Oberschülers. „Gin.“ Der Blonde trat hervor. „Du darfst überprüfen, bitte, ob er diesmal auch wirklich das Zeitliche gesegnet hat.“ Gin nickte, dann stieß er den jungen Mann mit dem Fuß in den Bauch, so heftig, dass er auf den Rücken rollte. Er ging neben ihm in die Knie, drückte ihm Zeige - und Mittelfinger seiner rechten Hand gegen den Hals. Nach einer Weile nickte er zufrieden. „Shinichi Kudô ist hiermit Geschichte. Der Vorhang ist gefallen.“ Der Boss lächelte kühl, deutete eine Verbeugung an. Er wandte sich zum Gehen, als er sich noch mal umdrehte, ihr ins Gesicht sah. Ihre Miene schaute abgeklärt aus. Ernüchtert. Nach ihrem Verhalten von vor ein paar Tagen wunderte ihn das ein wenig. Er warf ihr einen prüfenden Blick zu, beugte sich dann selber runter, tastete nach dem Puls seines Kontrahenten, kam zu demselben Ergebnis wie Gin. Langsam stand er wieder auf, schaute sie durchdringend an. „Vermouth, ich gratuliere. Aber da es deine Idee war, wirst du ihn auch wegschaffen, sei so gut. Fürs erste runter in den Keller, nur um sicher zu gehen. Nicht dass...", er warf Gin einen spottenden Blick zu, "Shinichi Kudô uns nochmal überrascht. Ich erwarte dich dann bei unserer kleinen Aftershowparty.“ Er hakte sich mit einem hochzufriedenen Ausdruck auf seinem Gesicht bei Champaign unter, die, Vermouth aus spöttisch funkelnden Augen einen siegessicheren Blick schenkte. Dann drehte sie sich um, ihre roten Locken funkelten im Abendlicht, und verließ mit dem Boss das Büro. Gin und Vodka, Korn und Chianti folgten ihnen auf dem Fuße. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)