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Ambivalenz

von

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Kurenai

Kurenai - Dunkelrot
 

Der Schlaf, aus dem er erwachte, war stumm und taub und blind gewesen.

Sein Zimmer war in Kälte getaucht. Die großen Fenster waren beschlagen, als er versuchte einen Blick nach draußen zu erhaschen. Seine Finger waren steif und seine Glieder ungelenk und gefühllos geworden.

Sein Körper schmerzte.

Verwirrung malte sich auf sein Gesicht, denn er konnte sich nur langsam an das erinnern, was letzte Nacht geschehen war: Da war Nebel gewesen, die dämmrigen Halbschatten der S-Bahn Beleuchtung und eine Erinnerung. Weiche Hände … sanfte Lippen und Liebesgeständnisse zärtlich in sein Ohr geflüstert.

Er setzte sich auf, die dünne Bettdecke glitt von seinen Schultern und gab ihn der Kälte preis, die frostig in seinem Zimmer herrschte. Das Bett war zerwühlt und unordentlich. Es war kein Traum gewesen. Ein Mann mit seinen Augen, mit seinen Lippen, mit seiner Nase, seinem Gesicht und seinem Körper.

Eine Gänsehaut überzog seine Arme, als er sich des grotesken Gedanken bewusst wurde, der sein Denken vereinnahmte. Er hatte mit ... sich selbst geschlafen?

Nein, nein, das war nicht er selbst gewesen. Er hatte mit jemandem geschlafen, der aussah wie er. Aber ... wer war das gewesen? Hakai. Das war sein Name. Hakai ... Er musste ihn aussprechen, er tat es. Gestern noch hatte er ihm so sanfte Worte entgegengebracht, sie in sein Ohr gehaucht, seine Lippen danach geküsst und er hatte ihn geliebt, wie er es ... früher schon getan hatte ...

Wieder das Aufblitzen einer Erinnerung, doch sie war verflogen, ehe er sich ihres Sinnes gewahr wurde.

Und nun war Hakai fort. Vielleicht, vielleicht war er nur für eine kurze Zeitspanne fort, wollte etwas erledigen und dann, ja dann, würde er sicherlich zu ihm zurückkehren.
 

Er war bereits fertig angekleidet und saß an seinem Frühstückstisch in der kleinen Küche links vom Wohnzimmer, als die Klingel gewohnt schrill und misstönend an sein Ohr klang.

In der nächsten Sekunde war er aufgesprungen, durch das Wohnzimmer zur Haustüre gerannt und öffnete eben diese mit zittrigen Händen.

„Hak-“, begann er, doch noch im selben Moment verstummte er wieder, als er dem Mann entgegen blickte, der von seinem Produzenten zu Kaya geschickt wurde, wenn dieser irgendwelche Neuigkeiten seitens der Gesangsaufnahmen, der Musik oder den Aufnahm an sich für den Sänger hatte.

„Ohayou“, brachte der ihm entgegen. „Darf ich rein?“

Kaya trat zur Seite und ließ ihn ohne einen weiteren Blick in dieses nichtssagende Gesicht zu verschwenden, ein treten. „Was ist?“, fragte er dann abwesend und vergas die Tür hinter sich zu schließen, während er an seinen Frühstückstisch zurückkehrte. „Da is’ ’n Brief angekommen. Sind Noten drin. Zu ‚Ouka’.“

„Oh“, sagte Kaya desinteressiert. Normalerweise hätte ihn solch eine Nachricht in Hochstimmung versetzt, doch blieb die heute aus.

„Von Kamm oder so.“

„Kalm.“

„Jaja, genau.“

Er nickte, dann wandte er sich seinem grünen Tee zu.

„Hier sind ’se“, sagte der Mann, dessen Namen er schon beim ersten Mal wieder vergessen hatte und legte ihm einen Umschlag auf den Tisch. Wieder nickte Kaya.

Er ignorierte den Mann weiter hin und so fielen ihm auch nicht die Blicke auf, welche dieser ihm nun zuwarf.
 

Verlangen blitzte in seinen braunen Augen auf, als er die zarten Gliedmaßen des Sängers begutachtete, als seien sie bereits sein Eigentum. Sein Blick glitt über das Gesicht Kayas, über diese sinnlichen Lippen, von denen er wollte, dass sie sich für ihn zu einem Stöhnen öffneten.

Es war der richtige Zeitpunkt. Er wusste, dass Kaya Affären mit Männern hatte, warum also auch nicht mit ihm ein Techtelmechtel?

Er trat hinter den Stuhl des Sängers, zog ihn mit einem Mal grob zurück. Kaya blickte erschrocken und verärgert gleichermaßen auf. „Was soll-?“, doch ihm wurde das Wort abgeschnitten, als sich raue Lippen auf die seinen pressten und sich eine Zunge brutal Eintritt in seinen Mund verschaffte. Sein Schrei wurde erstickt, er hingegen wurde grob herauf gezogen und ein Arm legte sich um seine Hüfte, während eine Welle des Ekels durch seinen Körper fuhr. Seinen Reflexen folgend, schloss er seine Kiefer und das erstickte Keuchen des Boten drang an sein Ohr, als er fest auf dessen Zunge biss.

Seine Hand tastete auf dem Tisch hinter sich nach etwas ... Er bekam nichts zu fassen, der Mann stieß ihn grob von sich und er schlug mit dem Kopf hart an die Wand. Sterne tanzten vor seinen Augen, Übelkeit stieg in ihm hoch, dann spürte er wie sich ein harter Körper zwischen seine Beine drängte, fühlte wie ihm die Hose herunter gezerrt wurde, aber er sah nur verschwommene Umrisse. Seine Hände glitten an der Wand entlang. Seine Finger griffen etwas Kühles. Dann spannte er die Muskeln an und das Zerbersten von Glas und ein schriller Schrei klangen in seinen Ohren wieder.

„Meine Augen!“, brüllte der Mann.

Kaya tat noch einmal das, was er soeben getan hatte, ohne zu wissen, was es genau gewesen war und der Schrei wandelte sich in ein Gurgeln. Eine klebrige Flüssigkeit sprudelte über seine Hände, während er blind an der Wand entlang rutschte, mit weit aufgerissenen Augen nur langsam wieder zu sehen begann.

Als er wieder klare Formen und Farben erkennen konnte, war der Bote auf dem Boden zusammengesackt, purpurnes Blut befleckte die weißen Fliesen und in seinen Augen steckten zwei Glasscherben, in seinem Mund der zerborstene Rest der Vase.

„Oh Gott“, flüsterte Kaya.

Oh Gott!“, seine Stimme wurde schriller. Mit zitternden Gliedern näherte er sich dem am Boden liegenden Leib, dort wo die Augen gewesen waren, war nun nur noch ein blutiger Matsch und zerquetschtes Weiß des Augapfels zu sehen. Er beugte sich über den Kopf und zog geistesabwesend eine der Scherben aus seinen Augen. Ein widerliches Schmatzen erklang und die Glasscherbe löste sich aus dem toten, aber noch warmen Fleisch.

Im selben Moment ließ ihn ein schauerlicher Schrei zusammen zucken, sein Blick glitt zur Wohnungstür, in welcher seine Nachbarin stand. Mit weit aufgerissenen Augen, anklagend den Zeigefinger auf ihn gerichtet. Wie in Trance schritt sie zu dem kleinen Tisch auf dem das Telefon stand und wählte.

Kaya stand da, rührte sich nicht, starrte nur die Frau an, die Frau die ihn ängstlich anblickte und seine Augen versanken in den ihren. Dunkles Braun. Beinahe schwarz.

Die leeren Höhlen eines Totenschädels, der ihn hämisch angrinste.

Er sank auf den Boden, konnte seinen Blick nicht von seiner Nachbarin wenden, die nicht mehr seine Nachbarin war, sondern der Tod, personifiziert in diesen schwarzen Augen und es war ihm als hörte er eine kalte, gnadenlose Stimme in sein Ohr flüstern.

„Mörder“ Und er vernahm dieses Wort ohne seinen Sinn zu verstehen.

„Mörder. Mörder. Mörder. Mörder.“

Immer dieses eine Wort.

„Ich liebe dich“

„Küsst du mich?“

„Mörder!“
 

„Vielen Dank, dass Sie uns angerufen haben.“, sagte ein blasser Polizist.

„Nein!“, schrie Kaya. „Lassen Sie mich das erklären!“, seine Stimme überschlug sich vor Verzweiflung und Angst, die ihn wie dunkle Wogen überrollten und jegliche Luft aus seinen Lungen pressten.

Was hatte er getan ...? Was hatte er nur getan! Er hatte einen Menschen ... getötet ... Ein Leben genommen.

Dieser Gedanke brannte sich in seine Seele.

Getötet, getötet, getötet, gemordet.

Er begann zu schreien, immer lauter und lauter und er konnte nicht aufhören, bis man ihm die Hände auf den Mund presste, während seine blutbespritzten Hände in Handschellen gelegt wurden.

Mit einem Schlag.

Ein Polizist ging an einem Schrank vorbei. Ein Glas stand auf der Kante.

Es fiel herunter und zerbrach in tausend kleiner Splitter.
 


 

Kurenai/Ende



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  RedSky
2010-02-20T22:17:47+00:00 20.02.2010 23:17
Interessante Wandlung. Öö
Die sich überschlagenden Ereignisse in dieser einen Szene in der Küche hast du richtig gut aufgeteilt, wieder alles sehr bildlich (inkl. der zermatschten Augäpfel).
Freu mich schon auf das dritte Kapitel - wann auch immer ich dazu kommen werde es zu lesen.^^;
Von: abgemeldet
2009-04-26T10:28:58+00:00 26.04.2009 12:28
Ich muss mich Doll anschließen, wirklich zu beneiden ist kaya da ja nicht..
und ich muss sagen, ich bin gespannt wie du ihn aus dieser Katatonie wieder herausreißen willst...oder muss da Hakai ran?

Sprachlich jedenfalls sehr schön^^
Von:  Paperd0ll
2009-03-28T23:23:23+00:00 29.03.2009 00:23
Liebes, ich danke dir sehr, dass du die Geschichte weiter geschrieben hast! Ich liebe deinen Stil nach wie vor und du hast mich nun sehr auf die Folter gespannt.
Ich habe Mitleid mit unserem Engel... was wird nur aus ihm?


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