fear von Oceanwhirl (past - present - and no future to be seen) ================================================================================ Kapitel 3: silence ------------------ „Jun, hast du kurz Zeit?“ Eine Gänsehaut überrannte den Dunkelhaarigen, als er Yuukis Stimme so unerwartet hinter sich hörte. Dennoch versuchte er, sich nichts anmerken zu lassen, als er sich zu dem noch immer oberkörperfreien, aber mittlerweile mit einer uralten und doch heißgeliebten Jeans bekleideten Sänger umwandte. „Klar.“ Yuuki betrat das Zimmer des Bassisten durch die offen stehende Tür und lächelte leicht. „Hier, ich hab dir nen Termin gemacht. Ich hoff, es is so okay.“ Jun blickte auf den Zettel, den der Andere ihm hinhielt und auf dem er mit seiner kaum leserlichen, krakeligen Schrift eben jenen Termin vermerkt hatte. Die Augenbrauen zusammen ziehend blickte er wieder zu Yuuki auf, der ihn erwartungsvoll ansah. „Schon heute?“ „Wenn es dir nicht passt, kann ich noch mal anrufen und es verschieben!“, beeilte sich der Blonde zu sagen, fügte dann aber hinzu: „Ich dachte mir nur, dass wir so schnell wie möglich loslegen sollten.“ Jun nickte dankbar. „Es ist okay, vielen Dank.“ Ein Grinsen breitete sich auf den von der trockenen Heizungsluft rissigen Lippen seines Gegenübers aus. „Immer wieder ein Vergnügen.“ Das Grinsen verschwand wieder und er blickte nachdenklich einmal durchs Zimmer, ganz so, als sei er sich nicht sicher, ob er seine Frage tatsächlich stellen sollte. Als er wieder in Juns braune Augen blickte, hatte er sich entschieden. „Wenn du möchtest, kann ich dich gerne begleiten“, bot er an, doch Jun schüttelte nur mit einem nervösen Lächeln den Kopf. „Nein, es geht schon, ich will dir nicht noch mehr Umstände machen.“ Allein, dass er Yuuki hatte den Anruf tätigen lassen, war unzumutbar. Aber er hatte seine Einwilligung von heute morgen nur schwerlich zurückziehen wollen, ganz gleich, wie schlecht er sich fühlte, wenn er Yuuki seine Aufgabe erledigen ließ. „Was heißt hier Umstände...“, murmelte der Sänger und sah mit einem Mal fast wieder besorgt drein. „Ich würde dich wirklich sehr gerne begleiten.“ Jun schluckte hörbar. „Wenn dir so viel daran liegt...“ Als ob er ihm jemals hätte einen Wunsch ausschlagen können. Yuuki nickte und lächelte leicht. „Okay, ich geh mir dann auch endlich mal was Ordentliches anziehen.“ Er blickte schief grinsend an seiner verwaschenen und durchlöcherten Jeans herunter und wandte sich dann mit einem kurzen Winken zum Gehen. Jun starrte auf den knochigen Rücken, bis Yuuki aus seinem Blickfeld verschwand. Dann wandte er sich wieder um und faltete seine restliche Wäsche auf dem Bett zusammen, um sie im Kleiderschrank zu verstauen. *** Die Küchenuhr zeigte noch immer 14:56 Uhr an, obwohl Yuuki schon bestimmt zum zehnten Mal auf das Zifferblatt und die schmalen schwarzen Zeiger blickte. Er wandte den Blick ab, als Tetsu die Küche betrat. „Was machst du da?“, fragte der Gitarrist und ging zum Kühlschrank, offenbar auf der Suche nach verwertbarer Nahrung. „Nur die Zeit totschlagen“, meinte der Angesprochene und blickte wieder auf die Uhr. Endlich hatte sich der Minutenzeiger bewegt. „Du sitzt da, als würdest du auf den Weihnachtsmann warten“, kommentierte Tetsu, der halb im Kühlschrank verschwunden war. Yuuki sah zu ihm hin und ertappte sich dabei, wie er seinem Bandmitglied auf den hübschen Hintern starrte. Dennoch unterließ er es erst wieder, als der Schwarzhaarige wieder aus den Kühlfächern auftauchte und eine Packung fertig zubereitetes Sushi mitzog. „Hast du noch was vor?“ „Ich geh nachher noch mit Jun zum Arzt“, antwortete Yuuki und beobachtete Tetsu, wie er versuchte, den durchsichtigen Plastikdeckel von der Schale zu ziehen, ohne dass die Röllchen dabei durch die halbe Küche flogen. „Ist er krank?“, fragte der Gitarrist mit einem Seitenblick. „Nein, wir gehen nur zum Hautarzt.“, war die unwahre und in einem stillen Moment abgesprochene Antwort und wurde dabei mit einem abschwächenden Schulterzucken untermalt. „Und da musst du mitgehen?“ Es klirrte, als Tetsu die Besteckschublade öffnete und darin herumwühlte. „Ich hab ja eh nix zu tun.“ „Keine neuen Lieder zu schreiben?“, witzelte der Gitarrist und Yuuki erwiderte sein schiefes Grinsen. „Hab ich gestern schon genug. So produktiv wie ich bin, kommt ihr doch mit der Umsetzung gar nicht hinterher.“ „Scheiß Workaholic“, nuschelte Tetsu mit vollem Mund, in den er sich Nigiri gesteckt hatte, und schmetterte die Schublade mit einem eleganten Hüftschwung zu. „Willst du nicht mit ins Wohnzimmer kommen, wir schau’n uns die neue Cradle-DVD an?“ Yuuki schüttelte den Kopf. „Wir müssen eh gleich los.“ Mit einem Schulterzucken und ein Maki in seinen Mund stopfend verließ Tetsu die Küche und ließ den Sänger allein zurück. Der blickte einen Moment auf die Packung Zigaretten vor sich auf dem Tisch und zündete sich nach einem Moment einen weiteren Glimmstängel an. Er hatte fast aufgeraucht, als Jun in die Küche kam und seine sorgenvollen Gedanken um eben diesen unterbrach. Es war vier Minuten nach drei. „Wartest du schon lange?“, fragte Jun verlegen und Yuuki erinnerte es irgendwie an ein typisches Film-Date. „Nee“, antwortete er und es war nicht mal gelogen. Aber die wenigen Minuten hatten sich wie ziemlich alter Kaugummi unendlich in die Länge gezogen. Hätte er nicht unzählige Male auf die Uhr geschaut, hätte er denken können, dass er schon seit Stunden hier saß. „Steht dir gut“, meinte er nebenbei und auf Juns figurbetontes Sweatshirt und die lässige schwarze Hose bezogen und stand vom Tisch auf. Sein Gegenüber nuschelte ein sehr schüchternes „Danke“ und senkte betreten den Blick, ganz so, als sei Yuukis Aussage ironisch gemeint und damit ein Angriff auf ihn gewesen. „Wenn du willst, können wir dann los“, lächelte der Sänger, als er Juns unsichere Reaktion bemerkte und drückte seine Zigarette aus. Der Bassist nickte nur. Schweigend gingen sie zur Garderobe, wo sich Yuuki in seine verschrammten Boots zwängte, während Jun seine zerfledderten roten Basketballschuhe schnürte. Als sie auch ihre Mäntel übergezogen hatten, rief der Sänger ein knappes "Wir sind weg!" in Richtung des Wohnzimmers, aus dem ihnen leiser Vampiric Black Metal entgegen scholl, und hielt, nachdem er den Autoschlüssel vom Haken genommen hatte, Jun mit einem aufmunternden Lächeln die Wohnungstür auf. Sie hatten eine Weile schweigend im Auto gesessen und Yuuki hatte mit wachsender Beunruhigung zugesehen, wie sich Jun den schwarzen Lack von den Nägeln kaute, bevor er endlich wagte, die bedrückende Stille zu durchbrechen. „Bist du nervös?“ Juns Kopf schnellte in seine Richtung. „N-nein“, stammelte er, als er den Sinn der Frage realisiert hatte. Yuuki traktierte ihn mit einem skeptischen Blick, bevor er wieder auf die Straße sah, was den Bassisten zu einem resignierenden Aufseufzen bewog. „Ja, schon“, gab er schließlich zu und hob den Zeigefinger wieder zu seinen Lippen. „Wird schon alles gut“, versuchte der Blonde ihn zu beruhigen und setzte den Blinker, bevor er in die Tiefgarage fuhr. Mit jedem Schritt, den die beiden der Praxis näher kamen, schien Jun unruhiger zu werden, aber Yuuki wusste, dass alles gute Zureden den Dunkelhaarigen nicht beruhigen würde. Er selbst war ja fast ebenso nervös. Der Empfangsraum war in hellem grün gestrichen, ein paar sehr gepflegte Pflanzen säumten das große Fenster und erst nach einem kurzen Blick hinaus wurde Yuuki bewusst, wie hoch der fünfte Stock wirklich über der Straße lag, auf der sie gekommen waren. Eine freundlich aussehende junge Dame erkundigte sich nach einer höflichen Begrüßung nach Juns Namen und wies ihn nach ein paar Mausklicks an, in das Zimmer am Ende des nicht sehr langen, weißen Ganges zu gehen, wo er schon erwartet werden würde, obwohl sie fünf Minuten vor der Zeit waren. Jun warf Yuuki einen hilflosen Blick zu, doch der lächelte nur ermutigend und so ging der Dunkelhaarige, nervös einen Dread zwischen seinen Fingern zwirbelnd, in das Sprechzimmer. „Wenn Sie möchten, bringe ich Ihnen einen Kaffee, während Sie warten“, bot ihm die nette Sprechstundenhilfe an, doch Yuuki schüttelte den Kopf. „Vielen Dank, ich denke, ich werde mir lieber etwas die Beine vertreten.“ „Natürlich“, antwortete die junge Frau mit einem verstehenden Nicken. „Die erste Sitzung wird etwa eine Stunde dauern. Falls sich etwas ändern sollte, werde ich Ihnen gerne rechtzeitig Bescheid geben, wenn Sie mir Ihre Handynummer hinterlassen möchten.“ Yuuki bedankte sich, diktierte ihr seine Nummer und verließ dann mit einem charmanten Lächeln die Praxis. Er wusste, dass er nach spätestens zehn Minuten in einem Wartezimmer die Wände hochgehen würde, mochte es noch so nett eingerichtet sein. Außerdem wollte er sich ohnehin noch die neue Ausgabe des Fool's Mate besorgen. *** So, jetzt wird's also interessant... Vielen Dank für die sehr motivierenden Kommentare, das spornt mich enorm an. Ich werde auch weiterhin mein Bestes geben! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)