Der Trank der wahren Gefühle von PinkLady18 ================================================================================ Kapitel 81: 79 "Wie ein Schatten" - Sasukes Kapitel --------------------------------------------------- Liebe Leser/-innen! Ich hoffe, ihr kommt in den Genuss dieses fantastischen Wetters und findet zwischendurch etwas Zeit, um bei Interesse dieses Kapitel, Sasukes vorletztes Update, zu lesen. Nur als kleine Anmerkung, alles, was jetzt noch fehlt, ist Sasukes Epilog. Dann ist DTDWG tatsächlich abgeschlossen. Die Geschichte ist jetzt schon ziemlich alt und das, sowie wandelnde Interessen oder kein Gefallen mehr an ihr, sind sicherlich verantwortlich dafür, dass wenige Leser kommentieren. Dennoch würde ich wirklich gern von euch übrig gebliebenen treuen Seelen und euch neuen Lesern hören, allein schon um der alten Zeiten willen. Wie immer freue ich mich riesig über Anregungen und Kommentare und es bleibt nur noch, euch auf die mittlerweile obligatorisch gewordenen Musiklinks hinzuweisen, deren Songs ihr gern an den passenden Stellen hören könnt. Liebste Grüße und viel Vergnügen, PinkLady18 1) Opus 26 - Dustin O'Halloran http://www.youtube.com/watch?v=We5ILYde6-c&feature=related 2) Quintette N. 1 - Dustin O'Halloran http://www.youtube.com/watch?v=rvK-pNda__k&feature=BFa&list=AL94UKMTqg-9C3ggIaJ7Z0w2Ye2X72Y3QP&lf=list_related 3) Opus 22 - Dustin O'Halloran http://www.youtube.com/watch?v=3OLWhvQXfZ8[ 4) Opus 37 - Dustin O'Halloran http://www.youtube.com/watch?v=Wii-psngYQw&feature=related 5) Opus 33 - Dustin O'Halloran http://www.youtube.com/watch?v=tfQI27UBbzE&feature=related 6) Prelude 2 - Dustin O'Halloran http://www.youtube.com/watch?v=uQKka2JawnY&feature=related *** Sasuke: Kapitel 79 "Wie ein Schatten" 1) Opus 26 - Dustin O'Halloran http://www.youtube.com/watch?v=We5ILYde6-c&feature=related In den ersten Minuten, als ich noch nicht ganz wach war und erst langsam zu mir kam, in diesen wenigen Sekunden in denen ich meine Umgebung erst noch erkannte, konnte ich alles zuvor Geschehene für ein paar glückselige Momente noch nicht abrufen. Ich betrachtete die Decke und die flackernden Lichtpunkte, die die späte Nachmittagssonne durch die Bäume vor dem Fenster ins Zimmer warf und hatte keine weiteren Anhaltspunkte bis auf das Gefühl, dass dieser Schein so nicht stimmte, dass allein die Tatsache, dass ich hier war, nicht richtig war. Ich ließ meinen Blick schweifen, meine Gedanken wandern und musterte zögerlich den Raum in dem ich mich befand. Die weiße Decke mit den Sonnenflecken, weiße Wände, die hohen Fenster, die spärliche Einrichtung und schließlich die Laken und das schlichte blaue Hemd, das man mir angezogen hatte, waren mir vertraut wie meine eigene Wohnung. Und doch erschien mir dieser helle, stille Raum so steril und fremd wie nie zuvor. Der Nachttisch und das EKG mit Überwachungsmonitor gaben den Anhaltspunkt, den ich ohnehin nicht mehr gebraucht hätte – das hier war das Krankenhaus in Konoha. Der Grund dafür, dass ich hier war, erschloss sich mir jedoch noch nicht und so fühlte ich kurz in mich hinein, suchte nach Verletzungen, nach irgendeinem Anhaltspunkt. Da waren keine Schmerzen, nur ein dumpfes Gefühl von Erschöpfung und Schwere in meinen Gliedern aber dieses selige Unwissen war so viel besser als die Welle der Erinnerungen kurz darauf. Es war ohnehin nur eine Frage der Zeit und schließlich holte mein Bewusstsein schlagartig wieder zur Gegenwart auf und all das, was zuletzt geschehen war, überschwemmte mich mit einer unausweichlichen Endgültigkeit, dass ich das Liegen nicht mehr länger ertrug, gedämpft nach Luft schnappte und mich ruckartig aufsetzte – und feststellte, dass ich nicht allein war. Durch ein paar verirrte, strähnige Haare hindurch sah ich Naruto hinter dem Monitor, auf einem der üblichen Gästestühle des Krankenhauses neben meinem Bett an der Wand sitzen, mit einem verpflasterten Wattestück auf seiner rechten Wange und einer sauberen Schlinge, die seinen Arm stützte. Er hatte den Kopf an die Wand gelehnt und blickte aus dem Fenster, so gedankenverloren wie ich ihn selten gesehen hatte. Dass ich wach war bemerkte er nur ein Blinzeln später, unvermittelt schaute er zu mir und sein Gesicht hellte sich auf. „Sakura.“ Er lächelte und rückte mit dem Stuhl zu mir vor, griff nach meiner linken Hand und küsste ihren Rücken. „Du bist wach.“ Sein Anblick war beides zugleich, bizarr und tröstlich. „Hast du Schmerzen? Irgendwas?“ Ich hielt seinen Blick, hielt mich regelrecht daran fest und schüttelte den Kopf. Und er verfolgte das Thema nicht weiter, ganz ohne, dass ich ihn darum bitten musste. Ich war ihm unendlich dankbar dafür. Für einige Momente lang sah er mir nur in die Augen und musterte mein Gesicht, saugte all seine lebendigen, wachen Einzelheiten in sich auf, zumindest tat ich das bei ihm, bevor er meine Hand drückte und aufstand. „Ich hole besser Shizune, sie hat gesagt sie würde gern sofort informiert werden, wenn du wieder aufwachst.“ Die Bilder des Kampfes, von Regen und Blut, strömten noch immer auf mich ein und ich war noch etwas langsam in meiner Reaktion, doch Naruto verharrte als ich seine Hand nicht losließ sondern fest zurück drückte. „Bist…“ Ich bekam nicht gleich beim ersten Mal einen Ton heraus und musste nach einem Räuspern noch einmal ansetzen. „Bist du okay, Naruto?“ Meine Stimme klang matt und krächzend aber er verstand trotzdem. Langsam nickend ließ er sich wieder auf den Stuhl sinken und umschloss meine Hand mit seinen beiden. „Ich bin mehr als okay, Sakura, mach dir keine Sorgen um mich.“ Ich schluckte mehrmals gegen meinen trockenen Hals aber das brachte nicht viel und ich sah mich suchend nach etwas zu trinken um als Naruto mir bereits ein Glas Wasser vom Nachttisch reichte. Ich nahm ein paar tiefe Schlucke und stellte es dann wieder ab. Als ich aufsah, stellte ich fest, dass Naruto mich noch immer eingehend beobachtete. „Wie spät ist es?“ Er antwortete ruhig, routiniert. Fragen, die wir immer stellten, wenn es uns ins Krankenhaus verschlug. „Viertel vor zwei etwa.“ „Seit wann sind wir wieder hier?“, fuhr ich leise fort. „Seit gestern Nachmittag, irgendwann gegen halb vier.“ „Und…“, ich zögerte. „Wie geht es den anderen?“ Wenn jemand wusste, wie mir zumute war, dann war das vermutlich Naruto, denn er stellte keine unnötigen Zwischenfragen und beantwortete mir das Wesentliche, während eine Schwester, so gut gemeint das auch sein mochte, mir solche Informationen wahrscheinlich weitestgehend verschwiegen hätte. Nicht dass sie damit gegen die Regeln verstieß, im Gegenteil, so war der allgemeine Ablauf hier. „Sasuke war für etwa eineinhalb Stunden im OP und liegt noch auf der Intensivstation aber nur zur um sicher zu gehen. Shizune sagt, er wird bereits übermorgen auf die normale Station verlegt werden, wenn alles läuft wie geplant. Er wird wieder, Sakura. Ich habe quasi jeden Krankenhausmitarbeiter stundenlang genervt, um an diese Auskunft zu kommen, du kannst dich also ehrlich darauf verlassen.“ Er lachte leise und es klang nicht wie früher aber ihm war leichter ums Herz und das war viel wert. „Du kennst die meisten vermutlich persönlich und ich schätze auf deine Kollegen wirst du dich verlassen oder?“ Ich nickte und rang mich zu einem schwachen Lächeln durch. „Na also. So gefällst du mir schon viel besser.“ „Was ist mit Kakashi?“ Er lehnte sich zurück, griff dabei jedoch erneut nach meiner Hand, so selbstverständlich wie man atmet. Was mir das bedeutete wusste er vielleicht gar nicht, trotzdem zog ich eine Menge Kraft daraus, die ich allein, verloren in diesem ruhigen Zimmer nicht gehabt hätte. „Dem geht es auch gut. Seine Verletzungen sieht man ihm nicht einmal mehr an. Allerdings…“ Er ließ den Satz offen, versunken in Erinnerungen und auch ich dachte zurück an die vier Anbu und den verlorenen Mann. Naruto räusperte sich. „Du kennst Kakashi, Sakura. Er macht das auf seine eigene Weise mit sich aus und will nicht darüber sprechen. Bis eben war er noch hier und ist jetzt losgezogen um nach Updates zu Sasukes Situation zu fragen und Kaffee zu holen.“ Er lehnte sich wieder etwas vor und strich mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht, mit seinem verletzten Arm, gleichgültig ob er die Erlaubnis dazu hatte oder nicht. Die Berührung war flüchtig und sanft und doch verspürte ich plötzlich den Drang, mich davor weg zu ducken – etwas, das nie zuvor vorgekommen war, in all der Zeit die ich ihn kannte. Es ging so schnell wie es über mich gekommen war und Naruto schien davon nichts bemerkt zu haben. „Dieser ganze verdammte Albtraum ist vorbei. Sasuke und du und Kakashi und ich sind lebendig davongekommen, das ist mehr als die meisten von uns wirklich zu hoffen gewagt hatten.“ Dieser ganze verdammte Albtraum ist vorbei… Ich fragte mich, wie lange es dauern würde, bis die Bedeutung dieser Worte tatsächlich bei mir ankommen würde. Noch einmal verharrte seine warme Hand kurz auf meiner linken Wange, ehe er sie langsam zurückzog – und ich war tatsächlich...erleichtert? „Ino war die ganze Zeit hier, geradezu besessen und sie wäre es immer noch, wenn sie nicht von Baa-chan persönlich zu irgendeiner wichtigen Aufgabe gerufen worden wäre, aber ich schwöre dir, sie ist jede halbe Stunde wieder zurückgekommen um nach dir zu sehen und jetzt, wo du wach bist wird sie vermutlich überhaupt nicht mehr gehen, was auch immer Tsunade ihr dafür androht.“ Ich schwieg, lauschte seiner Berichterstattung und konnte doch nicht umhin, ihn dabei genauer zu mustern. Er sah müde aus, hatte dunkle Augenringe, die in der Sonne nicht so sehr auffielen, in seinem vertrauten Gesicht jedoch so fehlplatziert aussahen wie nur irgendetwas. Als er einen kurzen Augenblick verharrte, zwischen zwei Nachrichten und nachdenklich, was er noch erzählen wollte, unterbrach ich ihn gedämpft. „Hast du überhaupt etwas geschlafen, Naruto?“ Er wirkte überrascht und zuckte dann mit den Schultern, was ihm eine kurze Grimasse entlockte, weil er den Arm viel zu sehr beanspruchte. Außerdem hatte er meine Hand losgelassen. „Ein paar Stunden.“, war seine vage Antwort und ich war sicher, dass er damit übertrieb. „Ich hab mir Sorgen gemacht.“, sagte er dann, als ob das alles erklärte – und das tat es. Ich hätte nichts anderes getan. Er fuhr sich durch die Haare – erschöpft und bemüht es nicht so aussehen zu lassen. „Wir haben alle Zeit der Welt um Schlaf nachzuholen.“ Hatten wir das? Wer konnte das schon jemals wissen? „Sakura.“ Ich blickte von der Bettdecke und ihrem feinen, karierten Einheitsmuster auf. Seine Stimme wurde nüchterner. „Deine Eltern sind hier. Bereits seit Wochen.“ Meine Brust wurde plötzlich enger, war enger geworden, ich wusste es nicht mehr. „Wirklich? Ich…“ Der Gedanke, was sie durchgemacht haben mussten, allein in der langen Zeit in der ich nach Itachi gesucht hatte, traf mich tief und ich verstand, warum Naruto erst jetzt davon sprach, so behutsam wie mit einem kleinen Kind. Sie hatten nicht einmal ahnen können, was hier geschehen war. Und nun war ich zurück, wir alle, gerade so mit dem Leben davon gekommen von einer Mission, auf die ich weder mich noch sie hatte vorbereiten können. Ich schluckte. Wie lange hatte ich meine Mutter nicht mehr gesehen? Meinem Vater versichert, dass er sich nicht mehr Sorgen als sonst auch machen musste? Wann hatte ich zuletzt mit ihnen gesprochen? „Was hat man ihnen gesagt?“ Ich zwang mich die Hände nicht in die Decke zu krallen. „Wissen sie…?“ Er unterbrach mich ruhig. „Soweit ich weiß hat Tsunade sich persönlich darum gekümmert und bemüht, sie so gut wie möglich auf Resultate vorzubereiten.“ Seine Worte waren so gewählt, sie klangen wie geprobt. „Natürlich waren sie außer sich vor Sorge aber Sakura…“ Er beugte sich etwas herab und lehnte sich vor um meinen Blick abzufangen. Verunsichert tat ich ihm den Gefallen. „Es ist nicht deine Schuld. Mit der Zeit werden sie es verstehen, da bin ich mir sicher.“ War ich nicht diejenige, die einfach unerlaubt das Dorf verlassen hatte, als ich noch geglaubt hatte, dass Kakashi tot war? Die alle anderen hinter sich gelassen hatte, ohne einen Gedanken an die Konsequenzen? Ich schüttelte meinen Kopf und rieb mir über die Stirn. Nach einer kurzen Pause hörte ich Naruto erneut reden. „Sie sind seit gestern nicht von deinem Bett gewichen und sie wären es auch jetzt nicht, wenn…“ Dieses Mal wartete ich vergebens darauf, dass er weitersprach. Ich sah unter der Hand vor und ließ sie sinken. Er zog einen Mundwinkel zu etwas in die Höhe, das aussah wie das verschmierte Lächeln einer Zeichnung. „Tsunade hat viel mit ihnen besprochen, ihnen die Situation erklärt und sie in nahezu alles eingeweiht, was gestern passiert ist. Und schließlich konnte sie sie davon überzeugen, dass so wenige Leute wie möglich in deiner Nähe sein sollten, sobald du aufwachst.“ Nicht einmal meine Eltern? Ich presste die Lippen zusammen und wandte mich ab, doch er hielt mich mit einer Hand um meinen rechten Arm zurück. „Verstehst du, sie wollte nicht, dass du gleich mit ihren Fragen und Sorgen überhäuft wirst. Sie sind deine Eltern, viel mehr Gefühle können nicht auf einmal auf dich einströmen als bei ihnen.“ Ich war geneigt, das zu bestreiten, allein sein Anblick hatte schon vieles ausgelöst, aber das war schließlich auch der Grund dafür, dass ich seine Argumente verstand. Meine Eltern zu sehen war eine unheimlich tröstende Vorstellung – aber auch eine, vor der ich mich fürchtete. Wie konnte ich all das erklären, was ich selbst noch nicht verstand? Das so abwegige verständlich machen? „Sie sind im Moment in Shizunes Büro und warten dort auf Neuigkeiten. Sie werden mich umbringen, wenn sie rausfinden, dass ich nicht sofort Shizune geholt habe.“, ergänzte Naruto leise, nahezu flehend, und ich drehte mich wieder vollends zu ihm, sah ihm einen langen Moment in die bittenden Augen, bevor ich langsam nickte und einen kurzen bedeutungsvollen Blick auf seine Hand warf, die immer noch auf meinem Arm lag. Er realisierte es im selben Moment und zog sie fort, doch etwas anderes machte mich stutzig. Ein Verband, fast komplett von meinem Handgelenk bis zu meinem Ellenbogen gebunden, versteckt unter den langen, zu weiten Ärmeln des Krankenhaushemdes. „Was ist das?“ Naruto, der Anstalten gemacht hatte aufzustehen, verharrte und folgte meinem Blick darauf. „Ich habe mich nicht am Arm verletzt…“, sagte ich langsam und fuhr mit einer Hand über den Verband. Meine Hände waren sauber, doch unter meinen Nägeln und hier und da auf meinen Armen konnte ich noch Spuren von Blut und Dreck erkennen. Meine Haare waren ebenfalls nur notdürftig gereinigt worden, manche Strähnen waren geradezu vom Schlamm verkrustet. Der Verband jedoch hob sich in seinem sauberen Weiß scharf davon ab. Ich strich weiter daran entlang, versucht mit Chakra herauszufinden, warum ich ihn trug. Unvermittelt legte sich Narutos Hand noch einmal über meine und ich sah auf. „Doch. Das hast du. Shizune wird sich das sicher nochmal ansehen wollen, also…lass es so wie es ist, okay?“ Ich sah verwirrt zwischen seinen strahlend blauen Augen hin und her. Er setzte zur Erklärung an: „Als Kakashi dich zurück getragen hat, hast du geschlafen, richtig?“ Ich nickte, zögernd. „Wir hatten ein…Zusammentreffen mit ein paar Rogues. Nichts allzu großes aber…dein Arm…“ Er rieb sich mit der freien Hand den Nacken. Und ich fragte mich, wie ich einen Angriff wie diesen verschlafen hatte können. Aber vielleicht hatte Shizune mir etwas gegeben… Naruto räusperte sich. „Die kamen quasi aus dem Nichts und in erster Linie haben wir die Tragen geschützt, deshalb sind sie gleich zu den nächstbesten Angriffszielen gegangen und das waren die Leute, die selbst jemanden getragen haben, wie beispielsweise Kakashi… Es hat gar nicht lange gedauert aber dein Arm…es tut mir leid, Sakura.“ Er klang bedauernd und zerknirscht und doch…Naruto, der niemals Blickkontakt scheute…war er meinem Blick gerade ausgewichen? Ein Blinzeln später sah ich wieder in dieselben aufrichtigen, um Entschuldigung bittenden Augen und ich nickte und runzelte die Stirn. „Du trägst keine Schuld. Niemand von uns. Und Kakashi hätte mich gar nicht erst tragen sollen…“ Der Schatten seines alten Lächelns erschien auf seinen Lippen und er zuckte mit einer Achsel, dieses Mal nur mit der einen, als wäre das keine große Sache gewesen. „Es war ihm wichtig. Und besser, als wenn dich jemand getragen hätte, der dich nicht einmal kennt. Ich hätte das gern getan aber Shizune hat mich ja nicht gelassen…“ Seine Erleichterung über meine simple Besorgnis für die anderen, statt Ärger über ein paar kleine Verletzungen an meinem Arm, erschien mir übertrieben groß aber wahrscheinlich waren wir alle nach dieser Erfahrung emotional ziemlich überreizt. „Womit sie auch völlig richtig lag, wenn man sich deinen Arm so anschaut.“, erwiderte ich, um diese leichtere Stimmung zu halten, doch das war gar nicht nötig, denn Naruto schien mehr und mehr seiner alten Heiterkeit wieder zu erlangen. „Ich sollte jetzt wirklich Shizune holen, wahrscheinlich hätte sie längst irgendwelche Werte von dir aufschreiben müssen und deinen Blutdruck messen müssen und wer weiß was nicht sonst noch alles…“ Er stand auf und schenkte mir ein weiteres Lächeln, plötzlich entschlossen zu gehen, und kam bis zur Tür, ehe er dort noch einmal stehen blieb um über seine Schulter zu blicken. „Ich habe dich vermisst, Sakura-chan.“ Der alte Kosename weckte Erinnerungen, die mich plötzlich unheimlich wehmütig machten. Ich schluckte und musste die Worte über meine Lippen zwingen. „Ich dich auch, Naruto.“, wisperte ich leise zurück und legte meine linke Hand auf den Verband. Hinter ihm fiel die Tür mit einem gedämpften Klicken ins Schloss. 2) Quintette N. 1 - Dustin O'Halloran http://www.youtube.com/watch?v=rvK-pNda__k&feature=BFa&list=AL94UKMTqg-9C3ggIaJ7Z0w2Ye2X72Y3QP&lf=list_related Ich hatte gewusst, was nach all diesen Wochen und Kämpfen und Jutsus kommen würde, es hätte keine Überraschungen geben sollen, was die Untersuchungen betraf und doch…kam es anders. Als Shizune Minuten später in mein Zimmer kam war sie so freundlich und verständnisvoll wie immer, vielleicht sogar noch eine Spur mehr, wenn das überhaupt möglich war. Doch sie war nicht allein gekommen, nur ein paar weitere Minuten später, in denen sie sich tatsächlich sehr gründlich meine Werte ansah, folgte ihr die Hokage persönlich und sie schloss die Tür hinter sich, als ob sie damit die ganze Welt ausschließen wollte. Ich hatte mit dem Gedanken gespielt zu fragen, ob ich vor all den Untersuchungen zumindest Sasuke und Kakashi, Ino, meine Eltern sehen durfte, doch diese Frage erübrigte sich von selbst, als ich Tsunades Gesicht sah. Sie war talentiert darin ihre Miene neutral zu halten, ein Pokerface hätte ihr jedoch niemals jemand nachgesagt, der einmal gegen sie gespielt hatte. Jahrelanges Training unter ihr hatte mir viele Einblicke in verschiedenste Momente ihres Lebens verschafft, ich kannte einige ihrer Ausdrücke und vor allem kannte ich die, die sie trug wenn sie schlechte Nachrichten zu überbringen hatte, die ihr selbst nahe gingen. Bei diesem Anblick richtete ich mich auf und sah zu wie sie mit forschen Schritten bis an mein Bett kam, so als wollte sie demonstrieren, dass alles gar nicht so schlimm war, wenn man es sich nur nicht anmerken ließ. Als sie mir das erste Mal in die Augen sah, drückte sie meine Hand und lächelte aber es war kein reines, glückliches, entlastetes Lächeln, es war überschattet von ihrer Neuigkeit. „Sakura. Ihr habt mich beinah umgebracht mit euren Alleingängen.“ Es war ihre Art als Hokage, als stärkste Frau, als stärkster Ninja des Dorfes, zumindest für die Öffentlichkeit, ihre Sorge und Erleichterung zu zeigen. Einige Sekunden lang ließ sie ihren Blick über mich schweifen und nickte dann langsam. „Gut. Du siehst nicht mehr so blass aus.“ Sie drehte den Kopf zu Shizune, die neben dem EKG stand, dessen Ton immerhin abgeschaltet war. „Wie sind Sakuras Werte jetzt?“ Shizune sah von ihrem Klemmbrett auf und lächelte, freundlich, nett. Unverfänglich. „Gut. Alles im normalen Bereich, Sakura.“ Sie nickte mir ermutigend zu und ich erwiderte ihren Blick und konnte mich doch bei all diesen Vermutungen nicht zu einem Lächeln durchringen. Ich musste es wissen, was auch immer nicht stimmte. „Was ist los, Shishou?“ Als ich tatsächlich sprach, klang meine Stimme fester als gehofft und Tsunade sah nicht etwa überrascht oder verständnislos zu mir, stattdessen schien mir das Runzeln ihrer Augenbrauen viel mehr Zeichen dafür zu sein, dass sie gehofft hatte das Unausweichliche noch etwas länger vor sich herschieben zu können. Eine Eigenschaft die ihr eher selten zugeschrieben wurde aber für die Menschen, die ihr nahe standen, galt diese Ausnahme durchweg. „Wie fühlst du dich heute, Sakura?“, kam es nachdenklich und ernst von ihr zurück. Ich zuckte mit einer Schulter. „Müde. Erschöpft. Aber ansonsten unversehrt.“, erwiderte ich dann, möglichst nicht zu teilnahmslos, auch wenn ich mich fühlte, als läge seit dem Tag zuvor ein Schatten auf mir, den ich nicht wieder loswerden konnte. Auch wenn dieser Schatten vermutlich schon nistete seit ich Itachi vor Monaten erstmals allein begegnet war. Ich sah einmal von ihr zu Shizune und wieder zurück, atmete. Dann hob ich meinen rechten Unterarm, den bandagierten. Ich legte meine freie Hand auf den Verband. „Was ist das hier, Tsunade? Was stimmt nicht?“ Sie hatte sich offenbar weitestgehend gefasst und natürlich bereits Zeit gehabt, sich auf diesen Moment vorzubereiten, denn sie scheute nicht mehr zurück und auch Shizune neigte ernst den Kopf, offensichtlich darauf vorbereitet ihr bei der Erklärung beizustehen. Ich sprach in die kurze Stille hinein, die dennoch einen Moment vorherrschte. „Es gab keinen Angriff von Rogue-Ninjas, oder?“ Es war so leise in diesem Raum, steril und nahezu völlig geräuschlos, selbst die Vögel wurden von dem Fenster fast komplett verschluckt. „Nein. Es gab keinen Angriff.“ Ich nickte. „Das dachte ich mir.“ Dieses Mal klang es tonlos. „Nachdem Shizune euch mit ihrem Team gefunden hat, seid ihr ohne Unterbrechung heimgekehrt.“ Wieder hätte es mich nicht überraschen sollen, ich hatte von Anfang an nicht geglaubt, dass ich wirklich nichts von einem solchen Kampf mitbekommen haben sollte, nicht einmal von meiner Verletzung. Aber warum hatte Naruto dann so etwas behauptet? Ich musterte Tsunade, versuchte die Puzzleteile zusammenzulegen – und scheiterte. Sie stand noch immer vor mir, verschränkte nun die Arme vor der Brust und musterte meinen Verband. Dann nickte sie Shizune zu und bedeutete ihr, ihn abzunehmen. „Als ihr gestern hier ankamt haben wir jeden von euch erstbehandelt und dann gründlicher durchgecheckt. Insgesamt hast du relativ wenig abbekommen, körperlich gesehen, und wir konnten dich schnell in dieses Zimmer verlegen.“ Ich hing an ihren Lippen und sah nur ab und zu nach wie weit Shizune mit dem Abwickeln war. Ich kannte diese Prozedur, hatte sie selbst bereits ziemlich zu Beginn meiner Ausbildung als Medic-Nin kennengelernt, tatsächlich war es gleich eine der ersten Lektionen gewesen, die man mir sehr genau beigebracht hatte. Für eine beunruhigende, schockierende Nachricht geht man behutsam vor, man bedient sich der langsamen Hinführung durch Erklärung einiger Details. Damit war die Einleitung beendet. Jetzt kam die eigentliche Nachricht, die niemand angenehmer, leichter machen kann. Wie sehr man auch darum herumredet. „Ino hat bei dir gesessen und Naruto war ebenfalls da, als sich etwas verändert hat.“ Shizune war beinahe fertig und doch schien es mir als würde sie immer langsamer werden. „Sie haben ein Zeichen auf deinem Arm entdeckt.“ Ein Zeichen? Als sie meinen verwirrten, völlig unkontrollierten und sicher verletzlichen Gesichtsausdruck sah, seufzte sie schwer und gab ihre verschränkten Arme auf. Ich beobachtete ihre Körpersprache so aufmerksam, dass es meine eigene Unruhe nur verstärkte, seltsam bewusst für das, was außerhalb meines Körpers vorging und wie benebelt für mich selbst. Tsunade rieb sich flüchtig über die Stirn, bevor sie mir wieder in die Augen sah. „Wir haben noch nicht genug Ergebnisse um es mit Sicherheit zu sagen aber wir sind uns ziemlich sicher, dass Itachis Besiegelung Folgen bei dir hinterlassen hat.“ „Was?“ Ich sprach unvermittelt, ohne Nachzudenken und es klang tatsächlich ungläubig. Die Stille im Raum schien noch tiefer geworden sein, ich konnte meinen steigenden Herzschlag in der Brust spüren. Aber hatte ich es nicht geahnt? Tsunade setzte zur Erklärung an und Shizune warf mir einen mitfühlenden Blick zu aber das war mir kaum bewusst. Dass sie den Verband vollends abgewickelt hatte, schon. „Welche Folgen?“, fragte ich leise, mit dem Blick überall, abgesehen von meinem Arm. Doch Tsunade schwieg und nickte genau dorthin und ich hatte keine andere Wahl als nach einem langen Blick in ihre betrübten Augen ihrem Deut zu folgen. Zuerst konnte ich nichts entdecken und in meiner Unruhe erschien mir das als erschreckender als eine tatsächliche Entdeckung. Die obere Hälfte meines Arms war völlig unauffällig also drehte ich ihn, nach Sekunden die sich länger anfühlten als Minuten. Und diese Seite war nicht unauffällig. Das Blut rauschte unvermittelt in meinen Ohren und dämpfte mein wiederholtes, scharfes Einatmen, für einige lange Momente blendete es alle anderen Geräusche aus und ich fühlte mich benommen und schwindlig. Dann konnte ich Tsunades Stimme wieder hören. „Es ist ein Fluchmal, ähnlich wie bei Sasuke.“ Schwarze Linien wie mit Tinte gezogen hoben sich in starkem Kontrast von meiner Hautfarbe ab und zogen sich in grotesken Formen über meinen inneren Arm, nahezu direkt vom Handgelenk bis zur Arminnenbeuge. Ich starrte darauf aber ich nahm nicht mehr wahr, meine Gedanken rasten. „„Er hat eure Verbindung nicht willentlich getrennt, richtig Sakura?“ Ich sah auf. Tsunade selbst war ungewöhnlich betroffen und einfühlsam. Ich schüttelte wie betäubt den Kopf. „Dieses Jutsu ist so gut wie überhaupt nicht erforscht. Was es auslöst, wenn die Verbindung gewaltsam getrennt wird, weil einer der beiden Verbundenen stirbt, ist uns genauso wenig bekannt wie alles andere was darunter möglich oder nicht möglich ist.“ Sowohl Tsunade als auch Shizune waren es seit vielen Jahren gewohnt diesen Job zu machen, Diagnosen zu geben, Erklärungen wo es keine gab. Normalerweise hatten sie eine solche Routine darin, dass man ihnen kaum anmerkte, wie nah ihnen so vieles selbst ging. Es ist nötig sich diesen Schutzmantel anzueignen, ohne ihn geht man mit den Patienten über die Jahre zugrunde. Aber dieses Mal trugen sie keine Masken, sie ließen mich direkt teilhaben an ihrer immer noch frischen Erschütterung und hätte ich einen Spiegel vor mir gehabt, so hätte mein Abbild vermutlich genauso ausgesehen. Nur noch viel unvorbereiteter. Immer noch ohne Kontrolle. Ich senkte erschlagen den Kopf. Ich hatte mit so vielem gerechnet aber nicht damit. „Sakura…“ Shizunes Hand legte sich auf meine Schulter aber ich konnte noch nicht wieder aufsehen und starrte wie hypnotisiert auf die unnatürlichen Linien des Fluchmals auf meiner Haut. Ich war direkt hier und doch meilenwert entfernt. Bis ich plötzlich einen Gedanken festhalten konnte, einen furchtbaren panischen Moment. Ich riss den Kopf hoch. „Itachi ist aber dennoch…er bleibt doch…?“ Tsunade, wie ein Fels in der Brandung, hielt meinen Blick und nickte. „Er bleibt es. Er kommt nicht zurück. Kein Jutsu der Welt kann ihn zurückholen.“ Und damit war vermutlich alles gesagt. Es ist seltsam aber…ich fühlte mich trotzdem nicht besser. Obwohl Shizune und Tsunade meine Eltern vorerst noch nicht zu mir gelassen hatten um meine Orientierung einfacher zu machen, konnten sie sie doch noch am gleichen Tag nicht mehr davon abhalten, zu mir zu kommen, nachdem sie mich über…meinen Arm aufgeklärt hatten. Es hätte sicher kaum einen schlechteren Zeitpunkt für unser Wiedersehen geben können, ich war wie betäubt und alles, was ich mir mit etwas mehr Zeit zurechtlegen hätte können, alles was ich ihnen hätte sagen wollen um zumindest eine Erklärung, eine Entschuldigung zu versuchen, war weit weg und kam mir nicht in den Sinn. Sie waren am Boden zerstört, das konnte ich ihnen ansehen und das nicht nur, weil ich sie so gut kannte. Meine Mutter, immer zurechtgemacht und hergerichtet, sah zu dünn für ihren Rock und ihre Bluse aus. Die Bluse war tadellos gebügelt, hatte nicht eine Falte zu viel aber meine Mutter schien plötzlich um mehrere Jahre gealtert. Sie und mein Vater hatten die Nacht hier verbracht und aus ihren achtlos hochgesteckten Haaren waren ein paar Strähnen gefallen, die sie nicht zu bemerken schien. Mein Vater hatte tiefe Augenringe und war blasser als ich ihn in Erinnerung gehabt hatte, ein Dreitagebart schimmerte auf seinen Wangen und war mit mehr Silber durchzogen als zuvor. Wochen in Sorge um ihr einziges Kind, ohne Nachricht, ohne Gewissheit. Bei meinem Anblick schien von beiden ein unheimlich schweres Gewicht zu fallen, da war kein Anflug eines Zögerns als sie zu meinem Bett hasteten und mich fest an sich drückten, während mein Vater die Arme um uns beide legte, als ob er nicht glauben konnte, dass er wach war. Was hatte ich ihnen angetan? Sie machten mir keine Vorwürfe und noch viel schlimmer, sie waren verständnisvoll, sagten, sie hätten seit meinem 12. Lebensjahr mit dieser Sorge gelebt und doch wusste ich, sie wären beinah daran zugrunde gegangen, nicht zu wissen, was mit mir passiert war. Sie waren die ganze Zeit nicht von Shizunes und Tsunades Seite gewichen und hatten doch nie wirklich gute Neuigkeiten bekommen. Nicht einmal ein Lebenszeichen. Ich war unendlich erschöpft, zerfressen von Schuldgefühlen, als sie schließlich äußerst unwillig zu einem Gespräch mit Shizune gerufen wurden – sicher um noch bessere Nachrichten, nämlich die über meinen Arm zu hören – und konnte es kaum ertragen, wie meine Mutter mich angesehen hatte. So als ob ich jeden Moment wieder verschwinden könnte, wenn sie mich nicht dicht an ihrer Seite und im Auge behielt. Ich lag auf meinem Bett, erschlagen und tief in Gedanken, als sich die Tür erneut öffnete. Ich drehte müde den Kopf. „Hallo Sonnenschein.“ Sie klang ungewöhnlich verhalten und verharrte noch im Türrahmen, unterzog mich erst einmal einer gründlichen Musterung. In ihrer Hand hielt sie eine Reisetasche, in der ich stark ein paar Wechselklamotten für mich vermutete. Wider Erwarten schlich sich ein mattes Lächeln auf meine Lippen. „Ino.“ Sie war nicht unnötig sentimental, tatsächlich wusch und kämmte sie mir die Haare, flocht sie zu einem losen Zopf und half, meine Arme und Beine von dem restlichen Schmutz zu säubern, ohne dabei den frisch von Shizune gewechselten Verband nass zu machen. Dabei umschiffte sie alle Themen, die gefährlich waren, so talentiert, dass zwar nicht mehr viel zum Reden übrig blieb, ich jedoch das erste Mal seit Tagen in der Lage war, etwas von dieser immer zugrunde liegenden Anspannung loszulassen, für ein paar süße Minuten zu verdrängen, was geduldig auf mich warten würde. Bis sie mit einem zutiefst nachdenklichen Blick meinen Verband musterte und eine gelöste Stelle sanft wieder verklebte. Aber auch dann zwang ich mich, zu verdrängen, wegzuschieben, bis ich mich damit auseinandersetzen konnte. Die beinah leichte Stimmung war verschwunden aber das wäre sie ohnehin, als Ino auf meine Bitte hin etwas mehr zu den medizinischen Details der anderen erzählte, die Naruto mir nicht hatte wiedergeben können. Sie wusste auch, warum er nicht zu mir zurückgekehrt war, offenbar hatte sich eine der Schwestern durchgesetzt und ihn gezwungen Schlaf nachzuholen. Das waren gute Nachrichten, von selbst hätte er die ganze Nacht nach Sasuke und mir gesehen und sich nicht im Geringsten um sich selbst geschert. „Sakura.“ „Hm?“ Ino lächelte und auch bei ihr stellte ich fest, dass sie einige Stunden Schlaf bitter nötig hatte. „Du siehst erschöpft aus.“ Ich nickte und rieb mir über die Stirn. „Das kann ich nur zurückgeben.“ Sie griff nach meiner Hand und ich stockte und sah wieder auf. „Ich wusste, dass du zurückkommen würdest. Wirklich. Aber wenn du es nicht wärst… gut, dass du am Leben bist, Breitstirn. Im Ernst.“ Ich verharrte einen Moment und suchte ihre so strahlend blauen Augen ab, die dieses Mal etwas trüber aussahen, dann drückte ich ihre Hand zurück und hielt ihren Blick. „Ich bin dir unglaublich dankbar, Ino, für alles. Das weißt du doch?“ Sie nickte und wischte sich verstohlen über einen Augenwinkel und stand auf und räumte ein paar Sachen aus, die sie mir wie vermutet von Zuhause gebracht hatte, dann drückte sie mich, lange und fest. Ich schloss die Augen und sackte etwas in mich zusammen aber sie hielt mich nur fester. „Ino?“ Meine Stimme war kaum hörbar, die Kraftlosigkeit darin hing jedoch schwer in der Luft. Sie nickte, immer noch ohne mich loszulassen. „Kannst du irgendwie dafür sorgen, dass meine Eltern nach Hause gehen?“ Ich schluckte. Noch einmal in diese besorgten Augen zu blicken war nichts, was ich für diesen Tag noch ertragen konnte. „Ich kann nicht…zumindest für diese eine Nacht?“ Ino rückte ein Stück von mir ab, suchte meinen Blick und hielt meine beiden Schultern. „Sicher. Ich kümmere mich darum.“ Vor Erleichterung sackte ich gleich noch mehr in mich zusammen und so führte sie mich zurück zu meinem Bett, reichte mir die Decke mit einem schiefen Lächeln und strich mir ein paar Haarsträhnen aus der Stirn. „Ruh dich aus. Erhol dich, Sakura.“ Ich hielt ihren Blick, saugte mich an ihrer Zuversicht fest und brachte ein kleines Lächeln als Erwiderung zustande. Aber schließlich gab es wirklich nichts mehr für sie zu tun und sie konnte auch keine weiteren Gründe mehr erfinden, weshalb sie noch bleiben musste und so verließ sie das Krankenhaus, um sich selbst etwas auszuruhen. Und als sie ging, tröpfelte das schmale Lächeln von meinem Gesicht und ich blieb zurück, auf einmal wieder betäubt, erschlagen und allein mit meinen Gedanken. 3) Opus 22 - Dustin O'Halloran http://www.youtube.com/watch?v=3OLWhvQXfZ8 Am Abend schlug das Wetter um und die früh untergehende Sonne wich dichten Wolken und einem leichten Nieselregen. Obwohl ich so viel geschlafen hatte, war ich müde und erschöpft, ein bisschen wie in Watte gepackt aber zu ruhelos um wieder in den Schlaf zu finden. Ich versuchte zu essen – ich kannte meine Verfassung – aber ich konnte es nicht über mich bringen und ließ das Tablett letztlich doch nahezu unberührt zurückgehen. Ich hatte mein Chakra zuvor nahezu komplett aufgebraucht und das zeigte sich jetzt, mein Körper funktionierte nur zum Minimum und doch war das Liegen und Warten unerträglich. Ich hatte eine ganze Weile einfach nur da gelegen und versucht, zu verarbeiten was geschehen war, was immer noch geschah. Gedankenkreise ohne Erklärung, ohne Lösung, ohne Plan waren die Folge gewesen. Aber dann fand ich einen neuen Anhaltspunkt. Kakashi. Und Sasuke. Nicht mehr ganz so konfus und benebelt drang der Wunsch sie zu sehen zurück in den Vordergrund und schließlich wurde er größer als die geschundene Schwäche meines Körpers. Ich öffnete die Türen meines Schranks und fand einige Shirts und Hosen, Unterwäsche, Strickjacken, alle fein säuberlich von Ino gelegt. Weil meine Eltern vermutlich seit meiner Rückkehr nicht mehr das Krankenhaus verlassen hatten. Ich schüttelte den Kopf. Allein der Gedanke, dieses bedeutungsschwere Krankenhaushemd loszuwerden, war bereits eine Erleichterung und so streifte ich es ab und suchte mir möglichst weite und warme Sachen heraus, die zumindest ansatzweise das Gefühl von Normalität, von meinem alten Leben wiederherstellten. Wenn auch nur äußerlich. Es musste ungefähr sieben sein als ich fertig war, vielleicht etwas früher, und das Krankenhaus war nicht mehr so rege besucht wie zu den Hauptbesuchszeiten. Als ich die Tür meines Zimmers öffnete war der Gang davor vollkommen leer bis auf eine ältere Patientin mit einer Freundin, die zu ihrem Zimmer zurückkehrten. Naruto hatte gesagt, dass Sasuke auf der Intensivstation lag, Kakashi jedoch sollte auf den Beinen sein und bereits nach uns gesehen haben. Zuerst würde ich also zu Sasuke gehen, danach herausfinden, ob Kakashi nach Hause zurückgekehrt war. Ich befand mich in einem Teil der Station, der vor dem Schwesternzimmer lag, und konnte demnach unbemerkt zu den Aufzügen gelangen und ein paar Stockwerke höher fahren, bis ich durch eine Reihe von Gängen gehen musste, um zur Intensivstation zu gelangen. Es brauchte nur wenige Meter, ehe ich bereits so erschöpft war, dass ich mich in einen der Stühle setzen musste, die für bewegliche Patienten und ihre Besucher gedacht waren. Ich konnte von hier nach Draußen blicken und das Grau der drückenden Wolken lag wie ein großer Schatten über Konoha. Das erste Mal seit langer Zeit, konnte ich es wieder sehen und es fühlte sich vertraut an, unverändert. Ich dagegen fühlte mich plötzlich wie eine andere, fremd und hier nicht willkommen. Ein paar Tropfen perlten an der Fensterscheibe herab und verwischten dabei das Bild des Dorfes bis alles hinter einem dichten, flüssigen Vorhang verschwamm und ich betrachtete stattdessen die weiße Wand mir gegenüber, gedankenverloren. Bis zur Intensivstation war es nicht mehr weit. Sasuke war nicht weit von hier. Unvermittelt tauchte sein Bild vor mir auf, blass, regungslos und blutig am Boden liegend. In all dem Chaos um uns herum, inmitten von Leid und Schmerz und furchtbaren Dingen, die allesamt mit Itachi verknüpft waren und die ich so weit wie möglich von mir weggeschoben hatte. Ich fröstelte und umfasste meine Schultern, um meine Oberarme zu reiben. Das alles musste verblassen. Er lebte. Naruto lebte, Kakashi lebte, ich hatte keinen von ihnen verloren. Es klang immer noch unmöglich. Mit einem leisen Seufzen blickte ich zurück zum Gang und drückte mich aus dem Stuhl, mühsam, langsam aber Schritt für Schritt machte ich mich wieder auf den Weg. Ich musste jeden von ihnen mit eigenen Augen sehen. Wieder und wieder, damit ich es glauben konnte. Die Intensivstation war völlig menschenleer, bis auf die Stationsschwester, Tayanaka-san. Ich vermutete ihre Kollegen verteilt bei den Patienten, sie jedoch hatte mich durch die große Fensterschreibe, die ihren Arbeitsplatz vom Flur trennte, längst entdeckt und verließ ihr Zimmer mit raschen Schritten um mich genauer in Augenschein zu nehmen. Sie konnte sehen, wie erschöpft ich war, nicht dass das groß zu übersehen gewesen wäre, und doch zog sie ihre hilfsbereit ausgestreckten Hände zurück als ich sachte den Kopf schüttelte. Sie schürzte die Lippen und auf ihrer Stirn bildete sich eine schmale Falte der Missbilligung aber bevor sie etwas sagen konnte, kam ich ihr zuvor. „Kann ich Sasuke sehen? Nur für einen Moment.“ „Sakura…“ Sie seufzte bedauernd und musterte mich einen langen Moment. Sie war eine gute Schwester, schon sehr lange im Dienst und mit viel Erfahrung. Und dem Blick, nicht nur für die körperliche Verfassung, sondern auch für Hintergedanken. „Du kannst dich kaum auf den eigenen Beinen halten, außerdem schläft er noch…“ „Bitte.“ Es sollte nicht so geschlagen klingen aber es schien seine Wirkung zu haben. Mit sichtlichen Gewissensbissen gab sie nach. „Zimmer Nr.8. Mach es kurz und melde dich bei mir, wenn du wieder gehst.“ Ich nickte unter ihrem scharfsinnigen, prüfenden Blick. Sicher ahnte sie bereits, dass ich in diesem Zustand keine Erlaubnis hatte, mein Zimmer zu verlassen. Trotzdem ließ sie mich zu ihm. Ich erinnerte mich daran, dass sie einen Mann hatte, der Shinobi war. Sie kannte das Gefühl, immer in Sorge um andere zu sein, den Drang sich selbst von ihrem Überleben überzeugen zu müssen, sie selbst zu sehen. „Danke…“, erwiderte ich leise und meine Stimme war klein und unkontrolliert. Sie nickte. „Setz dich hin, sobald du dort bist. Ich will dich nicht auf dein Zimmer zurück tragen lassen.“ Während sie an ihren Schreibtisch zurückkehrte, machte ich langsame, möglichst unauffällige Schritte zu Sasukes Zimmer und biss mir auf die Unterlippe als ich kurz strauchelte, all das unter ihren wachsamen Blicken. Aber sie kam nicht zurück und ich erreichte die Abzweigung zu Zimmer Nr.8 ohne weitere Zwischenfälle. Ich bog um die Ecke – und stoppte, als ich sah, dass bereits jemand vor Sasukes Tür stand, die Hände in den Taschen vergraben, mit der Seite zu mir. Ich verengte die Augen, sah genauer hin. Er drehte den Kopf im selben Moment, in dem ich ihn erkannte. „Kakashi.“ Ich machte ein paar schnelle Schritte nach vorn, schneller als mein Verstand mich bremsen konnte, und kam ins Straucheln, streckte eine Hand aus um mich an der Wand abzustützen und blieb wieder stehen, außer Atem und wackelig auf den Beinen. Kakashi tauchte innerhalb eines Blinzelns vor mir auf und griff unter meinen Arm. „Sakura.“ Ich sah zu ihm hoch und trotz meines erbärmlichen Zustandes spürte ich ein Lächeln um meine Mundwinkel, als ich eine schnelle Bestandsaufnahme seines Zustandes versuchte. Er hatte keine Maske, nur einen Mundschutz, der von seinem Hals herabhing aber er trug seine gewohnte Kleidung und sein Stirnband bedeckte bereits wieder sein Sharingan. Unter seinem sichtbaren Auge waren dunkle Schatten und auf seinen Wangen und seinem Kinn schimmerten leichte Stoppeln, doch er stand aufrecht und sein Griff war so kräftig wie sonst auch. Mit einem dankbaren Ausatmen ließ ich mich nach vorn fallen und schlang die Arme um ihn. „Du bist okay.“ Seine Arme legten sich um meinen unteren Rücken, sein Kinn auf meinen Haaransatz und für ein paar Sekunden ließ ich die Erleichterung wirken, atmete seinen vertrauten Geruch ein und blendete alles andere aus. Dann bewegte er den Kopf und ich löste mich von ihm, um in sein Gesicht sehen zu können. Er nahm seine Arme von meinem Rücken zurück, ließ jedoch eine Hand auf meiner Schulter, um mich wenn nötig zu stützen. Einige Sekunden sahen wir einander nur an. Er lächelte, ein wenig, aber es war ein bitter-süßes Lächeln. „Wie geht es dir?“, durchbrach er die klinische Stille. Ich schüttelte den Kopf. „Ich habe nahezu all mein Chakra aufgebraucht. Ich kann kaum gerade gehen. Und…“ Ich brachte es nicht über mich, ihm von dem Fluchmal zu erzählen. Ich winkte ab. „Es wird alles etwas Zeit brauchen.“ Er nickte langsam, sein dunkles Auge wachsam auf mich gerichtet. „Was ist mit dir? Hast du schlimme Verletzungen gehabt?“ Wieder dieses Lächeln. „Nur ein paar Kratzer.“ Ich neigte den Kopf, fragte mich, ob er damit die Wahrheit sagte aber dadurch, dass er das Krankenhaus bereits verlassen durfte, konnte es nicht mehr lebensbedrohlich sein. Ich sah an ihm vorbei zu Sasukes Tür. „Warst du…?“ Kakashi folgte meinem Blick und drehte den Kopf dann wieder zu mir, wesentlich langsamer. „Ich war noch nicht in seinem Zimmer. Ich wollte nur…nach ihm sehen.“ Er traf auf meinen fragenden Blick und ich hatte das Gefühl, er wusste genau, was ich alles hätte sagen wollen. Statt jedoch darauf einzugehen, legte er meinen Arm in seinen und führte mich den Gang entlang zu Zimmer Nr.8. Kurz davor zögerte ich einen Moment, atmete einmal tief durch. Kakashi löste seinen Griff. „Ich werde um die Ecke warten, einverstanden Sakura?“ Er wartete meine Antwort nicht ab, stattdessen vergrub er wieder beide Hände in den Taschen und ging ohne Hast zurück zum Hauptgang. Ich sah ihm nach, bis er verschwunden war und schaute dann zurück zur Tür. Direkt daneben befand sich eine breite Fensterfront, die Einblick in das Zimmer gab. Ich war bereits einige Male hier gewesen und kannte die Maßnahmen der Intensivstation, hatte sie selbst angewendet aber dies… Ich machte ein paar zögerliche Schritte nach links, vor das Fenster, und schaute hindurch. Dies war ein vertrautes Gesicht inmitten von Schläuchen und Monitoren, blass und reglos, mit geschlossenen Augen und tiefschwarzen Haaren, die gegen seine helle Haut noch dunkler wirkten. Die Decke reichte ihm bis zur Brust, darunter zeigten sich Verbände um seine Arme und seinen Brustkorb. Neben ihm blinkten Geräte, das EKG gab einen regelmäßigen Piepton von sich, ansonsten war es vollkommen still. „Sasuke…“ Als ob das Aussprechen seines Namens mir alle restliche Kraft geraubt hätte, ließ ich mich zurück gegen die Wand fallen, nicht in der Lage mich von diesem Bild abzuwenden und doch schmerzlich getroffen, je länger ich ihn ansah. Ich musste mir in Erinnerung rufen, dass wir alle dem Tod nahe gewesen waren, dass es nur ein paar Zufällen und Glück zu verdanken war, dass wir jetzt hier waren. Am Leben. Aber so wie er dort lag, sah Sasuke nicht besonders lebendig aus. Obwohl er schlief, obgleich seine Augen geschlossen waren, schien er sich nicht friedlich zu erholen. Ich fragte mich, ob er träumte – und wenn ja, was. Was ihn erwartete, wenn er aufwachte, wollte ich mir gar nicht erst ausmalen. Ich strich mit beiden Händen ein paar Haare aus meinem Gesicht, schloss die Augen und sackte ein Stück in mich zusammen. Atmete, tief ein, tief wieder aus. Ein und aus. Als ich nach einer Weile die Hände sinken ließ und aufsah, stand Kakashi wieder neben mir, in seinem Auge ein Ausdruck tiefen Mitgefühls und sanfter Härte. Er fasste erneut mit einer Hand unter meinen rechten Arm und ich konnte nicht dagegen an, mich auf seine Stütze zu verlassen. Es war einfach nicht genug Kraft da, um aufrecht zu bleiben. Das musste ich akzeptieren. Für jetzt. Kakashi blickte durch das Fenster, scheinbar gedankenverloren und in seinem Profil konnte ich ablesen, dass er ähnliches denken musste, wie ich. „Wenn man sie kennt, ist es unglaublich viel schwerer durch dieses Fenster zu sehen. Und erst recht hineinzugehen.“ Ich schluckte und nickte matt. Wie oft er selbst diese Gänge zu Zimmern von Teammitgliedern wohl schon gemacht hatte? Für mich waren die bisherigen Besuche genug für ein ganzes Leben. „Er wird darüber hinwegkommen.“ Kakashis Stimme war fest und zuversichtlich und ich spürte, wie gern ich mich darauf verlassen wollte. Er drehte den Kopf zurück zu mir. „Bist du bereit, zurückzugehen?“ Ich warf noch einen letzten, sehnsüchtigen Blick in das Zimmer, musterte Sasukes schlafende Züge, seine sich langsam hebende und senkende Brust und nickte. Ich konnte ihm durch meine Anwesenheit nicht helfen, so gern ich es getan hätte und auch wenn es gereicht hätte, nur an seiner Seite zu bleiben, konnte ich mich doch nicht länger auf den Beinen halten. Kakashi festigte meinen Griff um seinen Unterarm und dann gingen wir den Gang zurück, langsam wie zwei alte, müde Menschen. „Bist du wirklich bereits entlassen worden, Kakashi?“ Er blickte einmal zu mir und wieder zurück nach vorn. „Auf eigenen Wunsch. Aber das wird schon wieder.“ Das wird schon wieder. Mehr konnte ich nicht hoffen. Tage vergingen auf diese Weise. Ich ließ alle Tests über mich ergehen, beantwortete alle Fragen, so gut ich konnte, ließ mir aufgestellte Theorien erklären, die am nächsten Tag wieder verworfen wurden, ich ließ mich auf etliche Weisen untersuchen und aß und schlief, wie man es mir nahelegte und immer wieder schleppte ich mich zur Intensivstation um Sasuke zu beobachten. Gesundheitlich erklärte man mich nach zwei Tagen für entlassungsfähig, ich hatte keinerlei Verletzungen mehr, nichts, außer ein paar feiner Narben mehr, an dem man mir das Geschehene noch hätte ansehen können. Aber da man noch immer ein paar Testmöglichkeiten hatte und noch keinen Schritt vorangekommen war, was das Fluchmal betraf, musste ich bleiben. Es war alles dabei, Blutuntersuchungen, ein MRT, ein CT, sogar eine gynäkologische Untersuchung, auch wenn ich fest beteuern konnte, dass das nicht nötig war. Man fertigte Diagramme zu meinen Chakrawerten an, untersuchte meine Chakratore, an einer kleinen Stelle auf meinem Arm entnahm man eine Probe der schwarzen Linien aber nichts davon führte zu einem nennenswerten Ergebnis. Und bei all dem verlor ich langsam meinen Glauben daran, dass es je zu irgendetwas führen würde. Von allem was Itachi getan hatte war dieses Fluchmal vermutlich das geringste Übel. Und doch. Was, wenn es nicht mehr rückgängig zu machen war? Wenn man es nicht mehr lösen konnte? Würde ich mein Leben lang daran erinnert werden, was in dieser Zeit geschehen war? Jeden Tag aufstehen und als erstes sehen, was er uns allen angetan hatte? Aber so viel Grübeln führte zu nichts und ich zwang mich, nicht permanent darüber nachzudenken, konzentrierte mich stattdessen darauf, genau so zu essen, dass mein Chakra sich so schnell wie möglich aufbaute, lenkte mich mit meinen Freunden, meinen Eltern ab, versuchte denselben Optimismus zu finden wie Tsunade und Shizune und langsam aber sicher erholte sich mein Chakra und kehrte zu seinem alten Pegel zurück. Nach drei langen Tagen kam endlich die Nachricht, auf die wir alle gewartet hatten, Sasuke wachte auf. Es war spät, als die Schwester Konai-San mir die Nachricht überbrachte, Naruto, der ebenfalls entlassen worden war, und Kakashi hatten das Krankenhaus für diesen Tag längst wieder verlassen und so konnte ich meine Erleichterung und Freude darüber mit niemandem teilen. „Kann ich zu ihm?“ Sie war damit beschäftigt wieder einmal meine Werte aufzuschreiben und sah nur kurz davon hoch. „Jetzt noch?“ Sie wusste ebenso gut wie ich, dass dieses Argument nicht zählen würde. Mit einem Seufzen und gerunzelter Stirn richtete sie sich auf und verstaute ihren Stift in ihrer Kitteltasche. „Ich weiß nicht, was Tayanaka-San dazu sagen wird. Aber meinetwegen. Geh zu ihr und frag sie, was sie davon hält.“ Ich war bereits aufgesprungen und hatte mir eine Jacke über mein Shirt gezogen, als sie mich noch einmal zurückrief. Ich schaute über meine Schulter, die Hand schon auf dem Türgriff. „Du kannst gehen, aber nur weil du ohnehin nicht auf mich gehört hättest, wenn ich es verboten hätte, Sakura.“ Ich nickte und zwang mich, meine Ungeduld im Zaum zu halten, schaute sie fragend an, ob es noch etwas gab. Damit wurde ihr Gesichtsausdruck sanfter – und doch lag plötzlich ein Schatten darauf. Das war genug um meiner Ungeduld ihre Kraft zu nehmen und ich ließ die Schultern ernüchtert sinken. Ich drehte mich gänzlich zu ihr um. „Was ist los?“ Sie musterte mich einen Moment, kaute auf ihrer Lippe. „Er ist nicht…“ Sie stockte, schüttelte den Kopf und lächelte aufmunternd. „Eure Erfahrungen waren ziemlich traumatisch. Denk daran, wenn Tayanaka dich zu ihm lässt, okay?“ All die Erleichterung, die Freude über seine Besserung fühlten sich auf einmal fahl an. Verblasst. Deutlicher weniger energetisch öffnete ich die Tür, nicht sicher, ob ich wissen wollte, was sie damit angedeutet hatte. „Okay. Danke.“ 4) Opus 37 - Dustin O'Halloran http://www.youtube.com/watch?v=Wii-psngYQw&feature=related Wieder einmal stand ich kurz vor dem Fenster zu Sasukes Raum. Wieder einmal zögerte ich, einen Schritt nach vorn zu machen und hineinzusehen. Tayanaka hatte mir die Erlaubnis gegeben, Sasuke zu sehen, allerdings nicht länger als zehn Minuten und davon waren bestimmt bereits zwei vergangen. Ich hatte ein schlechtes Gefühl. Es war eine Weile her, dass ich damit zu Sasuke gegangen war, eine lange Weile. Ich straffte meine Schultern, atmete einmal tief durch. Es gab keinen anderen Weg, herauszufinden was mit Sasuke nicht stimmte, als ihn mit eigenen Augen zu sehen. Und wahrscheinlich hatte er mein Chakra ohnehin schon längst erkannt. Ich trat ans Fenster, leise und zaghaft, und wurde von demselben Bild begrüßt, wie in den letzten Tagen: Ein breiter, fensterloser Raum mit nicht mehr als ein paar Geräten, Anschlüssen und einem Bett, dessen Fußende zum Fenster stand. Sasuke lag darin, bis zur Mitte zugedeckt, dieses Mal mit einem Krankenhaushemd, das er sonst immer versuchte zu meiden. Heute nicht. Heute lag er dort, die Arme über der Decke ausgestreckt, den Kopf zur Seite gedreht und starrte die Wand an, meilenweit entfernt. Hatte er mich wirklich nicht bemerkt? Als ob er meine Gedanken gehört hätte, drehte er in diesem Moment den Kopf und sah mich an, nicht überrascht, nicht freudig, ich konnte nur eine kurze Regung in seinen Augen ausmachen, dann war sie schon wieder verschwunden und sein dunkler Blick nahezu teilnahmslos. Das Klopfen hatte sich damit erübrigt und ich öffnete seine Tür, entmutigt und besorgt. Ich blieb einen Moment im Rahmen stehen und sah ihn an, spürte einen Hauch desselben Gefühls, als ich Kakashi lebend wiedergesehen hatte. „Hey.“ Als er nicht antwortete, schloss ich die Tür fester als nötig hinter mir und trat bis an sein Bett. Und als er dieses Mal meinem Blick begegnete sah ich Erleichterung – abrupt unterbrochen von Schmerz. Er sah wieder nach vorn aber ich konnte nicht wegsehen und bei seinem Anblick drangen Bilder an die Oberfläche, die ich in den letzten Tagen verdrängt hatte, um jeden Tag hierher kommen zu können. Bleiche Haut und…sein regloser Körper auf der Lichtung. Seine flache, abgehackte Atmung… Ich schluckte, bemühte mich um einen optimistischen Tonfall. „Wie geht es dir?“ Ich kämpfte aber meine Stimme war leise und brüchig, vor allem, weil die Antwort so offensichtlich war. Es war ewig her, dass ich Sasuke so gesehen hatte. So verschlossen. So kalt. Das Licht hier ließ ihn noch blasser aussehen als sonst, seine Haare rahmten sein Gesicht ein, schwarz wie die Nacht und er wirkte…krank, wie von Innen angegriffen. Bei so viel Abweisung rechnete ich kaum mit einer Antwort, doch er räusperte sich und sprach mit ungewöhnlich hohler, nahezu ausdrucksloser Stimme: „Bestens.“ Es klang beißend und gleichzeitig betäubt. Verloren. Wie eine bittere Lüge. Ich wollte nicht so weit denken und konnte doch nicht die schlimmsten Befürchtungen abwehren, die sofort nach oben drangen: Dass er kaputt war, wieder komplett am Boden, zurückgeworfen um Jahre harter Arbeit und kleine Erfolge. Über allem stand das Was wenn…? Nichts von dem, was zwischen uns stand, zwischen uns passiert war, würde jetzt noch dasselbe sein. Ich verschränkte die Arme, bemühte mich um Haltung und hielt mich gleichzeitig selbst zusammen. „Das sehe ich.“ Ich suchte in seinen Augen nach irgendeiner Form von Reaktion, doch er hütete sie gut, sein Blick war, wie schon so oft zuvor, unlesbar und er machte sich nicht die Mühe zu mir zu sehen. Lange konnte ich dem nicht standhalten. Ich warf die Hände in die Luft und ließ sie dann wieder fallen. „Ich soll nach zehn Minuten wieder gehen aber ich wollte dich zumindest einmal gesehen haben, bevor man mich wieder rausschmeißt.“ Er schwieg. Ich zögerte und biss mir unentschlossen auf die Lippe, fragte mich, ob er bereits wusste, was alles geschehen war, seit er auf der Lichtung das Bewusstsein verloren hatte. „Hat man dir alles…?“ Er schenkte mir einen düsteren Seitenblick. „Sie haben mir alles erzählt.“ Das bezweifelte ich, selbst ohne größere Sicherheit. Ich gab meine Lippe wieder frei. „Auch von den anderen?“ Das brachte eine deutlichere Reaktion. „Was ist mit ihnen?“ Was ist mit ihnen… Nicht: Sind sie okay? Trotz aller Fragezeichen war ich sicher, dass er direkt nach seinem Aufwachen nach uns gefragt hatte und wissen musste, dass wir aus dem Gröbsten raus waren. Seine Besorgnis schien dadurch jedoch nicht gerade gesenkt worden zu sein. Ich schloss die Augen und senkte den Kopf, dann schaute ich auf, verschränkte die Arme erneut und bemühte mich um eine feste Stimme. „Naruto und Kakashi sind bereits entlassen worden.“ Ich dachte an den gestorbenen Anbu. Auch davon wusste er vermutlich noch nicht. In der wenigen Zeit, die er wieder wach war, konnten die Medics und Schwestern ihm unmöglich schon so viel zugemutet haben, selbst wenn Sasuke danach verlangt hatte. „Was ist mit dir?“ Er stellte die Frage ruhig und kontrolliert, sehr, sehr wachsam. Ich konnte meine Überraschung schlecht überspielen, zögerte einen Moment. Natürlich würde er diese Frage gleich hinterher stellen. Warum war ich noch hier und die anderen nicht? Schweigend wog ich meine Antwortmöglichkeiten ab und rieb abwesend über den Verband um meinen rechten Arm, gut verborgen durch meine langen Ärmel. Davon konnte ihm niemand etwas gesagt haben…oder? Sasukes Augen waren sehr dunkel und undurchsichtig, er musterte mich so scharfsinnig, dass ich, jetzt wo ich seine Aufmerksamkeit hatte, geneigt war, ihm auszuweichen. „Ich…bin okay. Ich werde in den nächsten Tagen entlassen.“ Dieses Mal folgte kein Schweigen, ich hatte gerade erst den Satz beendet, da stellte er eine weitere Frage, fast wie eine Beschuldigung, ein deutliches Zeichen von Misstrauen. „Warum erst…?“ Ich spürte Tayanaka-San näher kommen, bevor ich sie hörte und war tatsächlich dankbar dafür. Mit einem Blick über die Schulter verkündete ich ihm, ohne ihn ausreden zu lassen: „Ich muss gehen.“ Er zeigte keinerlei Reaktion, schaute mich nur weiterhin an. „Naruto wird morgen sicher gleich als erster hier auftauchen, wenn du verlegt worden bist, meine ich.“ Stille. Und wenn er nur etwas Zeit brauchte? Wenn er sich genauso fühlte wie ich und sich bald wieder erholen würde? „Bis bald, Sasuke.“ Ich verließ sein Zimmer, als hätte er mich verjagt und das…hätte sich kaum anders anfühlen können. Tayanaka kam gerade vor der Tür zum Stehen, erstaunt, dass sie mich nicht herausschmeißen hatte müssen, aufmerksam für jede Veränderung an mir. Ich verharrte einen Moment auf der Stelle, bemüht mich zu sammeln aber ich versagte kläglich. Als Tayanaka, mit ihrem durchschauenden Blick, jedoch ansetzte, etwas zu sagen, kehrte meine Stimme zu mir zurück und ich kam ihr, dankbar dafür, zuvor. „Danke.“ Dann ging ich an ihr vorbei und flüchtete zurück zu meinem Zimmer. Wie beschlossen wurde Sasuke am Tag darauf auf eine normale Station verlegt. Naruto war an diesem Morgen bei mir, hatte mir die guten Nachrichten verkündet und wartete nun ungeduldig darauf, dass man ihn endlich zu ihm ließ. In diesem Moment stand er an meinem Fenster, mit dem Rücken zu mir. Ich saß auf meinem Bett, ein Bein angewinkelt und starrte auf den Apfel, den die Schwester mir Minuten zuvor in die Hand gedrückt hatte. Ich hatte ihm noch nichts vom Abend zuvor erzählt. „Es braucht etwas Zeit, bis alle Papiere unterzeichnet sind und sein Zimmer vorbereitet ist, Naruto.“ Er drehte sich zu mir um, aber ich sah nicht auf. Der Apfel war geradezu musterhaft, leuchtend rot und glänzend, nahezu perfekt oval. Wie aus Plastik. Ein paar Sekunden herrschte wieder Schweigen, dann verlagerte Naruto sein Gewicht und räusperte sich leise. „Du wirst nicht mitkommen?“ Ich drehte den Apfel um sich selbst, inspizierte seine Rückseite. „Ich denke nicht. Du kannst vorgehen, die Gewässer testen…“ „Sakura…“ Er wollte noch mehr sagen, schien sich jedoch mit seiner Wortwahl reichlich zu quälen. Ich sah auf und das ließ ihn innehalten. Ruhiger, ernster legte er die Hände in den Nacken. „Ich verstehe nicht ganz wie…du warst doch jeden Tag bei ihm? Warum willst du ihn dann jetzt nicht sehen? Jetzt, wo er wach ist?“ Ich erkaufte mir Zeit, rieb mit der Spitze meines Shirts über den Apfel und legte ihn dann vorsichtig auf den Beistelltisch. „In den letzten Tagen war er…“ …auch noch nicht bei Bewusstsein. Ich stockte, schaute wieder zu Naruto und korrigierte mich, bevor ich zu viel sagte. „Ich will ihn nicht überfordern, okay Naruto? Wir müssen nicht über ihn herfallen wie zwei ausgehungerte Wölfe, nicht nach dem was er durchgemacht hat. Was wir alle durchgemacht haben. …und nicht nach drei Tagen künstlichen Schlafs.“ Nicht nachdem er mir demonstriert hatte, dass der eiskalte Sasuke zurück war. Ich legte meine Hände links und rechts von mir auf das Bett und schwang die Beine über den Rand. „Du gehst zuerst zu ihm. Und dann…wenn wir wissen, wie es ihm geht…werde ich ihn besuchen.“ Ich täuschte hier niemanden, das verkündete Narutos Blick als traurige Wahrheit. Seine blauen Augen waren voll von Fragen und doch akzeptierte er meine Entscheidung. Er akzeptierte viele dieser seltsamen Reaktionen meinerseits seit wir zurück waren. „Okay.“ Er ließ seine Arme fallen und nickte langsam. „Wie du willst, Sakura.“ Ich hatte noch ein paar letzte Tests an diesem Morgen, dann wurden – endlich – auch meine Entlassungspapiere unterschrieben. Mit etwas Glück würde Naruto Sasuke helfen können. Und ich konnte gehen und meine eigenen Wunden lecken. Als Naruto desillusioniert zu mir zurückkehrte, räumte ich gerade ein paar letzte Sachen in meine Tasche, unter den Augen von Tsunade, die mir höchstpersönlich ein paar letzte Anweisungen gab. „Alle zwei Wochen berichtest du darüber und über alles andere, was dir sonst irgendwie komisch vorkommt. Jede Kleinigkeit. Verstehen wir uns, Sakura.“ Es war keine Frage. „Ja. Alle zwei Wochen. Ist gespeichert.“ Die Tür, die achtlos hinter Naruto ins Schloss fiel, ließ uns beide aufsehen. Er hatte den Blick gesenkt und verharrte einen Moment so, schweigend und fremd. Dann zuckten seine Schultern und er lachte leise auf. „Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Sasuke noch einmal zurückkehren würde.“ Ich ließ das Shirt achtlos fallen, das ich gerade noch zusammengefaltet hatte. Tsunade stemmte die Hände in die Hüften und atmete laut aus. „Welcher Sasuke? Der, der gerade seinen Bruder umgebracht hat?“ Naruto hob überrascht den Kopf, angesichts ihres drastischen Tons und ihrer drastischen Worte. Tsunade schnaubte. Ich drehte langsam den Kopf zu ihr, nahm den harten Zug um ihre Lippen auf, ihren entschiedenen Blick. „Naruto. Er wird Zeit brauchen. Sei für ihn da und gib sie ihm.“ Ich schaute zurück auf das zusammengefallene Shirt ohne es wirklich zu sehen. Das waren wahre Worte. Wir alle würden Zeit brauchen. „Ich bin für ihn da. Aber er will mich nicht haben. Er spricht nicht. Er gibt kaum eine Regung von sich und die ganze Zeit über vereist er alles um sich herum, schlimmer als eine Kühltruhe.“ „Tja, vielleicht ist er im Schock, bist du schon mal auf diese Idee gekommen?“ Naruto starrte einen Moment und suchte dann nach Worten. „Ich…“ „Er hat gesehen, dass ihr alle drei wohlauf seid. Jetzt braucht er Ruhe und Zeit für sich, Zeit um seine Gedanken zu ordnen und wieder aufzustehen, das Geschehene zu verarbeiten. Ganz ähnlich wie du, Sakura. Nehmt euch diese Zeit.“ Ich zuckte zusammen, als sie plötzlich auch über mich sprach. Sie wartete, bis ich ihren Blick gefunden hatte, dann nickte sie und legte eine Hand auf meine Schulter. „Alle zwei Wochen. Und vergiss nicht zur Nachuntersuchung zu kommen, damit wir deine Krankschreibung absehen können.“ Ich nickte, unwillig aber ohne eine andere Wahl. Sie würde mich erst dann wieder trainieren und arbeiten lassen, wenn sie ihren Kopf durchgesetzt hatte. Auf dem Weg zur Tür griff sie Naruto völlig unvermittelt unter sein Kinn und schaute auch ihm in die überrascht geweiteten Augen. „Sei nicht zu hart zu ihm. Aber mach es ihm auch nicht zu leicht, hörst du, Naruto?“ Er nickte langsam, immer noch erstaunt. Tsunade schaute noch einmal über ihre Schulter. „Ihr beide nicht.“ Dann schloss sie die Tür hinter sich – und ließ Naruto und mich zurück, um einander wortlos anzustarren. So wurde ich also entlassen, fünf Tage nach unserer Rückkehr, ohne Sasuke noch einmal gesehen zu haben. Ich hatte kaum über etwas anderes nachgedacht, als noch einmal zu ihm zu gehen…aber nach Narutos Niedergeschlagenheit und nach Tsunades Worten hielt ich es für das Beste, ihm und mir selbst Abstand zu geben. Dennoch konnte ich meine Gedanken kaum von meinem Besuch bei ihm losreißen, während meine Eltern auf dem ganzen Rückweg über nichts anderes als die gute Zeit, die uns jetzt bevorstand, sprachen. Ich musterte die vertrauten Straßen und Geschäfte und fühlte mich seltsam abgeschottet von so viel, lange abgegebener Normalität. Es war seltsam, wie so viele Erinnerungen, die vorher gute waren, plötzlich von so vielem überschattet und verdorben wurden. Als wäre ich ein komplett anderer Mensch. Und vielleicht war ich das ja auch, ich konnte mich zumindest nicht daran erinnern, zuvor so zurückhaltend und schweigsam gewesen zu sein. Meine Eltern dagegen waren überglücklich – und überfürsorglich. Ich hatte damit gerechnet und trotzdem gehofft, dass es anders sein würde, dass sie mir mehr Raum lassen würden, um mich wieder einzugewöhnen, um alles zu verarbeiten. Denn das würde ich müssen. Als die Haustür hinter uns ins Schloss fiel und der vertraute Geruch meines Zuhauses mich umhüllte, schnürte sich unmittelbar mein Hals zu und heiße Tränen drohten überzulaufen – sie waren nicht ganz unerwartet, in ihrer Intensität jedoch überraschend. Ich blinzelte sie angestrengt weg und versuchte, ruhig zu atmen, ein Lächeln für meine Eltern aufzusetzen und bekam eine Grimasse zustande aber immerhin ließen sich die Tränen unterdrücken. Sie beide verschwanden lächelnd in der Küche, mit der Absicht ein Willkommensessen nur für uns drei zu kochen und ich nahm meine Tasche mit den wenigen Habseligkeiten und machte mich auf den Weg nach oben, jede Treppenstufe eine Erinnerung an Normalität und Alltag, die ein Leben lang her zu sein schienen. Vor der Tür zu meinem Zimmer verharrte ich, lauschte der Ruhe des schattigen Flurs und stellte die Tasche ab, dann legte ich eine Hand auf den abgenutzten Türknauf und öffnete sie mit einem leisen Knarren. Sonnenlicht flutete den Raum und blendete mich für einen Moment und ich hob eine Hand um die Augen abzuschirmen, ehe sie sich daran gewöhnten. Ich ließ meinen Blick einmal über den Raum schweifen und kam schnell zu der Erkenntnis: Es war nichts verändert, alles genau wie zuvor. Ich machte ein paar zaghafte Schritte über die Schwelle, fuhr mit einer Hand über meine staubige Kommode und erhaschte mein Abbild im Spiegel darüber, mit großen glitzernden Augen und dünnen Armen. Geschlagen ließ ich sie beide fallen und blickte zurück in die Augen dieser dürren Fremden, die wirkte, als ob sie bei dem kleinsten Geräusch schreckhaft wie ein Reh auf und davon rennen würde. Sie war blass, hatte dunkle Augenringe und musterte mich argwöhnisch, misstrauisch. Vorsichtig hob ich eine Hand und näherte sie ihr, bis unsere Hände aufeinander lagen, mit nichts weiter als der glatten, kühlen Fläche des Spiegels zwischen uns. „Was ist nur aus dir geworden?“, fragte sie mich und ich zuckte mit den Schultern. Wenn ich die Antwort dafür gehabt hätte – es hätte mich sicher nicht glücklicher gemacht. Die Trauerfeier, sechs Tage nach unserer Rückkehr, wurde zur Kraftprobe. Der Himmel war grau, voller dichter Wolken und ein kalter Wind trieb sie über den ruhelosen Himmel, ließ ein paar trockene Blätter über die Straßen wehen und versuchte sich durch die schwarzen Mäntel der Anwesenden zu beißen. Wieder hatte sich das Dorf am Gedenkplatz versammelt, stand in schwarzen, stummen Reihen und lauschte dem Läuten der Trauer-Glocke. Ich hatte den Mann nicht gekannt, der im Kampf gegen Itachi gefallen war, aber sein Name auf der Gedenktafel vor uns brannte sich ein. Hiroki Tanada. Das Schweigen war spürbar, auch mit dem starken Wind. Kakashi stand ein paar Meter weiter links, starr und unbeweglich, den Blick gesenkt. Naruto und Ino standen direkt links und rechts von mir und Ino hielt meine rechte Hand. Sasuke war für die Trauerfeier entlassen worden aber er war nicht bei uns. Ich hatte ihn zuvor einige Reihen weiter links gesehen und er hatte kurz herübergeschaut, doch nach einigen wenigen Sekunden, mit undurchschaubarer Verschlossenheit in seinem Blick, war er wieder in der Menge verschwunden. Ich hatte gehofft, dass er zumindest heute nicht allein bleiben wollte. Aber Naruto hatte ihn begrüßt, als er vor einer halben Stunde angekommen war und Sasuke hatte ohne Worte genickt und ihn stehen lassen. Daran hatte nicht einmal Naruto irgendeine Ermutigung sehen können, ihm zu folgen und es weiter zu versuchen. Nicht an diesem Tag. Vor uns legte Tsunade als Zeichen ihrer Ehrerbietung und Trauer eine Rose an den Gedenkstein mit dem frisch eingravierten neuen Namen und gab damit das Zeichen für alle anderen, eine Blume niederzulegen. Ich drehte die weiße Lilie in meiner Hand, ließ mich von Ino ein Stück weit führen und reihte mich dann zusammen mit den anderen in die Prozession zum Gedenkstein ein, schweigend und tief in Erinnerungen versunken. Es war nur eine Woche her, dass dieser Mann noch am Leben gewesen war. Und doch war er nicht lebend zurückgekehrt. Und mit seinem Namen auf dem Gedenkstein…konnte ich mich des Gefühls nicht erwehren, dass wir alle nicht wirklich zurückgekehrt waren – oder zumindest etwas von uns zurückgelassen hatten, das unerlässlich war. Ein paar weitere Tage vergingen, ich versuchte mich daran zu gewöhnen, in einem Zimmer zu schlafen, in dem ich mich einst so wohl gefühlt hatte und das jetzt bis zur Decke gefüllt war, mit Erinnerungen, die mir den Schlaf raubten. Ich versuchte in den Alltag zurückzufinden. Ino und ich trafen uns täglich, sie holte mich nach draußen, verabredete uns mit Tenten und Hinata, schleifte uns zum Einkaufen oder zu sich nach Hause und ich war dankbar dafür. Dennoch fühlte ich mich noch immer wie eine Fremde im Dorf. Naruto kam alle paar Tage vorbei, um mir von Sasuke zu berichten, der auch ihm gegenüber noch immer verschlossen blieb, auch wenn Naruto den Anschein gab, sich davon nicht entmutigen zu lassen. Als ich seine Beschreibungen hörte, von Sasukes bitterem Blick, seiner Kälte, seiner Einsamkeit, fühlte ich mich seltsam an viele Jahre zuvor erinnert, kurz bevor Sasuke das Dorf verlassen hatte und fühlte gleichzeitig das Echo eines alten Ichs in mir, das sich schwach, hilflos und allein fühlte. Die von Tsunade verordnete Nachsorgeuntersuchung brachte keine neuen Erkenntnisse, das Fluchmal hatte sich nicht verändert – und so ließ mich Tsunade nach eineinhalb Wochen Zuhause wieder trainieren und arbeiten. Es waren nur ein paar kleine Aufträge, nichts Besonderes, meistens nicht einmal Missionen, die mich aus dem Dorf führten. Aber es waren kleine Schritte zurück zur Normalität. Und es war an einem dieser Tage, an dem ich gerade einen Missionsbericht im Hokageturm eingereicht hatte, als Naruto mich dort fand, ernst und aufgebracht. „Sasuke ist entlassen worden.“, rief er mir entgegen, bevor er überhaupt zum Stehen gekommen war. Ich runzelte die Stirn. „Ich weiß. Shizune hat es mir erzählt.“ Naruto fuhr sich durch die Haare und türmte sie dabei zu ungleichen Bergen auf. „Ja aber er ist einfach weg! Ich wollte ihn vorhin besuchen und da hat man mir gesagt, dass er entlassen worden ist und das nicht einfach von jetzt auf gleich.“ Mir dämmerte, worauf Naruto hinauswollte. Er ließ die Arme fallen, war jedoch so aufgebracht, dass er seine Hände nicht davon abhalten konnte wild zu gestikulieren. „Er hat es gewusst, verstehst du? Und er hat mit Absicht nichts gesagt. Und jetzt ist er weg, ich habe im alten Uchiha-Viertel gesucht aber da war nicht einmal Staub aufgewirbelt.“ Ich konnte nicht umhin, einen Hauch Erleichterung zuzulassen. Immerhin hatte Sasuke sich nicht sofort nach seiner Entlassung etwas so gänzlich Selbstzerstörerischem ausgesetzt. „Sakura. Ich habe keinen Schimmer, wo er sein könnte. Er hat niemandem etwas gesagt, er ist einfach gegangen, ich…“ Ich legte eine Hand auf eine seiner immer noch hektischen Hände und brachte ihn damit dazu, die Schultern sinken zu lassen und ruhiger den Kopf zu schütteln. „Er sollte jetzt nicht allein sein.“ Ich nickte. „Du hast Recht.“ Nachdenklich ließ ich den Blick schweifen, über die schattigen Straßen im spärlichen Licht der bereits untergehenden Sonne. „Und wir werden ihn finden. Hast du Kakashi schon Bescheid gesagt?“ Naruto nickte. „Dann lass uns ein paar Orte sammeln, an denen er sein könnte.“ Wir sprachen ab, wer wo suchen würde und machten uns dann getrennt auf die Suche. Zugegebenermaßen konnte Sasuke überall und nirgends sein. Es gab nur sehr wenige Orte, an denen er sich regelmäßig aufhielt – und die gleichzeitig auch noch anderen bekannt waren. Und so ergaben das Trainingsgelände, abgelegene Bars oder Restaurants alle keine Treffer und bisher hatte ihn auch niemand gesehen, den ich unterwegs danach fragte. Nach einer Weile schickte mir Naruto einen Schattendoppelgänger, der mir ebenfalls keinen Erfolg berichten konnte. Ich schickte ihm einen Doppelgänger zurück und schlug vor, die Hotels von Konoha abzuklappern, in Anbetracht der Tatsache, dass es langsam zu dunkel wurde, um noch vernünftig zu suchen und ebenso wahrscheinlich, dass sich Sasuke irgendeine Unterkunft gesucht haben musste, wenn er nicht in sein altes Viertel zurückgekehrt war. Aber Hotels und Pensionen gab es hier wie Sand am Meer – und wir hatten erneut keinen Anhaltspunkt. Ich hatte erst zwei Unterkünfte befragt und war auf dem Weg zur dritten, überzeugt davon, dass diese Methode die ganze Nacht und länger dauern konnte, ohne dabei sicher zum Erfolg zu führen, als ich eine vertraute Stimme hinter mir hörte. „Ich habe ihn gefunden.“ Ich schaute über meine Schulter. Vermutlich hätte es mich nicht überraschen sollen, Kakashi die wenigen Schritte durch dieselbe Gasse zu mir aufschließen zu sehen, die Hände in den Hosentaschen vergraben und Pakkun neben sich. Aber wir hatten uns seit einiger Zeit nicht mehr gesehen und ich wurde mir dieses Mal nur zu deutlich bewusst, dass plötzlich eine Befangenheit zwischen uns war, die es vorher so nicht gegeben hatte. Ich drehte um und kam ihm ein Stück entgegen, bevor ich jedoch zu einer Frage ansetzen konnte, schnitt er mir das Wort ab. „Er ist in einem kleinen Hotel, nicht weit von hier.“ „Wie hast du…?“ Er nickte bloß zu Pakkun, im selben Moment, in dem ich zu diesem Schluss kam. „Ich kenne die Wirtin. Sasuke scheint ihr ohnehin aufgefallen zu sein, deshalb hat sie Pakkun gleich alle Auskünfte gegeben, die wir brauchen.“ Dankbar ging ich in die Knie und tätschelte dem kleinen Mops lächelnd den Kopf. Ein freundliches Hecheln aus dem grimmigen Gesicht war die Antwort und er legte den Kopf schief und gab ein Geräusch tiefer Zufriedenheit von sich. „Sakura, kannst du…?“ Er kam nicht dazu, seine Bitte auszuformulieren, sondern unterbrach sich mit einem kurzen Blick zu Kakashi. Und ebenso spürte ich Kakashis aufmerksamen Blick auf mir, als ich mich ernüchtert wieder aufrichtete. Ich strich meinen Rock glatt, und sah ihm, als ich keine andere Wahl mehr hatte, entgegen. Sein sichtbares dunkles Auge war in dieser schattigen Gasse kaum auszumachen. Ich räusperte mich, bemüht um eine klare Stimme. „Danke. Wirst du mich begleiten?“ Ich hatte nicht wirklich mit seiner Zusage gerechnet, dennoch, als er nach einem langen Augenblick reagierte, fühlte ich mehr hinter seinem Kopfschütteln als erwartet. „Es ist wahrscheinlich am besten, wenn du allein gehst. Ich werde Naruto Bescheid sagen und ihn zurückhalten, bis du mit Sasuke gesprochen hast.“ Ich hielt seinen Blick, suchte nach etwas dahinter, einem Hinweis, irgendetwas, um seinen verhüllten Ausdruck lesen zu können. „Kakashi…“ „Du hast mehr Talent zu reden als Naruto oder ich. Vernünftig zu reden. Und Sasuke und du…ihr teilt ähnliche Erfahrungen. Wenn jemand in dieser Situation zu ihm durchdringen kann, dann vermutlich du.“ Er sagte all das recht schnell, aber entschlossen und fest. Dennoch wurde ich das Gefühl nicht los, dass es gezwungen klang. Ich warf einen Blick zur Seite und stellte fest, dass Pakkun begonnen hatte, in der Gasse umher zu schnüffeln. Ich sah wieder nach vorn und senkte meine Stimme. „Du bist vernünftiger als ich, Kakashi.“ Sein Auge verengte sich für einen Moment, sein Kiefer spannte sich an…dann zuckte er mit einer Schulter und schüttelte den Kopf. „Darüber werden wir uns nicht einigen können, Sakura.“ Er wartete einen Moment, stand immer noch kaum verändert vor mir, die Hände vergraben, das Gesicht verhüllt. Und ich suchte nach Worten, die jetzt nötig waren, die an diese Stelle gehörten – und fand sie nicht. „Du solltest jetzt gehen, er wird sicher bald bemerken, dass wir herausgefunden haben, wo er sich aufhält.“ Einen Augenblick verharrte er noch so, dann schaute er zu Pakkun und wieder zu mir. „Pakkun kann dich hinführen.“ Ich wollte immer noch etwas sagen, diese seltsame Spannung zwischen uns lösen aber ich brachte nach vergeblicher Suche dennoch nur ein Nicken zustande. „Okay.“ Mit einem kurzen Blick zu Pakkun, der jetzt zu uns zurückkehrte und einem weiteren zu Kakashi, der ruhig da stand, die Hände immer noch in den Taschen, nickte ich Pakkun zu und folgte ihm aus der Gasse. „Er wird sich wohl nicht einfach zurückbringen lassen, Sakura.“, hörte ich Kakashi sagen, kurz bevor ich um die Ecke gehen konnte. Ich sah zurück. Er war nahezu mit der dunklen Mauer verschmolzen, nur sein Haar glänzte silbrig im letzten Tageslicht. Ich legte eine Hand auf die Mauer und antwortete leise. „Nein, das wird er nicht.“ „Vergiss das nicht.“ Ich verharrte ein paar Sekunden – und nickte. „Okay.“ Dann ließ ich mich von Pakkun zurück auf die Straße führen. Ein letzter Blick zurück –Kakashi war bereits fort. Es war ein kleines Gebäude in einem Hinterhof, zu dem Pakkun mich führte. Der Eingang war eine grüne Doppeltür und links und rechts davon mit Blumen geschmückt, die sich noch tapfer gegen die sinkenden Temperaturen wehrten und wie zum Trotz in Gelb und Orange leuchteten, auch ohne das mittlerweile verschwundene Tageslicht. Zwei gelbe Lampen darüber erhellten den Hof in einem warmen Lichtkegel. All das machte einen freundlichen Eindruck, ruhig aber gut umsorgt. Ich konnte mir vorstellen, dass Sasuke diese Pension wegen ihrer Abgeschiedenheit gewählt hatte. Pakkun verabschiedete sich, ohne noch einmal um mehr Streicheleinheiten zu bitten, höflich wie immer, verschwand in einer weißen Rauchwolke und hinterließ nicht mehr als den Nachgeschmack, dass Kakashi und ich unausgesprochene Dinge klären mussten und zwar bald. Ich musterte noch einmal die Fassade, den dunklen, nur am Horizont noch rötlich gefärbten Himmel, dann straffte ich die Schultern und öffnete eine der Türen. Die besagte Wirtin von der Kakashi gesprochen hatte erwartete mich bereits und kam von der Rezeption zu mir herüber, als ich eintrat. „Uchiha-San?“, fragte sie mich sicherheitshalber. Ich nickte. „Ist er noch hier?“ Sie atmete laut aus. „Er ist den ganzen Tag nicht herunter gekommen und ich vermute, dass er auch nichts gegessen hat, zumindest nicht hier bei uns. Ich habe ein paar Mal geklopft aber…es kommt keine Antwort. Und ich kann hören, dass er dort ist, es klirren Gläser…“ Sie knetete nervös ihre Hände. Ob sie besorgt um Sasuke oder um den Ruf ihres Hauses war konnte ich nicht sagen. Dennoch nickte ich ihr beruhigend zu. „Ich werde nach ihm sehen.“ „Er sah nicht gut aus.“, fügte sie plötzlich hinzu. „Da ist etwas Dunkles an ihm. Wie ein Schatten, den er mit sich trägt.“ Ich verharrte kurz, musterte sie genauer aber sie schien nicht zu wissen, wie nah sie damit an der Wahrheit lag. Bereitwillig wies sie mir den Weg zur Treppe und gab mir seine Zimmernummer, dann kehrte sie, immer noch sehr nervös, zur Rezeption zurück. Ich spürte ihre Blicke auf meinem Rücken, als ich die Treppe nach oben ging, dann umhüllten mich die Stille und das gedämpfte Licht eines fensterlosen Flurs. Nicht viele Zimmer schienen im Moment belegt zu sein, ich konnte in jedem Fall nur zwei andere Chakren wahrnehmen und eines davon…war Sasukes. Vor seiner Tür blieb ich stehen und legte eine Hand auf den Türgriff, lauschte jedoch erst ein paar Sekunden. Erst hörte ich gar nichts, dann das leise Klingen von Glas und vermutlich das Eingießen einer Flüssigkeit. Ich konnte mir denken, was er tat und hoffte doch, dass ich mich irrte. Dementsprechend gewappnet, klopfte ich mit der freien Hand und wartete. Er öffnete mir erst nach einer Weile, was nicht gerade dazu beitrug meine Sorge zu entkräften aber – er öffnete. Doch als er die Tür aufschwang, tat er es so nachlässig und gleichgültig, dass alle meine Alarmglocken gleichzeitig schrillten. „Wer hätte das gedacht…Sakura.“ Ich blieb vor der Tür stehen. Er lehnte sich gegen sie, mit einer Hand noch auf dem Türgriff und musterte mich mit einem unlesbaren Ausdruck im Blick. Er trug nichts weiter als eine lange, dunkle Trainingshose, seine Haare fielen ihm ins Gesicht und standen von seinem Kopf ab, seine Augen waren tiefdunkel und er hatte Augenringe, die sich von seiner blassen Haut besonders abhoben. Das sah nicht gut aus. Ich richtete mich auf. „Sasuke. Kann ich reinkommen?“ Ohne Worte sah er einmal an mir herab und wieder hinauf, dann zuckte ein spöttisches Lächeln um seine Mundwinkel und er machte einen Schritt beiseite, ohne mich aus den Augen zu lassen. Das also war die erste Reaktion, die ich von ihm bekam, seit ich ihn zuletzt sarkastisch und verbittert im Krankenhaus gesehen hatte. Ich atmete tief ein, dann trat ich an ihm vorbei und drehte mich zu ihm um, während er die Tür ebenso gedankenlos ins Schloss fallen ließ, wie er sie geöffnet hatte. Ich musterte seinen Rücken, die Art wie seine Muskeln bei dieser schlechten Haltung angespannt waren, das Aufblitzen silbriger Narben von vor langer Zeit. Aus Tagen, in denen er sich völlig gedankenlos vor Naruto geworfen und sein Leben gerettet hatte. Auf seinem unteren Rücken fand sich eine neue Narbe, noch grell gerötet und kaum verheilt. Dort hatte Itachi ihn mit seinem Katana erwischt. Er musste die Verbände oder das Druckpflaster bereits abgenommen haben, zweifellos aus eigenem Wunsch. Mit viel Mühe wandte ich mich ab und machte ein paar Schritte in den Raum hinein, musterte die elegante und liebevoll gestaltete Einrichtung, die glänzenden dunklen Holzmöbel, das große Himmelbett. Nur eine Stehlampe an der äußeren Wand des Hauses erhellte den Raum und sorgte für ein dämmriges Licht, das viele Schatten warf. Auf der linken Zimmerseite führte eine Tür in einen angrenzenden Raum, vermutlich in ein Badezimmer. Sasuke ging an mir vorbei, zurück zu einem breiten weißen Sofa mit einem flachen Tisch davor und einer Anrichte daneben. Darauf standen mehrere Karaffen, gefüllt mit etlichen Inhalten, die sich bei genauerem Hinsehen als sehr wahrscheinlich alkoholisch herausstellten. Vor meinen Augen griff er nach einem bereits benutzten Glas und leerte die bernsteinfarbene Flüssigkeit in einem Zug. Davon noch nicht genug, goss er sich gleich ein zweites ein, setzte es an die Lippen und wieder ab, als er sich an etwas zu erinnern schien. „Vergib mir meine Unhöflichkeit. Kann ich dir auch etwas anbieten, Sakura?“ Wenn seine Worte nicht von Sarkasmus und Fremdheit getränkt gewesen wären, hätten sie glatt als zuvorkommend durchgehen können. Sie waren es aber. Ich hielt seinen Blick. „Nein. Danke.“ Er schaute zurück, einen langen Moment, dann zuckte er mit einer Schulter, lächelte amüsiert und schloss die Augen, als er sein Glas erneut leerte. Ich ging an ihm vorbei zum Fenster hinter dem Sofa und zog den feinen, durchsichtigen Stoff davor beiseite, um hinauszuschauen. Im Gegensatz zum Eingangsbereich des Hotels lag sein Zimmer direkt an einer der ruhigeren Straßen Konohas, mit dem Blick auf eine Allee mit alten Bäumen und Laternen, die hier und da ein paar Lichtinseln bildeten. Die Sonne war untergegangen und ein paar erste Sterne blitzten durch unruhige Wolkenschichten am Himmel. Sasuke konnte sich nicht weniger dafür interessieren. Zumindest tat er es jetzt nicht, er war zu beschäftigt damit, sich ein weiteres Glas einzuschenken. Ich ließ meinem Blick schweifen, über die verschiedenen Flaschen auf dem Beistelltisch und stellte fest, dass sie in dem Stand ihres Inhaltes stark variierten. Und die Flasche in Sasukes Händen…schien ihn bereits seit einer Weile zu beschäftigen. 5) Opus 33 - Dustin O'Halloran http://www.youtube.com/watch?v=tfQI27UBbzE&feature=related „Sasuke.“ Er schien sich tatsächlich noch zu steigern, zweifellos um mich zu provozieren, und füllte sein Glas nahezu bis zum Rand, bevor er wie beiläufig aufschaute. „Sakura?“ Ich ließ den Vorhang wieder vor das Fenster fallen und trat zu ihm an den Tisch. „Was tust du hier?“ Er nahm einen Schluck. „Ich genieße meinen ersten Tag außerhalb des Krankenhauses seit…wie lange ist es her? Zwei Wochen?“ Ich griff nach seiner Flasche und hielt sie gegen das Licht, roch kurz daran. Whiskey. „Ernsthaft, Sasuke. Was soll das werden?“ „Spar dir dein Mitleid.“ Seine Stimme klang rau und gleichgültig und er nahm sie mir aus der Hand und schaute einen Moment darauf, dann spannten sich seine Schultern an, als ob er zu einem neuen Entschluss gekommen war – und er trank direkt aus der Flasche. Ich kontrollierte meine Wut nur oberflächlich, sah dabei zu, wie er einen großen Teil davon leerte und ballte die Fäuste, als er sie wieder absetzte und sich nicht mehr darum scheren konnte, was ich davon hielt. Ich wusste es besser, als sie ihm zu entreißen – aber es war schwer, mich konstant daran zu erinnern. Stattdessen also biss ich die Zähne zusammen und konzentrierte mich auf das Wesentliche. „Nimmst du noch Schmerzmittel?“ Während ich seine Antwort abwartete, sah ich mich erneut in seinem Zimmer um, auf der Suche nach Tablettenverpackungen aber ich wurde nicht fündig. Sein hartes Auflachen brachte mich wieder davon ab und ich schaute gerade rechtzeitig zurück, um Trotz in seinen Augen aufblitzen zu sehen. „Ich bin nicht dabei mich umzubringen, Sakura. Du kannst beruhigt wieder gehen.“ „Zum Teufel damit, Sasuke.“ Er hob die Augenbrauen, als wäre all das hier unheimlich unterhaltsam. „Geh und sag Naruto, dass ich mich nicht vom nächsten Hausdach gestürzt habe. Deshalb bist du doch hier? Um Naruto beruhigen zu können?“ Meine Augen wurden schmal. „Du weißt genau, warum ich hier bin.“ „Wirklich?“ Er nahm noch einen Schluck und schüttelte den Kopf, als er die Flasche wieder sinken ließ. „Das bezweifle ich. Also bitte. Klär mich auf.“ Er fing meinen Blick, mit nachtschwarzen Augen voller Sarkasmus. „Ein Krankenbesuch? Ein Mitleidsbesuch? Für den armseligen…“ Dieses Mal konnte ich mich nicht zurückhalten. Ohne Kontrolle holte ich aus und schlug ihm die Flasche aus der Hand. In seinem Zustand konnte er nicht mehr tun, als ihr milde überrascht hinterher zu sehen und dabei zuzusehen, wie ihr restlicher Inhalt vom hellen Teppich sofort aufgesaugt wurde. „Die Rechnung für die Reinigung…“ Mit wenigen Schritten war ich bei ihm, griff nach seiner Schulter und drängte ihn zurück gegen die Lehne des Sofas, um ihn dort zu halten. Er sah mir in die Augen, in seinem Zustand wohl nur milde überrascht. „Ich bin hier, weil ich mir Sorgen um dich mache, Sasuke! Nicht um Naruto einen Gefallen zu tun.“ Er lauschte meinen Worten, beinah gelangweilt und doch schien sein Non-Chalant-Verhalten Sekunden später, unvermittelt, wie weggewischt und plötzlich war der Ausdruck in seinen Augen nicht mehr gelangweilt oder trotzig – er war beißend. „Tatsächlich?“ Es war keine Frage, nur der Beginn eines Vorwurfs. „Bist du deshalb in den letzten zwei Wochen so oft im Krankenhaus gewesen? Bei mir?“ Ich hielt seinen Blick und war dennoch unvorbereitet auf diese Frage. Mein Griff auf seiner Schulter wurde lockerer. „Ich wollte dir Raum geben…Zeit, um dich zu erholen…“ Es klang nicht nur in meinen Ohren armselig. Sasuke schnaubte. „Natürlich. Wie achtlos von mir, nicht selbst darauf zu kommen. Sakura, die große Medic-Nin, muss es ja wissen.“ Der Zorn kehrte so schnell zurück, dass ich darauf achten musste, nicht versehentlich etwas zu zerbrechen. Ich machte einen Schritt zurück, weg vom Sofa, von all den Flaschen, den zierlichen Holztischen – und von Sasuke. „Du wolltest mich dort nicht haben…!“, erwiderte ich zähneknirschend. Er machte meine Vorsichtsmaßnahmen zunichte und schloss wieder zu mir auf, so angefeuert wie ich. „Nein, was ich nicht wollte, war von dir angelogen zu werden!“ Hatte er noch leise begonnen, so bekam seine Kontrolle zum Schluss hin einen Riss. Ich schüttelte den Kopf, verständnislos. „Ich habe dich nicht angelogen, was redest du da?“ Wut, eiskalte Wut spiegelte sich in seinen Augen und als ich stockend einatmete, immer noch ohne Ahnung, wovon er sprach, machte er noch einen Schritt auf mich zu, griff nach meinem rechten Arm und zerrte meinen Ärmel bis zum Ellenbogen. Für uns beide deutlich zu sehen, leuchtete das Fluchmal auf meinem Unterarm, groß und schwarz. Seine Hand verharrte einen Moment an meinem Ärmel und so dicht wie er war hielt er meinen Blick und senkte seine Stimme. „Du bist okay, ja? Alles in Ordnung.“ Sein Atem roch nach Alkohol. Er musste bereits eine Menge getrunken haben. Unvermittelt brach er den Kontakt, löste seinen Griff, mit mehr Kraft als nötig, und wandte sich frustriert ab, um Bahnen durch den Raum zu ziehen, wie ein gefangenes Raubtier. Mein Arm fiel haltlos herab, betäubt im Angesicht der Tatsache, dass Sasuke davon wusste. „Woher weißt du…?“ Er warf die Hände in die Luft, ohne stehen zu bleiben und schaute zu mir. „Ich hätte es von dir hören sollen! Nicht von irgendeiner Schwester.“ Meine linke Hand hatte ich unbewusst um meinen rechten Arm gelegt und ich umklammerte das Fluchmal, als ob ich es damit verstecken könnte. „Sie hätte dir niemals davon erzählt, das ist eine vertrauliche…“ Er musste nichts weiter sagen. Er blieb einfach nur stehen und sah mich an, bis ich selbst darauf kam. Die Erkenntnis schürte noch mehr Wut. „Dazu hattest du kein Recht!“ „Ach ja? Also hätte ich warten sollen, darauf, dass du es mir nie erzählt hättest? Darauf, dass niemand von euch es mir erzählt hätte?“ „Du hast uns überhaupt keine Möglichkeit dazu gegeben! Du wolltest niemanden um dich haben, mit niemandem sprechen und erst recht nichts von uns hören!“ Stille folgte auf meine schrillen Worte. Ohne bessere Alternative ging ich zu dem kleinen Tisch mit den Flaschen zurück, griff nach der erstbesten und hob sie an den Mund. Was auch immer darin war, schmeckte scheußlich und doch nahm ich so viele Schlucke, bis ich das Gefühl hatte, mein Hals verbrannte von Innen. Ich ließ die Flasche sinken, wischte mir mit dem freien Handrücken über den Mund und verharrte einen Moment so, versuchte meine Gedanken zu sortieren. Als ich mich umdrehte, trennte uns nahezu der ganze Raum aber er schaute mich noch immer an. „Wieso deutest du noch immer, nach all den Jahren, jede Fürsorge, jeden Versuch, dir zu helfen, als das Gegenteil, Sasuke?“ Er kämpfte dagegen an – aber dann flackerte sein Blick zu meinem Arm. Ich machte keine Anstalten, ihn zu verstecken, ließ ihn trotzig in seinem Blickfeld, dann schüttelte ich den Kopf. „Wenn du keine Schmerzmittel mehr nimmst, fein, betrink dich, bis du nicht mehr weißt, wer du bist. Es wird dir sowieso nicht gelingen.“ Mit einem letzten Blick darauf und einem dumpfen Laut stellte ich die Flasche wieder auf den Tisch und sah zurück zu ihm. „Naruto ist krank vor Sorge um dich. Kakashi hat mit Pakkun nach dir gesucht. Und jeder von uns würde dich bei sich wohnen lassen, solange du willst. Aber das ist das Problem oder? Du willst keine Hilfe, du willst immer alles allein schaffen.“ Mit diesen Worten machte ich Anstalten an ihm vorbei zur Tür zu gehen. Doch er hielt mich auf, so unerwartet wie schnell, stellte sich vor mich und drehte mich mit dem Rücken zur Wand. Seine Hand griff nach meinem Kragen und bevor ich genug realisiert hatte, um ihn davon abzuhalten, zog er ihn ein Stück herab und enthüllte meine neueste Narbe, eine schmale Linie auf der Haut meines Halses, direkt unter meinem Kinn, leicht rosa, dünn und empfindlich, als wäre sie nicht mehr als ein paar Stunden alt. Ich hatte sie selbst einige Male so gemustert. Er starrte darauf, völlig versunken, und ich verharrte auf der Stelle, beobachtete ihn, ließ ihm diesen Moment. Ausnahmsweise wusste ich genau, was er dachte. Am Tag auf der Lichtung, als ich noch unter Itachis Einfluss gestanden und gegen Sasuke gekämpft hatte, hatte er mich genau dort mit seinem Kunai geschnitten, nur leicht, nicht besonders tief. Aber diese Narbe stammte nicht von ihm – sie kam von meinem eigenen Kunai, als ich, ohne jeglichen anderen Ausweg, Itachi mit meinem Leben erpresst hatte. Mit einem frustrierten Seufzen, schob ich Sasukes Hand schließlich weg und drehte den Kopf zur Seite. „Das ist nicht dein Werk, Sasuke.“ Ich spürte seinen Blick, brennend und aufmerksam für das kleinste Detail. „Ich habe mir diese Narbe selbst zugefügt. Dein Schnitt war um Längen nicht tief genug.“, ergänzte ich leise, selbst im Bann der Erinnerung an diesen schwarzen Tag. Ernüchtert und plötzlich unheimlich erschöpft, ohne das Gefühl, hier noch irgendetwas ausrichten zu können, drehte ich mich noch einmal zur Tür. Bevor ich sie jedoch öffnen konnte, sah ich aus dem Augenwinkel wie Sasuke erneut eine Hand nach mir ausstreckte. Ich brauchte einen Augenblick, um seine Absicht zu erkennen, dann jedoch entriss ich ihm meinen Arm, bevor er das Fluchmal berühren konnte und stellte mich dicht vor ihn. Der Zorn war so schnell wieder da, wie er verraucht war. „Wag es ja nicht so zu tun, als ob du irgendein Recht hättest, es dir anzusehen, geschweige denn darüber zu sprechen.“ Seine Augenbrauen senkten sich und er zog die Hand zurück, sehr langsam. Ich musste ein Stück zu ihm hochsehen aber er hielt meinen Blick. „Ich weiß, dass es dir schlecht geht. Aber ich bin es leid, dass du deshalb glaubst, alle anderen wie deine Fußabtreter behandeln zu können. Vor allem, wenn sie dir ohnehin schon ihre Hilfe angeboten haben.“ Mit diesen Worten öffnete ich die Tür, verharrte im Rahmen, kaum zurückgehalten, und sah noch einmal zu ihm. Er stand noch an derselben Stelle und ich konnte ihm nur wenig ansehen aber dieses Mal waren es seine Fäuste, die geballt waren. „Und was deinen Vorwurf angeht…du kannst nicht wirklich von mir erwartet haben, dir – nach drei Tagen Koma – als erstes von dem Fluchmal zu erzählen, Sasuke. Was glaubst du von mir? Warum sollte ich dir das antun…?“ Die Frage schwebte zwischen uns in der Luft. Ich senkte meine Stimme, bemüht um mehr Haltung. „Ich werde Naruto sagen, wo du bist. Und es wäre wirklich gut, wenn du auch noch hier wärst, wenn er dich besuchen kommt.“ Was auch immer in Sasuke vorging, seine Bewegungslosigkeit war vorbei. Er ging schon wieder zum Tisch mit den Flaschen darauf, mit dem Rücken zu mir, fest entschlossen mir seine angebliche Gleichgültigkeit, oder was auch immer er beabsichtigte, zu zeigen. Und das und die Narbe auf seinem Rücken vertrieben meinen Zorn und machten Platz für die Sorge, die mich hierher getrieben hatte. „Sasuke.“ Er drehte sich nicht um aber ich wusste, ich wusste, dass er mich hören konnte und dass er lauschte, mit all seiner Aufmerksamkeit. „Du kannst nicht allein durch das alles gehen. Es macht dich kaputt.“ Ich wartete eine Weile, sah zu wie er ein weiteres Glas füllte. Dann… „Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten, Sakura.“ Es klang bei weitem nicht mehr so giftig oder so kalt wie zuvor, eher müde und kraftlos –– aber das änderte nichts. Seine Verletzungen trafen mich trotzdem so tief, wie er beabsichtigte. Ich griff nach der Tür, versuchte den Griff nicht zu zerdrücken. Und senkte meine Stimme in einem nachträglichen Gedanken noch einmal. „Du magst kalt und abweisend sein. Und schon immer versucht haben, gleichgültig zu sein. Aber bei aller Kälte und bei jeder Abweisung, gleichgültig bist du nicht. Du bist es nie gewesen.“ Dann zog ich die Tür hinter mir zu und sie fiel ins Schloss, laut und endgültig. Ich ging langsam und bedacht, verließ das Hotel so ruhig und unauffällig, dass auch die Besitzerin der Pension weit weniger besorgt war und fand mich dann im ruhigen, dunklen Innenhof wieder. Auch wenn ich nicht weniger besorgt um Sasuke war, sein Verhalten war bitter und ich hätte es nicht laut ausgesprochen aber…für diesen Moment wollte ich nur weg von hier, weg von dieser einsamen Stille und weg von einem Mann, dessen gutes Herz ich gesehen hatte – und der es freiwillig versteinern ließ. Bevor er mich mit sich nach unten ziehen konnte. 6) Prelude 2 - Dustin O'Halloran http://www.youtube.com/watch?v=uQKka2JawnY&feature=related „Ernsthaft, Sakura? Du hast alles auf deinem Teller mehrmals von links nach rechts geschoben aber nichts davon gegessen.“ Ich wandte meinen Blick vom Fenster und den geschäftig durch die Straße laufenden Menschen ab, um zu sehen, wie Ino mit gerunzelter Stirn meinen Teller inspizierte. Sie schüttelte den Kopf, schaute davon auf und die Sorge und die Frage nach dem Warum standen in ihren Augen geschrieben, als sie mich ein paar lange Sekunden beobachtete. Offenbar war sie selbst nicht besonders hungrig oder schien es jetzt nicht mehr zu sein, denn ihr Teller war ebenfalls nur zur Hälfte geleert und in diesem Moment schob sie ihn ein Stück von sich weg und griff nach ihrer Serviette. „Ich dachte, wir wären uns einig darin, dass es keinen Sinn macht, mit Sasuke zu leiden. Mitfühlen, ja. Aber nicht mitleiden. Er muss zur Vernunft kommen. Bis dahin, kannst du nichts daran ändern, wie es jetzt ist.“ Ich folgte ihren Worten, dann drehte ich den Kopf wieder zum Fenster, ohne die Einkäufer draußen wirklich zu sehen. „Das sind wir.“ Sie ließ die Serviette zurück auf den Tisch fallen. „Aber?“ Ein freudloses Lächeln zuckte um meine Mundwinkel. „Ich bin nicht sicher, ob er wieder zur Vernunft kommen wird.“ „Nun. Du hast keine andere Wahl, als darauf zu hoffen. Dir geht es selbst nicht gerade prächtig und du kannst ihm nicht helfen, wenn du gar nicht in der Verfassung dafür bist.“ Ich schaute zurück zu ihr, milde amüsiert. „Prächtig? Seit wann redest du so gestelzt?“ Sie sah einen Augenblick zurück, ungläubig, dann schüttelte sie erneut den Kopf, langsam aber sicher mit ihrer Geduld am Ende. Und eigentlich überraschte es mich, dass sie sie sich so lange bewahrt hatte. Sie hatte es wirklich nicht leicht mit mir. „Es lohnt sich nicht, deine Kraft für so…“ „Kann ich Ihnen noch etwas bringen?“ Der Kellner bewahrte mich – unbewusst auf die Sekunde genau – vor einer neuen Rede über Vernunft und Kräfteeinsparung und Ino schien ebenso wie mir klar zu sein, dass sie für heute keine weitere Chance mehr bekommen würde, sie mir zu halten. „Nein, danke.“, antwortete ich mit einem Lächeln. „Wir würden gern zahlen.“ Ino hob die Augenbrauen. „Ich habe noch andere Termine, Ino. Entgegen deiner Vorstellung habe ich nicht den ganzen Tag Zeit, um dich zum Mittagessen zu treffen.“ Ihr Blick war düster, als der Kellner die Rechnung präsentierte aber ich zwang mich, nicht darauf einzugehen und zahlte ihr Essen ebenfalls. Um zumindest halbwegs meine schlechte Gesellschaft wieder gut zu machen. Als die Eingangstür mit dem Klingen einer Glocke hinter uns ins Schloss fiel, umarmte ich sie und auch wenn sie erst entschlossen schien, ihre Missbilligung weitere zu demonstrieren, ließ sie sich schließlich doch erweichen und drückte mich mit mehr Kraft als nötig zurück. „Wir sehen uns morgen.“, sagte ich leise neben ihrem Ohr und sie nickte. „Mach keinen Blödsinn, Sakura.“ Solche Worte hatten in letzter Zeit immer den Unterton echter Sorge und waren Feuer für mein schlechtes Gewissen. „Natürlich nicht.“ Ich löste mich von ihr und versuchte mich an einem ermunternden Lächeln, dann verabschiedeten wir uns und ich machte mich auf den Weg zum Hokageturm. Inos Blicke verfolgten mich, bis ich um die nächste Ecke gebogen war und dort angekommen, lehnte ich mich einen Moment an eine Hauswand, legte den Kopf zurück und schloss die Augen. Vor zwei Tagen war ich bei Sasuke gewesen aber seitdem hatte ich nichts mehr von ihm gehört, bis auf die Tatsache, dass er nicht die Pension gewechselt und Naruto in sein Zimmer gelassen hatte. Ich haderte beständig mit dem Wunsch, mich von all dem zu lösen, mich auf mich selbst zu konzentrieren, meine Kräfte nicht zu vergeuden, wo sie offensichtlich nicht erwünscht waren – aber meine Gedanken kreisten dennoch um ihn. Isoliert und völlig seinen dunklen Gedanken überlassen. Naruto hatte nichts Neues zu berichten, Sasuke blieb, wie ich ihn zuvor erlebt hatte. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es ihm besser gehen sollte, wenn er die ganze Zeit allein war aber ich nahm es so hin. Das hieß jedoch nicht, dass ich gut damit leben konnte. Nacht für Nacht kämpfte ich, um einzuschlafen, tagsüber versuchte ich den Alltag im Alltag wiederzufinden – aber das wäre mir nicht möglich ohne meine Familie und ohne meine Freunde. Sasuke hatte keine Familie und seine Freunde ließ er nicht an sich heran. Ich hatte immer gewusst, wie viel Einfluss Itachi mit seinen Taten auf ihn genommen hatte, befürchtet, dass sein Tod, falls er denn eines Tages eintreffen würde, große Auswirkungen auf Sasuke haben würde…dennoch hatte ich nicht vorhersehen können, dass wir Sasuke noch einmal verlieren könnten. Möglicherweise würde er bald zu uns zurückkehren, das versuchte ich mir einzureden. Aber es sah nicht danach aus. Wirklich nicht. So in Gedanken versunken und gegen jedes bessere Wissen trugen mich meine Schritte nicht zum beabsichtigten Ziel, stattdessen fand ich mich bald vor derselben Pension wieder, vor der ich schon vor zwei Tagen, zugegebenermaßen entschlossener, gestanden hatte. Ich rügte mich selbst, wusste, dass es mir nur noch mehr Schmerzen bringen würde aber ich ließ mir keine Zeit, um zögern zu können, atmete tief durch und ging hinein. Erneut traf ich auf die Besitzerin des Hauses, sie schien jedoch ausgesprochen verwundert mich hier anzutreffen. Denn Sasuke war nicht mehr dort. Er hatte sein Zimmer am Abend bezahlt und die Pension daraufhin verlassen, wohin wusste sie nicht. Mit vielem hätte ich gerechnet aber damit nicht. Ich hatte am Tag zuvor noch mit Naruto gesprochen und da hatte er nichts von einer Entscheidung Sasukes erzählt, sich eine andere Unterkunft zu suchen. Aber er war nicht hier, also blieb mir keine andere Wahl, als direkt zu Naruto zu gehen – und dort erhielt ich meine Antworten. Er öffnete mir die Tür und sah erschöpft aus – erschöpft und resigniert. Naruto. Ich war noch nicht einmal eingetreten, als ich dies feststellte. Und somit ließ die Erkenntnis nicht lange auf sich warten. „Er ist weg oder?“ Ich griff nach seinem Türrahmen und konnte nicht wegsehen, gebannt. „Sakura…“ Naruto rieb sich angestrengt mit einer Hand den Nacken und kniff die Augen zusammen. Er hatte offenbar gerade noch geschlafen, unter seinen Augen waren dunkle Ringe, seine Haare standen ab und er trug eine weite Hose und ein altes Shirt. Aber seine Augen selbst waren wach und als er auf meinen Blick traf, atmete er einmal tief aus, fuhr sich durch die Haare und hielt die Tür auffordernd noch weiter auf. „Komm rein. Lass uns drinnen darüber reden.“ Sein Verhalten kam einer Bestätigung mit Worten gleich und war so betäubend, dass ich wie auf Autopilot in seine Wohnung ging, entfernt wahrnahm, wie er die Tür hinter mir schloss und mich in seine Küche führte, mich an seinen Tisch setzte, eine Tasse vor mich stellte und Tee aufsetzte. Schweigend. Vielleicht war ihm klar, dass ich den ersten Schlag noch verarbeiten musste oder er musste sich seine Worte erst zurechtlegen. Minuten später saßen wir beide am Tisch, mit dampfenden Tassen vor uns und ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. „Wohin ist er gegangen?“ Naruto fuhr sich über die Stirn, schloss die Augen, atmete noch einmal aus. Dann sah er hoch zu mir und in seinem Gesicht stand Entschlossenheit. Gewappnet für was auch immer er mir offenbaren würde, würde er nicht länger ausweichen. „Ich weiß es nicht. Das hat er mir nicht gesagt.“ Ich wollte ruhig bleiben aber sofort ging mein Temperament mit mir durch. „Ach aber er hat dir etwas gesagt? Was denn, Naruto? Dass ihr mir – wieder einmal – nichts von seinen oder…oder euren Entscheidungen mitteilen könnt?“ Meine Stimme war zittrig vor Wut. Ich senkte den Blick und fixierte den Tisch. „Er hat mir nichts gesagt, Sakura. Zumindest nicht aus eigenem Entschluss. Ich war gestern Abend noch bei Ichiraku und dann in seiner Gegend und bin zufällig noch einmal bei ihm vorbeigegangen. Und da hatte er gerade die Rechnung bezahlt.“ Seine Stimme war ruhig und zweifellos ohne Vorwürfe für meine wütenden Worte. Das war schlimmer, als genauso behandelt zu werden, wie ich ihn behandelte. Ich ballte meine Fäuste unter der Tischplatte und sah wieder auf. Naruto hielt meinen Blick. „Er hätte mir ebenfalls nicht Bescheid gesagt. Ich habe versucht, ihn aufzuhalten aber er hatte seinen Entschluss bereits gefasst und…“ Ich schluckte aber er sprach nicht weiter. „Und…?“, brachte ich mühsam hervor. „Er hat die Erlaubnis von Tsunade. Dagegen konnte ich nichts machen.“ Der Verrat saß tief. Tsunade hatte immer Gründe für ihre Entscheidungen aber diese…konnte ich nicht nachvollziehen. „Und jetzt ist er weg? Einfach…ohne sich zu verabschieden?“ Dass da plötzlich Tränen in meinen Augen waren, bemerkte ich, als Naruto vor mir verschwamm. „Ja. Ohne sich zu verabschieden.“ Ich versuchte, mich zu sammeln, aber ich konnte es nicht verstehen. Hatte er ihn tatsächlich nicht aufhalten können? Die bittere Erkenntnis kam so schnell wie dieser Gedanke. Ich schalt mich augenblicklich dafür, verabscheute dass ich tatsächlich, für eine winzige Sekunde hatte glauben können, dass Sasuke glücklicher wäre, wenn man ihn hier festhielt. Oder, dass Naruto überhaupt dazu in der Lage gewesen wäre ihm das anzutun, wenn er so unbedingt gehen wollte. „Aber warum?“ Meine Stimme klang nicht mehr zittrig, sie war nur noch dünn. Naruto griff über den Tisch nach meiner Hand. Seine Worte waren klar und fest. „Er musste gehen. Er kann nicht so weitermachen wie bisher. Er kann so nicht leben, weder mit sich selbst noch hier.“ Ich lauschte ihm und konnte doch nicht sehen, wie Sasuke diese Entscheidung helfen sollte. „Und wie soll er es allein schaffen, wieder in der Lage dazu zu sein? Wie soll er das machen, Naruto? Was ist, wenn er genauso zurückkommt, wie er damals war? Kalt und abweisend? Was ist, wenn er nie zurückkommt?“ Ja, was wenn? Wenn der Tod seines Bruders, sein Lebensziel, dass er sich gesetzt hatte, seit er denken konnte, alles verändert hatte? Naruto drückte meine Hand fester. „Ich denke, er ist gegangen, damit er gerade das verhindern kann. Wenn du ehrlich bist, dann war er in den letzten Tagen so wie früher. Aber die Tatsache, dass er das nicht mehr will, ist der Grund dafür, dass er gegangen ist.“ Ich senkte den Blick, schniefte, entzog ihm meine Hand und legte sie auf meinen Schoß, bevor ich wieder sprach. „Was hat er dir noch gesagt? Bevor du ihn hast gehen lassen?“ Naruto war nicht immun gegen diesen Vorwurf und verzog kurz das Gesicht. Dann fügte er leise hinzu: „Er hat zu mir gesagt, dass du Recht hast. Ich habe keine Ahnung womit aber er wollte kein Wort mehr dazu sagen. Und als ich ihn fragte, was du damit anfangen sollst, meinte er, du würdest verstehen.“ Ich lachte auf. Das sah ihm ähnlich. Er war kalt und verschlossen und verabschiedete sich mit keinem Wort, nicht einmal einer Nachricht…und dann ließ er Naruto seine Drecksarbeit machen. Ich griff nach der Tasse und stürzte den immer noch heißen Tee hinunter, dann stand ich auf, stellte sie in Narutos Spüle und ging zu seiner Wohnungstür. Naruto folgte mir, schweigend und mitfühlend, und deshalb zögerte ich, blieb im geöffneten Türrahmen stehen und drehte mich doch noch einmal zu ihm um. „Es tut mir leid, dass ich so ungehalten zu dir war. Ich hoffe du weißt, dass sich meine Wut nicht gegen dich richtet.“ Naruto hielt meinen Blick, mit wissendem Bedauern in seinen Augen. „Du hast alles richtig gemacht, Naruto.“, ergänzte ich leise und wandte mich ab. „Hol noch etwas Schlaf nach. Das hast du bitter nötig.“ Wir wussten beide, dass er alles Mögliche getan hatte, um Sasuke von anderen Möglichkeiten zu überzeugen. Dass er dafür den Großteil der Nacht geopfert hatte und trotzdem nicht erfolgreich gewesen war. Er folgte mir aus der Tür, blieb vor mir stehen und rieb tröstend über meine Oberarme. „Ich werde ihn auch vermissen.“, sprach er aus, was nicht gesagt werden musste. „Vielleicht ist es wirklich besser so, auch wenn ich nicht weiß, was er da Draußen finden will.“ Ich schaute zurück in sein Gesicht, das davon zeugte, wie sehr er sich um Zuversicht bemühte und hatte nicht das Herz ihn damit allein zu lassen. „Ja. Vielleicht.“ Auf dem Weg nach Hause arbeitete ich hart daran, mich davon zu überzeugen, dass ich jetzt keine andere Wahl mehr hatte, als mich mit meinen eigenen Erinnerungen und Schatten zu beschäftigen. Vielleicht hatte Sasuke dafür gehen müssen, damit wir uns gegenseitig nicht permanent an unsere eigene Dunkelheit erinnern mussten. Ja. Beinah konnte ich es glauben. Beinah. *** Vielen Dank für's Lesen! Hat euch das Kapitel gefallen? Und nicht vergessen, der Epilog kommt bald. :) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)