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Ambivalenz

von

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Nishiki

Ninshiki - Erkenntnis
 

„Bleiben Sie ganz ruhig. Es ist alles in Ordnung. Was auch immer Ihnen passiert ist, Sie sind jetzt in Sicherheit.“

Irgendwo in dieser leeren Dunkelheit sprach eine sanfte Stimme gedämpft zu ihm.

„Wir haben die Drogen aus Ihrem Körper gespült“, fuhr die Stimme fort. „Sie dürften jetzt keine Nebenwirkungen mehr hervorrufen können.“

Langsam öffnete Kaya die Augen. Über ihm fing er das Lächeln einer kräftigeren Frau auf, er erkannte sie als Krankenschwester. Er blickte sich um und sah auf sterile, weiße Wände. Er lag in einem Bett.

Mit einem Mal erfasste ihn ein Schwindel und der Raum begann sich vor ihm zu drehen.

Seine Lider sanken herab.

„Das ist normal“, klang es irgendwo in der erneuten Dunkelheit. „Ihr Körper ist noch erschöpft.“
 

Als er das nächste Mal aufwache, war er allein. Doch eine angenehme Wärme erfüllte ihn, er fühlte sich sauber und geborgen.

Während er sich erneut umsah, bemerkte er eine kleine Blumenvase mit Lilien gefüllt, auf einem kleinen Tisch und ein Lächeln glitt über seine Lippen. Er konzentrierte sich und sog tief die Luft in seine Lungen. Er roch das kleine Pflänzchen, und sein Geruch war wohltuend.

Er war in einem Krankenhaus und die Krankenschwester hatte ihn nicht erkannt, als angeblichen Mörder. Es schien, als sei dem Wahnsinn, in dem er die letzten Tage verbracht hatte, hier kein Zutritt erlaubt. Er schloss die Augen und genoss die Sonnenstrahlen, die durch das große Fenster sickerten.

Er wollte auf ewig in diesem Bett bleiben.
 

Irgendwann weckte ihn die Krankenschwester. Sie hatte ihm etwas zu Essen gebracht und der köstliche Duft von gebratenem Gemüse und Reis stieg Kaya in die Nase. Er bedankte sich mit leiser Stimme und die Frau lächelte ihn an. Ihr Lächeln war wie das einer Mutter und es berührte einen Punkt in Kaya, der schöne Erinnerungen hervorzauberte.

Im Gespinst seiner Kindheit verfangen, genoss er das Essen. Er erinnerte sich nicht, wann er das letzte Mal etwas gegessen hatte und sein Körper bestätigte ihm, dass es nicht allzu viel gewesen sein konnte.

Erschöpft schlief er wieder ein.
 

„Es ist Besuch für sie da“, hörte er die Stimme der Krankenschwester und schlug die Augen auf.

Mit allem hatte er gerechnet, aber nicht mit ihm. Ein Lächeln auf den Lippen und Sorgen in den Augen stand er da. Er trug das Haar noch immer kurz und silbernblond. Sein Gesicht hatte nichts von der Freundlichkeit eingebüsst, die es für ihn immer ausgestrahlt hatte.

„Hora!“

„Es ist schön, dich einigermaßen wohlauf zu sehen.“, lächelte er.

Die Krankenschwester verließ den Raum.

„Woher wusstest du, dass ich hier bin?“

„Ich war in einem Club in der Nähe und habe der Frau geholfen, die dich hat umkippen sehen.“

Kaya konnte es nicht fassen. So lange hatte er ihn nicht gesehen und nun traf er ihn gerade auf diese Weise und durch die Umstände? Die Sonnenstrahlen verfingen sich in dem hellen Haar, ließen Funken darauf leichtfüßig spielen.

„Ich habe dich vermisst …“, gestand er. Hora zog sich den Stuhl vom Tisch heran und setzte sich zu Kaya ans Bett. „Ich habe dich auch vermisst. Ich habe mir Sorgen gemacht …“

„Es tut mir Leid“, ein Seufzen entrang sich seiner Kehle und er setzte sich etwas auf. Hora beugte sich vor uns half ihm dabei. „Die Krankenschwester hat mir irgendwas von Drogen erzählt“, begann Hora zaghaft. „Bitte erzähl mir, was sie meint. Ich dachte du hättest damals … Du hast es mir versprochen.“

Kaya blickte ihn wortlos an, er überlegte.

Konnte es sein, dass … das all dies gar nicht wahr gewesen war? Dass er sich alles nur eingebildet hatte? Ein Traum, erzeugt von Mitteln, die sein Bewusstsein beeinflussten?

Es war wahr … vor dem Fotoshooting hatte er etwas genommen. Es war eine einmalige Sache gewesen. Für einen kurzen Moment hatte ihn die alte Sucht befallen, für einen kurzen Moment war er schwach gewesen.

„Ich habe geträumt, ich hätte einen Menschen umgebracht“, flüsterte er mit bebender Stimme.

„Ich wollte es nicht … wirklich nicht. Aber vor dem Shooting … letzte Woche?, vor dem Shooting haben sie alle etwas genommen. Und ich … auch.“

Er stockte. Es musste so gewesen sein! Die Illusion um ihn herum schien zu zerreißen.

Ein Lächeln malte sich auf seine Lippen. Hora rückte näher und umarmte ihn zärtlich.

„Tu das nie wieder.“ Kaya schlang die Arme um seinen Hals und schmiegte sich an ihn. „Versprochen“, wisperte er. Seine Finger verflochten sich in Horas Haar, und er genoss die Wärme dieser Umarmung. „Ach Hora …“ Der Angesprochene schob ihn ein wenig zurück, dann küsste er ihn zaghaft. „Verzeih mir“, flüsterte er und tat es erneut. Kaya ließ es geschehen und dieses Mal war es ein schönes Gefühl, dieses Mal da Hora ihn küsste, schien es ihm das Richtige zu sein.

„Bleibst du hier?“, fragte er leise, als sie sich von einander gelöst hatten.

„Ich muss für fünf Minuten weg“, antwortete der Hellhaarige und strich Kaya sanft über die Wange.

„Beeilst du dich auch?“

„Natürlich.“

„Na gut“, damit gab er ihm die Erlaubnis. Ein weiteres Mal berührten sich ihre Lippen, ehe Hora aufstand. „Bis gleich“, hauchte er und war mit schnellen Schritten aus dem Raum.

Kaya sah ihm nach, während die Sonne bunte Spiegelungen an die weißen Wände warf und sie anheimelnd erscheinen ließ.

Er lächelte glücklich. Letztendlich war er dieser grässlichen Illusion entronnen.

Die Augen schließend gab er sich einem leichten Schlummer hin.
 

Geweckt wurde er von dem sanften Druck von Lippen, die sich auf seinen Mund legten. Er erwiderte den Kuss, schlang die Arme um ihn und öffnete die Augen.
 

Düsternis.

Langes, schwarzes Haar, blassblaue Augen sehen ihm entgegen.

Es ist sein Gesicht.
 

Der Vollmond ist aufgegangen und der Engel schreit und schreit.

Aber kann sich nicht retten. Er kann es nicht.

„Nein! Ich habe niemanden umgebracht!“, kommt es von seinen bebenden Lippen, er und versucht sich von seinem Spiegelbild zu lösen, doch dieses drängt ihn zurück, drückt seinen Körper auf das Bett hinab.

„Ich habe dich vermisst, mein Geliebter!“, raunt er ihm lustvoll ins Ohr und presst sich an ihn.

„Nein! Hör auf! Hör auf! Das ist nicht wahr! Es gibt dich nicht!“, versucht Kaya sich zu währen, doch seine Stimme hallt unbemerkt in dem in Dunkelheit getauchten Raum wieder.
 

Er ertrinkt in seinen Küssen.

Er erstickt in seinen Liebkosungen.

Er wird durchbohrt von seiner ‚Liebe’.
 

„Ich hatte dich gewarnt!“, wird ihm entgegen geschleudert.

„Ich hatte dir gesagt, du darfst das Vergessen nicht kosten, mein süßester Geliebter! Ach! Jetzt wird das Vergessen dich kosten.“

Er küsst ihn wild, doch seine Lust ist befriedigt. Er löst sich von dem zitternden Körper, an dem er sich vergangen hat. „Es ist traurig.“, flüstert er. „Aber du hast mich betrogen. Du wolltest ihn, nicht wahr? Nicht mich. Ihn. Aber weißt du? Ich habe ihn bewusstlos geschlagen und in eine Kammer geschleppt. Er soll nicht sterben. Noch nicht.“

Der Engel erträgt es nicht. Der Schmerz wird zu stark. Er springt auf und seine Tränen funkeln wie verlorene Edelsteine im kalten Mondlicht. Sein Körper schmerzt sehr, aber seine Seele stirbt.

„Tu ihm nichts an! Er hat dir nichts getan!“, fleht er und geht rückwärts.

„Du hast mich schon einmal verlassen, Kaya. Wärst du doch damals mit mir gestorben, Bruder!“

„Ich kann doch nichts dafür …“, wimmert der Engel. Sein Weinen ist herzzerreißend, aber sein Bruder kann es nicht fühlen. Denn er hat kein Herz mehr, schon lange nicht mehr, genauso wenig wie ein Leben.

„Wir werden sehen“, lacht er nun und drückt Kaya zurück an die Wand.

„Nein! Nicht noch einmal!“ Ein Schluchzen.

„Ich habe das Recht dazu!“, schreit sein Bruder. „Du lebst und ich musste sterben! Also habe ich verdammt noch Mal das Recht dazu, deinen Körper zu besitzen!“

„Nein!“, entringt es sich verzweifelt Kayas Kehle, er windet sich aus seiner Umklammerung und weicht zum Fenster aus.

„Du willst fliehen? Du willst vor MIR FLIEHEN?!“, schreit sein Bruder. „Du wirst mir NIEMALS entkommen! Dein Leben gehört mir! Mir!“, kreischt er, seine Stimme überschlägt sich.

„Ich hätte geboren werden sollen und nicht DU!“ Er drückt ihn an die Wand. Er schlägt auf ihn ein.

Schreie, Schreie, Schreie, Schmerzen, Glas das sich in seinen Rücken bohrt.

Verzweiflung und Tränen. Er will nicht, dass sein Geliebter sterben muss. An der Tür zu seinem Zimmer sind Schläge zu hören. Die Stimme seines Geliebten. Rette mich! Rette mich! Aber er dringt nicht zu ihm durch.

Er versucht zu fliehen, er scheitert.

Blut rinnt an ihm herab.

Schreie. Schreie.

Das Zersplittern von Glas. Wind.
 

Er fällt.
 

Alles in Dunkelheit getaucht, doch der Mond beleuchtet die Erde. Silbrig schimmert alles, verschwommen und doch glasklar.

Der Wind zerrt an ihm.

Die dunklen Spitzen des Zaunes. Kommen näher.
 

Schmerzen. Ein Ruck. Dunkelheit.
 

Still.
 

Kapitel 6/Ende



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  RedSky
2010-05-06T08:11:10+00:00 06.05.2010 10:11
Das mit dem "Bruder", der behauptet, gebohren werden zu müssen (oder so...ich hätte die Stelle vielleicht besser kopieren sollen x,x) klang ja mal richtig krasso. o,o Das rückt das Ganze auch irgendwie wieder in ein anderes Licht. Zumindest für mich.
Der Wechsel zwischen hellem Raum, Sonnenlicht und Hora - und dann die Dunkelheit und diese ganzen negativen Empfindungen....man ey, ich kann mich nur wiederholen, ich beneide dich für diesen Schreibstil, für diese Metaphern und Formulierungen! <3~
Von:  Paperd0ll
2010-02-12T22:13:46+00:00 12.02.2010 23:13
Und endlich schaff ich's dann auch mal!

Wortwahl und Stil wie immer erste Sahne! :D
Horas Auftritt hat mir ja fast einen Lichtblick gegeben für unseren armen verwirrten Protagonisten...
aber am Ende hast du es nur geschafft, die Dunkelheit zu vertreiben und damit ein bösesartiges Zwielicht zu schaffen! XD
Du machst mich fertig!
Ich liebe diesen Irrgarten an Empfindungen und Bildern und wie du ihn immer wieder vermittelst.
Ich bin sehr gespannt auf den Epilog und wie dann alles ein rundes Ganzes ergibt!^^

Wir lieben es! Ganz großes Kopfkino! XD
<3<3<3
Von:  Syndrome
2010-01-29T14:31:55+00:00 29.01.2010 15:31
Oh Chou, oh Chou, du hast mir ja gar nicht erzählt, an was für einem Schätzchen du da schreibst ^^
Böse *Zeigefinger hebt*

Nun denn, habe ich mir also mal eine Stunde genommen und alles, begleitet mit einer packung Lindor Black, reingezogen.
Sprachlos zu sein, wäre an der Stelle einen Kommi zu schreiben eher hinderlich, nicht wahr? ^^

Zeit für ein ausgedehntes Feedback!!!
Ersteinmal, Wortwahl ist mal wieder super, auch wenn einige Dinge etwas holprig zu lesen sind.
Passen jedoch an die jeweiligen Stellen und schreien regelrecht nach der Aufmerksamkeit des Lesers.

Was ich nicht so schön ist, wie ich finde, ist das hohe Maß an Sex.
Kann man das überhaupt sagen? Jedenfalls war ich nach dem lesen ziemlich übersättigt.
Es war am Anfang übertrieben. In den ersten beiden Kapiteln wird er fast vergewaltigt, sollte nicht zu oft oder eher zu nahe beieinander sein, das wirkt Klischeehaft.

Die Schilderungen seiner schizoiden 'Träume' sind wortwörtlich Zucker,
oder eher seiner grauenhaften Albträume.
Als Leser wird man irgendwann genauso "malle" wie der arme protagonist und kann Realität und Wirklichkeit nicht auseinanderhalten.
Beim ersten lesen hatte ich sogar schon die These, dass nichteinmal der Lichtblick durch Hora echt war.
Andererseits wenn er echt war, bleibt bei mir die Frage offen, wie er Kaya helfen soll.
Demnach warte ich natürlich auf den guten Ritter mit dem silbrigen Haar, der auf einer Woge Hoffnung herbeigeritten kommt. xD

Eine wunderbare geschichte und wenigstens etwas, was man nochmal von dir abbekommt. Bis zum nächsten Kapitel
<3 Katja
Von:  Oceanwhirl
2010-01-29T12:42:37+00:00 29.01.2010 13:42
Jetzt hatte ich Angst, dass es schon vorbei ist... Aber beim Status steht immer noch 45%... Das ist beruhigend, aber gleichzeitig beängstigend. Es hätte ja jetzt einfach vorbei sein können, das wäre sicher gut für den armen Kaya gewesen.... Aber das soll jetzt nicht so klingen, als würde ich wollen, dass es vorbei ist! Im Gegenteil, Du schreibst so wundervoll, dass ich mir wünsche, dass es immer weitergeht!
Das Kapitel war große Klasse, ich hätte nicht erwartet, dass so viel enthüllt wird, aber ich bin froh, dass allmählich Licht ins Dunkel kommt. Ich denke, ich werde alles noch einmal von vorne lesen, am Stück, um besser zu verstehen.
Ich wünsche dir so viel Spaß beim Schreiben, wie ich beim Lesen habe!!
Vielen Dank für diese wunderbare Geschichte!!
Und ein schönes Wochenende ^-^


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