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Lust for Blood

My life...
von

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Die Geschichte eines Mädchens das dem Leben trotzte...

21.1.1998 08.30 Uhr morgens:
 

Mein Wecker hat mich gerade geweckt. Ich stehe auf um mich anzuziehen. Unten höre ich, wie meine Mutter in der Küche das Frühstück macht. Ich ziehe mich an und gehe ins Bad. Ich richte mir die Haare und gehe anschließend hinunter in die Küche. Meine Mutter sagt keinen Ton zu mir. Soll mir nur Recht sein. Seit unserem streit gestern Abend, bei dem sie mir eine geschmiert hat, redet sie nicht mehr mit mir. Wahrscheinlich tut es ihr ja doch etwas leid. Ich schnappe mir mein Jausenbrot und esse es hastig auf. Ich bin jetzt schon spät dran. Ich gehe in den kleinen Gang unseres Hauses und ziehe mir die Schuhe an. Meine Schultasche steht schon da. Ich sehe nach, ob alles eingepackt ist, was ich heute brauche. Ich schrecke hoch. Etwas fehlt. Ich renne die Treppe zurück hinauf auf mein Zimmer und reise die Schublade meines Nachtkästchens auf. Gott sei dank. Es ist noch da. Mein Stanley-Messer liegt noch da, wo ich es gestern hingelegt habe. Ich nehme es in die Hand und drücke es an mich. „Ohne dich, gehe ich nicht an diesen schrecklichen Ort“, flüstere ich und packe es schnell in meine Rocktasche, nicht ohne die blutige Klinge wieder ein zu fahren. Ich gehe zurück zur Eingangstüre, verabschiede mich mit einem kurzen „Sayonara!“ von meiner Mutter die immer noch in der Küche herum werkelt und trete hinaus in die grausame Welt.
 

09.30 Uhr:
 

Ich ziehe meine Schuhe aus und stelle sie in meinen Spinnt. Meine Hausschuhe für die Schule ziehe ich wieder an. Während ich den langen Gang zu meiner Klasse entlanglaufe, blicke ich nicht auf. Ich will niemanden sehe lassen, wie hässlich ich bin. Unser Lehrer in Religion sagte uns, dass jeder Mensch in die Seele eines Anderen sehen kann, indem er dieser Person in die Augen sieht. Das macht mir Angst. Denn in meiner Seele bin ich unendlich hässlich. Ich komme in die Klasse und die gleichen, belanglosen Leute, die mich jeden Morgen mit einem nicht ernst gemeinten, fröhlichen „Ohaiyo“ begrüßen, tun es wieder. Ich setze mich an meinen Platz und blicke aus dem Fenster. Noch so ein öder, trauriger Tag. Hoffentlich ist er schnell vorbei. Seit ich mir vor vier Wochen aus „versehen“ in den Unterarm geschnitten hatte, während die anderen im Kochunterricht waren, sind alle viel netter zu mir. Von mir aus sollen sie doch. Ich habe keinen Grund mit ihnen zu reden. Michiko hat ein schlechtes Gewissen. Ich habe mich damals wegen ihr in den Oberarm geritzt. Der Lehrer kommt in die Klasse. Ich stehe wie alle anderen auch auf und begrüße ihn, mach das aber nicht so laut, da ich nicht unbedingt auffallen will.
 

15.45 Uhr:
 

Ich bin von oben bis unten voll mit Insektenspray. Reika und ihre Clique sind mir aufgelauert und haben mich vor rund einer viertel Stunde überfallen. Ich konnte mich nicht wehren. Sie waren zu fünft und hielten mich fest. Ich weiß nicht, was ich jetzt schon wieder getan habe, aber sie werden schon wieder einen Grund erfunden haben. Sie tun alles, um mich zum weinen zu bekommen. Aber ich heule schon lange nicht mehr, wenn sie mich unter ihre Fittiche nehmen. Ich lasse alles still und leise über mich ergehen, nur um wieder von ihnen verprügelt zu werden. Seltsamerweise erinnere ich mich auf einmal, wie ich mich dass erste Mal geritzt habe. Das war vor ungefähr einem Jahr. Da haben Reika und ihre Kumpanen auch angefangen, mich zu terrorisieren. Das war ein tolles Gefühl. Ich habe mich damals mit einem alten Stanley-Messer meines Vaters geritzt. Es tat überhaupt nicht weh. Aber das Blut reichte schon aus, um mich zu beruhigen. Mit Spannung sah ich es fließen. Und das erste Mal fühlte ich mich wieder frei und lebendig.
 

16.00 Uhr:
 

Endlich bin ich zu hause. Meine Mutter kommt auf mich zu und sieht mich mit einem angewiderten Gesichtsausdruck an. Als sei ich ein Stück Scheiße, dass sich in ihre blink blank geputzte Wohnung reingeschlichen hat. „Was ist den mit dir passiert? Was war denn nun schon wieder los, Mijako!?“, fragt meine Mutter. Es ist das erste Mal heute, dass jemand meinen Namen sagt. Aber ich antworte ihr nicht und tappe die Stiegen hinauf. Sie läuft mir hinterher. Sie redet etwas über vertrauen und das ich ihr doch alles erzählen könne, egal was es ist. Aber sie versteht nichts. Wenn ich ihr sagen würde, was los ist, würde sie nur in der Schule anrufen, wahrscheinlich sogar beim Direx und dass würde dann nur Ärger geben. Wer weiß, was Reika dann mit mir machen würde. Ich spüre, wie zwei Hände mich packen und mich umdrehen. Meine Mutter sieht mich besorgt an. „Mijako! Ich bitte dich! Sag mir doch was passiert ist!“ Sie lässt mich nicht los und versucht mir in die Augen zu sehen, aber ich weiche ihrem Blick aus. „Ich weiß doch, dass etwas nicht stimmt! Dein Lehrer meinte, dass du von ein paar Mädchen belästigt wirst, ja sogar geschnitten wirst! Ist das wahr? Sagt er die Wahrheit? Mijako!“ Ich spüre, dass ich auf einmal unglaublich wütend werde. Was interessiert sie sich auf einmal für meine Angelegenheiten? Warum fragt sie mich jetzt was los ist, warum hat sie das nicht schon vor einem Jahr getan? Ich weiß die Antwort: Weil sie sich seit der Scheidung von Papa nicht mehr für mich interessiert hat und lieber einen Liebhaber nach dem Anderen mit nach Hause schleppte, um ihm ihren Kummer aufzuhalsen, während sie mit ihm schlief. Ich hole Luft und beginne sie anzuschreien: „Dafür hast du dich doch noch nie interessiert, also, warum sollte ich es dir jetzt auf die Nase binden!!“ Ich habe meine Mutter schon lange nicht mehr angeschrieen. Es tut gut. Bevor sie noch etwas sagen kann, renne ich ins Badezimmer. Ich lasse mir Wasser in die Wanne ein, ziehe mich aus und steige hinein. Mein Stanley-Messer liegt neben mir auf dem Waschbecken. Zum Greifen nah. Ich hasse es, wenn ich so verzweifelt und untätig bin. Ich denke über den Tag nach. Ich fühle mich wie gelähmt. Ich brauche einen beweis, dass ich noch am Leben bin. Ich will nicht mehr Leiden müssen. Ich will nur noch sterben. Ich nehme das Messer und lasse die Klinge ausfahren. Ich lege das Messer an meine linke Hand an, genau an die Pulsader. Ich weiß, wie es geht. Ich weiß, wie ich schneiden muss, um den Puls durchzutrennen. Ich hole tief Luft und schneide mit aller Kraft, die ich habe.

Das Blut fließt nicht sofort. Zuerst liegt das blanke Fleisch vor mir. Erst dann quillt das Blut langsam und erlösend, wie das Wasser einer Quelle aus der Schnittwunde. Ich atme durch. Geschafft. Ich lege meine Hand zurück in das Wasser. Es verfärbt sich sofort rot. Der Geruch und die Bestätigung, dass das Blut mit jedem meiner Herzschläge schneller und langsamer fließt, beruhigen mich wieder ein bisschen. Es fühlt sich gut an. Langsam verschwimmt alles vor meinen Augen. Plötzlich höre ich einen Schrei. Meine Mutter kommt ins Badezimmer. Sie steht vor mir. Sie sagt etwas zu mir, nimmt mich aus dem Wasser, hält mich fest, doch das alles realisiere ich schon fast gar nicht mehr. Ihre Worte scheinen weit weg zu sein. Mein Blut fließt über ihre weiße Lieblingsbluse. Jetzt wird sie sie wohl wegwerfen müssen. Blut geht schwer aus Kleidungsstücken raus. Ich spüre, wie ich müde werde. Es ist ein herrliches Gefühl. Als ob ich langsam in einen tiefen Schlaf fallen würde. Mir ist warm. So muss es sich auch anfühlen, wenn man geboren wird. Meine Mutter höre ich schon gar nicht mehr. Ich schließe die Augen. Alles wird dunkel um mich herum. Und ich träume von einem strahlend blauen Himmel, und von weißen Lichtgestallten. Das müssen Engel sein, denke ich. Endlich bin ich frei…
 

Ich wache wieder auf. Ich liege auf einem weißen Bett in einem weißen Zimmer. Um mich herum höre ich Stimmen. Aber ich weiß nicht, zu wem sie gehören. Ich höre auch ein seltsam piepsendes Geräusch. Es ist eine Maschine, die meinen Herzschlag überprüft. Viele Kabel gehen von meiner Brust weg. Aber ich weiß nicht, wohin sie führen. Einer der Stimmen nähert sich mir. Es ist meine Mutter. Sie lächelt mich an und flüstert mir etwas zu, das ich nicht verstehe. Ich glaube sie sagte: „Es wird alles gut!“ Ich sehe sie belanglos an, ohne auch nur ein Wort zu verlieren. Außer Ihr stehen noch zwei weitere Personen im Raum .Mein Klassenlehrer, Herr Osawa, und ein Doktor, dessen Namen ich nicht kenne. Der Doktor im weißen Kittel redet mit mir, doch ich weiß nicht was er sagt. Und so schlafe ich wieder ein.
 

Ein undefinierbares Geräusch weckt mich. Ich öffne meine Augen und entdecke einen jungen, fremden Mann in meinem Zimmer stehen. Er ist weiß gekleidet und trägt ein Tablett in den Händen. Er sieht mich an. Und ich sehe ihn an. Das erste Mal seit langem kann ich jemanden wieder in die Augen sehen. Er hat schöne Augen. Grau, blau. Und blonde Strähnen im Haar. Er ist schlank, fast schon zu schlank. Er lächelt. „Na, wieder wach?“ Seine Stimme ist auch schön. Ich brauche eine Weile um ihn zu Antworten. „Wer bist du?“ Meine Stimme klingt leise und heiser. Er stellt das Tablett auf den kleinen Tisch neben meinem Bett. Dann setzt er sich auf einen Stuhl, denn er zu mir hingestellt hat. „Mein Name ist Subaru. Und du? Wie heißt du?“ Ich hole Luft, bekomme aber keinen Ton heraus. Ich versuche es noch einmal. Es gelingt mir endlich. „Mijako. Ich heiße Mijako…“ – „Gut, Mijako! Ich habe dir dein Essen gebracht. Apropos: Ab jetzt bin ich für dich verantwortlich. Ich werde zusehen, dass du wieder zurück ins Leben findest.“ Zurück ins Leben? Ich habe gehofft, dass ich sterben werde und endlich meine Ruhe habe, und der redet etwas von „Zurück ins Leben“? Ich wende meinen Blick von ihm ab. Ich höre wie er das Tablett in die Hand nimmt. Er legt es mir auf den Schoß. Ich sehe in teilnahmslos an. „Ich muss zusehen, dass du etwas isst. Sonst kommst du nicht wieder zu Kräften.“, sagt er und macht eine Handbewegung auf das Essen zu. Es ist mein Lieblingsessen. Sushi auf Tenchu-Art und überbackene Garnellenschwänze. Ich sehe ihn an. Woher wusste er, dass das mein Lieblingsgericht war? „Das magst du gern, hm? Das ist auch meine Leibspeise. Ich liebe Garnellenschwänze! Also, fang ruhig an! Lass dich durch mich nicht stören!“ Ich warte noch ein zwei Sekunden. Dann nehme ich die Essstäbchen in die Hand und beginne zu essen. Da bemerke ich, wie Subaru mein Essen anstarrt. Hat er etwa Hunger? „Hast du Hunger? Du siehst zumindest so aus…“ Er schaut mich erschreckt an. „Oh nein! I- Ich darf nicht das essen meiner Patienten nehmen! Obwohl…. ich hatte nicht gerade viel zu Mittag…“

Ich bin überrascht. Ich muss anfangen zu lachen. Ich habe schon lange nicht mehr gelacht. Es ist ein warmes Gefühl in meinem Herzen. Subaru ist mir sympathisch. Ich gebe ihm die Gabel die ebenfalls auf dem Tablett liegt. „Iss ruhig mit… Ich esse sowieso nicht alles alleine auf… so einen großen Hunger habe ich noch nicht…“ Er sieht mich mit Hundeaugen an. „Arigatou!!“, schreit er. Ich erschrecke etwas. Dann stürzt er sich auf eines der Garnellenschwänze und schlingt es hastig hinunter. Ich sitze eine weile lächelnd da und schaue ihm zu. Dann esse ich mit.
 

Die Teller sind wie leergefegt. Subaru und ich haben alles brav aufgegessen. Er reibt sich den Bauch und seufzt. „AH war das gut!!“ Er ist zu frieden. „So“ Er nimmt das Tablett mit den leeren Tellern von meinem Schoß und wendet sich an meinen linken Arm. Ich habe um den gesamten Unterarm einen dicken Verband rum. „Jetzt werde ich mich um deine Wunde kümmern.“ Er macht den Verband ab. Ich sehe die Wunde. Sie wurde zugenäht. Das heißt, dass ich es fast geschafft hätte. Subaru schmiert mir eine Salbe auf die Wunde. Es brennt. Mein ganzer Arm schmerzt. Er sieht es mir an und streichelt über eine gesunde Stelle meines Armes. „Keine Sorge, dass wird bald wieder. Es tut jetzt zwar noch weh, aber das vergeht wieder…“ Er verbindet mir den Arm mit einer frischen Mullbinde. Ich starre mir auf den Arm. Er tut noch immer weh. Subaru sieht mich an. Er lächelt stumm. „Würdest du mir erzählen, wie das passiert ist?“ Ich schrecke hoch. Warum interessiert ihn das? Ich spüre, wie die Angst in mir aufsteigt. „Hab keine Angst.“, erwidert er. „ Du kannst es mir erzählen. Ich sage es keinem weiter, nicht einmal deiner Mutter, wenn du das nicht willst. Das bleibt ganz allein unter uns.“ Meine Augen sehen in seine. Ich versuche immer durch die Augen eines Menschen heraus zu finden, ob er mich anlügt oder die Wahrheit sagt. Doch ich sehe nichts Böses in seinen Augen. Nur wärme. Mitgefühl. Liebe. Ich beginne zu weinen. Er ist wohl über diesen Gefühlsausbruch erschrocken und legt mir seine Hand auf den Kopf um mich zu trösten. Ich lehne mich an ihn. Und auf einen Schlag, ich weiß nicht warum, erzähle ich ihm alles. Über Reika und ihre Clique, über meine Eltern, über das Ritzen, über den Tod, den ich mir herbeiwünsche. Und während ich ihm das alles erzähle, hält er meinen Kopf fest und streichelt über meine Haare. Und er redet mir nicht dazwischen. Er sagt nur manchmal „Weiter“, wenn ich aufhöre und stocke. Oder er drückt mich etwas näher an sich ran, um mir zu zeigen, dass ich keine Angst zu haben brauche. Ich höre sein Herz laut neben meinem schlagen. Es beruhigt mich. Meine Tränen versiegen und ich höre auf zu erzählen, weil ich fertig mit meiner Geschichte bin. Erst jetzt fühle ich, dass er etwas sagen will. Und das tut er auch. „Ich weiß, wie sehr du gelitten haben musst.“, sagt er. „Ich habe ähnliches durchgemacht wie du. Ich habe mich auch geritzt. Bis ich im Krankenhaus gelandet bin, als ich 16 war. Das ist jetzt zwei Jahre her.“ Er streichelt mich immer noch und ich weine immer noch. Diesmal nicht, weil ich mich selbst bemitleide, sondern weil ich seine Geschichte höre. „Wer bist du? Warum kommst du zu mir und hörst mir zu?“, flüstere ich. Er bleibt ruhig. Er lächelt. „Ich bin, sozusagen, dein Schutzengel! Ich helfe dir, nicht auch so lange zu ritzen wie ich, um wieder ein etwas normales Leben zu leben.“ Ich bin froh, dass er das sagt. Ich fühle mich bei ihm geborgen. Es ist warm in seinen Armen. Ich bin so fertig, dass ich beinahe einschlafe. Er drückt mich zurück ins Kissen und deckt mich zu. „Lass mich dir helfen.“, flüstert er. Ich sehe ihn an. Wieder in diese schönen, grau-blauen Augen, die mich besorgt und gleichzeitig liebevoll ansehen. Ich bin geschafft. Und so schlafe ich wieder ein, ohne noch etwas zu sagen.
 

So geht es jeden Tag. Subaru kommt zu mir ins Zimmer, bringt mir was zu essen, isst mit mir mit und dann reden wir über eine Stunde miteinander über alles Mögliche. Es tut mir gut, denn in seiner nähe fühle ich mich das erste Mal seit langem wieder lebendig. Frei. Endlich Frei.

Es ist wie immer. Er kommt wieder mit einem übervollen Tablett in mein Zimmer und isst wieder mit mir. Doch ich bin jetzt schon über zwei Wochen hier auf der Krankenstation. Ich bin schon wieder so kräftig, dass ich aufstehen und gehen kann. Er stellt das Tablett weg und schaut mich an. „Lass uns spazieren gehen. Draußen im Park des Krankenhauses.“ Ich bin überrascht. Dann nicke ich aber. Ich ziehe mich an, versuche meine Haare zu richten, doch es will mir nicht so richtig gelingen. Anschließend gehen wir gemeinsam aus meinem Zimmer in den Park. Da sind viele Menschen. Männer und Frauen. Sie gehen Hand in Hand. Ich habe das verlangen, Subarus Hand zu nehmen, so wie es die anderen Mädchen mit ihren Freunden auf der Ginza immer tun. Aber ich traue mich nicht. „Schau mal!“ Subaru zeigt auf einen Baum. Ein Kirschbaum. Er beginnt schon langsam zu blühen. „Bald wird es Frühling. Und dann werden ALLE Kirschbäume blühen, so wie dieser hier…“ Ich kann meinen Blick nicht von ihm nehmen. Wie seine Augen glitzern, wenn er das sagt, ist schon fast unheimlich. Er schaut mich an und lächelt. Es ist das schönste lächeln, das ich je bei einem Menschen gesehen habe. Ich freue mich, dass er mir sein Lächeln schenkt, und lächle ihn auch an. Doch dann fällt mir wieder ein, was der Arzt heute Morgen zu mir gesagt hat. Ich könne bald wieder nach Hause gehen, und das er mich nur noch bis Freitag dabehalten würde. Das stimmt mich traurig. Ich lächle nicht mehr und sehe auf den Boden aus Stein auf dem ich stehe. Ich spüre plötzlich Subarus Hand auf meiner Schulter und schrecke hoch. Ich weine. Ich weine, obwohl ich gar keinen richtigen Grund dafür habe. Er nimmt mich in den Arm. „Was ist los?“, fragt er. „Warum weinst du?“ Ich hebe meinen Kopf hoch, damit ich sein schönes Gesicht sehen kann. „Ich werde dich nicht mehr sehen, oder? Wenn ich erst mal weg bin, werde ich dich nie wieder sehen! Ich möchte nicht wieder in diese scheiß Schule und in mein scheiß Leben, wo sich eh niemand für mich interessiert! Ich will nicht mehr… ich will nicht zurück…dort bin ich doch nur wieder die kleine, hässliche Mijako, die nicht einmal den Lehrern oder den eigenen Mitschülern in die Augen sehen kann…“ Er sagt nichts. Aber er hält mich fest. Das reicht mir aus. „Was erzählst du den da? Du hast wunderschöne Augen und bist auch wunderschön. Und darum darfst du das nicht sagen. Und natürlich werden wir uns wieder sehen. Hab keine Angst!“ Seine Worte beruhigen mich nicht wirklich. In seiner Stimme liegt auch ein Hauch von Traurigkeit. Ich schaue ihm in die Augen. „Versprich es mir! Du kommst mich besuchen! Ja?“ Er sieht mich mit einem erschreckend leeren Blick an. Er lächelt und streichelt mir über die Wange. „Wenn das nur so einfach wäre… Mijako… Ich liebe dich…“ Er beugt sich zu mir vor und küsst mich. Meine Tränen wollen nicht aufhören zu fließen. Er lässt wieder von mir ab und umarmt mich. Er hält mich ganz nah an seinem Herzen. „Du musst am Freitag gehen, oder? Mijako… bitte versteh mich jetzt nicht falsch…Ich würde gerne heute Nacht mit dir verbringen…“ Er drückt mich weg von sich und schaut mir ins Gesicht. Ich bin etwas erschrocken. Doch dann fühle ich so etwas wie eine Erleichterung in mir. Als hätte ich nur darauf gewartet. Ich bin froh, dass er das gesagt hat. „Das will ich auch…“, antworte ich ihm. Er sieht mich an und lächelt. Wir gehen zurück in mein Zimmer und lassen es einfach geschehen. Es war nicht nur mein erstes Mal mit einem Mann überhaupt, es war auch das Schönste. Und wir schliefen nebeneinander ein, ich, mit meinem Kopf auf seiner Brust, und ich hörte sein Herz schlagen. Und ich fühlte mich, als seien alle meine Leiden davon geflogen…
 

Er kam am Donnerstag nicht, obwohl ich auf ihn gewartet hatte. Es war vergebens. Ich musste schon an diesem Abend meine Sachen packen. Mein Vater kam mich sogar besuchen. Er versprach mir, dass er sich jetzt mehr um mich kümmern wolle, und dass er mich öfters besuchen kommen will. Ich habe geweint vor Freude.
 

Freitag. Ich stehe auf dem Weg vom Krankenhauseingang zum Parkplatz. Meine Mutter steht ein paar Schritte vor mir. Ich warte. Ich warte schon eine halbe Stunde, doch er kommt nicht. „Komm endlich, Mijako! Lass uns nach Hause gehen!“ Meine Mutter wird ungeduldig. „Warte noch ein bisschen! Er hat mir versprochen, dass er noch kommt!“ Ich schaue wieder zum Eingang. Doch nach wenigen Minuten gebe auch ich auf. Er wird nicht kommen. Ich drehe mich um, um zu gehen. „MIJAKO!! WARTE!!“ Jemand ruft nach mir. Ich drehe mich um. Es ist Subaru. Er rennt auf mich zu. Er stützt sich auf seine Knie und schnaubt wie ein altes Postross das zu schnell gerannt ist. Er richtet sich wieder auf. Er ist leichenblass und das erste Mal in diesen letzten Tagen fällt mir auf, dass er noch dünner geworden ist, seit wir uns kennen gelernt haben. Er drückt mir eine kleine Schatulle in die Hand. „Mach sie auf! Es ist für dich!“ Ich höre auf ihn und öffne die Schatulle, während er mich anlächelt. In der Schatulle liegt eine silberne Kette mit einem Herzen aus Diamanten. Es ist ein „S“ eingraviert. Stolz hält er mir sein Herz hin. Darauf ist ein „M“ zu sehen. „Damit wir immer zusammen sind.“, sagt er. Mir kommen die Tränen. Ich umarme ihn. „Ich werde dich also doch nicht wieder sehen, oder?“ Ich schluchze. „Nein. Werden wir nicht.“ Seine Worte machen mich noch trauriger. „Aber trage diese Kette immer über deinem Herzen, damit ich dir wenigstens so nahe sein kann. Und ich werde meine Kette immer über meinem Herzen tragen, damit ich immer an dich denke. Selbst, wen ich dich nie mehr sehen können werde…“ Er legt mir die Kette an. Ich weine. Er beugt sich wieder zu mir vor und gibt mir einen langen, innigen Kuss. Dann höre ich meine Mutter wieder rufen. Ich löse mich von ihm und gehe in Richtung meiner Mutter. „Mijako!“ Ich drehe mich noch mal um. „Ich liebe dich!“ Ich stocke und wische mir die Tränen weg. „Ich liebe dich auch! Egal was passiert, ich werde dich niemals vergessen, Subaru!“
 

04.03.2005
 

Ich habe ihn nie vergessen. Meine Eltern gaben sich nochmals eine Chance und zogen wieder zusammen. Wir waren endlich wieder eine glückliche Familie. Ich hörte nach diesem Vorfall auf zu ritzen. Ich tat es nie wieder. Einen Monat nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen worden war, bekam ich einen Anruf von dem Arzt, der mich damals in seiner Behandlung hatte. Er berichtete mir von dem Tod Subarus. Er erzählte mir, dass Subaru Blutkrebs gehabt hatte. Als ich ihn damals kennen gelernt hatte, war er schon ihm kritischen Stadium gewesen. Er habe versucht mir zu helfen, und habe darüber hinaus sogar seine eigene Krankheit vergessen. Mein Leben war ihm wichtiger, als sein eigenes. Als ich das erfuhr, war ich zuerst wütend und verzweifelt. Doch jetzt sehe ich das Alles mit anderen Augen. Ich bin froh, Subaru kennen gelernt zu haben. Denn er hat mir nicht nur mein Leben zurückgegeben, er war auch meine erste große Liebe. Und dafür werde ich ihm ewig dankbar sein.
 

„Wer den Tod wählt, der trotzt dem Leben.

Doch wer dem Leben trotzt, der hat Mut zu Lieben…“

Subaru Uesugi 1980-1998
 

The End



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Waterlily-G-and-C-
2009-02-26T19:51:50+00:00 26.02.2009 20:51
Ich fand die Geschichte sehr schön und sie hat mich sehr berührt...
Vor allem die Stelle, an der ihre Mutter ihren Namen sagt - also zum ersten Mal an dem Tag, da an dieser Stelle deutlich wird, dass die Freundlichkeit der anderen nur oberflächlich und nicht wirklich echt war (vielleicht kennen einige von ihnen ja nicht mal ihren Namen... obwohl es sein kann, dass ich da jetzt zuviel interpretiere^^)

Der Erzählstil passt auch wunderbar zur Handlung... nur den Titel finde ich nicht ganz so passend...


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