Der Elfenkönig von myrys84 ================================================================================ Kapitel 3: Kapitel III - Dhub und Bàn ------------------------------------- Dhub. Das Schwarze Land. Hier hauste der Feind des Lichtes, Dhulmar, der Gott der Finsternis. Es hieß, dass in seinem Land die schrecklichsten Kreaturen lebten. Kreaturen, die noch nie das Licht erblickt hatten, denn eine permanente schwarze Wolke lag über Dhub wie ein Signal, nicht weiter zu gehen, sobald man das riesige Ungetüm am Horizont erblickte. Die Ebenen von Dhub waren verwüstet, karge Felslandschaften und vertrocknetes Gras, nur wenige Tümpel, in denen sich Wasser sammelte. Und dort, in den Tiefen dieser Ebenen lag die Festung Dhulmars. Tief war sie einst in den schwarzen Felsen hineingetrieben worden, weit und verzweigt erstreckte sie sich über und unter der Erde. °°°°° Er hatte sie schon kommen hören. Seine Sinne waren schärfer geworden, seit er hier in den Kerkern Dhulmars festsaß. In diesem Fall jedoch hätte er diese Fähigkeit gar nicht gebraucht. Ihre Schritte waren so laut, dass selbst ein Toter sie hätte hören können, und davon gab es hier unten genügend. Doch wie es das Schicksal anscheinend wollte, würde er sich nicht so bald zu ihnen gesellen dürfen, obwohl er sich das mehr als alles andere wünschte. Seine Zellentür wurde klappernd aufgeschlossen und der Kerkermeister kam herein. Seine stapfenden, schwerfälligen Schritte kamen immer näher. Unweigerlich spannte der Gefangene sich an. Anscheinend war noch nicht alles, was er jemals als Krieger gelernt hatte, aus ihm verschwunden, doch er wusste, dass es nur eine automatische Reaktion war, nicht wirklich der Wille aufzubegehren und sich zu wehren. "Der Herr lässt dich rufen", hörte er die raue Stimme. Er wurde unsanft gepackt und hochgezogen. Natürlich war der Kerkermeister nicht alleine gekommen. Dem Geruch nach ein paar ganz normale, stinkende Orks. Seine Handgelenke wurden gefesselt und eine Hand in seinem Rücken schubste ihn vorwärts. "Na los, beweg dich!", herrschte ihn der Ork hinter ihm an. Unsicher machte er einen Schritt, strauchelte, fiel jedoch nicht. Seine Beine trugen ihn anscheinend auch nur noch widerstrebend. Kein Wunder. Wenn er seine Beine wäre, er würde sich auch nicht mehr tragen wollen. Aber nachdem sie es doch taten blieb ihm wohl nichts anderes übrig und er bewegte sich torkelnd auf den Ausgang seiner Zelle zu. Immer wieder fiel er auf dem Weg zu Dhulmar. Kein Wunder, schließlich war es eine lange Zeit her, seit er das letzte Mal gegangen war. Sonst kauerte er immer nur in seiner Zellenecke und wollte sterben. Ja, er sehnte sich nach dem Tod. Die Hoffnung, jemals von seinen Qualen erlöst zu werden, hatte er schon lange aufgegeben. Also hoffte er jeden Tag, oder jede Nacht, so genau konnte er es in der ewigen Dunkelheit um sich herum nicht sagen, dass er einfach nicht mehr aufwachen würde. Ein harter Schlag traf seinen Rücken und er fiel der Länge nach hin. Er spürte den kalten glatten Stein von Dhulmars Thronsaal unter sich. Also war er am Ziel. Wenigstens etwas. Umständlich rappelte er sich etwas hoch, doch Dhulmars Stimme ließ ihn in seiner Bewegung erstarren. "Ich habe dir nicht erlaubt, dich zu bewegen!", donnerte der Gott. Er hätte es nicht großartig zu erwähnen brauchen, denn seine Arme versagten und er sank wieder auf den Boden. "Ich habe etwas, das du dir ansehen wirst", sagte Dhulmar und er hörte, wie jemand auf ihn zukam, ihn hochzog und ihm etwas in die Hand drückte. Natürlich. Aus keinem anderen Grund hätte er ihn kommen lassen, dieses Monster. Er sollte wieder einmal für ihn in die Zukunft sehen. Und damit er das noch besser konnte hatte ihm Dhulmar damals höchstpersönlich das Augenlicht genommen, um sein "inneres Auge zu schärfen". Wie sehr er ihn doch hasste. Aber er hatte keine andere Wahl. Sie würden ihn nicht töten, das hatte er schon oft genug versucht. Also nahm er sich den Gegenstand in seinen Händen vor. Ein Buch. Der Einband war aus Leder und vorne auf dem Buchdeckel war etwas abgebildet. Vorsichtig tastete er es mit den Fingerspitzen ab. Ein Baum, eine Sonne, ein Halbmond und … was war das noch? Drachenschwingen? Also der Drachenreiter. Die alte Legende vom letzten großen Kampf. Er klappte das Buch auf und da durchströmten ihn Bilder, so klar, als könnte er plötzlich wieder sehen. Er sah den jungen König der Hochelfen und seinen General. Sie saßen an einem Feuer und unterhielten sich. Bei ihnen saß ein junger Mann, der ihnen interessiert zuhörte. Er hatte dunkle Locken und rehbraune Augen. "Was Ihr sucht", sagte er leise und erschrak beim Klang seiner eigenen Stimme, "befindet sich in Nifredils Hand. Sie sind unterwegs nach Bàn." "Verdammt! Die verdammte weiße Brut war schneller als wir. Aber wir werden ihn bekommen! Wenn Nifredil glaubt, der Drachenreiter würde sich auf seine Seite schlagen, dann hat er sich geirrt!", dröhnte Dhulmar. "Wache! Ihr macht euch sofort auf den Weg nach Bàn. Holt mir den Drachenreiter. Sollten sich euch Nifredil oder sonst wer in den Weg stellen, tötet sie", befahl er. Eifrige Schritte entfernten sich. "Und du…", wandte er sich nun wieder dem Seher zu, "du gehst zurück in deine Zelle. Jungs, gute Arbeit. Wenn ihr wollt, dann dürft ihr noch ein bisschen mit ihm spielen. Aber übertreibt es nicht. Wir brauchen ihn noch." 'Oh Ihr Götter. Warum habt ihr mich ausgerechnet in die Fänge von diesem Irren getrieben?' Also wieder einmal ein kleines bisschen Folter. Was sie ihm wohl diesmal brechen würden? ***** Ryan streckte seine Beine aus, näher zum Feuer hin. Soeben hatten ihm die Elfen erzählt, wo er sich hier befand und was es mit dieser Welt auf sich hatte. Es gab mehrere Königreiche. Zum einen waren da die Elfenkönigreiche. Das eine, Bàn, war das, wohin sie zu gelangen suchten, die Heimat der Hochelfen, regiert von einem jungen König, dessen Vater in der letzten großen Schlacht gegen die Dunklen Mächte gefallen war. Die Hochelfen verkörperten das Licht in dieser Welt. Sie verabscheuten den Krieg, doch wenn es sein musste, dann waren sie gefürchtete Krieger im Zeichen der Sonne. Dann waren da die Dunkelelfen, eine Randgruppe der Elfenwelt. Einst hatten sie mit den Hochelfen zusammen gelebt doch dann ihre Unabhängigkeit gefordert. Sie hatten sie erhalten und seither hatte das Volk der Dunklen seinen eigenen souveränen Staat in den Bergen von Gulgart. Die Festung, die sich die Dunkelelfen errichtet hatten, genannt die Felsenburg, so sagte man jedenfalls, sei der am besten zu verteidigende Ort auf dem ganzen Kontinent und nahezu uneinnehmbar. Von den Dunkelelfen hieß es, sie seien wie Schatten in der Nacht, lautlos und schnell und dadurch extrem gefährliche Gegner. Es waren ebenfalls die Dunkelelfen, die sich hervorragend mit den Zwergen verstanden und mit ihnen regen Handel trieben, denn die Zwerge lebten mit ihnen zusammen im Gulgart-Gebirge, nur unterhalb der hohen Berge in ihren Stollen und Höhlen. Im Norden und Süden lebten die Menschen. Die nördlichen Menschen, die Skàat, hatten gute Verbindungen zu den Hochelfen, allerdings trafen sich die beiden Völker nur selten. Sie waren geschickte Handwerker, vor allem in der Waffenschmiedekunst. Die südlichen Menschen, die Sûr, waren noch sehr provinziell und nicht gerade die besten Krieger. Wenn jemals Feinde angriffen, dann meistens im Süden, denn der war sehr schlecht verteidigt. Dennoch, hatte man die Sûr erst einmal gegen sich aufgebracht, kämpften sie wie die Wilden und waren kaum zu bremsen in ihrem Kampfeifer, was sie zu schwer einschätzbaren Gegnern machte. Der Feind all derer war Dhulmar, der Gott der Finsternis im Reich Dhub. "Also ist dieser Dhulmar der, gegen den ihr kämpft, ja?", fragte Ryan. "Ja", antwortete Nifredil. "Und das schon seit Jahrhunderten. Das Problem ist, dass wir ihn nie ganz besiegen konnten. Er kommt immer wieder, wie ein Alptraum, denn solange die Angst existiert, existiert Dhulmar. Das heißt, selbst, wenn wir ihn vernichtend schlagen würden, käme er in spätestens 100.000 Jahren zurück, dann, wenn er wieder genug Angst gesammelt hat, um sich zu materialisieren. Aber nicht nur er allein. Er sammelt andere um sich, Kreaturen, die mindestens genauso böse sind wie er selbst. Orks, Goblins, Trolle, alles, was du dir vorstellen kannst." "Auch Drachen?", wollte Ryan wissen. Mahon und Nifredil tauschten einen kurzen Blick. "Wieso fragst du ausgerechnet nach Drachen?", hakte der blonde Elf nach. "Ach, ich meinte nur so. Immerhin, bei euch gibt's Elfen, Zwerge, Orks, einen oberfiesen Gott, alles, wovon Tolkien geträumt hätte. Warum also keine Drachen?", gab Ryan achselzuckend zur Antwort. "Nun", erklärte Mahon, "es gibt Drachen, allerdings sind sie auf niemandes Seite. Noch nicht." "Heißt das, sie halten sich aus eueren Streitereien raus? Und was heißt 'Noch nicht'?", fragte der Dunkelhaarige. "Zum ersten nein, denn sie greifen alles an, sei es nun Licht oder Dunkel und zum zweiten, nun, es gibt da eine Legende, die Legende vom Drachenreiter oder auch Drachenritter. Es heißt, dass, wenn er erscheint, die Drachen gezähmt werden und sich seiner Herrschaft unterwerfen. Doch wie die Drachen selbst steht der Drachenritter auf keiner festen Seite. Für welche er sich entscheidet hängt in großem Maße davon ab, wer ihm das beste Angebot macht", erklärte Mahon. "Das beste Angebot? Heißt das, der Typ ist käuflich? Widerlich, echt jetzt. Der muss doch ein klares Statement abgeben können, oder? Ich meine, entweder Schwarz oder Weiß, das muss er doch wissen, meine ich." "Nicht unbedingt. Der Drachenreiter stammt, so heißt es, nicht aus diesem Teil der Welt. Er kennt die Zusammenhänge nicht und je nachdem, wer ihn zuerst in die Hände bekommt, hat auch den größten Einfluss auf ihn", sagte Nifredil. "Ach so. Also ein Kerl wie ich? Ich meine, ich bin ja auch nicht von hier. Aber mal angenommen, ich wäre dieser Drachen-Futzi. Ich glaube, ich würde mich für euch entscheiden. Ihr seid nämlich viel hübscher als diese Orks und so. Könnt ich mir zumindest vorstellen", meinte Ryan und reckte sich, wobei er Nifredil verschwörerisch zuzwinkerte. "Na was sind wir doch jetzt froh über diese Aussage", muffelte Mahon, der so langsam wahnsinnig wurde, weil ihm einfach nicht einfallen wollte, warum er bei Ryan so ein komisches Gefühl hatte, wenn dieser seinen König ansah. "Sag mal", sagte Nifredil zaghaft, "was ist eigentlich ein Engel?" "Hm? Warum willst du das wissen?", fragte Ryan überrascht. "Sag es doch einfach", bat der Blonde. "Also, ein Engel ist ein… göttliches Wesen, das auf die Erde geschickt wird um den Menschen zu helfen. Wieso?" "Na ja, so hast du mich genannt, als du aufgewacht bist", erklärte Nifredil und wurde leicht rot. "Ach so. Da war ich wohl nicht ganz bei mir. Aber wenn ich dich so ansehe, warum hätte ich dich nicht so nennen sollen? Ich meine, du hast mich gerettet und gesund gepflegt. Abgesehen davon bist du…", er stockte und schaute schnell weg. "Was bin ich?", fragte der Elf neugierig und mit weit aufgerissenen Augen wie ein kleines Kind. "Sag ich nicht", grummelte Ryan, verschränkte die Arme und schaute demonstrativ in die andere Richtung. "Bitte, sag's mir", bettelte der Blonde und schob sich näher an ihn heran. 'Wie kindisch', dachte Mahon. 'Und ich dachte, er wäre aus dem Gröbsten raus.' "Nein. Wenn ich dir das sage, dann wird's nur peinlich und zwar für uns beide", beharrte Ryan, doch ihm entging nicht, dass die Distanz zwischen ihnen schon erheblich geschrumpft war. Plötzlich lag Nifredils Kinn auf seiner Schulter und er zuckte leicht zusammen als ihm der Elf etwas ins Ohr flüsterte: "Du meinst aber nicht zufällig 'schön', oder?" "Und wenn?", wollte der Lockenkopf leicht beschämt wissen. "Dann würde ich mich freuen", antwortete Nifredil grinsend und nahm wieder seinen alten Platz neben Mahon ein, welcher ziemlich düster dreinschaute. "Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie…", murmelte er. "Irgendwie was?", fragte sein König. "Irgendwie ist da etwas. Etwas Wichtiges, das mir einfach nicht einfallen will. Wenn ich ihn so sehe, gerade, wenn er Euch, Verzeihung, dich ansieht, dann wird mir irgendwie unwohl zumute, weil ich das Gefühl habe, etwas wirklich Entscheidendes vergessen zu haben." "Ach, Mahon, wenn es dir nicht einfällt, kann es gar nicht so wichtig sein", munterte ihn der Blonde auf. "Du musst dir so viel merken, da ist es nur normal, dass du mal was vergisst. Lass dir deswegen keine grauen Haare wachsen." "Wie du meinst", lenkte der General ein, doch er zermarterte sich weiterhin das Hirn, was das nur war, das ihm einfach nicht mehr in den Sinn kommen wollte. "Warum erzählst du uns nicht mal was von dir?", fragte Nifredil ganz beiläufig. "Ach, von mir gibt's nicht viel zu erzählen", begann Ryan. "Ich bin 23 Jahre alt und lebe in New York City, was ihr beide wohl nicht kennt, aber das macht nix. Es ist eine ziemlich große Stadt mit Millionen von Menschen." "Keine Elfen?", fragte Nifredil leicht enttäuscht dazwischen. "Nun, wenn in New York Elfen leben, dann hab ich noch nie einen gesehen. Ich kann insofern sagen, dass meine Welt richtig magielos ist. Was ich hier erlebe, und das in nur so wenigen Tagen bisher, ist so wunderbar, wie das, was ich als Kind und Jugendlicher in meinen Büchern gelesen habe", antwortete Ryan und schaute dabei verträumt. "Und Zwerge?", hakte der Blonde nach. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass es eine Welt gab, wo weder Elfen noch Zwerge noch sonst was existierten. "Auch keine Zwerge", sagte Ryan. "Gar nichts." "Ich denke nicht, dass das relevant ist", merkte Mahon an. Ryan kuckte zwar etwas verwirrt wegen des plötzlichen Themenwechsels, sagte jedoch nichts weiter dazu, zuckte die Achseln und antwortete stattdessen: "Also zurück zur Biographie des Ryan O'Farrell. Geboren wurde ich in L.A. Meine Mutter ist zur Hälfte Mexikanerin, was bei mir voll durchschlägt. Mein Vater hat irische und schwedische Wurzeln. Ich bin also so was wie eine Skàat-Sûr-Mischung, wenn das überhaupt vergleichbar ist. Jedenfalls, als ich drei war, gingen wir an die Ostküste. Mein Vater ist, glaube ich, Verlagschef einer großen Zeitung. Hab ihn schon elf Jahre nicht mehr gesehen. Ist mir auch ziemlich egal, was er eigentlich macht." "Dann warst du ja noch ein Kind! Vermisst du ihn nicht?", fragte Nifredil mitfühlend. Ryan überlegte kurz und sagte dann: "Nein. In der ersten Zeit nach der Trennung schon, aber dann wurde mir klar, dass er mich wohl nicht mehr wollte und hab mich damit zufrieden gegeben." "Aber du hast noch einen Vater. Du solltest froh sein", tadelte der Blonde. "Wie würdest du dich als Zwölfjähriger fühlen, wenn dir dein Vater hoch und heilig verspricht, dass du ihn nie verlieren wirst und dann kommt er dich nicht einmal besuchen? Keine Weihnachtskarte, kein Geburtstagsgruß, gar nichts, nicht mal von seiner Sekretärin. Hups, die hat er ja geheiratet. Wie dumm von mir, das zu vergessen. Es war fast so, als hätte ich nie für ihn existiert. Aber können wir das vielleicht lassen?" Die Verbitterung in seiner Stimme war deutlich zu hören. Nifredil hatte sehr wohl bemerkt, dass er einen empfindlichen Punkt getroffen hatte und fragte auch nicht weiter. Stattdessen fragte er: "Und was machst du dort, wo du herkommst, den ganzen Tag?" "Ich studiere an der State University von New York Geschichte und Literatur. Weiß noch nicht, was ich mal genau machen will. Nebenbei arbeite ich in der Anchient Archive Library." "Aha, also ein Gelehrter", stellte Nifredil fest. "Verstehst du dich auf Kriegshandwerk?", fragte Mahon, ganz der Pragmatiker. "Kriegshandwerk? Nein. Hab nicht mal 'ne militärische Grundausbildung. Das einzige, was ich dir dazu erzählen könnte, wären alte Kriegsstrategien, die ich mal studiert hab. Und davon hab ich auch schon wieder die Hälfte vergessen", gab der Dunkelhaarige zu. "Großartig", stöhnte der General. 'Also wohl doch nicht der Drachenritter. Schöne Blamage.' "Aber ich kann Karate", sagte Ryan etwas patzig, denn Mahons Art zu reden gefiel ihm gar nicht. "Bitte was?", fragte der Elf mit den langen schwarzen Haaren nach. "Waffenloser Kampf. Darf aber nur zur Verteidigung eingesetzt werden", erklärte Ryan. "Nun, hilft dir das gegen einen bis an die Zähne bewaffneten, gut gerüsteten Krieger?", lächelte Mahon schwach. "Ich werde es dir beweisen, wenn es sich ergibt. Im Moment allerdings bin ich müde und würde jetzt gerne schlafen, einverstanden?", gähnte der Mensch. "Ist gut, schlaf", antwortete Nifredil lächelnd. "Gute Nacht." Ryan wünschte den beiden ebenfalls eine gute Nacht, wickelte sich in seine Decke und schlief fast augenblicklich ein. Mahon und Nifredil unterhielten sich noch lange. Hätte Ryan gewusst worüber, er wäre sehr erstaunt gewesen. °°°°° Rhocaen schreckte hoch. Schwarz. Alles um ihn war wieder schwarz, genau wie immer. Nur im Schlaf und in seinen Visionen sah er noch Bilder vor sich. Alle Glieder taten ihm weh. Diesmal, zumindest fühlte es sich so an, hatten sie ihm nicht nur ein oder zwei sondern schlichtweg alle Knochen im Leib gebrochen. Leise stöhnte er auf vor Schmerz. Ein Traum hatte ihn geweckt. Frieden lag über der Welt, der dunkle Herrscher war vernichtet und die Völker der Elfen unter dem Banner des Baumes der Unsterblichen, der Sonne der Hochelfen, des Halbmonds der Dunkelelfen und den Schwingen des Drachen vereint. Die Bedeutung der Prägung auf dem Buch, das er in den Händen gehalten hatte, war ihm schlagartig klar. Er lächelte. Moment mal. Das war das erste Mal seit etwa… Ja, wie lang eigentlich? Jedenfalls das erste Mal, dass er wieder lächelte. In die Trostlosigkeit seiner Existenz mischte sich wieder so etwas wie ein Funken Hoffnung. Vielleicht würde sein Leid endlich ein Ende haben und er könnte sterben, so, wie er es auf dem Schlachtfeld hätte tun sollen. Vielleicht. ***** Am nächsten Tag trafen sie in Bàn ein, oder zumindest im Land Bàn. Die Stadt mit demselben Namen lag noch etwa einen Tagesritt von ihnen entfernt und doch merkte Ryan, dass mit Nifredil, während sie durch dichten Wald ritten, eine Veränderung vonstatten ging. Er wurde stiller, ernster und zog sich immer mehr in sich zurück. "Alles in Ordnung?", fragte er über die Schulter des Blonden hinweg, an welchem er sich mittlerweile nicht mehr ganz so krampfhaft festhalten musste. "Oh, ja, sicher. Alles bestens", bestätigte der Elf mit einem Lächeln, welches Ryan jedoch, logischerweise, nicht sehen konnte. In seinem Inneren sah es ganz anders aus. Er wusste, je näher sie Bàn kamen, desto eher würde er Ryan die Wahrheit über sich selbst sagen müssen. Bei einer kleinen Quelle legten sie eine Rast ein. Nifredil stieg ab und hockte sich an den Rand des Gewässers. Dort schöpfte er Wasser mit seinen Händen, trank und befeuchtete sein Gesicht. Seine Unsicherheit wuchs. Ryan war ihm von Anfang an sympathisch gewesen und er wollte, dass er ihn mochte, weil er ihn ebenso sympathisch fand und nicht, weil er der König der Elfen war. Doch jetzt hatte er sich verstrickt und es schien, als könnte er keinen Rückzieher mehr machen. Er seufzte leise. "Also du hast doch was", stellte Ryan fest während er sich neben ihm in der Hocke niederließ und ihn durchdringend ansah. 'Besser, ich sag es ihm jetzt', beschloss der Elf und sagte schließlich: "Du hast Recht. Also, da ist etwas, das du über mich wissen solltest…" Doch weiter kam er nicht, denn ein Geräusch ließ ihn verstummen. Es klang wie das durch die Luft Schwirren eines Pfeils. Knapp vor seiner linken Hand, mit der er sich eben noch abgestützt hatte, schlug nur wenige Sekunden später ein schwarzer Pfeil ein. "Orks", zischte er. "Shit", bemerkte Ryan trocken und sprang auf. Mahon zog noch auf dem Pferd sitzend sein Schwert, Nifredil nahm seinen Bogen und legte einen Pfeil an die Sehne. "Bleib hinter mir", raunte er Ryan zu. "Ach was, mit so ein paar Orks werd' ich doch locker fertig", behauptete der Lockenkopf selbstsicher und nahm seine Kampfhaltung ein. "Hör zu, du wirst das tun, was ich dir sage, verstanden?", sagte Nifredil gereizt und mit Ehrfurcht einflößendem Kommandoton. "Die sind verdammt gefährlich und vermutlich hinter dir her, also…" Die Orks brachen aus dem Waldrand hervor und sofort flog Nifredils erster Pfeil pfeifend durch die Luft. Der erste Ork, der die Lichtung betrat, sank zusammen. Ein weiterer wurde von Mahon niedergemäht. Blitzschnell hatte Nifredil einen neuen Pfeil aus dem Köcher gezogen und schoss ihn sofort ab. Noch ein Ork wurde getroffen und verendete, den Pfeil in seiner Kehle steckend. Der Rest verschwand. "Das war ja leicht…", murmelte Ryan. "Späher", erklärte Nifredil mit ernster Stimme. "Der Haupttrupp kommt erst noch." Er drückte dem Dunkelhaarigen etwas in die Hand. "Oh", stellte dieser fest. Es war der Griff eines Dolches. "Verlier ihn nicht", raunte ihm der Blonde zu. "Sie kommen", erklang Mahons düstere Stimme. Auf einmal sah Ryan nur noch schwarz. Hässliche, völlig in schwarz gekleidete Kreaturen ergossen sich über das Grün des Grases. Ihr bösartiges Knurren erfüllte die bis dahin noch so friedliche Stille. Ein unwahrscheinliches Gefühl der Angst beschlich ihn. So viele waren es und es wurden immer mehr. Nifredil und Mahon taten ihr Möglichstes, doch schon bald konnte auch der blonde Elf mit seinen Pfeilen nichts mehr ausrichten und zückte sein Schwert. Schon war er von Feinden umringt und Ryan stand ungeschützt etwa einem Dutzend der grausamen Kreaturen gegenüber. "Also gut, dann wagen wir doch mal ein Tänzchen", grinste er. Doch alles Karate der Welt nützt einem nicht viel, wenn man es mit gut gerüsteten, bis an die Zähne bewaffneten Orks zu tun hat. Das musste auch Ryan nur allzu bald feststellen. Er wich ihren Hieben geschickt aus und verteilte etliche Tritte, von denen nicht wenige trafen, doch seine Gegner erholten sich schnell, während er immer müder wurde. Ein harter Schlag traf ihn am Hinterkopf und er verlor das Bewusstsein. Noch bevor er wegdämmerte schien es ihm, als würde er Nifredils Stimme seinen Namen rufen hören. _________________________________________________________________________________ Lang hat's gedauert. Gomen. ;.; Ich hab einfach nicht mehr wirklich die Zeit zu schreiben. Aber ich werde mich bemühen, euch weiterhin mit Lesefutter zu versorgen, auch wenn die Abstände größer werden. Bis zum nächsten Mal. myrys Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)