Antarctica - im Herzen des Eises von Ryucama (eine Sammlung von Oneshots, zu einer durchgehenden Story zusammengefasst) ================================================================================ Kapitel 11: Diamantsplitter --------------------------- Zunächst einmal sorry für die Wartezeit. Die FF verselbstständigt sich gerade, aber ich versuche, die Fäden noch zusammen zu halten. Aufmerksame Leser mögen eine Veränderung des Schreibstils bemerken, dies ist dem Umstand geschuldet, dass seit dem Beginn der FF nun doch schon einige Zeit vergangen ist. Ich hoffe, es tut der Lesbarkeit etc. keinen Abbruch, aber mein Stil verändert sich - zumindest finde ich das - doch deutlich über die Zeit. Was die Story angeht: dieses Kapitel habe ich nicht wie die anderen aus Aufzeichnungen zusammengesetzt, sondern komplett digital geschrieben. Macht mich bitte darauf aufmerksam, wenn ihr Fehler in der Handlung, Tippfehler oder Ähnliches bemerken solltet. Ich bin auch immer dankbar über Feedback, was euch gefällt und was nicht. Danke schon mal im Voraus, und jetzt viel Spaß mit einem neuen Kapitel von Antarctica! Hauptcharaktere: Cesaja (21 Jahre alt, Fähigkeiten: Barriere 3. Grades/Manipulation, Rang: Leutnant/Unteroffizier), Rajan (21 Jahre alt, Fähigkeiten: Feuer-Offensive/Telepathie, Rang: Captain/Offizier) Cesaja und Ryucama standen direkt nebeneinander, Rajan und Sato standen ein Regiment weiter bei Chargals Truppen. Der Wind pfiff heute besonders eisig, trug feine Eiskristalle mit sich, die die Kleidung weiß färbten und wie winzige Stiche die Haut reizten. Cesaja sah zu seinem größeren Freund hinauf. Ryucamas Blick war starr auf die Urnen gerichtet, die aufgereiht im Wind standen. Es waren, verglichen mit der Größenordnung der Schlacht, nicht viele. Aber die beiden am Ende der Reihe, auf dem kleinen Podest, waren dafür umso bedeutender. Marina der Illusionäre Schild und Arius der Lichtstrahl... Cesaja hatte beide nicht besonders gut gekannt, wusste aber von Gesprächen mit Angehörigen der Legionen der verstorbenen Generäle, dass beide sehr freundliche Menschen gewesen waren. Arius hatte in den letzten Tagen vor der Schlacht mehrmals mit ihm gesprochen, hauptsächlich über Lucarna. Cesaja hatte aus Vorsicht nichts preisgegeben, was den Nekromanten in Bedrängnis hätte bringen können, aber jetzt wünschte er sich, er hätte Arius alles erzählt, was er wusste. Jetzt war es zu spät. Niemand außer ihm wusste von Lucarnas Betrug – ihm und Chargal. Noch immer war er sich nicht sicher, welche Konsequenzen sein Ausbruch nahe des Forts an der Westfront für ihn haben mochte. Lucarna hatte stillgehalten die letzten Tage. Aber dass er schadenfrei aus der Sache herauskommen würde, bezweifelte die Barriere irgendwie. Chargal, Sarmagon und Lucarna, die drei überlebenden Generäle, schritten die Reihe ab und würdigten die Gefallenen. Jeden einzelnen. Cesaja war irgendwie froh, dass er keinen so hohen Rang innehatte. Wenn er an die Familien und Freunde der Toten dachte, lief es ihm kalt den Rücken hinunter. Nachdenklich streckte er sich und sah unauffällig zu Sato hinüber. Dessen ausdrucksloses Gesicht verriet, dass er sich mit psychischen Blockern und dergleichen abgehärtet hatte gegen die vielen durcheinander wirbelnden Gedanken von insgesamt sieben Legionen. Alle Soldaten Antarcticas, die in der Lage waren zu gehen, waren gekommen. Zwei Generäle waren gefallen, mehr als sich die Nation erlauben konnte. Jeder war gespannt auf die Konsequenzen. Vielleicht würde nach der Zeremonie bekannt gegeben werden, wer Arius und Marina nachfolgte. Cesaja richtete den Blick wieder nach vorne. Er hoffte nur, dass die neuen Generäle in der Lage waren, die Armeen zu führen. Antarctica musste jetzt, nach der fast totalen Vernichtung der Westfront, Stärke zeigen, damit niemand auf dumme Gedanken kam. Aber jetzt... sollten die beiden gefallenen Generäle und alle mit ihnen gestorbenen Soldaten erst ihre letzte Ehre erhalten. Cesaja atmete tief durch, dann konzentrierte er sich wieder auf die Beerdigung. Rajan sah, wie Cesaja und Ryucama langsam den Platz verließen. Sarmagons Legionen hatten zuerst die Erlaubnis erhalten, sich zurückzuziehen. Sato neben ihm zitterte. Die Blässe in seinem schmalen Gesicht wies darauf hin, dass seine Medikamente langsam ihre Wirkung verloren. „Lange dauert es nicht mehr. Siehst du, die Fünfte zieht auch schon ab. Als nächstes sind wir dran!“, machte er seinem kleineren Freund Mut. Sato nickte wortlos und starrte in Richtung der drei verbliebenen Generäle. Chargal wirkte nachdenklich, als er der sich entfernenden Zweiten Legion nachsah. Rajan erinnerte sich, die Zweite hatte Arius unterstanden, obwohl der Lichtstrahl eigentlich der Kommandeur der Sechsten gewesen war. Bereits zuvor hatte Mangel an Generälen geherrscht, fünf Generäle für sieben Legionen war nicht unbedingt die beste Ausgangsposition. Nun hatte sich das alles drastisch verschärft. Es war nur natürlich, dass sich Chargal als die Graue Eminenz hinter den Befehlen der Generäle Sorgen machte. Dann endlich kam der Befehl für die Erste Legion, sich zurückzuziehen. Rajan und Sato folgten dankbar ihren Anweisungen, es war empfindlich kalt hier draußen. Plötzlich hörte Rajan eine Stimme in seinen Gedanken: „Captain de Finnes? Darf ich Sie bitten, sich in einer Stunde im kleinen Ratssaal einzufinden?“ Sarmagon! Der General sah nicht in seine Richtung, aber es war eindeutig seine Stimme, die Rajan hörte. „Natürlich. Um was geht es?“ „Entschuldigen Sie, aber ich muss auf Diskretion bestehen. Sie werden alles erfahren – aber erst im Ratssaal.“ Rajan runzelte die Stirn, fügte sich aber dem als Bitte ausgesprochenen Befehl. Was immer der General plante, es erforderte wohl Geheimhaltung, denn sonst wäre Chargal als „sein“ General von sich aus auf ihn zugekommen und hätte ihm mitgeteilt, was er zu tun hatte. Sato neben ihm sah verwirrt drein. Er als starker Telepath hatte natürlich mitbekommen, dass auf geistigem Wege gesprochen worden war, auch wenn er die Worte nicht verstanden hatte. „Was hatte Sarmagon mit dir zu bereden?“ „Ich weiß es nicht. Er war sehr geheimnisvoll. Offenbar haben sie Pläne mit mir.“ Sato nickte, er wollte offenbar nicht mehr wissen. „Cesaja ist auch zu ihnen bestellt worden. Er soll in einer halben Stunde in den Ratssaal kommen. Ich frage mich, was sie vorhaben.“ Rajan sah überrascht auf Sato hinab. Es sah dem schlanken Telepathen eigentlich nicht ähnlich, bei Gesprächen zu lauschen. „Cesaja hat es eindeutig an mich adressiert. Er wollte wohl, dass wir davon erfahren. Und er wollte auch, dass wir wissen, dass Chargal, als er ihm die Nachricht überbracht hat, eindeutig verunsichert gewirkt hat.“ Der Rothaarige starrte den Telepathen verwundert an. „Was? Chargal und verunsichert? Wie kann das denn passiert sein? Bist du sicher?“ Sato warf ihm einen missbilligenden Blick zu. „Selbstverständlich bin ich mir sicher! So weit weg war Cesaja nicht, dass ich ihn hätte missverstehen können!“ „Tut mir leid.“, entschuldigte sich Rajan sofort. „Nichts gegen dich, aber es ist einfach ungewohnt, im Bezug auf Chargal von „verunsichert“ zu sprechen. Meinst du nicht?“ Sato nickte. „Du hast recht. Ich weiß, was du meinst. Chargal ist sonst die Selbstsicherheit in Person.“ „Jedenfalls, ich kann nicht lange bleiben. Ich werde in einer Stunde im Ratssaal erwartet.“ Sato nickte und grinste. „Schon gut. Mach, dass du loskommst, sonst kannst du dich nicht mehr umziehen!“ Rajan lächelte, dann beschleunigte er seine Schritte, um als einer der ersten der Legion das Gebäude betreten zu können. Was die Generäle wohl von Cesaja und ihm wollten? Eine knappe Stunde später fand sich Rajan vor der Tür des kleinen Ratssaals ein. Das schwere Tor aus Eichenholz war geschlossen, deshalb wartete er an die Wand gelehnt, bis man ihm öffnete. Drinnen waren Personen, das spürte er. Gedämpft konnte er gedankliche Schwingungen wahrnehmen, aber nichts genaues, nur, dass gesprochen und noch mehr gedacht wurde. Er seufzte und sah nachdenklich auf seine Schuhspitzen. Erneut fragte er sich, was Sarmagon wohl mit ihm vorhatte. Angesichts dessen, dass Cesaja von Chargal angesprochen worden war, kam ihm ein Tausch in den Sinn. Vielleicht sollte Cesaja in Chargals Legion versetzt werden, während er selbst zu Sarmagon wechseln würde. Aber dann kamen ihm Zweifel. Warum hätte Sarmagon dann strikte Geheimhaltung verlangt? Ein Tausch war nichts so Außergewöhnliches, dass es solche Maßnahmen erfordert hätte. Rajan seufzte wiederum und übte sich in Geduld. Bereits wenige Minuten später öffnete sich die Tür auch schon. Cesaja kam ihm entgegen, blass und besorgt. Als er Rajan sah, schüttelte er nur den Kopf und ging dann wortlos und schnellen Schrittes an ihm vorbei in Richtung der Unterkünfte. Spontan fragte sich Rajan, was sie Cesaja wohl mitgeteilt haben mochten. Die Barriere hatte alles andere als glücklich gewirkt. Hoffentlich drohte ihm nicht dasselbe Schicksal! Rajan straffte die Schultern. Was immer es war, er würde der neuen Situation gelassen entgegentreten! Er betrat den Raum. Chargal, Sarmagon, Lucarna und Feodor, einer der drei Kanzler Antarcticas, warteten bereits. Sie saßen um den großen, runden Ratstisch und hatten jeder Unterlagen vor sich liegen. Sarmagon, sah Rajan, hatte seine Akte auf dem Tisch, er konnte sein eigenes rotes Haar auf dem Foto leuchten sehen. Chargal schob eine Akte von sich weg, Rajan schätzte, es war Cesajas, denn auch hier konnte er ein Foto sehen, allerdings ohne die strahlende Haarfarbe. Er war wirklich neugierig. Rajan sah der Reihe nach in die Gesichter. Sarmagon ganz außen rechts wirkte nervös, seine Blicke schossen im Raum umher. So kannte Rajan den sonst so ruhigen General gar nicht. Chargal rechts von Feodor wirkte gelassen wie immer, aber auch seine Augen verrieten Unruhe. Feodor selbst war ruhig wie ein stiller See. Der Kanzler galt als ausgeglichenstes Mitglied der höchsten Befehlshaber Antarcticas, und auch wenn Rajan ihn nicht wirklich kannte, so wusste er dennoch, dass Feodors Anwesenheit hier eigentlich nicht notwendig war. Was immer hier gleich geschehen würde, das zeigte ihm ein Blick auf Lucarnas nervöses Gesicht, es fiel zwar in den Aufgabenbereich des Kanzlers, aber seine direkte Anwesenheit war dennoch nicht nötig. „Rajan de Finnes, Ihnen ist sicherlich bekannt, dass in Antarctica derzeit ein absoluter Mangel an Befehlshabern herrscht.“, eröffnete Chargal das Gespräch. Rajan nickte pflichtbewusst und sah den General fragend an. Sarmagon ergriff das Wort. „Nicht nur irgendwelche Befehlshaber, Offiziere können wir jederzeit berufen. Aber uns fehlen Generäle. Selbst mit Marina und Arius waren wir unterbesetzt – jetzt ist es eine Katastrophe.“ Chargal nickte und führte weiter aus: „Wir haben daher in Übereinstimmung mit den Kanzlern beschlossen -“ er sah zu Feodor hinüber, der ruhig nickte und Chargal mit einer Handbewegung aufforderte, weiterzusprechen, „dass neue Generäle ernannt werden müssen. Gegenwärtig gibt es jedoch nur einen Kandidaten, den wir für geeignet halten – Sie.“ Rajan blinzelte überrascht. Er sollte General von Antarctica werden? Er schluckte. „Wir verlangen keine sofortige Entscheidung, aber Sie sollten bei Ihren Überlegungen mit berücksichtigen, wie dringend wir Führungskräfte brauchen. Die Generäle Sarmagon und Arius haben, zusätzlich zu meinen eigenen Erfahrungen mit Ihnen, beide bestätigt, dass sie Sie für geeignet halten, eine Legion anstelle einer einfachen Truppe zu befehligen.“ Chargal seufzte. „Ich halte Sie für den besten Kandidaten, und ich hätte Sie wohl auch demnächst nominiert, selbst wenn Arius und Marina überlebt hätten. Die Entscheidung wurde lediglich vorgezogen. Ich gebe Ihnen bis zum Ende der Woche Zeit, sich zu entscheiden. Wenn Sie jetzt Fragen haben, sind wir alle bereit, diese zu beantworten.“ Rajan sah erneut in die Gesichter, verunsichert, was er jetzt fragen sollte. Er traute sich nicht einmal, Sarmagon auf geistigem Wege um Rat zu bitten, denn Feodor war ebenfalls Telepath und hätte dies sicherlich mitbekommen. Chargal sah einfach nur noch müde aus, während Sarmagon gespannt auf seine Fragen wartete. Feodors Miene war ausdruckslos, während Rajan vor dem Feuer, das in Lucarnas hellen Augen loderte, regelrecht zurückschreckte und schnell in eine andere Richtung sah. „Was... was hätte ich an neuen Aufgaben, wenn ich die Wahl annehme?“, fragte er schließlich. Es war Sarmagon, der ihm antwortete. „So viel würde sich zunächst nicht ändern. Zunächst müssten wir Sie schulen, bis Sie problemlos die Befehlsgewalt über mehr als eine einfache Truppe übernehmen können. Später erhalten Sie Befehl über eine – oder im Bedarfsfall auch mehrere – der Legionen. Zudem erhalten Sie Befugnisse, auch die geschlossenen Bereiche von Antarcticas Kasernen zu betreten.“ Rajan nickte. „Und wie sieht es mit der Verantwortung aus?“ Chargal meinte: „Wie stellen Sie sich das vor? Natürlich sind Sie für alle Ihre Handlungen voll verantwortlich. Sie müssen mit Ihrem Gewissen vereinbaren, was Sie befehlen. Und, in besonders außergewöhnlichen Fällen, müssen Sie Rechenschaft ablegen vor den Generälen, je nach Schwere der Entscheidungen, aber auch vor den Kanzlern bis hin zur Vollversammlung im Ringsaal.“ Der Rotschopf nickte wiederum. „Ich verstehe. Wie sieht es mit der Befehlsgewalt über Angehörige von anderen Legionen aus?“ „Das wird von Fall zu Fall entschieden. Solche Details sind im Moment unwichtig.“, lächelte Sarmagon. „Wenn das jetzt alles ist, möchte ich darum bitten, mich zu entschuldigen. Meine Zeit hier ist begrenzt.“, mischte sich da Feodor ein. Die versammelten Generäle nickten. Der Kanzler erhob sich. „Nun denn. Ich verabschiede mich. Lassen Sie mir die Entscheidung zukommen, General Avariel.“ Sarmagon nickte und Feodor verließ rasch den Raum. Kaum war die Tür zugefallen, seufzte Chargal. „Ich will ehrlich sein, Rajan. Was wir von Ihnen verlangen, ist harte Arbeit. Aber es ist wichtig, dass wir eine Antwort bekommen, wenn Sie ablehnen und wir fragen, warum. Ich hoffe natürlich, Sie nehmen unsere Wahl an, aber wir können Sie verständlicherweise nicht zwingen.“ „Ich schätze Ihre Ehrlichkeit, General. Ich werde darüber nachdenken.“ Sarmagon nickte. „In Ordnung. Dann möchte ich Sie bitten, am nächsten Samstag um dieselbe Zeit hier zu erscheinen, damit wir Ihre Antwort erfahren können.“ Rajan neigte den Kopf. „Ich werde da sein.“ Die Generäle erhoben sich und Rajan wurde klar, dass das Gespräch beendet war. Er wandte sich zur Tür, als er aus dem Augenwinkel noch etwas Besonderes sah. Es war ein Blick, den Lucarna ihm zuwarf. Absolute Finsternis strahlte aus den kalten Augen, Misstrauen und so etwas wie Abneigung. Rajan konnte ein Erschauern nicht unterdrücken. Der Nekromant lächelte kaum merklich, aber ohne jegliche Wärme darin. Der Rotschopf spürte, wie sein Inneres zu Eis erstarrte. Was in Gottes Namen war Lucarna? Als Cesaja seinen eigenen Raum betrat, wurde er bereits von Sato und Ryucama erwartet. Beide sahen beunruhigt aus. „Was ist geschehen, Cesa?“, wollte Ryucama wissen und machte seinen Platz auf dem Bett frei, damit sich Cesaja dort niederlassen konnte. Die Barriere fiel schwer auf die Matratze. „Man hat mich auf einen Spezialauftrag geschickt.“ Satos Augenbrauen zogen sich zusammen. „Das meint...?“ „Ich werde wohl nicht zurückkehren.“ Ryucama erstarrte. „Was? Aber... was musst du denn so schlimmes tun?“ Cesajas Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. „Ich soll die Ostfront ausspionieren, indem ich mich hinter ihre Linien schleiche. Ich werde nur von zehn weiteren Mages begleitet, die mir von Chargal gestellt werden. Es sind zwar erfahrene Soldaten, aber... die Überlebenschance ist sehr gering.“ „Kannst du das denn nicht ablehnen?“, wollte Sato verzweifelt wissen. Doch Cesaja konnte nur den Kopf schütteln. „Der Befehl kommt direkt von Sarmagon. Ich kann nichts dagegen tun.“ Er seufzte und verbarg das Gesicht in den Händen. „Ich will nicht gehen! Aber wenn ich es nicht tue, verweigere ich damit den Befehl! Was soll ich nur machen?“ Ryucama legte sanft einen Arm um seinen Freund und zog ihn an sich. „Ruhig. Wir finden schon einen Weg.“ Cesaja explodierte: „Was für einen Weg denn? Wenn ich gehe, werde ich bestimmt getötet! Wenn ich nicht gehe, werde ich wegen Befehlsverweigerung hingerichtet! Egal welche Möglichkeit ich wähle, ich sterbe sowieso! Verdammt!“ Er biss sich auf die Lippe. Lucarna war schuld. Mit einem Mal war sich Cesaja sicher, von wem dieser Auftrag in Wirklichkeit gekommen war – nämlich nicht von Sarmagon oder Chargal, sondern vom Nekromanten höchstselbst! Cesaja fluchte. Diesmal würde ihm Lucarna keinen Strich durch die Rechnung machen. Er hob den Kopf. „Leute? Ich muss euch etwas erzählen. Es ist wichtig!“ Cesajas Hände ballten sich ohne sein Zutun zu Fäusten. „Es geht um Lucarna...“ Als Rajan zurückkehrte, fand er alle Mitglieder seines engeren Freundeskreises versammelt. Alle hatten sich um Cesaja geschart, der unsicher in ihrer Mitte saß und nicht zu wissen schien, was er tun sollte. Rasch bat der Rothaarige Sato um einen telepathischen Report, dem der Lockenkopf nur zu gerne nachkam. Sato erklärte präzise und schnell, worum es ging und als er geendet hatte, nickte Rajan. „Ich verstehe. Unter diesen Umständen sollte ich wohl die Wahl annehmen. Vielleicht kann ich etwas bewirken in dieser Sache.“ Die Anderen sahen ihn verwirrt an und der Rotschopf lächelte. „Mir ist die Möglichkeit eröffnet worden, General Antarcticas zu werden. Chargal, Sarmagon und Lucarna würden diese Wahl unterstützen, auch wenn ich bei Lucarna glaube, dass er mir auch liebend gerne das Herz herausreißen und es essen würde. Jedenfalls, ich könnte dafür sorgen, dass statt dir jemand anders geht – oder dass die Entscheidung zumindest überdacht wird und vielleicht ein neuer Plan ersonnen wird.“ Rajan sah Cesajas Augen groß werden. „Ich wäre dir unendlich dankbar, wenn du das tun könntest. Ich... ich hänge an meinem Leben.“ Ryucama nickte. „Zu recht. Wer ist eigentlich darauf gekommen, Cesa als Kundschafter auszuschicken? Ich meine, nichts gegen eine Barriere als Späher, aber trotzdem. Sollte nicht lieber ein Illusionist oder so gehen?“ „Im Grunde schon, ja, aber eine Barriere ist kaum zu töten mit herkömmlichen Mitteln. Du musst schon schwere Gewalt anwenden, um Erfolg zu haben. Wer Schuld ist an dem Desaster weiß ich allerdings auch nicht. Tut mir Leid.“ Cesaja schüttelte den Kopf und vergrub das Gesicht in den Händen. „Aber ich weiß es. Auch wenn ich es nicht beweisen kann, aber ich bin mir sicher, dass Lucarna dahintersteckt.“ „Wegen all dem, was du über die Jahre hinweg gesehen hast?“, wollte Rajan wissen und die Barriere nickte. „Genau. Das Dumme an der Sache ist, dass ich die Beherrschung verloren und ihm entgegengeschleudert habe, was ich weiß. Und jetzt will er dafür sorgen, dass niemand davon erfährt.“ Rajan biss sich auf die Lippe. „Jetzt ergibt alles einen Sinn. Deshalb ist es Lucarna auch nicht recht, dass ich nominiert worden bin – er weiß, dass wir Freunde sind und fürchtet, dass du auch uns davon erzählt hast, was du über die Jahre beobachtet hast. Infolgedessen glaubt er, ich könnte gegenüber den falschen Leuten ausplaudern, dass bei Lucarnas seltsamer „Entwicklung“ Chargal die Finger im Spiel hatte.“ Ryucama wurde blass. „Rajan, dadurch eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten, sowohl für uns, als auch für Lucarna und Chargal! Wenn sie Cesaja fortschicken und er umkommt, werden sie einen Zeugen ihrer Taten los, während wir nur alles aus zweiter Hand wissen. Aber das bedeutet auch, dass zwangsweise auch wir in ihren Fokus geraten!“ Rajan runzelte die Stirn. Ryucama hatte nicht ganz unrecht mit seiner These. „Aber... das würde bedeuten...“ Er senkte den Kopf, schluckte. Sato, der seine Gedanken gelesen hatte, schlug entsetzt die Hand vor den Mund. „Nein, Rajan! Du darfst das nicht tun! Du musst Cesaja helfen, damit er nicht auf diese Todesmission geschickt wird!“ „Und wie soll ich das anstellen?“, fuhr Rajan auf. „Ich kann schließlich nicht einfach damit herausplatzen, dass das alles von Lucarna geplant wurde, um Cesa loszuwerden!“ Der Telepath zuckte zusammen und Tränen stiegen ihm in die Augen. Ryucama hingegen ballte die Hand zur Faust. „Das kannst du nicht, das stimmt. Aber du kannst etwas anderes tun.“ Seine hellen Augen flackerten und bannten Rajans Blick. „Du musst ihre Wahl annehmen und sie überzeugen, von einer so dummen Mission abzulassen!“ Rajan schwieg. Ryucamas Blick brannte sich in seinen. „Wenn du das nicht tust, verurteilst du Cesaja zum Tod. Das ist dir doch klar, oder?“ Dem Rotschopf wurde wiederum klar, dass Ryucama, ebenso wie er, Captain der Armee Antarcticas war. Doch im Gegensatz zu ihm selbst hatte Ryucama bereits zwei Missionen höchster Schwierigkeit absolviert. Er selbst war lediglich bei einfacheren Aufträgen eingesetzt worden, sein Kommando hatte nie aus mehr als fünfzig Mages bestanden, während sein Freund bereits über zweihundert Kämpfer kommandiert hatte. Er fragte sich, weshalb nicht Ryucama nominiert worden war, er eignete sich doch bestimmt viel besser? Doch dann gab er sich selbst die Antwort. Sein Freund hatte einen eigenen Kopf, den er auch nur allzu gerne durchsetzte. Doch mit Chargal und Lucarna gab es bereits zwei Generäle, die ihre eigenen Vorstellungen vertraten, die sich manchmal nicht mit der politischen Richtung des Staates Antarctica deckten. Ein weiterer Quertreiber mochte zur Folge haben, dass Militär und Politik vollkommen auseinander drifteten. Rajan seufzte leise. „Ich verstehe, was du mir sagen willst, Ryucama, danke. Angesichts dieser Lage ist es für mich so gut wie ausgeschlossen, den angebotenen Posten nicht anzunehmen. Wir sollten uns nur darüber klar sein, dass ich unter Umständen ebenfalls nicht mehr in der Lage sein könnte, noch etwas an der Situation zu ändern.“ Er hasste sich für diese Worte, als er sah, wie Cesajas Schultern herabsackten und Sato Tränen über das Gesicht liefen. Ryucama räusperte sich und warf ihm einen scharfen Blick zu. Rajan schüttelte den Kopf und machte eine harsche Handbewegung. „Genug davon! Ich weiß, dass es schwer ist, aber ich bin kein Gott, dass ich alle Dinge ungeschehen machen könnte! Und hör auf, mich anzusehen, als sei ich ein Häufchen Straßendreck, Ryucama! Ich werde tun, was ich kann, doch erwarte nicht von mir, dass ich mich in den Magen des Löwen begebe, nachdem ich schon töricht genug war, geradewegs in sein Maul zu hüpfen!“ Das besiegelte das Schweigen vorerst. Cesaja und Sato saßen aneinandergelehnt da, spendeten sich gegenseitig Trost in einer sanften Umarmung, während Ryucama still dasaß und unter seinen dunklen Wimpern hervorstarrte, meist in die Leere, doch gelegentlich zuckte sein Blick zu Rajan hinüber. Rajan selbst war tief in Gedanken versunken. Wie konnten sie Lucarnas Hass besänftigen? Konnten sie es mit Chargals und Lucarnas geballter Macht aufnehmen? Wie viel wusste der alte General von den Plänen des Nekromanten? Und wie war Sarmagon in die Sache involviert? Gab es sogar Verbindungen bis in die Politik, zu den Kanzlern? Viel zu viele Fragen... und keine Antworten, ehe sie nicht selbst handelten. Rajan fluchte lautlos. So, wie es im Moment aussah, gab es tatsächlich nur einen Weg. Er lehnte sich zurück und seufzte. Der Fehdehandschuh war geworfen worden, ihnen blieb nichts anderes übrig, als die Herausforderung anzunehmen. Rajan sah sich selbst, mit seinen Freunden um sich herum, im Schatten von Lucarnas finsterer Macht und Chargals gigantischem Einfluss stehen. Sie konnten nicht zurück, oder es würde Cesajas Tod bedeuten. Leise schwor er sich, nicht zum Spielball in den eisigen Winden von Antarcticas Politik zu werden. Nacheinander sah er in die Gesichter seiner Freunde. Besorgnis in Cesajas Zügen, tief eingegraben in seine ganze Haltung. Angst auf Satos Gesicht, aber zugleich Vertrauen in seine Freunde. Entschlossenheit, wie eine Aura um Ryucama herum. Plötzlich wusste Rajan, sie konnten es schaffen. Sie würden allen die Stirn bieten, die es wagten, sie zu bedrohen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)