Denn am Ende steht... von Leira ================================================================================ Kapitel 17: Gespräche --------------------- So... Heute werde ich mein Vorgeplänkel kurz halten ;) Ist doch auch mal was ^^ Zu sagen gibts hierzu eigentlich ohnehin nicht mehr viel... Ich danke euch wie immer ganz außerordentlich für eure Kommentare und wünsche euch hier wie immer viel Vergnügen beim Lesen! Liebe Grüße, Eure Leira :D ________________________________________________________________________________ Er starrte aus dem Fenster, bekam nicht mit, was Frau Kobayashi erzählte. Ran saß neben ihm, beobachtete ihn – sie kannte diesen in die Ferne schweifenden Blick, diesen ernsten Zug in seinem Gesicht. Sie wusste, dass er wieder an einen einer vielen Dämonen dachte, die ihn verfolgten. Wie der Gedanke an Seiji Aso. Im Stillen wunderte sie sich, wie viel sie in letzter Zeit tatsächlich über Shinichi gelernt hatte- sie kannte ihn seit seiner Kindheit, aber erst jetzt… erst jetzt hatte sie das Gefühl, ihn verstanden zu haben. Was sie in letzter Zeit alles erfahren hatte, überwältigte sie fast. Sie hatte Seiten an ihm kennen gelernt, von denen sie nicht gewusst hatte, dass sie existieren. Also schwieg sie- und folgte seinem Blick. Draußen regnete es. Dicke Tropfen platschen gegen die Fensterscheiben, rannen an ihnen herab. Eine einzige, schwarz gekleidete Gestalt ging ihres Weges, der jenseits des Zauns die Teitan-Grundschule umgab. Ran zuckte zusammen. Schwarz gekleidete Menschen? Ihre Augen zuckten zurück, starrten ihn an. Er fuhr sich müde über das Gesicht - aber blieb ruhig. Wenn er nicht panisch wurde, gab es keinen Grund für Panik. Dann wanderte ihr Blick wieder auf die Person; und von ihr aus weiter nach hinten- und dann sah sie die anderen. Es kamen viele. Viele schwarz gekleidete Gestalten. Eine Trauergesellschaft. Frauen in schwarzen Kostümen und Männer in schwarzen Anzügen- die meisten versteckt unter einem Schirm. Die Person, die voranging, war eine junge Frau. Und jetzt wusste sie, woran er dachte. Conan dachte an Vermouth. An Sharon, an ihren Film, an ihre Motive. Sie schluckte, musste zugestehen, dass diese Szene vor dem Fenster frappierende Ähnlichkeit mit der Beerdigung des Detektivs in ‚Denn am Ende steht der Tod’ hatte. Conan lief es eiskalt den Rücken hinunter, als er sie sah. Und ohne es zu wollen lief vor seinem inneren Auge die Szene wieder ab- immer und immer wieder. Sie lief vor allen anderen her, ihre Augen vom Weinen gerötet, das schwarze Augen-Make-up verschwommen. Jetzt, in diesem Moment, weinte sie nicht mehr- der Himmel übernahm es für sie. Große, schwere Tropfen fielen aus den Wolken - doch es scherte sie nicht, dass sie schnell bis auf die Haut durchnässt war. Sie spannte keinen Schirm auf, wie viele andere der Trauergäste. Im Gegenteil- sie reckte ihr Gesicht nach oben, blinzelte, als ihr die Regentropfen in die Augen fielen. War er jetzt dort? Sah er sie? Ihre Tränen waren versiegt – unzählige hatte sie vergossen, bis zum heutigen Tag- und jetzt fühlte sie sich leer. Kein einziger Tropfen mehr wollte aus ihren Augenwinkeln perlen. Sie hatte ihn verloren. Auch alles Weinen, Klagen und Trauern brachte ihn nicht wieder. Er war weg. Sein kalter Körper lag jetzt auf dem Friedhof, unter einem Grabhügel, umkränzt und geschmückt mit vielen Blumen, die durch den heftigen Regen ihre Pracht schnell einbüßten. Seine Seele, so hoffte sie, war an einem besseren Ort. Ihr Blick wanderte wieder nach unten. Sie war die erste gewesen, die an seinem Grab gestanden hatte - und die erste, die ging, weil sie es nicht länger ertrug. Dieses Gefühl von Unvollkommenheit, das in ihr herrschte, seit er sie verlassen hatte, seit er gestorben war, trieb sie an den Rand des Wahnsinns, raubte ihr die Luft zum Atmen. Und sie konnte die Beileidsbekundungen nicht mehr hören… diese geheuchelten Worte des Trostes. Sie wollte sie nicht sehen. Und die einzige Person, die sie sehen wollte, würde sie nie mehr zu Gesicht bekommen. „Du wirst so nicht enden.“ Ran griff nach seiner Hand. Er zuckte zusammen, drehte sich um, starrte sie nur ungläubig an. „Du hast an den Film gedacht, nicht wahr?“ Er blinzelte. Dann nickte er langsam. Conan schwieg, dachte nach, ehe er ihr antwortete. „Sie hat ihm nicht helfen können.“, flüsterte er dann langsam. „Sie hat alles gewusst, er hat ihr alles gesagt, ihr jedes Detail seines Falls erzählt, aber sie konnte ihm nicht helfen. Und dieses Wissen hat es ihr noch viel schwerer gemacht, seinen Verlust…“ „Ich werde dich nicht verlieren.“ Sie hatte ihn unterbrochen. Einfach so - aber mit fester Stimme. Sie würde ihn nicht verlieren - das war eine Feststellung, keine Vermutung und keine Hoffnung. Er fragte sich, woher sie diese Gewissheit nahm. Aber ihre Gewissheit verschaffte auch ihm wieder Vertrauen in sich selbst- und in sie. Er betrachtete Ran eingehend; und stellte einmal mehr fest, wie sehr er dieses Mädchen liebte - egal ob als Kind oder junge Frau. Ran machte sein Leben erst lebenswert. Sie gab ihm wieder Halt, wenn er ihn verlor. Wie gerade eben. Das kleine Mädchen schaute ihn an, ohne zu blinzeln. Ihre Augen funkelten entschlossen, duldeten keinen Widerspruch. Er seufzte. „Tatsache?“, murmelte er dann leise. „Tatsache.“, bestätigte Ran nickend. „Das war ein Film, Shinichi. Die Realität sieht anders aus. Ich kann dich nicht dazu zwingen, mir zu sagen, was dich beschäftigt - aber ich verspreche dir eins… ich werde nicht zulassen, dass du…“ „Kohana! Conan! Wollt ihr vielleicht auch aufpassen?“ Die beiden drehten sich abrupt um, schauten schuldbewusst auf, in Fräulein Kobayashis strenges Gesicht. Conan merkte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg und ein Blick auf Ran zeigte ihm, dass es ihr nicht besser ging. „Entschuldigen Sie, Fräulein Kobayashi…!“, intonierten sie synchron. Wie in alten Zeiten… Die junge Lehrerin nickte, und drehte sich um. Als Ran Conan einen verstohlenen Blick zuwarf, sah sie ihn grinsen. Sie lächelte ebenfalls. Dann kritzelte er auf ein kleines Papier eine Notiz, schob sie ihr zu. Du hast Recht. Ich werde dich nicht verlassen. Ich bin nicht wie er. Außerdem… hattest du auch gerade ein Déjà-vu? :p Ran grinste amüsiert, nickte nur. Den Rest des Schultages brachten sie ohne größere Zwischenfälle hinter sich. Das einzige, was Shinichi im Stillen ärgerte, war, das Heiji und Kazuha sich einen netten Tag in Tokio machten. Ihre Lehrer waren wegen einer Fortbildungstagung anderweitig beschäftigt; deswegen hatten die Schüler frei. Gerade war der Gong zum Schulschluss verklungen und alle Schüler strömten schwatzend und lachend aus dem Schulgebäude. Ayumi, Genta und Mitsuhiko starrten zu Ai, Conan und Hana, die gerade plaudernd durch das Schultor nach draußen schlenderten. Seit jenem Gespräch bei Agasa zu Hause hatten sie die Klappe gehalten. Niemandem etwas gesagt, niemanden etwas gefragt, nicht ermittelt- aber nun war Schluss. Es ging nicht mehr. Es ging einfach nicht mehr. Sie fühlten sich ausgeschlossen, dabei hatten sie immer gedacht, sie wären ihre Freunde. Okay, es war seltsam zu wissen, dass sie eigentlich erwachsen waren. Mehr als seltsam sogar. Die erste Zeit hatten sie gar nicht so recht gewusst, wie oder ob überhaupt sie mit ihnen noch reden sollten… Nach reiflicher Überlegung aber waren sie zu dem Schluss gekommen; die drei waren doch immer noch Conan, Ai und Kohana- die Kinder, mit denen sie sich angefreundet hatten. Sie waren Freunde. Warum dann also diese Geheimniskrämerei? Warum das alles? Freunde hielten doch zusammen! Sie wollten doch nur helfen- schließlich waren sie die Detective Boys! Sie waren Detektive! Und sie waren neugierig. Die drei Kinder wechselten untereinander entschlossene Blicke, dann rannten sie ihnen hinterher. Nach ein paar Metern hatten sie sie schließlich eingeholt, sich vor den dreien aufgebaut.. „Wir müssen mit euch reden.“ Mehr sagte Mitsuhiko nicht- und Conan wusste, diesmal kamen sie nicht aus. Diesmal half auch Ais oberlehrerhafter Blick nichts. „Aber nicht hier.“ Conan seufzte tief, warf der einigermaßen verwirrten Ran einen besänftigenden Blick zu. „Sie wissen es. Ich hab- hab wohl vergessen, es dir zu sagen, entschuldige…“ Mehr sagte er nicht. Ran sagte nichts, fragte nicht- griff nur nach seiner Hand, schaute ihn nur besorgt an. Ach, Shinichi… Sie glaubte ihm, dass er es diesmal vergessen hatte. Was sie beunruhigte war, was ihn das hatte vergessen lassen. Da war etwas viel Größeres passiert- etwas, dass die Entlarvung ihrer Identität durch die Detective Boys in den Schatten stellte. Sie drückte seine Finger- er erwiderte es, griff ihre Hand ein wenig fester. Dann warf sie den Detektive Boys einen fragenden Blick zu. Ai schaute eher griesgrämig drein, presste ihre Lippen so fest aufeinander, dass nur ein dünner Strich noch sichtbar war. Ihr war das alles gar nicht Recht; nicht nur, weil sie nicht wollte, das die Kinder mehr wussten. Nein- sie wollte ihre Ruhe haben, um zu arbeiten. Sie hatte die ersten Laborversuche vorbereitet, mit Mäusen- und wollte nun endlich wissen, ob ihre Verjüngungstheorie sich bewahrheiten würde, und wenn ja, wie sie zu erklären war. Sie seufzte. Ihre Versuche würde sie wohl noch ein wenig verschieben müssen. Dann ging sie voran, gefolgt von Ran, Conan, Ayumi, Genta und Mitsuhiko und führte sie zum Haus des Professors. Der blickte einigermaßen erstaunt von seinem Mittagessen auf, als der Trupp in die Küche kam, sich sechs Kinder um seinen Tisch quetschten. Ayumi schaute zu Ran, konnte kaum die Augen von ihr abwenden. Sie war seine Freundin. Sie war es immer schon gewesen. Niemals hatte sie eine Chance gehabt, nicht einmal den Hauch einer Chance- und jetzt zu wissen, dass sie sich in einen Erwachsenen verliebt hatte, der sich vielleicht hinter ihrem Rücken über sie- über sie lustig gemacht hatte…? Sie hatten zwar gesagt, sie hätten nie über sie gelacht- aber vielleicht, bei dieser speziellen Situation…? Schließlich war sie diejenige gewesen, die sich Hals über Kopf in ihn verknallt hatte und das nicht unbedingt heimlich- nein… sie hatte recht offen für ihn geschwärmt. Offen genug, dass er es mitbekommen hatte. Vielleicht hatte Shinichi doch…? Plötzlich stiegen ihr Tränen in die Augen. All die Zeit hatte sie vor lauter Verwirrung nicht daran gedacht, jetzt erdrückte sie dieser Gedanke beinahe. Aber noch bemerkte keiner ihr Dilemma. „Also. Wir wissen soviel: ihr drei seid eigentlich keine Kinder, sondern Shinichi Kudô, Shiho Miyano und…“, Mitsuhiko stockte. „Ran Môri.“, vervollständigte Ran seinen Satz. Der Junge nickte ernst. „Ran.“ Er räusperte sich. „Nun. Wir wissen auch, dass das alles mit einer gewissen Organisation zusammenhängt. Was wir nicht wissen, ist, warum diese Organisation euch geschrumpft hat? Ist das nicht hirnrissig? Was wollen die von euch…?“ Conan verschränkte die Arme vor der Brust. „Von Ran gar nichts, Mitsuhiko.“ Seine Stimme klang fest. „Ran ist da mehr oder weniger hineingestolpert…“ Er seufzte. „Und was wollen sie dann von dir und Ai?“ Mitsuhiko klang ungeduldig. „Unseren Tod.“ Ai schaute den Jungen berechnend an. Conan warf ihr einen ungehaltenen Blick zu. So direkt hatte sie auch wieder nicht sein müssen. Er räusperte sich, befand, es wäre besser, wenn er das Reden übernahm. „Deswegen ist es auch so wichtig, dass ihr die Klappe haltet. Ich und Shiho hängen an unseren Leben, und ich will nicht, dass Ran unnötig in ein Risiko gerät…“ „Und warum wollen sie euch umbringen?“ Genta beugte sich interessiert nach vorne, kaute bereits an einem von Agasas Sandwichs. Der warf ihm einen leicht genervten Blick zu, sagte allerdings nichts - er schob nur sein Essen aus der Reichweite des gut gebauten Jungen. „Reicht es nicht für euch zu wissen, dass sie es tun wollen?“ Conan schaute sie mit zusammengekniffenen Augen an. „Um ehrlich zu sein ist es mir nämlich gar nicht Recht, dass ihr soviel wisst. Je mehr ihr wisst, desto gefährlicher wird es auch für euch. Also seid doch bitte so gut und fragt nicht weiter. Ich dachte eigentlich, wir hätten das Thema durch…“ „Ich auch.“ Nun endlich sprach auch Ai. „Es geht euch nichts an.“ „Warum wollen die euch umbringen?!“ Mitsuhiko war nun wirklich verärgert. Das Verhalten der beiden ging ihm gewaltig auf die Nerven. „Nun. Ai ist eine Ex-Mitarbeiterin dieser seltsamen Gesellschaft, soviel haben wir gehört, von Ayumi. Das scheint wie bei der Yakuza zu sein- auf Verrat steht der Tod. Aber warum du? Was wollen die von dir?“ „Ich weiß zuviel. Ich hab sie gesehen… ihnen nachspioniert. Darauf hättest du aber selber kommen können, Mitsuhiko, nachdem du ja nun weißt, wer ich bin…“ Er verzog das Gesicht. „Mit dem Gift haben sie versucht, mich umzubringen, nur leider gings etwas in die Hose. Reicht das jetzt an Information?“ „Wollten sie Ai auch umbringen damit?“, fragte Genta, äugte gierig zu Agasas Essen. „Nein." Mehr sagte sie nicht. Das war auch nicht nötig. Mitsuhiko schluckte, schaute sie ernst an. Genta war eine Spur blasser geworden, und Ayumis Unterlippe bebte gefährlich. Für eine Weile war alles still. „War’s das dann?“, fragte Ai schließlich. Der Zynismus und die Ungeduld in ihrer Stimme war unüberhörbar. Sie wollte dieses Gespräch endlich beenden, zu ihren Mäusen gehen...und... Außerdem wollte sie den Kindern nicht mehr zumuten... offensichtlich wussten die gerade selber nicht, wie viel Wahrheit gut für sie war. „Warum ist Ran so klein?“ Ayumis Piepsstimmchen erfüllte den Raum. Erst jetzt wandten sie sich ihr zu- sahen sie ihre Tränen. Conan schluckte. „Wenn die Organisation sie nicht kennt, an ihr nicht interessiert ist, warum ist sie dann so klein?“ „Ich sagte doch, sie ist hineingest-…“, begann Conan, kam aber nicht weit. „Weil ich es wollte.“ Er presste die Lippen aufeinander. Ran lächelte sacht, bedachte Conan, der neben ihr saß, mit einem zärtlichen Blick. Ayumi zitterte. Es war offensichtlich. Sie fühlte sich immer jämmerlicher, als sie daran dachte, dass sie auch noch versucht hatte, die beiden auseinander zu bringen, wo Ran doch offensichtlich ein so großes Opfer gebracht hatte, um bei ihm zu sein. Es war nicht zu übersehen, dass sich hier zwei Seelen gefunden hatten. Ihr wurde schlagartig schlecht. Ai sah sie an- und deutete ihr Verhalten richtig. Für sie war klar, dass sie an ihr Gespräch dachte- und dass sie sich immer noch schämte wegen der Tatsache, sich in einen Erwachsenen verliebt zu haben. Conan blieb Ayumis Zustand ebenfalls nicht verborgen. Er wusste zwar nicht, dass Ayumi auch noch ein schlechtes Gewissen plagte- aber mit seiner Vermutung, dass sie sich wegen ihrer Verliebtheit schämte, lag er auch richtig. Er musste mit ihr reden, am besten jetzt gleich- aber nicht vor allen anderen. Er rutschte vom Stuhl. „Ich hol uns was zu trinken. Kommst du mit und hilfst mir?“ Er sah sie an. Sie wagte nicht zu widersprechen, glitt ebenfalls von ihrem Stuhl, folgte ihm schweigend in den Keller, wo die Getränkekisten standen. Die anderen schauten ihnen hinterher. Im Vorratskeller herrschte graues Dämmerlicht. Es roch leicht modrig, Staub wallte hoch, als er die Tür öffnete. Dann hörte er ein leises Geräusch, ein Wimmern- und drehte sich um. „Ayumi?“ Sie schniefte. „Ayumi, was ist los…?“ „Ich kann es dir nicht sagen.“ Ihre Stimme war sehr leise, ihr Kopf war hochrot. „Du hast dich in mich verliebt, stimmt’s?“, fragte er behutsam. Ihm war klar, die Frage war eigentlich eine rhetorische. Sie wussten beide, was Sache war- aber er wusste auch, sie würde es wohl von selber nicht sagen- aber diese Sache musste nun einmal ausgesprochen werden. Er trat näher. Sie schaute betreten auf den Boden, kaute auf ihrer Unterlippe. Irgendwann nickte sie. Ganz leicht. Eine Träne tropfte von ihrer Nasenspitze auf den Boden. Genta und Mitsuhiko starrten Ai und Kohana an. „Was machen die da so lange?“ Ai lächelte bitter. „Reden. Und es wurde auch dringend mal Zeit.“ Sie warf einen Blick zu Ran, die mit im Schoß gefalteten Händen beklommen auf ihre Finger starrte. Der Professor stand auf, ging zum Kühlschrank und begann, etwas zu essen für die Kinder zu machen. „Und worüber reden die jetzt?“, hakte Genta skeptisch nach. „Private Dinge.“ Ai klang gelassen. Er suchte in seiner Westentasche nach einem sauberen Taschentuch, fand eins, reichte es ihr. „Bist du traurig, Ayumi?“ Conan seufzte. Das hier war wirklich schwierig. Natürlich war sie traurig- das wusste er, schließlich stand sie vor ihm, weinend. Aber ihr gleich alles hinzuknallen, was er wusste, war keine gute Idee. Ayumi nahm sein Taschentuch, wischte sich übers Gesicht, blies dann ihre Nase. „Ja.“ „Weil ich mit… mit Ran?“ Und jetzt, jetzt, sah sie ihn an. Conan sah ihr sehr ernst, sehr mitfühlend in die Augen. „Ja, auch.“ Sie schniefte geräuschvoll. „Auch?“ Sie nickte, erwiderte scheu seinen Blick. „Ich… ich hab mich gefragt… jetzt, nachdem ich weiß, wer du bist, dass du… dass du schon erwachsen bist… ich…“ Er schaute sie verwirrt an. „Hast du dich nicht lustig gemacht über mich?“ Er blinzelte. Wie bitte? „Lustig gemacht?“ Seine Augen wurden groß. „Nein, wie kommst du darauf? Du kannst ja nichts dafür, und ich… mir war es sehr unangenehm. Ich wollte nicht- ich hab versucht, dass du in mir nichts weiter siehst als einen guten Freund… ich… warum sollte ich mich über dich lustig gemacht haben?“ Sie schaute ihm in die Augen. Langsam fing sie sich wieder. „Also nicht?“ „Nein.“ Sie atmete aus. „Also nicht.“ „Genau.“ Sie schluckte. „Shi- Shinichi?“ Er, der sich gerade eine Flache Limonade unter dem Arm klemmte, drehte sich verwundert um. „Ich wollte, das Conan Kohana verlässt…“ Er blinzelte. Ein seltsames Gefühl machte sich in ihm breit. Warum sagte sie ihm das…? „Ich war egoistisch, das tut mir Leid…“ Sie wisperte es nur, aber er hörte ihre Worte deutlich. Und er verstand. „Das ist schon okay, Ayumi. Du konntest es nicht wissen. Ich bin dir nicht böse- und ich bin mir sicher, Ran auch nicht.“ Er lächelte sie aufmunternd an. „Sonst noch was, was dir auf dem Herzen liegt?“ Sie schüttelte den Kopf. Eine warme Welle der Erleichterung durchflutete sie. Sie zog eine Flasche Wasser aus dem Getränkekasten. „Nein, außer…- dann bleiben wir Freunde?“ Sie lächelte hoffnungsvoll. „Wir bleiben Freunde.“ Er nickte freundlich. Jetzt, nachdem sie wusste, dass er nicht über sie gelacht hatte, dass er nicht böse auf sie war, fühlte sie sich besser. Deutlich besser. Sie war zwar immer noch traurig, sehr traurig, dass er… dass er nicht Conan war, sie nie Freund und Freundin werden würden… Aber er blieb wenigstens ein guter Freund. Wenn nicht der Freund, dann wenigstens ein guter. Und außerdem hatte er schon eine Freundin- Ran-neechan, oder Hana-chan, wie sie ja jetzt hieß. Sie zog eine weitere Flasche Wasser aus dem Getränkekasten. „Du hast Ran richtig gern, nicht war?“, fing sie nun an. Conan, der gerade ebenfalls eine zweite Limonadeflasche holte, wurde rot. „Du kannst aber schnell das Thema wechseln.“ Ayumi schoss nun ebenfalls wieder das Blut ins Gesicht. „Entschuldige, ich…“ „Ja, ich mag sie sehr. Ich mag sie schon seit sehr, sehr langer Zeit, sehr, sehr gern.“ Er lächelte. Ayumi lächelte zurück. „Also habt ihr ausgemacht, ihr werdet beide wieder klein?“ Ein romantischer Gedanke, der jedoch gleich von seiner scharfen Stimme zunichte gemacht wurde. „Nein!“ Er atmete aus. „Nein.“ Ayumi schaute ihn fragend an. Er seufzte. Also musste er hier ein wenig weiter ausholen. „Ran wusste bis letztes Weihnachten genauso wenig wer ich bin, wie du, Genta und Mitsuhiko. Und eigentlich hätte das auch so bleiben sollen. Nun, es kam anders. Ich- ich hab’s ihr gesagt.“ Er hielt inne. „Eine Zeitlang ging’s gut. Aber irgendwie- ich meine, zehn Jahre sind ein gewaltiger Altersunterschied, nicht?“ Er lächelte hilflos. Ayumi schaute ihn aufmerksam an. Conan fuhr fort. „Nun. Es… es gibt noch kein Gegengift, dass uns, mich und Ai, und jetzt auch Ran, von dieser Gestalt erlösen könnte. Deshalb hat Ran sich in den Kopf gesetzt, mit dem Gift, dass uns… das uns eigentlich hätte töten sollen, auch zu schrumpfen. Ich wollte nicht, dass sie das macht. Niemals… “ Ayumi schaute ihn fassungslos an. „Sie hat dich nicht gefragt? Aber woher wusste sie denn, dass es sie nicht umbringen würde?“ Conan schluckte, schaute dem kleinen Mädchen ins Gesicht. „Sie wusste es nicht. Sie tat es trotzdem.“ Damit drehte er sich um, ging. Ayumi stiefelte schweigsam hinter ihm die Treppe hoch- sie wusste, was sie wissen wollte. Wissen musste. Und er tat ihr Leid. Genta, Mitsuhiko, Ai und Ran sahen auf, als die beiden wieder in die Küche kamen. Conan stellte die Flaschen auf den Tisch, hüpfte wieder neben Ran auf die Bank. Ayumi tat es ihm gleich, nahm wieder auf ihrem Stuhl platz, griff sich eins der Sandwichs, die der Professor mittlerweile für die Kinder gemacht hatte. Nun ergriff wieder Mitsuhiko das Wort. „Ihr seid also hinter einer Verbrecherbande her, die euch töten wollten, und immer noch wollen, ja?“ Conan nickte. Ai hatte bei dem Wort ‚Verbrecherbande’ die Augenbrauen hochgehoben, sarkastisch geschnaubt. „Und warum lasst ihr uns dann nicht bei der Suche helfen? Wir sind die Detektive Boys!“ Genta und Ayumi nickten zustimmend. Conan seufzte resigniert. „Weil ihr Kinder seid, verdammt. Wann versteht ihr das denn endlich?“ „Aber das seid ihr doch auch!“, erwiderte Genta und schob sich ein Sandwich zwischen die Kiemen. Ai stöhnte frustriert auf. „Danke, dass du mich dran erinnerst.“ Conan schüttelte den Kopf. „Nein. Sind wir nicht. Wir sehen aus wie welche, aber wir sind keine. Wir sind momentan gar nichts- wir sind weder Kind noch Erwachsener. Aber Fakt ist, wir können und wollen euch da nicht hineinziehen. Es ist zu gefährlich. Haltet euch raus. Das ist mein letztes Wort zu der Sache.“ Alle am Tisch schauten ihn an. Conan ließ sich zurück sinken, nahm das Sandwich, das ihm Ran reichte, biss hinein und kaute gedankenverloren. Irgendwie waren sie ja schon süß, seine kleinen Detektivfreunde. Aber sie noch weiter hineinzuziehen wäre unverantwortlich. Das könnte er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren. Eigentlich wussten sie ja jetzt schon viel zu viel. Am anderen Ende der Welt stand Yukiko Kudô auf ihrem Balkon ihrer Villa in Los Angeles und betrachtete die in der Hitze flirrende Stadt zu ihren Füßen. „Warum sind wir noch gleich wieder in die Staaten gefahren, während unser Sohn in Japan in sein Verderben rennt, Yusaku?!“, fauchte sie. Sie drehte sich um, starrte ihrem Ehemann ins Gesicht, der im Balkonfenster erschienen war. Ihre Stimme klang aufgebracht, ihre ganze Haltung verriet Anspannung, ihre Wangen waren gerötet. „Damit er eine Sorge weniger hat, Yukiko.“, antwortete er ruhig. „Damit er sich nicht darum kümmern muss, ob uns diese Organisation auf die Pelle rückt, und er sich den wichtigen Dingen widmen kann.“ Eine Gelassenheit lag in seinen Worten, die seinen eigentlichen Gemütszustand Lügen strafte. Er war sich ja selber nicht ganz sicher, wusste selber nicht, warum er eigentlich Shinichis Drängen, doch bitte Japan zu verlassen, nachgegeben hatte. Er wusste es nicht. Er hatte auch gar nicht gehen wollen. Aber nichtsdestotrotz stand er jetzt hier. Er erinnerte sich noch an das Gespräch, das sie geführt hatten. In dem er ihn gebeten hatte, zusammen mit seiner Mutter zu verschwinden. Damit sie in Sicherheit waren. Yusaku seufzte. Er hatte damals am Ende einer langen Diskussion nur genickt, und als sein Sohn gegangen war, seiner fassungslosen Frau mitgeteilt, dass sie packen sollte. Er hatte Shinichi zwar das Versprechen abgerungen, sich zu melden, täglich- aber das war eigentlich auch mehr ein Pseudoberuhigungsmittel für Yukiko gewesen. Sollte der Ernstfall eintreten, würde er nicht da sein können, um ihm beizustehen. Und dieses Wissen fühlte sich nicht gut an. Yusaku trat neben seine Frau, starrte auf die Straßen unter ihm. „Wir sind hier, weil ich ihm bedingungslos vertraue. Er hat mir versprochen, aus dieser Sache heil raus zu kommen, und ich glaube ihm.“ Er schwieg, hob seinen Blick, verlor sich in den unendlich blauen Weiten des wolkenlosen Himmels. „Und es gnade ihm Gott, wenn er sein Versprechen bricht, denn von mir kann er es nicht erwarten, verdammt…“ Er biss die Zähne zusammen, krampfte seine Hände um das Balkongeländer. Würde er tatsächlich in Schwierigkeiten geraten, dann wäre er viel zu weit weg, um ihm zu helfen… der Gedanke quälte ihn. Yukiko starrte ihn an. Dann löste sie sanft eine Hand mit ihren Fingern von der Brüstung, umschloss sie. Yusaku blickte in ihre azurblauen Augen. „Ich habe Angst, Angst um unseren Sohn, Yukiko. Irgendwie hab ich das Gefühl, dass das hier noch ein böses Ende nimmt…“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Sie sah ihm an, wie schwer es ihm fiel, darüber zu reden. Ihr seine Ängste und Befürchtungen mitzuteilen. Ihr Ärger verrauchte. Lange schaute sie ihn an, dann streckte sie sich, gab ihm einen leichten Kuss auf die Lippen, ehe sie ihren Kopf an seinem Hals vergrub, sich an ihn lehnte. „Ich auch.“ „Er lässt sich nicht helfen. Er hätte Ran am liebsten auch noch mit uns in den Flieger gesetzt.“ Er schluckte. Sie hob den Kopf, schaute ihn wieder an. „Warum hat er es nicht getan?“ „Weil es nicht geht.“ Yusaku strich sich über die Augen. „Kohana Akechi hat keinen Pass, genauso wenig wie Conan Edogawa oder Ai Haibara. Diese Kinder existieren offiziell gar nicht. Deswegen muss sie bei ihm bleiben. Deswegen muss er auf sie aufpassen. Und damit er das besser tun kann, hab ich zugestimmt, ihn allein zu lassen, damit er sich wenigstens um uns keine Sorgen machen muss. Und mir geht’s mies dabei, ehrlich. Ich hab das Gefühl, ich bin hier völlig falsch. Völlig fehl am Platz. Ich mach mir wahnsinnige Sorgen um ihn…“ „Ich mir auch.“ Yukiko schlang ihre Arme um ihn, legte den Kopf in den Nacken und schaute in den Himmel. „Gibt es einen Gott?“ Er wandte ihr den Kopf zu- dann folgte er ihrem Blick. „Wie kommst du darauf?“ Sie schloss die Augen. Er sah sie wieder an, sah, wie ihre Haare in der Sonne, die langsam immer kräftiger wurde, den nahenden Frühling ankündigte, glänzten, flimmerten, sich der Wind in ihnen fing. „Ach, nur so…“ Er räusperte sich. „Also, wenn du meine Meinung wissen willst…“ „Will ich das?“, neckte sie ihn leicht. „Ja, willst du.“ Sie öffnete die Augen wieder, schaute ihn aufmerksam an. „Dann?“, hakte sie nach. „Es gibt ihn, wenn du daran glaubst. Du musst nur fest genug wollen, dass er existiert- dann wird er da sein. Und ein Auge haben auf dich, und auf die, die du liebst.“ Sie schaute ihn an, nahm seinen Kopf in beide Hände, berührte mit ihren Daumen seine Wangen. Sah in das Gesicht, in das sie sich verliebt hatte, damals- er war ihr Gefährte, ihr Partner, ihr Seelenverwandter, stand ihr bei, in guten und in schlechten Zeiten. Er war der Mann, den sie entgegen dem Willen ihrer Familie geheiratet hatte. Er war der Mann, für den sie ihre Karriere geopfert hatte, um mit ihm eine Familie zu gründen, um mit ihm glücklich zu werden. Er war der Vater ihres Sohnes. Eines Sohnes, der ihm so ähnlich war. Und der gerade sein Leben mehr als einfach nur aufs Spiel setzte. Eine Träne verließ ihren Augenwinkel. Ihre Unterlippe bebte, und er sah, wie sie zu zittern anfing. Sie musste nichts sagen- er wusste auch so, dass sie die Angst beinahe zu überwältigen drohte. „Schhh…“ Er zog sie an sich, drückte ihren Kopf auf seine Schulter. „Glaub mir, er schafft das. Er schafft das. Er muss einfach…“ „Ich liebe dich...“, wisperte sie. Er spürte ihren Atem an seinem Hals, merkte, wie ihm ein wohliger Schauer über den Rücken lief. „Ich dich auch.“ Er schob sie sanft auf Armeslänge von sich weg. „Und jetzt müssen wir stark sein, Yukiko.“ Sie strich sich die Tränen aus den Augen und nickte. „Du hast Recht. Er wird es schaffen. Er ist unser Sohn, er wird es schaffen.“ Dann klingelte das Telefon. Sie warfen sich einen erleichterten Blick zu, gingen zurück ins Haus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)