Herbe Schokolade und süßer Tee von Olschi (Was sich neckt, das liebt sich nicht!) ================================================================================ Kapitel 11: 180° Teil II ------------------------ Ryo tippte unaufhörlich auf den Tisch. Er war mal wieder genervt und gereizt. Seine Gedanken und sein Blick kreisten um ein Mädchen, das sich seit den letzten Tagen merkwürdig verhielt. Äußerst merkwürdig. Sie fluchte nicht mehr, fing nicht ständig Streit an. Ihr Gang war mehr als eigenartig geworden. Er war nämlich der, eines Mädchens. Sogar ihr Gesichtsausdruck hatte sich verändert: sie lächelte oft. Den bösen Blick einer Furie sah er gar nicht mehr. Hey, was sollte denn das? Seit wann war sie zu einem Mädchen geworden? Mit wem sollte er denn jetzt kämpfen? Und warum ignorierte sie ihn verdammt noch mal? Was sollte die plötzliche Veränderung? Hatte sie vor ihr Leben um 180° zu drehen? Ja! Aber das konnte sie sich abschminken. Rasch stand er vom Tisch auf und stampfte zu Haru, die neben Karin und eine Paar anderen Klassenkammeraden stand. Die Gruppe blickte ihn verwundert an. „Was ist los Ryo-kun?“ Harus Lächeln war süß wie Honig und so aufgesetzt wie eine Maske. Das machte ihn noch wütender. Karins Blick war etwas besorgt und wanderte von Ryo zu Haru. Dann richtete sie ihre Augen auf den Boden – anscheinend wusste sie, was jetzt kommen würde. „Was los ist? Das fragst du mich?“ Er ballte seine Hände zu Fäusten. Die Leute fingen an zu tuscheln. „Natürlich. Siehst du hier einen anderen Ryo-kun?“ >Lieber Gott, bewahre uns vor einem Zweiten! < Ryo konnte aus ihrem Ton ein paar genervte Noten heraushören. Wunderbar. „Eigentlich wollte ich dich dasselbe fragen: was ist los mit dir?“ Harus Ausdruck wurde gespielt überrascht. „Was soll denn sein?“ Die Wut in ihm stieg weiter, eine dicke Ader pulsierte auf seiner Stirn. „Na ja,...“ Ryo setzte ebenfalls ein falsches Lächeln auf. „Du bist irgendwie voll zur Tussi geworden.“ Haru lächelte, in ihrem Inneren riss allerdings ein Nervenfaden. „Ach so? Das tut mir Leid, Ryo-KUN! Nervt es dich? Muss wohl daran liegen, dass du deine Tage hast.“ Die Schüler um sie rum machten einen Schritt zurück, um sich vor der annähernden Gefahr in Sicherheit zu bringen. „Ja meinst du?“ Ryos Lächeln nahm jetzt sein halbes Gesicht ein. „Ja, mein ich! Dann wird man etwas zickiger. Oh...“ sie blickte schockiert und legte eine Hand vor dem Mund. „...sag bloß, du hast noch nicht viel Erfahrung. Hast du deine Tage etwa zum ersten Mal gekriegt?“ Irgendwie ging sie ihm jetzt noch mehr auf den Keks. Und irgendwie wurde er noch wütender, besonders auf ihre Haare – sie leuchteten zu stark. „Du verdammte Zicke!“ zischte er durch die Zähne, die immer noch als ein Lächeln getarnt waren. „Oh, lass deine Hormone ja nicht mit dir durchgehen.“ Jetzt reichte es ihm! Sie nervte, ihr Lächeln nervte und ihre Haare nervten. Er schnappte sich eine Schere, die auf der nächststehenden Bank lag und ohne zu wissen warum er das tat, schnitt er ihr ein Stück von der roten Mähne ab. Alle rundum erstarrten, als ob eine Gewitterwolke über ihnen ausbrach. Die Schüler wagten es nicht einmal zu atmen. Währenddessen bildete sich Ryo ein, ein paar Blitze zu sehen. Haru lächelte immer noch, mit dem Lächeln eines glücklichen Mörders. Ihre Gesichtsmuskulatur versteinerte sich und ein Schatten legte sich auf ihr Haupt. Aus irgendeinem Grund bereute Ryo seine Tat. Er legte die Schere wieder vorsichtig zurück und erzeugte damit das einzige Geräusch im Zimmer: tack. Harus Kopf drehte sich ruckartig zu ihm um. Er zuckte zusammen. Ihre Augen waren nicht mehr grün, sondern dunkel, dunkel wie die Nacht. Das Lächeln war aber immer noch da. „Können... wir uns draußen sprechen?“ „Ich...“ Ryo konnte nicht zu Ende sprechen. Haru packte ihn am Kragen und zerrte ihn aus dem Zimmer. Als er durch den Flur wortwörtlich geschleift wurde, merkte er, dass sie gar nicht nach draußen wollte. Stattdessen musste er mit Entsetzten feststellen, dass sie das Mädchenklo ansteuerten. „Was hast du vor?“ fragte er, als die Tür mit einem lauten Knall zuging. „Willst du mich vergewaltigen?“ Der Blick von Haru wurde noch böser. Vielleicht weil das Lächeln endlich verschwand. Das trug aber nicht zur Stimmung bei. „Nein! Eher das Gegenteil. Ich werde dich impotent machen.“ „Willst du dich etwa ausziehen? Glaub mir, schon dein angezogener Anblick verschlägt mir jede Lust. Mach dir also nicht die Mühe.“ „Hey!“ Harus Stimme ertönte wie ein Donner und ließ ihn zusammenzucken. „Wie konntest du es wagen?“ „Was? Deine Haare abschneiden? Irgendjemand musste ja diese Schande der Natur in Form bringen.“ Haru schritt hastig auf ihn zu und blieb kaum 5cm weit weg von ihm stehen. Ihr Atem war schwer und ihre Augen blutunterlaufen. „Woah, krieg ich jetzt deine Verwandlung zur Furie zu sehen? Musst du da nicht noch einen magischen Gegenstand ziehen und einen Spruch aufsagen: Kräfte des Mond... des...“ Ryo wurde immer leiser und langsamer. „Du bist echt wütend was?“ Haru sagte nichts. Sie rammte ihm ihr Knie in den Bauch und ließ ihn zu Boden sinken. Als nächstes beugte sie sich über ihn und packte ihn am Kragen. „Was soll ich mit dir tun? Dich hier verprügeln? Das wäre aber nicht so gut, dann würde ich von der Schule fliegen. Soll ich dich braten? Lebendig begraben? Aufspießen wie ein Stück Schinken?“ sie schrie. Plötzlich ertönte eine Klospüllung und eine Tür wurde aufgerissen. Aus dieser stürmte ein verängstigtes Mädchen. Die beiden Streitenden blickten ihr kurz hinterher, bevor sie ihren Konflikt fortsetzten. „Also, was darf es sein?“ Ihr Gesicht war seinem so nahe, dass er ihren Atem spüren konnte. Ihre Augen waren eng und durchbohrten ihn mit einer Aufdringlichkeit, die nur Blutdurst bedeuten konnte. „Was fragst du mich? Und überhaupt, was regst du dich auf wegen einem Stück Haare. Ich hab doch höchstens 5cm abgeschnitten.“ Sie gab ihm eine Ohrfeige. „Halt deinen Mund!“ „Warum fragst du mich dann?“ „Soll ich dir dein Herz rausreißen und es verspeisen?“ „Wow, deine Sprache hat sich gebessert. Sonst hättest du „es fressen“ gesagt.“ „Halt deinen Mund hab ich gesagt.“ „Dann frag nicht mehr. Du hast sie doch nicht mehr alle.“ „Was ist da drin los?“ ertönte eine Stimme an der Tür. „Verdammt, ein Lehrer!“ zischte Haru. „Ich mach jetzt auf und wehe du gibst auch nur einen Ton von dir.“ Sie ließ ihn los. „Steh auf.“ Sie bügelte ihre Uniform zurecht, setzte ein Lächeln auf und schritt zur Tür. „Ja bitte?“ „Was macht ihr hier drinnen?“ der Lehrer sah aus, wie ein Mops mit Haarausfall. „Ach, wir üben nur?“ „Was denn? Morden?“ „Nein, nein. Es ist für unser Theaterstück. Wir üben jede Pause hier, bloß jetzt gerade war es eine... laute Szene.“ „Was? Theater sagst du?“ „Ja genau. Ein neues Stück, wird zum ersten Mal aufgeführt: „Roberto und Elli“.“ „Hm. Noch nie von gehört. Okay. Aber übt woanders. Ein Junge auf dem Mädchenklo... das gehört sich nicht.“ „Ach das.“ Sie winke den Lehrer näher an sich und flüsterte ihm dann ins Ohr. „Ryo ist schwul. Es macht ihm nichts aus.“ „Oh. Das...“ er machte mit dem Kopf eine eigenartige Bewegung, die Verwirrung ausdrückte. „Das hätte ich dem Jungen gar nicht angesehen. Na gut. Aber das ist das letzte Mal. Nehmt euch ein Zimmer.“ Haru verzichtete drauf, seinen letzten Satz zu missverstehen. „Danke.“ Sie schenke ihm das beste Lächeln, dass sie zu bieten hatte. „Ach, nicht der Rede wert.“ Mit diesen Worten und einen besorgten Gesicht ging der Lehrer weg. Haru drehte sich wieder um, ihre Miene wieder finster. „Was hast du ihm als letztes gesagt?“ fragte Ryo. „Dass du auf Männer stehst.“ „Du hast was?“ Er schritt auf sie zu, sein Blick eisig und durchdringend. Sie ließ sich aber wenig beeindrucken. Stattdessen schien sie mit ihren Gedanken woanders zu sein. Sie erinnerte sich, wie Kazuma ihr gesagt hatte, dass sie ihre Haare lang wachsen lassen soll. Weil er es so mochte. Darum hatte sie ihre Haare nie schneiden lassen, auch nachdem Kazuma nicht mehr da war. Und jetzt hatte ein Trottel ihr einfach ein Stück Haare weggeschnitten. Einfach so. „Ich rede mit dir.“ Das Gesicht des Trottels war direkt ihrem gegenüber. Wut stieg wieder in ihr hoch. Wie konnte er es wagen?! Sie packte ihn am Kragen. Ihr Gesicht war finster. Ryo packte sie ebenfalls am Kragen, denn er wollte sich nichts gefallen lassen. Ohne weiter zu kämpfen starrten sich die Beiden wütend an, dabei verstrichen die Sekunden, ohne das einer von den beiden den Anfang machte. Ryo war sich eigentlich sicher, dass sie jeden Augenblick zum Schlag ansetzten würde. Das tat sie aber nicht, sondern ließ ihn einfach los. „Ach, vergiss es!“ sagte sie mit halbem Flüstern und verließ das Mädchenklo. Ryo starrte ihr überrascht hinterher. So eine Reaktion hatte er nicht erwartet. Vielleicht hatte ja SIE ihre Tage. Das wäre durchaus möglich. Oder sie war schwanger... von Takato! Er schlug sich. Wie kam er jetzt auf Takato? Aber warum benahm sich das Mädchen sonst so komisch? Irgendwas musste vorgefallen sein. Die Tür ging auf. Er blickte hoffnungsvoll auf. „Oh.“ Sagte das Mädchen, das anscheinend ‚musste’. Stimmt ja, er war immer noch auf dem Mädchenklo. Alleine. Er ging raus, an dem Mädchen vorbei. Jetzt war er noch wütender und genervter als zuvor. Jetzt beschäftigte Haru noch mehr seine Gedanken. Warum musste sie alles so kompliziert machen? Konnte sie nicht einfach einmal ordentlich gegen ihn kämpfen, so dass sich der Kampf entscheiden würde? Dann wäre alles endlich vorbei und er würde sich wieder Manns genug fühlen. Zurzeit kam er sich aber wie ein aufgewühltes Eichhörnchen... nein, Eichhörnchen sind zu weiblich... wie ein aufgewühlter Hengst vor. Ja! Das würde es treffen. Warum sich selbst runtermachen, wenn man es schöner ausdrücken kann? ~*~*~//>*<\\~*~*~ „Hast du vor das alles zu essen?“ Karin schaute auf Harus vollgestelltes Tablett. Sie nahm von jedem, was angeboten wurde, ein kleines Bisschen, was im Endeffekt eine Masse ausmachte. „Hast du Frust oder so?“ Haru gab keine Antwort und lief einfach weiter, nicht auf die Menschen, die sie dabei fast umrannte, achtend. Karin seufzte. Ihre Freundin wurde immer abwesender. Nicht ihr gegenüber aber allen anderen. Erst der Streit mit Takato und dann mit Ryo. Zwar war es normal, dass Haru sich mit Ryo stritt aber diesmal war es ernster. Und sie ging ihm auch aus dem Weg, aber das war sogar besser so. Das hatte sich Karin gewünscht. Gleich an dem Tag als Haru und Takato sich gestritten hatten, führte Karin ein Gespräch mit dem Schwarzhaarigen und hoffte jetzt, dass dieses seine Wirkungen zeigen würde. Sie setzten sich an einen Tisch in der Kantine. Die Schüler, die an diesem schon saßen, rückten gleich ein Stückchen weiter weg, mit einem Getuschel, das kaum zu überhören war. Haru drehte sich zu ihnen um: „Leute, ich beiße nicht!“ sagte sie lächelnd und biss ein kräftiges Stück vom Hörnchen ab, ihre Zähne auffällig entblößend. Die Schüler schluckten. Plötzlich wurde der Stuhl neben Haru bewegt und es setzte sich jemand dazu. Mit Verwunderung und weit aufgerissenen Augen sah sie, wie Takato sein Tablett neben ihres stellte. „Yo.“ Sagte er nur kurz und fing sein Mittangsessen an. Haru starrte ihn mit immer noch aufgerissenen Augen an und fragte sich, ob er sein Gehirn irgendwo auf dem Schulweg verloren hatte. Oder ein Vogel war auf ihn herabgeschossen und hatte ein paar Schrauben gelockert. Wollte er nicht für sie unsichtbar werden? Das Essen vergaß sie, stattdessen durchbohrte sie ihn mit einem prüfenden Blick. Er saß aber nur gelassen da und aß irgendein komisches Zeug, das er sich geholt hatte. Karin nahm eine entschuldigende Haltung an. So, als ob sie ausgeschimpft werden würde. Das Gespräch mit Takato hatte also seine Wirkung gezeigt und darum kam er jetzt hierher. „Mein Essen rutscht die Kehle nur schwer runter, wenn du mich so anstarrst.“ Sagte Takato ohne aufzublicken. Haru drehte ihren Kopf langsam nach vorn, in der Versuchung den Kerl zu verstehen. Es gelang ihr aber nicht. Männer waren alle krank, verrückt und geistesgestört. Früher dachte sie, dass sie Männer besser verstehen könne als Frauen, jetzt stellte sie allerdings entsetzt und betrübt fest, dass sie von keinen der beiden Geschlechter eine Ahnung hatte. „Isst du gar nicht? Krieg ich dann dein...?“ Als er seine Stäbchen in Richtung ihres Tellers bewegte, schlug sie hart mit ihren eigenen darauf. Sie funkelte ihn böse an und setzte ihren Akt des Essensverschlingens fort. Und Verschlingen war das richtige Wort: den das Mädchen schluckte ohne zu kauen. Karin räusperte sich und erinnerte Haru damit daran, dass sie sich wie eine Lady benehmen soll. Haru wurde langsamer. Sie drehte ihren Kopf wieder zu Takatos Seite: „Du... bist ein Stalker, stimmt’s?“ sie deutete mit ihren Stäbchen in seine Richtung. „Mh-hm.“ Gab er nur kauend vor sich. Harus Augen wurden wieder breit. Sie konnte es kaum fassen. Sie verdrückte schnell die Reste ihres Essens, stand auf und ging davon, Karin ihr folgend. Takato grinste, ohne den beiden hinterher zu schauen. „Haru.“ Karin hatte Probleme schritt zu halten. „Nun komm schon. Takato ist ein guter Kerl. Warum bist du so abweisend?“ Die Rothaarige antwortete nicht. „Haru!“ Karin holte ein. „Ignorierst du mich jetzt auch noch?“ Haru blieb stehen und seufzte. „Tut mir leid.“ Sagte sie. „Ich bin nur... ach, es ist so schwer. Mein Vater macht Druck, Schule macht Druck, Ryo geht mir auf die Nerven, Takato...“ sie unterbrach sich. „Was ist mit Takato? Er hat doch nichts getan. Sag mir, warum gehst du ihm aus dem Weg? Ist es weil er Kazuma ähnlich ist?“ Haru zuckte bei dem Namen zusammen. „Ist es das?“ fragte Karin nochmals. „Kazuma hat damit nichts zu tun.“ Sagte die Rothaarige nur kalt und lief weiter. „Komm schon Haru. Du kannst doch nicht so ewig weiter machen. Jedes Mal wenn das Thema angerissen wird, weichst du aus. Das ist kindisch.“ Haru blieb wieder stehen. Kindisch? Ja, es war kindisch. „Lass... es einfach, okay? Ich will darüber nicht reden, egal wie kindisch es auch aussieht. Lass Kazuma aus dem da raus.“ „Aber wenn es nicht deswegen ist, warum hast du dann ein Problem mit Takato? Wenn du mich fragst, denke ich, dass er dich mag. Wenn du ihm nur eine Chance...“ „Hör auf Unsinn zu reden, Karin!“ „Das ist kein Unsinn!“ das schwarzhaarige Mädchen stellte sich vor Haru, die Hände in die Hüfte stemmend. „Und warum bist du dir so sicher?“ fragte Haru. „Weil...“ sie zögerte. „Ich weiß es einfach. Weibliche Intuition.“ Haru zischte und lief weiter. „Sag mal deiner Intuition, dass sie einen Dachschaden hat.“ Weiter ließ das Mädchen nicht mit sich reden. Für sie war das Thema abgeschlossen. Karin blies ihre Backen auf und setzte eine beleidigte Miene auf: „Soll das heißen, dass ich verrückt bin?“ flüsterte sie wütend. Noch 4 Tage bis zum Umbruch. ~*~*~//>*<\\~*~*~ Die Woche hätte schön werden können. Aber das tat sie nicht. Natürlich nicht! Für Karin war sie schön, ja. Aber nicht für Haru. Für sie war sie grässlich, grauenhaft, grausam und welche schlechten Wörter es sonst noch mit ‚g’ gibt. „Hey.“ Das Flüstern kam von hinten und löste in Haru ein Gefühl von Wut und erneuter Mordlust aus. „He-ey!“ flüsterte Ryo wieder. >Einfach ignorieren! < sagte Haru zu sich selbst und widmete sich ihren Aufzeichnungen. „Hallo, ich red mit dir.“ >Red woanders, aber nicht im Unterricht! < dachte sie und drehte sich nicht um. Ignoranz war das Beste, was sie in dieser Situation tun konnte. Und das Effektvollste: Ignoranz reizte Ryo auf eine unvorstellbare Weise. Nicht beachtet zu werden brachte ihn zur Weißglut. Was Haru selbst nicht bemerkte war, dass es ihr unglaublichen Spaß machte ihn zu reizen. Sie hasste ihn und der beste Zustand indem sie ihn sehen konnte, war der gereizte. Sie hörte, wie der Braunhaarige hinter ihr anfing wütend zu schnauben. „Hey!“ flüsterte er noch mal. Keine Antwort. Haru lächelte unwillkürlich. „Blöde Gans.“ Sagte er, nur für sich selbst hörbar und zog mit aller Kraft an ihren Haaren. Ein lautes „Autsch“ ertönte durch die ganze Klasse. Alle schreckten hoch, endlich dazu bewegt am Unterricht teilzunehmen. Dass es Haru war, die schrie schienen sie nicht zu bemerken, da alle bis zu dem Augenblick geschlafen hatten. Wütend drehte sich Haru um und erstach Ryo förmlich mit ihrem Blick. „Oh, tut mir Leid. Ich hab vergessen, dass deine Haare dein Allerwertestes sind.“ Sagte der Braunhaarige, glücklich und selbstzufrieden. Er hatte mal wieder sich selbst übertroffen! „Was willst du?“ nörgelte Haru durch die Zähne hindurch. „Streit? Tod? Den kannst du haben.“ „Du weißt was ich will.“ „Deine Männlichkeit? Tut mir leid, die hab ich nicht.“ „Dafür hast du deine eigene, Mannsweib! Ich will einen Kampf, Mannsweib.“ „Du wiederholst dich, Weibsmann.“ Ryo blickte perplex. Seine Finger fingen wieder damit an auf den Tisch zu klopfen, langsam wurde die Bewegung zur Gewohnheit. Er wollte etwas sagen. Etwas, das sie aus den Socken hauen würde und sie sprachlos machen würde. Aber stattdessen war er hier der Sprachlose. „Das Wort... Weibsmann... gibt es gar nicht!“ Autsch! Was Besseres fiel ihm nicht ein? Harus Augen verengten sich. Würde sie in dem Augenblick zischen, könnte man sie glatt mit einer Schlange verwechseln. „Das ändert nichts an deiner mangelnden Männlichkeit. Und nun lass mich den Unterricht verfolgen. Im Gegensatz zu manchen, will hier jemand etwas sinnvolleres tun als nur Leute belästigen.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um während Ryo feststellen musste, dass er es hier mit einer Streberin zu tun hatte. „Du bist ein total komischer Mensch, weißt du das?“ flüsterte er weiter. Haru schenkte ihm keine Aufmerksamkeit, zumindest schien es so. Aber Ryo wusste, dass sie ihm zuhörte. Sonst würde sie merken, dass sie gerade außerhalb des Randes schrieb. Ein breites Grinsen verzierte das Gesicht des braunhaarigen Jungen. Er setzte seine Belästigungsrede fort: „Sag mir mal eins: hast du Angst vor mir?“ Keine Antwort, aber eine zitternde Hand und dementsprechend schiefe Schrift von Haru. „Ich hab wohl recht, du zitterst ja schon vor Angst. Weißt du, eigentlich kämpfe ich nicht gegen Mädchen, aber du schaffst es immer wieder zu beweisen, dass du keins bist. Kann es sein, dass du lesbisch bist?“ Haru drehte sich immer noch nicht um. Sie versuchte sich ein paar zwitschernde Vögelchen und bunte Blumen vorzustellen, bloß um die bösen Mordgedanken zu vertreiben. Jedoch wurden die schönen Hippiegedanken durch blutige Bilder verdrängt. Wäre sie doch bloß nicht so aggressiv. Wieder mal erinnerte sie sich daran, dass sie ihr Temperament nur ihren Haaren zu verdanken hatte. „Oder bi?“ >Halt doch endlich deine blöde Klappe und geh mir nicht auf den Senkel!!!!< „Ja, du bist bestimmt bi. Der Henjityp (=Takato) scheint dir ja zu gefallen.“ Der Stift in Harus Hand brach in 2 Hälften zusammen. Sie drehte sich ruckartig um - ihre Faust begleitete sie - und schaltete bei Ryo für einen kurzen Moment alle Lichter aus. Nun sah er bunte Vögel und zwitschernde Blumen... oder andersrum? Egal! Als er jedoch nach ein paar Sekunden wieder das Bewusstsein erlang, hörte er Haru sprechen: „Sensei, Ryo-kun geht es gar nicht gut. Soll ich ihn ins Krankenzimmer bringen?“ Irgendein unverständliches Gelaber vom Lehrer (das Zwitschern übertönte es) und schon wurde er sanft und kuschelig an den Armen gepackt und schonend aus dem Zimmer gezerrt. „Sag DU mir mal eins: wie groß glaubst du kann meine Geduld noch sein? Hast du es echt so nötig zu sterben? Hast du vielleicht eine verstorbene Oma im Himmel, die du unbedingt wiedersehen willst? Leider wirst du nur die bösen Vorahnen treffen, denn so ein Mistkerl wie du kann nur in der Hölle landen. Aber ich werde mich dann trotzdem nicht freuen, wenn du in die Hölle kommst, weil mir der Teufel persönlich leid tun würde, jemand so schwules in seinem Hegefeuer zu haben.“ „Ehm...“ „Lass mich ausreden! Aber das Problem ist wieder, dass du eigentlich gar kein Mensch bist, sondern ein Schwein, oder Eichhörnchen oder Hamster – irgendein dreckiges Vieh – und Tiere landen weder im Himmel noch in der Hölle. Wohin wirst du dann wohl geschickt? Nirwana wäre echt zu schön für so was wie dich.“ „Darf ich...“ „Lass mich ausreden verdammt!“ Jetzt erst merkte sie, dass sie am ganzen Körper zitterte. Sie nahm an, es war vor Wut. Ihre Schritte wurden langsamer und sie schnappte hastig nach Luft. Einen Ryo hinter sich zu schleifen war nicht gerade leicht. „Du bist fett!“ sagte sie und schien mit ihrer eher sinnfreien Rede fertig zu sein. Ihre Stimme zitterte ebenfalls. Ryo hatte es wieder geschafft, sie auf die Palme zu bringen. Wann würde er sie endlich in Frieden lassen. Und dann sein blödes Gelaber mit dem Kampf. Immer wieder dasselbe. Haru nahm immer mehr an Geschwindigkeit ab, bis sie endgültig stehen blieb. Es musste eine Lösung her, wie sie Ryo loswerden konnte, und zwar genau jetzt. „Du bist komisch.“ Sagte Ryo. Erst ignorierte Haru seine Worte, aber bemerkte dann, dass er Recht hatte: sie WAR komisch. Sie grübelte. „Du bist wirklich komisch!“ „Das hab ich gerade selbst festgestellt!“ „Wurde aber auch Zeit!“ „Hat dich jemand gefragt?“ „Kämpfst du mit mir?“ „Hast du vor, mir noch länger auf den Geist zu gehen?“ „Hast du vor, noch länger zu kneifen?“ „Hör auf Gegenfragen zu stellen!“ Haru schrie und der Schrei ertönte durch die ganzen Hallen und dann brach Stille aus, in der nur der schwergehende Atem von Haru zu hören war. Ryo schaute sie nur emotionslos an. Sie war sich sicher, dass er sie für verrückt hielt, aber was kümmerte sie schon seine Meinung. Sie lies ihren Blick abschweifen, um sich damit abzulenken und zu beruhigen. „Kämpfen wir?“ „Du...!“ Harus Faust blieb kurz vor seinem Gesicht stehen. Seine Miene blieb kalt und ausdruckslos. Er zuckte nicht einmal mit der Wimper. „Ich frag dich mal was: warum liegt dir so viel daran mit mir zu kämpfen? Es gibt da draußen genug gute Kämpfer, nimm nur zum Beispiel Takato – er ist viel stärker als ich. Wenn du ihn besiegst, dann bist du gut.“ „Ich will aber gegen dich kämpfen!“ „Warum?“ Harus verzweifelte Stimme ertönte wieder laut durch den Raum. Sie ließ ihre Arme sinken und drehte sich um, ihre Hand ließ sie durch die roten Haare gleiten. Die Stelle, wo Ryo vor kurzem ein Stück abgeschnitten hatte, war gar nicht bemerkbar. „Ich weiß nicht warum. Vielleicht hab ich dann einfach keine Träume mehr.“ Haru drehte sich abrupt um, ihre Augen verengt: „Träume? Von was?“ „Von wem?’ würde es eher treffen.“ Haru seufzte. „Okay, Träume von wem?“ Ryo verkrampfte sich plötzlich und zögerte mit der Antwort. Das rothaarige Mädchen konnte es glatt riechen, dass etwas faul war. „Los, raus mit der Sprache. Was für Träume meinst du?“ „Weiß du was, verschieben wir doch das Gespräch auf morgen.“ Ryo wollte gehen - (abhauen wollte er, aber das sagen wir mal nicht, da Männer niemals abhauen würden. Abhauen ist was für Feiglinge) - aber Haru stellte sich ihm direkt in den Weg, ihn von unten fixierend. „Nein, das besprechen wir jetzt.“ „Hey, ich muss zum Unterricht. Du hast mich auch so schon raus gezerrt. Willst du dass meine Noten unter deinen Belästigungen leiden?“ Haru konnte ihren Ohren kaum glauben. Was bildete sich dieser Bengel ein. „Du scheinst dich aber nicht wirklich dem Unterricht zu widmen. Entweder sagst du mir jetzt, was das für Träume sein sollen, von denen du sprichst, oder ich prügele mich nie, nie, nie, nie, nie wieder mit dir.“ Mist, das war unfair! Er blickte auf sie unsicher herab, überlegend, was er tun sollte. „Okay.“ Seufzte er anschließend. „Es sind Träume von bunten Blumen und zwitschernden Vögelchen, zufrieden?“ Er wollte wieder laufen, da er dachte, dass er sich rausgeredet hatte, aber da hatte er die Rechnung ohne Haru gemacht. „Glaubst du das kauf ich dir ab? Du hast ‚von wem’ gesagt.“ Ihr Blick wurde noch durchdringender. Langsam fing Ryo an zu schwitzen. Hätte er doch bloß nicht vom dem Thema angefangen. Selber Schuld! „Von dir.“ Sagte er kaum hörbar und sank beschämt seinen Kopf. „Was? Ich kann dich nicht hören?“ Haru legte eine Hand an ihr Ohr. „Von dir!“ schrie Ryo und ließ Haru zusammenschrecken. „Die Träume sind von dir.“ Fügte er in einem gemäßigteren Ton hinzu. Sein Blick wanderte nach draußen, Harus Blick ausweichend. Es herrschte übrigens herrliches Wetter. „Hä?“ sagte Haru. Ihre Haltung war angespannt, als ob sie ganz auf der Hut wäre. Sie machte einen Schritt auf ihn zu. „Bist du taub oder dumm? Soll ich mich wiederholen?“ „Ich hab dich schon gehört! Warum träumst du bitteschön von mir?“ Ryo spürte förmlich, wie er durch ihren Blick immer kleiner wurde. „Denk ja nichts Falsches! In den Träumen blutest du und bist kurz vorm Sterben.“ „Was soll ich schon Falsches denken?“ Seinen letzteren Satz schien sie überhört zu haben. „Na dass...“ er blickte sie an und erstarrte in einer verkrampften Pose. Auf Harus Gesicht lag ein breites, fieses Grinsen. Machte sie sich über ihn lustig? „Was denn?“ fragte sie und machte noch einen Schritt näher, ihre Haltung war immer noch die, einer Person, die sich anschleichen wollte. Nun stand sie wenige Zentimeter von ihm entfernt. Haru spürte, wie er jede Sekunde unsicherer wurde und das amüsierte sie. Sie wusste gar nicht, dass Ryo auch solche Zustände hatte. Sie dachte er konnte nur rumschreien und mit jedem Menschen, Tier, Baum und was sich sonst noch in der Umgebung befand, einen Streit anzetteln. Er blickte rasch nach oben, ganz unwillkürlich, in dem er den Kopf in den Nacken fallen ließ. Er wollte einfach nur dem Blick ausweichen, jedoch war die Flucht nach oben eher ein ungeeigneter Plan. Am liebsten würde er sich selbst eine reinhauen. Seine Finger tippten unruhig an seinen Beinen. Plötzlich brach Haru in lautes Gelächter aus. Ryo riss seinen Kopf wieder nach unten und schaute sie verwundert an. „Du sollst dich sehen, Mann!“ Sie hielt sich den Bauch, das Lachen kam in regelmäßigen Stößen. „Und du denkst ICH bin komisch? Du bist doch selber ein dämlicher Vogel.“ Normalerweise würde er kontra geben, aber er war einfach zu sehr damit beschäftigt, überrascht und schockiert zu sein. Haru hörte nicht auf zu Lachen: „Sollst du doch sonst was von mir geträumt haben. Keine Angst, ich werde schon nichts Falsches denken.“ Sie wich sich eine Träne aus den Augen und beugte sich mehr nach vorn, da sich in ihrem Bauch langsam ein Lachkrampf ausbreitete. Das Lachen wurde noch lauter. „Du bist noch so ein Kind.“ Ryos Miene verfinsterte sich. Haru merkte nicht, wie er seine Hände zu Fäusten ballte. Seine Lippen wurden zu einer schmalen Linie gepresst. Noch in letzter Sekunde, aus dem äußersten Augenwinkel sah Haru den Schlag kommen und wich mit dem Kopf aus. Das Lachen hörte abrupt auf. „Hey, was soll das? Wann hörst du endlich auf ohne Vorwarnung anzugreifen? Das ist feige.“ „Warnung!“ sagte Ryo nur kalt und haute Haru in die Seite, so dass sie über die eigenen Füße stolperte und sich noch gerade so auf den Beinen halten konnte. „Was ist in dich gefahren?“ schrie sie. „Ich kämpfe nicht mit dir in der Schule! Kapier es endlich!“ Ryo erwiderte nichts, sondern stand nur finster da, sein Gesichtsausdruck versteinert. Wieder sah Haru einen Zustand von ihm, den sie vorher nicht gekannt hat. Karin hatte schon die Ehre gehabt, mit dieser Bekanntschaft zu machen, für Haru war sie allerdings neu. „Das finde ich ganz und gar nicht witzig.“ Kam es endlich von Ryo. Sein Ton war leise, aber man konnte die Wut deutlich heraushören. „Mach aus mir keinen Idioten!“ sein Schrei ertönte wie Donner, wieder und wieder durch den Flur hallend. Oder war es nur das Echo in Harus Ohren? Sie wusste es nicht und schaute den Braunhaarigen völlig perplex an. Ein Gefühl schlich sich in ihr hoch, ein Gefühl, das sie auf keine Fall nach draußen dringen lassen durfte. Das Gefühl von Angst. Ihre Hände zitterten leicht, was sie hart versuchte zu unterbinden. Sie holte tief Luft und sprach mit einer ruhigen Stimme, ihr Blick war allerdings zur Seite gerichtet: „Den machst du aus dir selbst!“ Und dann schaute sie ihn direkt an, zeigte ihm damit, dass sie sich nicht unterkriegen ließ. Ein paar Schreie jagten ihr noch lange keine Angst ein. Das zumindest versuchte sie sich einzureden. Sie fragte sich, warum er plötzlich so wütend wurde. Weil sie über ihn gelacht hatte? Oder weil sie ihn als ein Kind bezeichnet hatte? Oder lag es an den Träumen? In seinem Gesicht ließ sich nichts erkennen. Ryos Miene war immer noch finster. Als er nach einer Minute immer noch nichts erwiderte, sagte sie mit einem hämischen Halblächeln: „Ist doch lächerlich!“ Mit diesen Worten ging sie weg und ließ Ryo zurück. Dieser versuchte sich zusammenzureißen. Aus unerklärlichen Gründen, tickte er bei bestimmten Themen aus. Aber das durfte ihm nicht mehr passieren. „Ich wünschte, sie würde zur Hölle gehen.“ Sagte er leise zu sich selbst und seine Hände zitterten immer noch vor Wut. Und tief unter der Erde dachte ein kleiner Teufel, dass er denselben Wunsch wie Ryo hatte. Teufel freuen sich auf neue Seelen. ~*~*~//>*<\\~*~*~ Nach Ryos Wutausbruch war Haru nicht mehr sie selbst. Nicht dass sie es schon vorher gewesen wäre, aber jetzt wurde es noch schlimmer. Der Grund für ihre Unsicherheit lag allerdings nicht nur an Ryo. In letzter Zeit tickten viele Leute aus, ohne dass sie den Grund für ihren Ausbruch kannte. Mit einem plötzlichen Augenblick schienen die Dinge kompliziert geworden zu sein. Das Beste, was sie jetzt tun konnte, war einfach sich zu beruhigen. Sie stand am Ausgang und wartete auf ihre beiden Freundinnen, während sie wieder versuchte an bunte Blumen zu denken. Der Wind streifte ihre Haut und ihre Haare wehten sanft mit dem seidigen Wind mit. Die sommerliche Sonne brannte heiß auf ihr und die kühle Brise war mehr als wohltuend. „Haru?“ Nodame stand plötzlich neben ihr. „Träumst du?“ Die Rothaarige schüttelte den Kopf als Verneinung. Von Nodames Seite kam ein skeptischer Blick: „Und warum hast du mir schon seit 5 Minuten nicht zugehört?“ „Was? Du bist schon seit 5 Minuten da?“ Stille... „Egal! Komm mit!“ sagte Nodame und lief voraus. Hinter Haru tauchte plötzlich Karin auf. War sie auch schon seit 5 Minuten da? „Wohin gehen wir?“ fragte die Rothaarige. „Einkaufen. Du brauchst neue Klamotten.“ Die Begeisterung von Harus Seite ließ nur zum Wünschen übrig. „Yay.“ Sagte sie mit einem Ton, der eher für Begräbnisse angebracht war. ~*~*~//>*<\\~*~*~ Nach dem alle Einkäufe gemacht und Harus letzte Nerven aufgebraucht waren, brauchte das Mädchen Zeit für sich. Darum ertönten in einer Gasse Schreie, die auf verzweifelte Anstrengung hindeuteten. Haru nahm Anlauf, gegen eine Wand... Sie hatte nicht vor die Wand mit ihrem Schädel zu rammen! Stattdessen stützte sie sich mit einem Fuß ab und sprang mit aller Kraft zur Seite, um 180° gedreht, um sich wieder von der gegenüberliegenden Wand, die etwa 2 Meter entfernt war, abstützen zu können und damit immer höher zu steigen. Jedoch gelang ihr der Trick nicht: „Verdammt!“ schrie sie als sie geschickt auf dem Boden landete und ihren Rücken leicht wölbte um die Last auf ihre Knöchel zu dämpfen. „Wie machen die denn das in den Filmen?“ Sie war außer Atem, nahm sich aber keine Pause und rannte wieder auf die Wand zu. „Hepp, hepp!“ war dabei alles, was man hörte. Als sie für sich feststellen musste, dass es unmöglich war den ganzen Tag lang ein Mädchen zu sein, entschied sie sich etwas Jungenhaftes zu machen. Auch wenn sie sich vorgenommen hatte eine Lady zu werden, hatte sie noch lange nicht vorgehabt ihr Yankeeleben aufzugeben. Es war für sie wie Kaffee für einen Workaholic, wie Zucker für Kinder, wie Peitschenschlag für einen Masochisten oder einfach wie Romeo für Julia – sie konnte nicht ohne es. Es war ihre Droge, das süße Gift, das sie in seinen Bann zog. Das Mädchen musste ein falsches Chromosom haben. Warum sonst fühlte sie sich zu solchen Sachen hingezogen, und vor allem als Mädchen? „Scheiße!“ schrie sie, als sie immer noch in der Luft war aber merkte, dass ihr auch dieser Anlauf misslingen würde. Sie kippte ihren Kopf nach hinten um in den Flug nach unten wenigstens einen Salto machen zu können – Adrenalin schoss durch ihre Adern. Und Adrenalin war auch das, was sie erkennen ließ, dass sie unmöglich aus der Höhe glücklich landen konnte, wenn sie einen Salto machte. ‚Zu Spät!’ schrie das Schicksal und Das Mädchen stürzte mit einer Beschleunigung von 9,81m/s² Richtung Erde. Aus dem Augenwinkel schien sie etwas Schwarzes zu erkennen, aber sie war sich sicher, dass es nur Einbildung gewesen sein konnte. Den Schrei in ihrer Kehle unterdrückte sie. Als der Aufprall kam, war ihr Blick nach oben gerichtet. Sie sah den blauen Himmel und dachte, dass das letzte was sie vor dem Schmerz fühlte, ein Gefühl der Freiheit war. Komisch. Warum solch ein Gefühl ausgerechnet in diesem Augenblick? Der Aufprall kam nicht! Haru blinzelte ein paar Mal mit den Augen. Unter ihrem Rücken fühlte sie etwas Weiches und Hartes zu gleich. Jemand lachte. Sie erblickte wieder etwas Schwarzes. „Stalker!“ war das Einzige was sie rausbrachte. Sie starrte in die dunkelschwarzen Augen von Takato. „Ein Dank wäre angebrachter.“ Sagte er, sein Gesicht dicht vor ihrem. „Was machst du hier?“ fragte sie. Takato blickte plötzlich weg zur Seite und nickte mit dem Kopf. Aus irgendeinem Grund kam es ihr so vor, als ob die Bewegung nicht ihr gelten sollte. Danach hörte sie Schritte von mehreren Menschen. Sie blickte in die Richtung, in die Takato genickt hatte und konnte noch einen kleinen Blick auf einen schwarz-weiß gestreiften Anzug erhaschen. Er war also nicht allein. Sie schaute wieder zu Takato und... „Lass mich los!“ sie befreite sich aus seinen Armen. Sie hatte ganz vergessen, dass sie die ganze Zeit von ihm gehalten wurde. Takato grinste nur. Er hatte einen schwarzen Anzug an, mit einem schwarzen Hemd und einer weißen Krawatte. Der Anzug war seiner Figur perfekt angepasst, seine Hände lagen in den Hosentaschen. Ihr fiel auf, dass er unter der Kleidung gut gebaut war. >Was? Hast du völlig den Verstand verloren? < sie wurde wütend auf sich selbst. „Also: was machst du hier?“ wiederholte sie die Frage, als sie damit fertig war, sich innerlich auszuschimpfen. „Ich kam nur vorbei, als ich ein paar Schreie hörte. Ich dachte jemand sei in Schwierigkeiten geraten. Und wer hätte das gedacht: ich hatte Recht!“ Haru schnaubte wütend. Sie wollte gerade etwas erwidern als eine Stimme an sie vordrang: „Meister Henji?“ Ein junger Mann, Mitte 30, kam mit langsamen Schritten auf die Beiden zu. Haru blickte zu Takato und sah etwas Unerwartetes: Takatos Gesichtszüge wurden härter, als ob er über den Besuch des Mannes nicht gerade erfreut war. „Sie werden sich verspäten, wenn wir jetzt nicht losgehen?“ sagte der Mann und verbeugte sich leicht. Haru wunderte sich nicht über das Verhalten des Mannes. Für Schüler der Morika-High war es etwas Gewöhnliches einen persönlichen Diener zu haben. Was sie eher überraschte, war Takatos Verhalten. An seiner Gesichtsmuskulatur konnte sie erkennen, dass er die Zähne fest zusammenbiss. „Ich komme gleich.“ Zischte er. Haru starrte ihn verwundert an. „Ah...“ kam es plötzlich von dem Mann und Haru riss ihren Kopf wieder zu ihm. „Ist das nicht Fräulein Anazawa?“ Takato drehte seinen Kopf genervt zur Seite. Sein ganzer Körper spannte sich an. „Ja, das bin ich.“ Haru war leicht überrascht. Als sie jedoch länger nachdachte, stellte sie fest, dass nichts an der Lage überraschend war. Die Bediensteten in ihrem Haus wussten ebenfalls die Namen ihrer Mitschüler. Es war Pflicht sie zu kennen – schließlich waren die Meisten Erben großer Firmen. Haru war allerdings trotzdem erstaunt. Sie musterte wieder Takato, der immer noch eine finstere Miene aufhatte und nichts sagte. „Es freut mich Sie persönlich treffen zu dürfen!“ sagte der Bedienstete und beugte sich vor. Haru erwiderte die Verbeugung und nahm sogar die richtige Pose ein: so, wie sie es bei der „Lady-Nachhilfe“ gelernt hatte. „Sie sehen ganz entzückend aus.“ Sagte der Mann und das Erste, was Haru dachte war: >Quatsch nicht! < Ihre Haare waren zerzaust und die Kleidung leicht dreckig. „Geh jetzt, Mizuke! Ich komme sofort nach.“ Takato sagte endlich was. Aber sein Ton war eisern. Der Bedienstete verbeugte sich noch einmal zur Verabschiedung und mit den Worten „Entschuldigen sie mich“ ging er weg. Als er verschwand wurde es still. Der Wind rauschte leise und man hörte den Straßenverkehr hinter der nächsten Ecke. Haru heftete ihren Blick auf Takato. Hatte er vor sich irgendwann zu bewegen? Ja, das hatte er. Gleich in der nächsten Sekunde hob er einen Arm und fuhr sich durch die Haare. Die plötzliche Bewegung ließ Haru aufschrecken. Sie war darauf gespannt, was er jetzt sagen würde. Eigentlich hoffte sie sogar innig, dass er sein Verhalten erklären würde. Der Schwarzhaarige öffnete seinen Mund: „Okay, bis Morgen!“ sagte er und schritt hastig davon. Der letzte Ausdruck, den sie von ihm zu sehen bekam, war derselbe versteinerte. „Mein Gott.“ Flüsterte sie genervt. „Versteht jemand Stalker?“ Ein Stalker ist eine Person, die andere dauerhaft bedroht, bedrängt und belästigt (laut Wikipedia). Haru überlegte: bedroht hatte er sie nicht wirklich. Bedrängt? Ja, durchaus. Belästigt? Und wie! Zwei zu Eins. Daraus folgt: Takato war ein Stalker. Eindeutig. Ein äußerst komischer Stalker. Etwas bewegte sich schnell und regelmäßig. Sie verstand erst nicht was, bis sie merkte, dass es ihr Herz war. Es pochte ganz laut. >Oh, nein! < dachte sie verzweifelt und legte sich eine Faust auf die Brust. Das Gefühl sich zu Takato hingezogen zu fühlen war wieder da. Aber das durfte nicht sein. Das wäre krank! Wer fühlt sich schon zu seinem Stalker hingezogen? Sie redete sich ein, es wäre wieder nur wegen seiner Ähnlichkeit zu Kazuma. Aber vom Charakter her, war Takato ganz anders. Kazuma war aufgedreht gewesen, hatte viel gelacht und war allgemein ein Kind gewesen. Takato war dagegen ein Rätsel. Es schien ihr, als ob über ihm eine dunkle Wolke lag, ein Geheimnis. Etwas, das er versteckte. >Schluss damit! < befahl sie sich und setzte ihre Übung Wände hinaufzuklettern fort. Jedoch schweiften ihre Gedanken immer wieder ab. ~*~*~//>*<\\~*~*~ Noch 2 Tage und etwa 50° ~*~*~//>*<\\~*~*~ Noch 1 Tag und 30°. Draußen herrschten 30° Celsius. Haru blickte gegen den Himmel und wünschte sie könnte die Uhr zurückdrehen und an einer schönen Stelle anhalten. Sie wollte nicht 17 werden. Sie wollte nicht zu einem kompletten Mädchen werden. Was würden ihre Kumpels sagen? Daran hatte sie noch gar nicht gedacht. ~*~*~//>*<\\~*~*~ „Was? Es werden Reporter kommen?“ Haru stand am Essentisch auf, ihr Blick auf ihre Mutter gerichtet. „Ja natürlich!“ sagte die angesprochene nur kurz und piekte weiter in ihrem Essen rum. Ihre Augen konnte sie nicht heben, sonst hätte sie Haru anschauen müssen. „Setz dich wieder hin!“ sagte Harus Vater in einem gelassenen Ton und nahm einen Schluck Wein. Widerwillig platzierte sich Haru auf ihren Stuhl. Der Appetit war ihr vergangen – für die nächsten 5 Sekunden. Nachdem diese verstrichen waren, schnitt sie wütend den Fisch auf und stopfte sich ein riesiges Stück in den Mund. „Iff klaupf eifaff niff!“ regte sie sich auf, schluckte das Essen runter und setzte fort: „Warum der ganze Wind? Ich werde ja nicht 18, sondern erst 17. Siebzeeehn!“ zog sie und versuchte ihren Eltern zu vermitteln was sie meinte. Diese aßen jedoch ungestört weiter. Nur ein einziger Kommentar kam von ihrem Vater: „Wo sind deine Manieren?“ Na ja, es war kein Kommentar, sondern eine rhetorische Frage. Haru atmete aufgeregt. Ihre Eltern nahmen sich an dem Tag frei, schließlich musste noch viel vorbreitet werden, obwohl das meiste eh von professionellen Partyplanern organisiert wurde. Gleich am frühen Morgen war Harus Mutter in ihr Zimmer gestürzt und hatte sie erst mal mit Küssen zugeschüttet. Haru war begeistert gewesen. Und als sie runter gekommen war, hatte sie von ihrem Vater nichts anderes als ein einfaches „Alles Gute zum Geburtstag, Schatz!“, einen Kuss auf die Stirn und einen Blick auf die Zeitung bekommen, die er in der Hand gehalten hatte und die anscheinend viel spannender gewesen war als das verschlafene Aussehen seiner Tochter. Ihr könnt mich doch alle mal! war der Satz, den sie am liebsten laut rausschreien würde. Harus Blick wanderte ein letztes Mal von ihrem Vater zu ihrer Mutter, die sie immer noch gekonnt ignorierten, bevor sie mit lautem und hilflosem Seufzen ein weiteres Stück Fisch gierig verschlang. Wenn am Abend Reporter kommen würden, hieß es für Haru nichts Geringeres als dass sie sich am Abend keinerlei Fehler erlauben konnte. Kein Abknicken auf den Absätzen, keine bösen Wörter, dafür aber ein ewiges Lächeln, das ihr sicherlich Krämpfe im Gesicht verursachen würde. Geburtstag Ahoi! ~*~*~//>*<\\~*~*~ Noch 15°. Haru betrachtete ihr altes Ich zum letzten Mal im Spiegel, bevor sie in die Prozedur des Umstylens geschleift wurde. >Tatsuja, Riku und der Rest der Gang, Betty: bitte vergebt mir! Im Inneren werde ich immer noch dieselbe bleiben. < ~*~*~//>*<\\~*~*~ Der reichlich mit Blumen und kleinen gläsernen Brunnen gestaltete Raum füllte sich langsam mit Gästen. Die Kleidung von diesen war fein und elegant, was darauf hinwies, dass die Party von hohem Stande war. 2 Mädchen entwichen aus einem Raum im oberen Stock und gingen ebenfalls nach unten, wo sich die restlichen Menschen befanden. Die Mädchen kicherten aufgeregt, und gingen die Stufen in einem leicht tänzelnden Gang herunter. Ihre Kleider waren beide bodenlang und aufeinander abgepasst: pastellfarbiges rosa, mit leichten weißen Verzierungen, die von unten nach oben sich langsam und spielerisch auflösten. Der Unterschied der Kleider lag an den Ausschnitten. Karins Kleid hatte ein V-förmiges, mit Spitzen verziertes Dekolleté. Nodames Kleid war allerdings trägerlos und schmiegte sich geschmeidig um ihren ganzen Körper. „Gleich ist es so weit!“ flüsterte Karin, deren Haare zu einer Hochsteckfrisur gelegt waren. „Haru sieht einfach toll aus. Ich wusste gar nicht, dass sie so süß aussehen kann.“ Nodame kam unten an der Treppe an und drehte sich um 360°, bis sie mit dem Gesicht wieder zu der Menschenmenge gerichtet war. Sie bemerkte einen schwarzen Schopf in der Menge. Das Mädchen quiekte laut auf und zog Karin zu sich: „Guck mal, da ist Takato!“ Karin schaute in die angezeigte Richtung: „Aber... ist das nicht Harus Vater, mit dem er da redet? Kennen sich die Beiden?“ „Keine Ahnung.“ Winkte Nodame schnell ab und schaute sich weiter nach bekannten Gesichtern um. Außer Takato waren fast die ganzen Klassenkammeraden, und auch einfache Schulkameraden von Haru anwesend. Anscheinend wurde die Party groß angekündigt. Die Gäste unterhielten sich aufgeregt, und ab und zu fiel Harus Name. Das Mädchen war für ihre aufgewühlte und wilde Art berühmt. Die Schulkameraden wussten von ihrem Temperament durch die Schule und die älteren Leute wussten es über ihre Kinder oder Klatsch und Tratsch. Ein paar hübsch gekleidete Mädchen in Harus Alter, lächelten und redeten aufgeregt. Sie konnten mit Porzellanpüppchen verglichen werden: ihre Haut blass, die Haare in leichten und seidigen Locken und die Lippen zu süßen Schleifchen geformt. „Ich frage mich warum sie so viel Wind um einen siebzehnten Geburtstag machen. Und dann noch die ganzen Reporter. Ich frage mich ob Harus Eltern vorhaben sich auf immer und ewig zu blamieren, mit so einer Tochter. Ich habe Haru noch nie in einem Rock gesehen.“ „Ich auch nicht! Ich glaube ich habe nicht einmal ihre Haare gekämmt gesehen.“ „Ja, und dann schleppt sie noch oft diese Metallstange mit sich rum. Ich glaube sie hat ihr sogar einen Namen gegeben: Nancy oder so.“ Das Gelächter, das danach ausbrach konnte durch den ganzen Saal gehört werden. Ryo, der nicht gerade freiwillig zu der Party geschleift wurde und nicht drum rumkam das lästige Gerede der Mädchen mitzuhören, nahm sich wütend ein Stück Sushi vom Tablett. „Warum müssen alle Mädels so nervig sein. Entweder sind sie hohl wie Stroh und denken an nichts anderes, wie sie heute mal alle mit ihrem Aussehen umhauen können oder sie sind total eingebildet, obwohl es nichts gibt, weswegen sie es sein dürfen.“ „Oder sie laufen einen ewig hinterher.“ Sprach sein Freund und gleichzeitig Klassenkamerad. „Oder... sie sind wie Haru. Grob, gewaltsam und giftig. Obwohl ich zugeben muss, dass sie äußerst intelligent ist.“ Ryo zischte. „Ach wirklich? Ich denke sie hat keinerlei positive Seiten. Und überhaupt: ich frag mich die ganze Zeit, was ich hier soll? Wenn mich meine Eltern nicht hierher geschleift hätten, würde ich jetzt jemandem gemütlich die Fresse polieren.“ „Bitte?“ Sein Kumpel hatte nicht die geringste Ahnung, dass Ryo ein Mitglied einer Gang war. „Das war ein Scherz.“ Sagte Ryo mit einer ernsten Miene. Sein Freund ließ ein paar gezwungene Laute von sich, die wie Lachen klangen sollen. „Haru, mein Schätzchen! Du siehst fantastisch aus. Wie eine komplett andere Person. Ich wusste, dass hinter deiner wilden Fassade eine Schönheit steckt.“ Sagte Rumina zu ihrer Tochter in einem Raum, das mit Duft von Parfüm durchtränkt war. Haru knurrte nur mürrisch. Sie betrachtete sich im Spiegel und musste zugeben, dass sie sich nicht wieder erkannte. Als sie in Richtung der Treppen lief, wo sie schon von den Gästen gespannt erwartet wurde, betete sie zu Gott, dass sie nicht mit diesen hohen Absätzen umfallen und eine neue Bekanntschaft mit der Mutter Erde machen würde. Der Duft von Parfüm und teurer Schminke drang in ihre Nase und sie fühlte sich, wie eins dieser Püppchen, die da unten standen und nur darauf warteten, dass Haru erscheinen und sich bis in die Knochen blamieren würde. Noch ein paar Meter trennten sie von der Treppe und somit vom sichtbaren Bereich für die Gäste. Sie blieb kurz stehen, holte tief Luft, ballte ihre Hände zu Fäusten und stellte ihre Beine in die Grätsche. Als sie die Luft wieder stoßend ausatmete boxte sie mehrmals in die Luft und machte einen Tritt nach vorn als Abschluss der Zeremonie, die sie aufbauen sollte. >Es ist Zeit diesen Leuten mal alle Lichter auszuschalten. < sagte sie aufbauend zu sich selbst. Dieses Vorhaben wollte sie diesmal nicht mit Gewalt lösen, sondern mit ihrem neuen Ich. Sie stellte sich wieder aufrecht hin, auf ihren Lippen erschien ein bezauberndes Lächeln. „Darf ich um ihre Aufmerksamkeit bitten?“ erklang eine Stimme durch die Lautsprecher und brachte die Gäste zum Schweigen. „Heißen Sie sie willkommen: unser Geburtstagskind und Gastgeber: Anazawa Haru!“ Die Köpfe wurden hochgerissen, in Richtung Treppe. Mit eleganten Schritten, wie sie es von Karin und Nodame gelernt hatte, brachte Haru die letzten Meter hinter sich und erschien dem Publikum, dessen Aufmerksamkeit in diesem Augenblick ganz ihr galt. Ein Scheinwerfer war auf sie gerichtet. Plötzlich wurde es still im Raum und eine melodische Musik erklang. Haru fing an die Treppen runter zu steigen: langsam und elegant. Die Menschen betrachteten staunend, mit welcher Grazie sich das Mädchen bewege und wie verführerisch ihr Kleid ihre Figur betonte. Es war weiß und knielang. Der Rock des Kleides floss in leichten Falten nach unten. Um ihre Taille wurde es enger und ebenfalls in sanften aber das Bild nicht zerstörenden, kleinen, waagerechten Falten gelegt. Der Ausschnitt des Kleides war v-förmig, der am Ende allerdings durch schwarze und hellgrüne Verzierungen abgestumpft wurde. Die Farben schwarz und hellgrün tauschten überall in dünnen Linien auf dem Kleid auf, jedoch ganz fein, so dass das Kleid nicht überladen wirkte. Die Musik spielte immer noch und es sagte immer noch keiner was, als Haru in der Mitte der Treppe angelangt war. Ihre roten Haare waren das faszinierendste an ihrem ganzen Aussehen. Ihr Pony war geglättet und leicht zur Seite gelegt. Die langen Strähnen, die wie Feuer schimmerten, wurden spielerisch zu einer Hochsteckfrisur geformt und ein paar einzelne, lockere Strähnen fielen lockig herunter auf ihren Rücken und ihre Schultern. Die hochgesteckten Haare waren durch einzelne hellgrüne und schwarze Bänder verziert. Das ganze würde durch passenden Schmuck in Silber mit grünen und schwarzen Steinen ergänzt. Haru wünschte sich über alles, dass ihr endlich ihr Vater entgegen kommen und sie empfangen würde, so wie es eigentlich geplant war. Dieser alte Sack ließ aber auf sich warten. Haru ließ ihren Blick durch den Raum schweifen aber ihren Vater konnte sie nicht entdecken. Stattdessen sah sie ein paar staunende, mundaufgerissene Gesichter. Ihr Blick traf auf Takato und blieb dort hängen, obwohl sie sich wünschte, es wäre nicht so. Sein Gesicht war im Gegensatz zu anderen ganz emotionslos. Er schaute sie an und brach plötzlich den Augenkontakt ab, in dem er sich umdrehte und aus dem Sichtfeld schritt. Haru war ganz perplex und hätte beinahe das Lächeln abgesetzt. Was war denn jetzt los? War er sauer? Sie schmiss den Gedanken an Takato schnell aus dem Kopf. Sie hatte jetzt an Wichtigeres zu denken. Wie sie es schaffen sollte nach unten zu kommen ohne dabei hinzufliegen, zum Beispiel. Plötzlich kam ihr zur ihrer Erleichterung ihr Vater entgegen und legte ihren Arm in seine Armbeuge. Als er das tat fingen die Menschen an zu klatschen und hießen somit das Geburtstagskind willkommen. Wurde aber auch Zeit! Das ewige Schweigen fing schon langsam an ihr auf den Keks zu gehen. Und so war ihr Leben verändert und es gab keinen Weg zurück. Als die einzelnen Gäste auf sie zukamen und ihr gratulierten, lächelte sie diesen entgegen, fühlte sich aber miserabel – fast schon zum heulen. Ihre Füße schmerzten, ihr Gesicht ebenfalls, wegen dem aufgesetzten Lächeln. Sie war nun ein Mädchen, eins das sich ihr Vater immer gewünscht hatte. Aber das was sie empfand, war kein Stolz auf sich selbst, weil sie es endlich geschafft hatte seine Erwartungen zu treffen, sondern ein Gefühl von Falschheit. Sie fühlte sich wie ein falsches Juwel, das nur so lange schien, bis man es zerbrach. Sie hatte sich um 180° gedreht, aber wenn man einen Steinbrocken um 180° dreht, bleibt er immer noch ein Steinbrocken und kein Diamant. Ein Paar grüne Augen fixierte das rothaarige Mädchen aus der Menge. Ryo stand im Raum, an die Wand gelehnt und betrachtete, wie das Mädchen mit einem falschen Lächeln die Glückwünsche entgegennahm. In diesem Moment verspürte er eine plötzlich aufkeimende Wut. Warum musste sie wieder ein weißes Kleid anhaben. Das erinnerte ihn zu sehr an den Traum, den er seit Kurzem fast jede Nacht hatte. Der Unterschied zum Traum lag allerdings darin, dass das Mädchen nicht am Hals blutete. „Was soll der Zirkus?“ zischte er durch die Zähne. Sein Freund schaute ihn überrascht an: „Was ist los? Warum bist du wütend?“ „Ich bin nicht wütend.“ Ryos Freund reagierte nicht, sondern schaute in Harus Richtung: „Wer hätte das gedacht?! Unsere Haru ist ja richtig süß.“ Ryos Miene verfinsterte sich abrupt. Er durchbohrte Harus Rücken mit seinem Blick. Und als ob das Mädchen die Kälte von diesem spüren konnte, drehte sie sich um und traf auf Ryos dunklen Blick. Das falsche Lächeln verschwand. Ihr Gesicht formte sich zu einem gleichgültigen Ausdruck. Plötzlich schritt das Mädchen auf ihn zu und noch bevor er etwas realisieren konnte lag seine Hand plötzlich in ihrer: sie begrüßte ihn. „Danke Ryo-kun, dass du gekommen bist.“ Auf ihrem Gesicht tauchte plötzlich wieder ein Lächeln auf, aber es war nicht das falsche von vorhin sondern war gehässig und aufziehend. Ihr Händedruck wurde plötzlich fester, so fest, dass Ryo beinahe losschrie. „Also dann, ich wünsche euch noch viel Spaß auf der Party. Mit diesen Worten schweifte sie an ihm vorbei und rammte ihm mit aller Kraft einen Absatz in den Schuh. Diesmal konnte Ryo den Schrei nicht unterdrücken. Haru legte schockiert eine Hand vor dem Mund: „Oh, das tut mir so Leid. Ich bin ja so ein Trampel! Alles okay?“ Ihr Gesicht war das eines Engels. Ryos Freund fühlte sich geblendet. Er schubste Ryo zur Seite: „Er wird es überleben. Alles Gute zum Geburtstag Anazawa!“ „Danke.“ Sagte sie strahlend und schritt davon. Der Klassenkamerad musterte sie von oben bis unten, bis sie aus der Sicht verschwunden war. Der belustigte Blick seines Freundes entging Ryo nicht. Er knurrte mürrisch. Sein Fuß tat höllisch weh. Das würde sie ihm noch büßen. Als Haru durch den vollen Raum schritt, stieß sie auf Takato. Dieser entschuldigte sich bei seinen Gesprächspartner und ging weg. „Noch auffälliger könnte er mir nicht aus dem Weg gehen.“ Sagte Haru durch die Zähne. „Was hat er für ein Problem? Ist er sich zu fein mir zu gratulieren?“ Egal! Es war nicht wichtig. Sie sollte endlich aufhören ihre Gedanken an ihn zu verschwenden. Ihr Leben war jetzt anders geworden. Vielleicht hieß diese Umstellung auch, dass Takato endlich aufhören würde, sie zu verfolgen. Sie seufzte und setzte wieder ein Lächeln auf. „Onkel Koji, lange nicht gesehen.“ Sagte sie zu einem älteren Mann und stürzte sich wieder in die gesellschaftlichen Gespräche. ~*~*~//>*<\\~*~*~ Der Sekundenzeiger der Uhr, die hoch im Saal hing, steuerte auf die Zahl 6 zu. Noch wenige Grad und er würde in eine ganz andere Richtung als bei 12 schauen. Tick: Zahl 6! Halbe Minute. Es ist vollbracht. __________________________________________________________________ Ich bedanke mich herzlichst bei all den Kommischreibern. Ihc macht mich glücklicher, als es ein Erdbeerkuchen je machen könnteXD Danke, danke, danke! P.S.: Ich mag den Kapi net~__~ Dafür aber den nächsten8D Der kommt bald. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)