Antarctica - im Herzen des Eises von Ryucama (eine Sammlung von Oneshots, zu einer durchgehenden Story zusammengefasst) ================================================================================ Kapitel 15: Zweikampf --------------------- Wie erwartet ging es diesmal deutlich schneller, das Kapitel abzuschließen. (hrm, ich sollte vielleicht öfter mal mit Cliffhangern arbeiten, das gibt mir selbst scheinbar auch den sprichwörtlichen Tritt in den Allerwertesten, schnell weiterzuarbeiten...) Ich hoffe, die Wartezeit war nicht allzu schlimm! Jetzt aber viel Spaß mit dem neuen Kapitel! Hauptcharakter: Ryucama (21 Jahre alt, Fähigkeiten: Eis-Offensive/Blut-Defensive, Rang: Captain/Offizier), Lucarna (25 Jahre alt, Fähigkeiten: Nekromantie/Beschwörung, Rang: General) Es war still. Fast zu still für die Massen an Mages, die sich auf den Rängen befanden. Ryucama konnte die Spannung beinahe greifen. Etwas irritiert sah er sich um, winkte unbeholfen, als verhaltener Jubel aufbrandete. Wem er galt, vermochte er nicht zu sagen. Er konnte Rajan und den zweiten neuen General, Vestral, in einer der Logen sitzen sehen, Cesaja und Sato entdeckte er nirgends. Vielleicht aber auch nur deshalb, weil die Sitzplätze fast alle voll waren und ihn allein die schiere Menge an Menschen fast übermannte. Ryucama schritt vorwärts, an die Ringlinie. Er würde die Arena an der südöstlichen Ecke betreten, sein Gegner an der nordwestlichen Ecke. Die vier Schiedsrichter warteten bereits, allesamt in ihrem vollen Ornat. Chargals Gewand schimmerte wie ein rubinroter Blutstropfen – eine Farbe, die Ryucama nicht unbedingt im Bezug auf den Kampf sehen wollte, wobei er jedoch ganz genau wusste, dass es letztendlich das Blut war, was den Ausschlag zur einen oder anderen Seite hin geben würde. Er sah zu Sarmagon hinüber, der ihm freundlich zunickte. Man konnte dem Telepathen ansehen, dass er nicht zufrieden war mit den getroffenen Entscheidungen. Ryucama war ein Mitglied seiner Legion, Lucarna einer seiner Mitgeneräle. So oder so konnte er es nicht gutheißen, was geschah. Aber es lag außerhalb seiner Macht, das Duell zu verhindern. Die beiden Kanzler an der Nord- und Südseite wirkten ruhig, inspizierten erneut die Linien des rechteckigen Feldes. Ryucama schluckte, als Chargal seine Ankündigungen machte. Er konnte nicht wirklich zuhören, stattdessen glitt sein Blick unstet über die Reihen der Zuschauer, die Schiedsrichter und das Kampffeld. Dann hob er den Kopf und sah Lucarna direkt an. Ein böses Lächeln lag auf den schmalen Lippen des Nekromanten, als dieser den Blick erwiderte. Gerade so, als wüsste er schon, wer als Sieger aus dem Kampf hervorgehen würde – dass Ryucama den Platz nicht mehr lebend verlassen würde. Tod und Finsternis. Die Elemente eines Nekromanten. Ryucama spürte, wie Kälte sich in seinem Körper ausbreitete. Anders als die meisten anderen Mages jedoch hieß er sie willkommen. Kälte bedeutete nicht notwendigerweise Angst. In seinem Fall bedeutete es, dass er bereit war, um sein Leben – und um Cesajas, wohlgemerkt – zu kämpfen. Eis war sein Element. Eis und Blut. Er erwiderte das Lächeln, ebenso kalt und scharfkantig wie das von Lucarna. Er konnte sehen, wie die rechte Augenbraue des Nekromanten zuckte. Er glaubte, den Anderen zumindest ein wenig verunsichert zu haben. Betont ruhig sah er sich um, ließ den Blick über die Menschenmenge schweifen. Er entdeckte Cesaja und Sato, die beide blass oberhalb von Sarmagon saßen und wirkten, als würden sie am liebsten aufspringen und davonlaufen. Ryucamas Lächeln gewann etwas Wärme zurück und er konzentrierte sich wieder auf Chargal, der eben seine Rede beendete und die beiden Kontrahenden bat, den Ring zu betreten. Also geht es los, dachte Ryucama, als er die Linie überwand, hinter der sich sein Schicksal erfüllen würde. Lucarna war sich seines Körpers mehr als bewusst, als er gemeinsam mit Ryucama die Linie überschritt. Hinter ihm schlossen Feodor und Chargal die Siegel, die die Zuschauer vor Schaden bewahren würden. Sie würden zugleich darauf achten, dass sie intakt blieben während des Kampfes, während sie die Schlacht beobachteten. Der Nekromant sah sich um. Zu viele bekannte Gesichter oberhalb der Tribünen lehnten sich nach vorne, um auch ja nichts zu verpassen, doch seine Aufmerksamkeit richtete sich nur auf die Arena, auf seinen eigenen Körper und den seines Gegners. Keine Toten, die er beschwören konnte, aber auch keinen Einfluss von anderen Elementen. Dies war eine Pattsituation, was immer sie einsetzen wollten, musste von ihnen selbst kommen. Einerseits war Lucarna dafür dankbar, denn so hatte Ryucama nur die Kälte seines eigenen Geistes zur Verfügung, zum Anderen würde es aber auch jede Beschwörung für ihn selbst schwieriger machen. Er wusste, wenn er dem Anderen die Chance gab, würde Ryucama ihm tatsächlich gefährlich werden können. Er durfte nicht zulassen, dass das Spiel zu den Bedingungen des Blutdefensivisten gespielt wurde. Chargal gab das Signal, dass der Kampf begann und Lucarna schritt nach vorne, auf Ryucama zu. Der Andere ging in Kampfhaltung, breitbeinig und geduckt, jederzeit bereit, einer Attacke auszuweichen. Lucarna grinste. Als ob ihm das etwas nützen würde, wenn er sein Blut umwandelte. Er griff nach Ryucamas Körper, versuchte, das Blut in Wasser umzuwandeln. Schon spürte er, wie sich Ryucama versteifte, wie sich seine Augen weiteten – und Lucarnas Einfluss schlagartig abschmetterte, als er sich mit seinen eigenen scharfgefeilten Fingernägeln die Handfläche aufriss und einen Blutschild erzeugte, der Lucarna die Sicht nahm. Der Nekromant unterdrückte einen Fluch. Wollte er Blut in Wasser verwandeln, durfte kein anderes Blut im Weg sein. Und wenn er den Schild umwandelte, half er damit auch niemandem, denn Ryucamas Element war das Eis ebenso wie das Blut. Zähneknirschend blieb er stehen, schloss für eine Sekunde die Augen. Sand am Boden... ruhige, unbewegliche Stärke... Der kleine Golem erschien fast mühelos vor ihm, rannte auf den Blutdefensivler zu, wobei ihn seine fünf Beine fast nicht zu beeindrucken schienen. Lucarna lachte, als er sah, wie sich Ryucamas Augen entsetzt weiteten, als die Kreatur auf ihn zuhastete und ihn dabei angrollte wie ein dreimal so großer Golem. Er konnte sehen, wie überrascht der Andere war. Beschwörungen dauerten ihre Zeit, hieß es. So schnell hatte Ryucama sicher keinen Aufruf erwartet. Sein Gegner wich keuchend zurück, ließ Eisspieße aus dem Boden schießen, doch die Kreatur war zu schnell und wich den Angriffen ohne Schwierigkeiten aus. Lucarna schloss die Augen, konzentrierte sich erneut, diesmal auf die Hitze in seinem Inneren, sowie auf die Wärme, die alle anwesenden Menschen abgaben. Seine Lippen bewegten sich fast lautlos, er sprach die Beschwörung so sicher, wie als würde er sie von einer Schriftrolle ablesen. Die Hitze in seinem Inneren breitete sich aus, formte sich zu einem Kern glühender Energie. Der Nekromant hob die Hände vor sich und die Kreatur nahm Gestalt an – ein wabernder Lavaball, der drückende Hitze abstrahlte. Immer weiter verdichtete Lucarna die Energie, gab dem Lavageist Kraft, um länger bestehen zu können. Er hörte den erschrockenen Aufschrei Ryucamas, als sein Kontrahent bemerkte, was geschah. Doch scheinbar war der junge Mage immer noch mit dem Erdgolem beschäftigt, denn gleich darauf hörte Lucarna einen leisen Fluch. Ein Klirren warnte ihn und er ließ den Lavaball los, sprang zur Seite. Gerade noch rechtzeitig, sah er, als er die Augen aufriss. Wo er eben noch gestanden hatte, ragten nun scharfkantige Eisspeere aus dem Boden. Ryucama holte aus und kickte den Erdgolem mit einem wohlplatzierten Tritt gegen das Siegel, wo sich die Kreatur fauchend auflöste. Der Blutdefensivler wandte sich dem Lavageist zu, der langsam auf ihn zuwaberte. Lucarna grinste. „Na komm! War das schon alles?“ Ryucamas Blick war auf den Geist fixiert, er ignorierte den Nekromanten vollkommen. „Auch gut. So bleibt mir mehr Zeit.“ Er griff erneut nach Ryucamas Körper, da der Blutschild durch die Angriffe des kleinen Golems durchlässig geworden war, doch wie zuvor riss sich sein Gegner die Handfläche erneut auf und zog einen neuen Blutschleier um sich, der sich blitzschnell in eine neue steinharte Defensive verwandelte. Lucarna seufzte. „Wie du willst.“ Er holte aus, warf eine Handvoll Geistenergiesplittern auf seinen Gegner, um ihn zu irritieren und dem Lavageist mehr Zeit zu geben, näher zu kommen. Eine Waffe wie diese war nicht wirklich gefährlich – de facto war es das Erste, was ein Beschwörer zu beschwören lernte – aber vielleicht war es genug, um Ryucamas Konzentration zu brechen. Unglücklicherweise schien das nicht der Fall zu sein, denn die Splitter flackerten und zischten nur, als sie auf den blutroten Schild trafen. Ryucama nahm nicht einmal Notiz von ihnen. Lucarna zögerte. Dann endlich erkannte er, was sein Gegner da tat. Er fluchte und versuchte, die Kontrolle über die Kreatur zurückzugewinnen. Ryucamas volle Konzentration war auf den Lavageist gerichtet, der immer weiter auf ihn zuschwebte. Langsam, Schicht für Schicht kühlte er die Haut der Kreatur ab. Er spürte bereits die sengende Hitze in seinem Geist, als sich das Geschöpf gegen seine Bemühungen zur Wehr setzte. Diese Kreatur war mächtiger als der kleine Fünfbeiner, den Lucarna ihm zuvor geschickt hatte. Der Nekromant bewarf ihn mit winzigen Energiefunken, die jedoch alle von Ryucamas Blutschild aufgefangen wurden. Kurz tastete er mit seinem Geist gegen die Barriere, doch diese war noch fest und würde nicht wanken, auch wenn Lucarna ihm einen mächtigeren Angriff entgegenschleuderte. Er fokussierte sich wieder auf den Lavageist, der immer noch näher kam, jedoch immer langsamer wurde, je kälter sein noch glühender Körper wurde. Der Blutdefensivler wusste, wenn ihn das Geschöpf berührte, würde er in Flammen aufgehen. Das war etwas, das er unbedingt vermeiden musste! Vereinzelt brachen bereits Teile der erkalteten Lava um die Kreatur herum ab. Doch dann flutete eine neue Welle von Hitze durch das Geschöpf. Ryucama zog sich erschrocken zurück, als er spürtete, wie die Wärme auch auf seinen Geist übergriff und den „Kern aus Eis“, wie er es für sich selbst nannte anzuschmelzen begann. Er keuchte und ließ den Lavageist los. Sein Geist war wund, wo er die Lava berührt hatte. Lucarnas Gesicht war ein Ausdruck der Konzentration, doch als er Ryucamas Einfluss schwinden spürte, schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. Ryucama wich zitternd zurück. Die Kälte in seinem Inneren war angeschlagen, viel zu schwach, um das Lavageschöpf aufzuhalten. Der „Kern aus Eis“ war momentan eher ein Eisklumpen in einem Meer von nur noch kaltem Wasser, dachte Ryucama bedauernd und konzentrierte sich auf sich selbst, um die Kälte in sich wieder zu stärken. Damit gab er aber auch Lucarna die Chance, wieder anzugreifen. Der Lavageist waberte ohnehin bereits wieder auf ihn zu, sah Ryucama schaudernd. Er legte die Hand auf den Boden und ließ Eis die Erde überziehen, verwandelte den Ring in eine spiegelglatte Fläche, auf der nur er selbst zu gehen vermochte. Der Hitzegeist schmolz die Eisfläche zwar an, doch er befand sich zu hoch in der Luft, um sie wirklich wegschmelzen zu können. Wenn Lucarna auch nur einen Schritt machte, würde er ausrutschen und – Ryucama gelang es gerade eben noch, einen weiteren Blutschild zu erzeugen, ehe Lucarna ihn töten konnte, indem er Ryucamas Blut in Wasser verwandelte. Wütend schleuderte der Blutdefensivler einen Eisspeer nach Lucarna. Zwar verfehlte er den Nekromanten, doch musste dieser dafür zur Seite hin ausweichen und setzte sich, wie zuvor erwartet, unsanft auf den Hosenboden. Ryucama grinste und warf einen zweiten Eisspeer. Diesmal war der Nekromant nur noch in der Lage, aus dem Weg zu kriechen, weil er nicht einmal mehr auf die Füße kam. Jetzt hatte er die Kontrolle! Ein leises Lächeln schlich sich auf die Lippen des Jüngeren. Nun war der Zeitpunkt gekommen, an dem ganz Antarctica sehen sollte, was geschah, wenn man ihn unterschätzte und den hochgelobten Nekromanten für unbesiegbar hielt! Er legte eine Hand auf das Eis. Aus der spiegelnden Fläche wuchsen Eiskristalle an Lucarnas Knien nach oben. Der Nekromant schrie erschrocken auf, als er feststellte, dass er buchstäblich im Eis festfror. Lucarna riss an seinen Beinen, die bereits vom Knie abwärts – er hatte es noch immer nicht geschafft, sich zu befreien – am Boden festgefroren waren. Ryucamas Blutschild wirbelte noch immer um ihn herum, entzog ihn dem Blick des Nekromanten, der im wahrsten Sinne des Wortes töten konnte. Der Andere konnte ihn nicht einmal angreifen! Der Blutdefensivler wischte sich den Schweiß von der Stirn, bereitete eine neue Attacke vor, mit der er den Kampf beenden würde. Dieses Eis würde Lucarna niemals schmelzen können! Ryucama konzentrierte sich. Jetzt war sein Inneres wieder so kalt wie das Innere einer Eishöhle – es sollte kein Problem sein, Lucarna vollständig im Eis einzuschließen. Aber warum schrie das Publikum so? Erst im letzten Moment wurde ihm klar, warum. Mit einem Keuchen warf er sich aus der Bahn. Der Lavageist hatte sich unbemerkt bis fast an seinen Blutschild vorwärts bewegt! Fluchend richtete er die Attacke nicht auf den Nekromanten – dieser würde ohnehin in wenigen Sekunden vollständig vom Eis bedeckt werden – sondern auf den Geist. Schollen von blauem Eis schossen nach oben und schlossen sich, Blütenblättern gleich, um die Kreatur. Ryucama biss die Zähne zusammen, als die ersten Schollen unter der Hitze des Geschöpfes zu schmelzen begannen. Er musste diesen Geist aufhalten! Mit aller Kraft, die ihm zu Gebote stand, intensivierte er den Angriff. Immer weitere Eisschollen bildeten sich über dem Lavageschöpf, schlossen es im Eis ein und kühlten es immer weiter ab. Es war ein Ausdauertest, wer eher erschöpft war – die Kreatur oder Ryucama. Doch der Blutdefensivler war entschlossen, nicht gegen einen Geist aus einer anderen Dimension zu verlieren, während er doch noch einen anderen Kampf zu bestehen hatte! Das Eis kletterte rapide an seinem Körper nach oben. Lucarna wusste, wenn Ryucama ihn jetzt angriff, wäre er hilflos. Eine Statue aus Eis, in einer so erniedrigenden Haltung... der Nekromant ballte die Fäuste. Er musste etwas tun – nur was? Da sah er, wie der Lavageist Ryucama von rechts immer näher kam. Vielleicht... er gab der Kreatur einen Schubs, damit sie schneller vorankam. Dann, als er Ryucamas Fluch hörte, schloss er die Augen. Er schloss alles um sich herum aus. Das Eis, das ihn immer mehr lähmte, das Geschrei der Zuschauer, selbst das leise, kaum wahrnehmbare Sirren der Siegel um den Ring, alles trat in den Hintergrund. Brodelnde Hitze wallte in ihm auf, als er leise und so schnell, wie er es vermochte, eine Beschwörung rezitierte, die er noch nie zuvor angewandt hatte. Er wagte nicht, an etwas anderes zu denken als an die korrekte Aussprache der vielen Wörter, die für diese Beschwörung nötig waren. Satz um Satz kam ihm über die Lippen, während sich die Hitze in seinem Inneren immer weiter steigerte, bis Lucarna schon meinte, schmelzen zu müssen. Ihnen allen war beigebracht worden, eine solche Beschwörung nur unter günstigsten Bedingungen zu versuchen, wenn man genügend Zeit hatte, beschützt wurde – und vor allem, wenn niemand im Weg stand, den man nicht verletzen wollte. Doch Lucarna wusste, er hatte Ryucama sträflich unterschätzt, vor allem dessen Zähigkeit. Wenn es ihm nicht gelang, den Zauber zu vollenden, würde er den Kampf verlieren. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Aussprechen der Worte, als er an das besonders komplizierte Ende gelangte. Dann, endlich, spürte er das Licht, das ihn selbst durch seine geschlossenen Lider blendete. Binnen Sekunden schmolz das fesselnde Eis. Lucarna lächelte und löste das letzte Band, das die Kreatur mit ihm verbunden hielt und das von seiner Lebensenergie zehrte. Dann richtete er sich auf. Die Zuschauer waren still, voller Überraschung, manch einer wohl auch vor Entsetzen. Die Hitze im Ring verwandelte das Eis in Wasser, schneller als irgendjemand erwartet hatte. Lucarna richtete sich auf und hob den Kopf. Vor ihm schwebte ein mächtiges Geschöpf, das nur noch aus gleißenden Flammen zu bestehen schien. Eine der gefährlichsten Kreaturen, die ein Beschwörer zu rufen vermochte – ein Feuerelementar. Ryucama, der sich ihm überrascht zugewendet hatte, war starr vor Schreck. Sein Blutschild war nur noch ein trauriger Rest von dem, was er zuvor gewesen war, doch er war zu erschrocken, um die Gefahr zu bemerken. Die Hitze hatte das Blut viel zu schnell getrocknet und somit nutzlos gemacht, als dass Ryucama, der ohnehin abgelenkt gewesen war, es hätte bemerken können. Der Nekromant begann zu lachen. Dann, mit einer Handbewegung, sandte er das Elementar auf den Blutdefensivler. Ein Aufschrei des Entsetzens ging durch die gesamte Halle, als die Kreatur vorwärts schoss. War der Lavageist langsam, träge und schwach gewesen, das Elementar war das genaue Gegenteil davon. Seine brennende Hitze brachte die Luft zum flirren, schmolz die letzten Reste des Eises, die noch irgendwo überlebt hatten. Neben Ryucama fiel der traurige Rest des Lavageistes in Stücke, zog sich in die Dimension der Geister zurück. Hatte der Jüngere erwartet, dies wäre die größte Gefahr, die ein Beschwörer herbeirufen konnte, so hatte er jetzt eine Lektion erhalten, die nur allzu schnell tödlich enden konnte. Lucarna sah ihn panisch aus dem Weg hechten, als das Elementar ihn fast erreicht hatte. Er sah den Schweiß, der Ryucama von der Stirn flog, sah das Zittern der Hände des Blutdefensivlers. Aber er sah auch Chargals Gesicht, das voller Zweifel war. Der Nekromant biss die Zähne zusammen. Niemand würde ihm diesen Sieg nehmen! Er griff nach Ryucamas Körper. Zum ersten Mal bekam er den Jüngeren zu fassen. Lucarna spürte das Adrenalin, das das Blut verseuchte. Wenn Ryucama jetzt auf der Stelle sterben würde, würde er wohl nicht einmal umfallen, so viel des aufputschenden Stoffes befand sich in seinem Kreislauf. Nun, zumindest nicht, wenn nachher noch Blut durch seine Adern fließen würde. Der Nekromant fasste das Blut in Ryucamas Herz, begann, es in Wasser umzuwandeln. Wie erwartet bemerkte der Blutdefensivler nichts, er war viel zu beschäftigt damit, dem Elementar auszuweichen und sich eine nutzlose Strategie auszudenken. Lucarna schnaubte. Als ob man ein Elementar aufhalten könnte, wenn es einmal losgelassen war! Immer mehr des kostbaren roten Lebenssaftes verwandelte sich in nutzloses Wasser. Jetzt schien Ryucama es bemerkt zu haben, denn seine Rechte zuckte zu seinem linken Arm – jedoch nicht schnell genug. Lucarna reagierte blitzschnell und wandelte das Blut, das sich in den Adern von Ryucamas linken Arm befand, in Wasser um, sodass nicht rote, sondern klare Flüssigkeit aus dem Arm spritzte. Er sah das namenlose Entsetzen in den Augen des Jüngeren, sah, wie er sich ans Herz griff. Lucarna lächelte. Der Blutdefensivler war dabei, zu ersticken! Die Bewegungen des Jüngeren wurden immer langsamer, gerade gelang es ihm noch, sich aus der Bahn des fauchenden Elementars zu schleppen. Lucarna lachte auf, wandelte noch mehr Blut um – und stieß plötzlich auf Widerstand! Wo nur noch Wasser hätte sein sollen, floss erneut Blut! Zornentbrannt sah er sich um. „Bellevianus!“, brüllte er. „Misch dich nicht in meine Kämpfe ein!“ Niemand antwortete ihm. Das Publikum war still, zu überwältigt, um zu rufen, zu applaudieren oder sonst irgendetwas zu tun, als einfach nur wortlos in den Ring zu starren. Lucarna knurrte, als er den anderen Nekromanten nicht fand und griff nach Ryucamas Herz selbst, zwang es, anzuhalten. Der Blutdefensivler würgte, sackte in die Knie. Als Antwort spürte auch Lucarna, wie sich eine eiskalte Hand um sein Herz legte. „Verschwinde, oder ich töte ihn!“, drohte er. Er spürte, Ryucama stand kurz vor dem Tod. Zu viel seines Blutes war ihm bereits abhanden gekommen. Und nun versagte auch noch die Versorgung! Abrupt ließ der Widerstand nach, verschwand die Kälte in seinem eigenen Körper. Chargal gab das Signal des Kampfendes und Lucarna ließ gehorsam los und hob die Hände zum Zeichen, dass er nicht weiterkämpfen würde. Und doch tat er es, wenn auch nur unbewusst. Mit einem ohrenbetäubenden Brüllen warf sich das Elementar vorwärts. Ehe Lucarna reagieren und das Elementar in die Dimension der Geister zurückschicken konnte, attackierte es. „Nein!“, schrie irgendjemand. Es warf sich auf Ryucama, umhüllte ihn mit seinem Feuer. Alle Anwesenden hörten den entsetzlichen Schrei des Blutdefensivlers, als das Elementar ihn berührte, durchdrang und verbrannte. Lucarna versuchte, die Kreatur zu verbannen, doch er wusste, er war nicht schnell genug. Ryucama würde tot sein, ehe es vollbracht wäre. Dann waren die Flammen verschwunden und mit ihm das Zischen und Brüllen des Feuers. Zitternd sackte Lucarna zu Boden. Wäre er jetzt angegriffen worden, wäre er hilflos gewesen. Sein Geist war schwach wie der eines neugeborenen Kindes – und sein Körper fühlte sich ebenso an. Doch immer noch besser als Ryucama... Ein Aufschrei der Überraschung ging durch die Reihen der Zuschauer. Lucarna hob schwach den Kopf, erwartete bereits, Ryucama aufrecht vor sich stehen zu sehen. Die andere, weitaus wahrscheinlichere Alternative war, ein Aschehäufchen vorzufinden. Doch weder das Eine, noch das Andere war die Realität. Der Blutdefensivler lag auf dem verbrannten Boden der Arena, äußerlich unverletzt, doch reglos. Eine schimmernde, jedoch zersprungene Schutzkuppel spannte sich über ihn. Lucarnas Blick flog nach oben in die Ränge, wo sich gerade eine Menschentraube um Cesaja bildete. Mit dem Ende des Kampfes waren auch die Siegel erloschen und jeder konnte eingreifen. Jedoch hatte nur ein einziger Mage schnell genug reagiert, um irgendetwas zu tun. Die Lucarna so verhasste Barriere hatte das Einzige getan, was sie hatte tun können – eine Schutzkuppel über seinen Freund zu legen und somit zumindest die Flammen zu bannen, die ihn verbrannt hätten. Allerdings bezweifelte Lucarna, dass es irgendetwas genützt hatte. Ryucamas Blut war größtenteils Wasser, außerdem stand sein Herz still. Jetzt war der Jüngere mit großer Wahrscheinlichkeit tot. Gerade eben beugte sich Kanzlerin Menrey über ihn, drehte ihn herum. Lucarna sah, wie blass der Blutdefensivler war. Es war so gut wie ausgeschlossen, dass er Lucarnas Attacke und den Angriff des Feuerelementars überlebt hatte. Er hing schlaff im Griff der Kanzlerin, die besorgt nach dem Rechten sah. Der Nekromant jedoch wusste, dass sie zu spät kam. Und doch. Als Lucarna den Kopf hob, einfach nur um das Bild nicht länger vor Augen haben zu müssen, wie sich die Generäle und Kanzler um den Gefallenen scharten, erkannte er, dass er vielleicht vorschnell gewesen war. Jetzt, da er die Ruhe hatte, genau hinsehen zu können, sah er ihn. Den anderen Nekromanten, in schlichtes Braun gekleidet, wie er ganz oben, auf der Galerie oberhalb des obersten Ranges stand. Bellevianus' Blick war auf Ryucama gerichtet, erkannte Lucarna. Bis hierher konnte er spüren, wie der Ältere Einfluss nahm. Menrey legte Ryucama ab, richtete sich auf. Trauer stand in ihrem Blick. Sie wandte sich an alle Anwesenden. „Dieser Kampf endet mit einem Sieg für General Maggiore. Ich bin sehr traurig, Ihnen allen mitteilen zu müssen, dass Captain Satir dieses Duell nicht überlebt hat.“ Sie machte eine kurze Pause, dann sagte sie: „Der Grund dieses Duells bestand darin, dass davon abgesehen werden sollte, Leutnant Aren auf eine ihm bekannte Mission geschickt werden sollte, durch Captain Satirs Niederlage wird diese jedoch wie geplant fortgeführt. Des Weiteren erhält General Maggiore nun die Möglichkeit, einen Wunsch zu äußern, sofern es im Bereich des Möglichen liegt. Ich selbst werde versuchen, ihm diesen zu erfüllen.“ Lucarna runzelte die Stirn. Für gewöhnlich wurden die Bedingungen für den Sieg des einen oder anderen Kontrahenden vor Beginn des Kampfes festgelegt, er jedoch hatte sich dafür entschieden, erst nach dem Ende des Duells zu entscheiden, was zu geschehen hatte. In der Regel hatte der Verlierer dann zu tun, was der Sieger von ihm verlangte. So jedoch, mit Ryucama tot... Lucarna sah nach oben zu Bellevianus. Oder zumindest dorthin, wo der Nekromant hätte stehen sollen, denn der Mann war fort. Ihm wurde bewusst, dass die Anwesenden auf seine Antwort warteten. Lucarna zögerte. Dann, einer spontanen Eingebung folgend, sagte er: „Ich will, dass Captain Satir meiner Legion unterstellt wird.“ Die Unruhe, die folgte, war nicht nur auf die Ränge beschränkt. Auch Sarmagon und Chargal, sowie die Kanzler fuhren heftig zusammen. Feodor, der nach wie vor bei Ryucamas vermeintlicher Leiche gekniet hatte, berührte den Gefallenen am Hals. Seine Augen weiteten sich vor Überraschung. Er gestikulierte mit Menrey, die glücklicherweise gefasst genug war, um zur Menge zu sprechen. „Wie wir gerade erfahren haben, ist der Captain offenbar doch lebend aus diesem Duell herausgekommen. Insofern können wir dem Wunsch General Maggiores nachkommen, sofern es General Camatra recht ist.“ Sie sah zu Sarmagon hinüber, der zwar blass war, jedoch nickte, ehe er sich ebenfalls Ryucama zuwandte. Menrey nickte. „Dann ist es hiermit offiziell. Captain Ryucama Satir wird hiermit Lucarna Maggiores Legion überantwortet. Ich danke Ihnen allen für ihr Kommen!“ Noch blieben die meisten Mages sitzen, zu geschockt von dem, was geschehen war, doch die ersten erhoben sich bereits von ihren Sitzen, verließen die Arena. Lucarna sah nach oben, wo Cesaja von den vielen Mages umringt wurde, die um ihn herum Platz gefunden hatten. Offenbar war die Barriere überwältigt worden, als sie all ihre Kraft eingesetzt hatte, um den Schutz Ryucamas aufrecht zu erhalten, während das Elementar angegriffen hatte, denn Cesaja lag auf dem Rücken und wurde bereits von mehreren Mages versorgt. „Du bist als nächstes dran!“, schwor sich Lucarna, ehe er erneut zu Ryucama hinüber sah. Mehrere Heiler machten sich an ihm zu schaffen, doch Lucarna spürte, dass die Lebenskraft des Blutdefensivlers äußerst schwach war. Selbst wenn er überlebte, war es nicht garantiert, dass der Jüngere je wieder kämpfen konnte. Und auch dann war die Frage, würde er es tun? Lucarna hatte zweifellos versucht, ihn zu töten. Würde er ihm folgen? Lucarna seufzte. Was hatte ihn geritten, so eine Entscheidung zu treffen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)