Digimon Alpha Generation von Alaiya (Sieben Jahre nach Tamers) ================================================================================ Episode 38: Familienbande ------------------------- Ja, ihr seht richtig. Nach fünf Monaten Pause geht es weiter... ;) Viel Spaß mit dem Kapitel :3 Ich empfehle "Unsere Digiwelt" (ja, deutsche Fassung), "Sun Goes Down" und "Starting Point" als Soundtrack :D ★☆★☆★☆★☆★☆★☆★☆★☆★☆★☆★☆★☆★ Episode 38: Familienbande Sie stiegen immer höher, immer weiter der großen Kugel – der realen Welt – entgegen. Unter sich könnten sie die Nacht erneut über der Digiwelt einbrechen sehen und je weiter sie stiegen, desto mehr sahen sie auch von der Zerstörung, die der Virus in der Digiwelt angerichtet hatte. Ein mulmiges Gefühl stieg in Denrei auf und einmal mehr fragte er sich, ob sie nicht besser bleiben sollten, um zu kämpfen. Zumal sich ein Teil von ihm noch immer dagegen sträubte in die reale Welt zurückzukehren. Was sollte er seinem Vater sagen? Er musste sich entschuldigen. Nein. Er wollte sich eigentlich auch entschuldigen. Aber wie? Mittlerweile hatten sie das Hologrammnetz, das den Himmel der Digiwelt bildete, beinahe erreicht. Und während die Digiwelt unter ihnen langsam hinter den Abbildern von Computerplatinen verschwand, spürte Denrei, wie eine Kraft ihnen – ihm und Dracomon – entgegenwirkte. Wenn sie die Digiwelt auf diesen Weg nicht verlassen konnten, würde er zumindest etwas mehr Zeit zum Nachdenken haben, sofern ihnen diese in der zerfallenen Welt blieb. „Denrei“, hörte er Dracomons angestrengte Stimme im Inneren Slayerdramons, als sie schließlich zum Halt kamen, zurückgedrängt von einer unsichtbaren Wand. „Wir kommen nicht durch“, knurrte das große Kriegerdigimon. „Das werden wir sehen“, erwiderte Minervamon, das auf seiner Schulter saß und stieß sich von dort ab. „Dominion Blade!“, rief es und schleuderte Olympia gegen das Netz, ehe auch Duftmon ihm beistand. „Ernste Welle!“ Nichts schien zu geschehen, ehe sich, mitten in der Luft, auf einmal ein Riss, wie der Bruch in einer Glasscheibe, zeigte. „Slayerdramon!“, rief Denrei und Fragarach erschien in den Händen des großen Drachendigimon. „Shouryuzanpa!“ Das flammende Schwert traf auf die Mitte des Risses und nach einem Moment gespanntem Schweigens, öffnete der Riss sich auf einmal weiter, ehe ein Sog sie plötzlich erfasste und durch das Loch sog. „Was…“, hörte Denrei sich im nächsten Moment selbst rufen und brauchte einen Moment zu erkennen, dass er sich zusammen mit Dracomon, Coronamon, Lunamon, so wie auch Shuichon, Shoji und deren Digimon im dunklen Himmel über Tokyo befand, von einem dünnen Nebel einer Digital Zone umgeben. Dieser Zustand hielt jedoch nicht für lange an, ehe sie mit zunehmender Geschwindigkeit der Erde, um genau zu sein den Vorplatz des Governmentgebäudes, entgegenrasten. „Coronamon!“, rief Lunamon und griff sich seinen Bruder bei der Hand, durch seine Schwebefähigkeit den Fall etwas abfangend, so dass die beiden Digimon hinter den anderen zurückfielen. „Was ist los?“ Shoji hielt Gazimons Tatze umfasst, jedoch ohne etwas an ihrer Fallgeschwindigkeit ändern zu können. „Die Verschmelzung“, entgegnete Shuichon gegen den Wind anschreiend. „Sie funktioniert nicht in der realen Welt.“ „Aber Takato…“, wollte Denrei einwenden, wurde aber sofort eines besseren belehrt. „Das ist etwas anderes.“ Im nächsten Moment schrieen die drei, auch wenn ihnen das ihren Fall ebenfalls nicht verlangsamte. Wenn sie auf dem Weg zum Boden nicht ohnehin schon erfroren, so würde es eine ziemlich harte Landung werden. Und ohne, dass sie an ihre Karten kamen, was während des schnellen Sturzes nahezu unmöglich war, konnten sie auch nichts dagegen tun. „Denrei!“, rief Dracomon aus und im nächsten Moment leuchtete Denreis Digivice auf. „Dracomon – Shinka! Wingdramon!“ Die Schreie der drei Jugendlichen wurden jäh unterbrochen, als sich der große Drachenkörper unter sie schob und somit ihren Sturz, wenn auch nicht sehr sanft, abfing. Es dauerte einen Moment, bis sie begriffen, was geschehen war und einen Augenblick später landete auch Lunamon mit Coronamon bei ihnen. „Puh, das war aber ganz schön knapp, eh?“, meinte Coronamon und legte sich flach auf den breiten Drachenrücken. „Aber wieso sind wir zurückdigitiert?“, wiederholte nun Shoji Denreis frühere Frage. „Weil die Verschmelzung in der realen Welt nicht funktioniert“, erwiderte Shuichon etwas ungehalten. „Wir bestehen hier nicht aus Daten.“ „Und was ist mit Takato und den anderen?“, fragte Denrei. „Während sie damals gegen D-Reaper gekämpft haben, haben die Souveränen, die Götter der Digiwelt, ihnen ein Programm geschickt, damit es für sie möglich wurde.“ Das Mädchen zuckte mit den Schultern. Für eine Weile herrschte Schweigen. „Aber…“, setzte Shoji an, schwieg dann aber und sah hinab auf den langsam näher kommenden Boden, was die anderen ihm nachtaten. Wingdramon kreiste langsam um den Datastream mitten auf dem Vorplatz des großen doppeltürmigen Gebäudes, sich dem Boden immer weiter nährend. Sie sahen, wie Menschen das Gebäude verließen und zu ihnen hinaufsahen. Sie winkten ihnen zu. „Das sind Jenrya und die anderen!“, rief Shuichon schließlich aus, als sie sich näherten und auch die Digimon zwischen den anderen erkennen konnten. „Ja“, murmelte Denrei und sah ebenfalls zu ihnen hinab. Nun, wo er wieder hier war – in der realen Welt – in Tokyo – würde er um eine Sache nicht mehr herumkommen. Er würde mit seinem Vater reden müssen und er wusste, dass er sich entschuldigen musste. Er wollte sich entschuldigen. Und doch wünschte er sich nichts mehr, als zurück in die Digiwelt zu fliehen. „Vater“, murmelte Shuichon selbst etwas verhalten, als ihr Vater sie etwas später in die Arme schloss. Sie war von Janyuu und Jenrya zur Seite genommen worden, nachdem sie sich bereits auf dem Weg zu den Hypnosräumlichkeiten von ihrem Bruder eine Mischung aus „Gott sei dank ist dir nichts passiert!“ und „Wieso hast du mir nichts gesagt?“ hatte anhören dürfen. „Es tut mir leid“, flüsterte sie. „Ich habe mir solche Sorgen gemacht“, erwiderte ihr Vater leise. Das Mädchen seufzte. „Aber Vater, ich…“, setzte sie an, brach dann aber ab. Sie hatte es satt, dass sich ihre Familie immer unnötig viele Sorgen um sie machte, brachte es im Moment jedoch nicht fertig, einen Streit mit ihrem übermüdet wirkenden Vater anzufangen. „Shuichon.“ Nun war es wieder Jenrya, der sie vorwurfsvoll ansah. „Wieso bist du einfach gegangen? Wieso hast du mir nicht Bescheid gesagt?“ „Weil du mich nur aufgehalten hättest“, erwiderte sie. „Außerdem brauchte Denrei unsere Hilfe…“ Sie zögerte. „Wären wir später gekommen, wäre er gestorben.“ „So seid ihr beinahe alle gestorben!“, rief Jenrya auf einmal heftiger als normal aus, so dass auch die anderen, die größtenteils auf den Stühlen um den Kaffeeautomaten herumlungerten, zu ihnen herübersahen. „Aber wir sind es nicht“, antwortete sie. „Wir sind wieder hier. Ich kann schon selbst auf mich aufpassen, Jian. Verdammt, ihr wart zehn als ihr damals allein in die Digiwelt gegangen sein.“ „Ich passe schon auf sie auf“, bestätigte auch Lopmon. „Das habe ich geschworen.“ Es herrschte Schweigen, auch wenn es für einen Moment noch so aussah, als wollte Jenrya etwas erwidern, dann jedoch schüttelte er nur still den Kopf und wandte sich ab, sowohl Terriermon, das sich auf seine Schulter schwang und „Moumantai“ murmelte, als auch Takato, der nach seiner Hand greifen wollte, ignorierend. „Es tut mir wirklich leid, Vater“, meinte Shuichon, doch Janyuu seufzte und nickte nur. „Es ist in Ordnung“, sagte er langsam, auch wenn seine Stimme die Worte nicht ganz zu unterstützen schien. „Rede besser mit deiner Mutter. Sie hat sich so viele Sorgen gemacht.“ Nun war es an Shuichon schweigend zu nicken und sie wandte sich den anderen zu. Doch gerade, als sie die ersten Schritte in die Richtung von Denrei und Shoji machte, stand ersterer auf und ging an ihr vorbei. „Wo willst du hin?“, fragte das Mädchen, mit einer Mischung aus Sorge und Ärger in der Stimme. „Ich gehe nach Hause“, antwortete er brüchig. „Ich glaube, ich muss mich bei meinem Vater entschuldigen…“ „Denrei, warte“, rief ihm Dracomon nach, das zuvor am Boden gelegen und halb geschlafen hatte, vollkommen erschöpft von den zurückliegenden Kämpfen und zwei Digitationen so kurz hintereinander, und rappelte sich auf. „Soll ich…“, setzte Shuichon an, doch der Junge schüttelte nur den Kopf. „Es ist schon in Ordnung“, erwiderte er, wobei seine Stimme zitterte. „Ich muss es dieses Mal alleine schaffen.“ „Bist du sicher?“ Sie ging ihm ein paar Schritte hinterher, blieb jedoch stehen, als er nickte. „Ja. Ich bin mir sicher.“ Damit verschwand er schon beinahe hinter der Wand, in Richtung des Treppenhauses und ließ das Mädchen seufzend zurück. „Moumantai“, war es nun wieder einmal an Lopmon es zu probieren, doch dabei blieb es ebenso erfolglos, wie Terriermon zuvor bei Jenrya. Einen Augenblick lang herrschte Stille auf dem Gang, ehe nun auch Shoji aufstand und eine Hand auf Shuichon Schulter legte. „Ich glaube, ich werde ebenfalls nach Hause gehen“, meinte er. „Meine Eltern haben sich sicher schon genug Sorgen gemacht.“ Mit einem weiteren Seufzen nickte Shuichon. „Mach das. Vielleicht sollte ich auch zu meiner Mutter gehen.“ Dabei fielen ihr im Moment hundert Sachen ein, die sie lieber machen würde, als denselben Streit noch einmal zu führen. Auch Shoji nickte ihr zu. „Wir können immerhin zusammen nach unten gehen“, schlug er vor und es war offensichtlich, dass es ihm genau so schwer fiel, zu seinen Eltern zu gehen, wie seinen beiden Freunden. „Okay“, erwiderte Shuichon, über die Gesellschaft dankbar, und wandte sich zum Gehen. In dem Moment schreckte Toshi, der bei zwischen Takato und Kayako auf den Plastikstühlen vor sich hingenickt hatte, Culumon auf seinem Schoß, auf. „Hey, wartet“, rief er den beiden Tamern und ihren Digimon hinterher und riss damit auch Kayako aus dem Schlaf. „Was ist mit uns?“ „Was sollte mit euch sein?“, murmelte Lopmon auf Shuichons Schulter wahrscheinlich nicht minder müde, als die anderen Digimon. „Wir sind hergekommen, weil wir wissen wollen, was mit der Digiwelt passiert“, erwiderte der Junge. „Und ihr kommt von dort.“ „Außerdem“, fiel Kayako ein. „Haben wir noch keine Bleibe für die Nacht.“ „Außerdem“, ergänzte nun auch noch Chiupumon. „Habe ich Hunger!“ Shuichon sah zu ihrem Vater, der noch immer in der Tür zum Labor stand und auf ihren Blick hin einfach nur nickte. „Dann kommt mit mir“, erwiderte sie dann matt lächelnd. „Wir haben noch immer ein Zimmer frei.“ Die Sonne verschwand Stück für Stück im Westen hinter dem Horizont, auch wenn ihr Licht kaum noch durch die Wolken dran, während Denrei unschlüssig vor der Tür des Apartments stand, das er mit seinem Vater teilte. Ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte er bereits vor einem halben Jahr so vor der Tür gestanden, an dem Abend, als er von dem Mädchen, das sich später als Lilithmon herausstellte, die Herausforderung bekommen hatte. Auch jetzt trug er noch immer seine Schuluniform, mit der er zwei Tage zuvor fortgelaufen war, doch dieses Mal war er nicht allein und hatte auch seine Schultasche nicht dabei. Dafür stand Dracomon neben ihm und sah seinen Partner müde und verwirrt an. „Denrei…“ Er seufzte und griff mit der Hand in die Innentasche seiner Schuljacke, in der er die ganze Zeit seinen Schlüssel mit sich herumgetragen hatte. Am liebsten wäre er nur wieder weggelaufen, anstatt sich seinem Vater zu stellen, aber er wusste, dass er es nicht mehr durfte. Er konnte nicht auf ewig weglaufen. Auch wenn es viel einfacher war… Beinahe wie in Zeitlupe hob er die Hand und steckte den Schlüssel in das Schlüsselloch und drehte langsam um. Er öffnete die Tür und machte einen Schritt in die kleine Wohnung hinein. Was sollte er sagen? War sein Vater überhaupt da? Diese Frage beantwortete sich im nächsten Moment, als sein Vater sich vom Sofa erhob und ihn ansah. „Denrei?“ Er erwiderte nichts und auch Dracomon schien lieber schweigen zu wollen. Obwohl es ihn einige Überwindung kostete, zog er seine Schuhe auf und machte einen Schritt auf die Stufe, mit der der Holzboden des eigentlichen Wohnbereichs anfing. Für einige Momente starrte sein Vater ihn an, offenbar selbst nicht ganz sicher, ob er sauer oder erleichtert sein sollte, denn beide Emotionen waren in seinem Gesicht zu lesen. Dann machte er schließlich einige Schritte auf seinen Sohn zu. „Was hast du dir eigentlich dabei gedacht einfach wegzulaufen?“, schrie er ihn dann an. „Hast du jetzt deine Mutter getroffen? Bist du jetzt zufrieden? Hast du jetzt endlich dazu gelernt?!“ Denrei schwieg, unfähig ein Wort heraus zu bekommen. Ein Teil von ihm wollte etwas erwidern, ein Teil wollte sich entschuldigen und ein weiterer Teil einfach nur auf den Absatz kehrt machen und davon laufen. „Lee-san hat mich angerufen. Du bist einfach in diese… diese andere Welt abgehauen? Und hast auch noch deine Freunde mit hineingerissen?“ „Ich“, setzte der Junge an, brach aber ab. „Was hast du dir dabei gedacht?“, fragte Yuki Nobu weiter aufgebracht. „Hast du überhaupt darüber nachgedacht, was du machst? Hast du…“ „Es tut mir leid“, flüsterte Denrei. „Hast du daran gedacht, ob du überhaupt zurückkommen kannst?“, fuhr sein Vater fort, ohne ihn überhaupt zu hören. „Es tut mir leid“, wiederholte der Junge noch einmal lauter. „Hast du…“, setzte Yuki Nobu noch einmal an, zögerte dann aber, durch den nachgiebigen Tonfall seines Sohnes. „Was?“ „Es tut mir leid“, stotterte dieser noch einmal unsicher und es trat für einen weiteren Moment Schweigen ein, indem sein Vater ihn einfach nur anstarrte, während er selbst es nicht über sich brachte, den Blick zu erheben. Als sein Vater nach einigen Sekunden noch immer nichts erwidert hatte, fuhr er schließlich mit brüchiger Stimme fort: „Ich habe dir nie geglaubt, dass meine Mutter mich…“ Er brach kurz ab und merkte zu seinem eigenen Scharm, dass er mit den Tränen kämpfte. „Mich nicht wollte. Ich dachte ihr hättet euch einfach gestritten, wie viele andere Eltern auch. Ich dachte, du wolltest deswegen einfach nicht, dass ich zu ihr gehe.“ Noch einmal stockte er. „Ich hätte nie geglaubt, dass sie so ist…“ Nun war es an seinem Vater zu zögern. „Denrei, ich…“ „Ich weiß, dass du mich vor ihr beschützen wolltest“, flüsterte er. „Aber ich… Du hast so wenig von ihr gesprochen, nur wenn wir gestritten haben… Ich dachte immer…“ Er brach ab. „Ich wollte nicht weglaufen. Ich wollte Shuichon und Shoji nicht in Gefahr bringen. Ich hab das alles nicht gewollt.“ Weiter sprach er stocken und langsam merkte er, dass er gegen die Tränen einen Kampf auf verlorenen Posten führte. „Es tut mir leid, Vater. Es tut mir leid…“ Damit gab er den Kampf schlussendlich auf und ließ die Tränen still über seine Wangen laufen. „Denrei“, hörte er Dracomon neben sich, aber aktuell erwiderte er seinem Partner nichts. Schließlich hob sein Vater die Hand und legte sie ihm auf dem Kopf. Er sagte nichts, sondern stand einfach nur da, die Finger zwischen den Haaren des Jungen. „Aber“, setzte Denrei schließlich erneut an. „Aber bitte versuch nicht mich zu zwingen Dracomon aufzugeben. Die Digimon…“ Er suchte nach Worten. „Vielleicht sollte ich mehr für die Schule machen, ja, aber aktuell gibt es wichtigeres. Die Digimon und meine Freunde sind mir wichtiger. Ich bin ein Tamer… Und das… Das lasse ich mir nicht nehmen. Ich weiß nicht, was ich nach der Schule machen will, und vielleicht habe ich keine Perspektive. Aber das… Meine Freunde…“ Nun war es dem älteren Mann der ihn unterbrach. „Es ist in Ordnung“, erwiderte er, selbst mit unsicherer Stimme. „Es ist in Ordnung… Vielleicht sollte auch ich lernen, etwas besser zuzuhören.“ Und damit nahm er seinen Sohn in die Arme, wie er es schon seit vielen Jahren nicht mehr getan hatte. Seufzend ließ sich Shuichon auf ihr Bett fallen. Sie hatte eine geschlagene halbe Stunde damit verbracht, ihre Mutter zu trösten, die ähnlich wie Jenrya komplett übertrieben hatte. Warum mussten sie sich alle so viele Sorgen machen? Grummelnd drehte sich das Mädchen auf die Seite und strich ihrem Partner, der bereits schlief, durch das kurze, aber weiche Fell. Kayako war im Moment im Badezimmer, aber Shuichon wusste, dass sie wahrscheinlich innerhalb der nächsten Stunde auf noch dem Pärchen aus Osaka würde erklären müssen, was in der Digiwelt geschehen war. Dabei hatte sie es nicht einmal selbst richtig verstanden und wollte im Moment nichts lieber tun als Schlafen. Gar nicht zu sprechen davon, dass sie es irgendwann auch noch ihrem Bruder, Takato und den anderen Tamern würde erklären müssen. Und sie wusste, dass sie früher oder später in die Digiwelt zurückkehren mussten. Sie konnten nicht zulassen, dass die andere Welt zerstört wurde. Sie waren Tamer. Mit einem lang gezogenen Gähnen drehte sie sich auf den Bauch und schlief beinahe augenblicklich ein. Wie Shuichon ahnte auch Shoji, dass es nicht das letzte Mal war, das sie in der Digiwelt gewesen waren. Mit schlechtem Gewissen drehte er sich noch einmal zu seinen Eltern um, als er die Treppe hinauf ging, um im Obergeschoss des kleinen Hauses zu duschen und schlafen zu gehen. Er hatte seinen Eltern, als er gegangen war, einen Zettel dagelassen und natürlich hatten sie sich Sorgen gemacht. Trotzdem hatten sie ihn nicht angeschrieen, als er wiedergekommen war. Seine Mutter hatte ihn umarmt, hatte geweint. Sein Vater hatte ihn rügend angesehen, dann aber gesagt, dass es gut sei, dass ihm nichts passiert war. Dabei wäre es ihm lieber gewesen, hätten sie geschrieen. Er fühlte sich, als hätte er es verdient. Er wollte nicht, dass seine Eltern sich weiter Sorgen machen mussten. Davon hatten sie schon genug, seit Kenji damals gestorben war. Aber er konnte daran nichts ändern, dass sie es taten. Und genau so wenig, konnte er etwas dagegen tun, dass sie früher oder später wieder in die Digiwelt würden gehen müssen. Es war ihre Verantwortung als Tamer. Er würde seine Freunde nicht alleine gehen lassen. Außerdem fragte er sich noch immer, was aus dem Mädchen geworden war. „Was ist Shoji?“, fragte Gazimon, als der Junge die Tür des Badezimmers hinter sich geschlossen hatte. „Du denkst nach.“ Er nickte ruhig, während er begann sein Hemd auszuziehen. „Meine Eltern…“, murmelte er. „Sie sollen sich nicht zu viele Sorgen machen.“ Er stellte das Wasser der Dusche an. „Aber wir müssen in die Digiwelt zurück, oder? Wir können nicht zulassen, dass sie zerstört wird.“ Gazimon zögerte, sich vom Strahl des Wassers fernhaltend. „Wir müssen nicht gehen“, erwiderte es dann leise. „Die anderen würden es sicher verstehen.“ Shoji nickte. „Aber wir können sie nicht alleine gehen lassen“, meinte er dann. „Sie sind unsere Freunde.“ „Ich weiß“, antwortete sein Partner. Noch einmal zögerte er, sah seinen Tamer unsicher an. „Deine Eltern werden es vielleicht nicht verstehen. Aber sie werden es akzeptieren.“ Erneut war es an dem Jungen zu nicken. „Ich weiß“, hauchte er dann. „Ich weiß…“ „Jian“, hörte der im Park sitzende Junge Takatos Stimme, reagierte jedoch nicht darauf. Er wusste ohnehin, was sein Freund zusagen hatte und er wollte es nicht hören. Im Moment war er froh, dass Terriermon aufgehört hatte, mit ihm zu reden, und stattdessen in seinem Schoß schlief. „Jian“, wiederholte Takato nun direkt neben ihm, wurde jedoch weiterhin ignoriert, was ihm ein Seufzen entlockte. Ohne ihn ein weiteres Mal anzusprechen, setzte er sich auf die Bank neben Jenrya und sah ihn an. „Meinst du nicht…“, setzte er schließlich an, wurde aber sofort von dem chinesischen Jungen unterbrochen. „Nein, ich meine nicht, dass ich überreagiere“, rief er aus, laut genug, dass auch Terriermon wieder aufwachte. „Sie ist meine kleine Schwester!“ „Aber sie hat Recht“, erwiderte Takato vorsichtig. „Sie kommt allein klar, schon die ganze Zeit. Sie ist auch schon damals gut klargekommen. Du musst sie nicht mehr beschützen.“ „Doch. Ich bin verantwortlich für sie.“ Dieses Mal war seine Antwort nicht ganz so aggressiv, wie vorher, aber immer noch heftig genug. „Du hättest meine Mutter sehen sollen, als sie erfahren hat, dass Shuichon schon wieder in der digitalen Welt war. Sie macht sich so viele Sorgen… Und ich bin der einzige, der Shuichon beschützen kann.“ „Lopmon beschützt sie“, erwiderte Terriermon in seinem Schoß. „Dafür ist es doch ihr Partner.“ „Aber…“ Erneut wollte Jenrya etwas erwidern, wurde dieses Mal jedoch von Takato unterbrochen. „Sie hat aber Recht“, meinte er erneut. „Wir waren damals jünger, als sie jetzt ist, als wir das erste Mal in die Digiwelt gingen oder gegen D-Reaper kämpften. Aber letzten Endes ist uns nichts passiert. Sie ist genau so ein Tamer wie du.“ Jenrya schwieg. Er wusste, dass sie dasselbe Gespräch mehr oder weniger bereits früher am Tag geführt hatten, doch trotzdem konnte er sich nicht beruhigen. Ein Teil von ihm verstand ja, dass sie Recht hatten, aber trotzdem war Shuichon für ihn kein Tamer, wie die anderen. Weil sie seine kleine Schwester war, weil sie das jüngste Kind in ihrer Familie war, weil seine Mutter schon genug Sorgen hatte… Er musste sie beschützen. „Jian“, setzte Terriermon nun an. „Du vertraust mir doch als Partner, nicht?“ „Natürlich“, erwiderte der Junge. „Dann vertrau Lopmon genau so.“ Das Digimon sah ihn an. „Dafür sind Partner da.“ Jenrya wusste, dass es keinen Sinn hatte, es ihnen zu erklären. Vielleicht verstanden sie es einfach nicht, weil sie keine Geschwister hatten. Sie mussten niemanden beschützen. Und weil sie es nicht verstehen würden, schwieg er, bis Takato das Thema wechselte. „Du solltest schlafen“, meinte er. „Du siehst ziemlich fertig aus.“ „Kein Wunder“, grummelte Terriermon. „Er macht ja seit letzter Nacht durch…“ „Ja“, murmelte Jenrya. „Vielleicht sollte ich wirklich nach Hause gehen.“ Dort würde er zumindest jetzt erst einmal Ruhe haben. Er sah zu der Säule, die leuchtend in den Nacht aufstieg. Die Frage war nur für wie lange, die Ruhe andauern würde. Anders als Shuichon erwartet hatte, wurde sie nicht mehr geweckt in dieser Nacht. Selbst die beiden Jugendlichen aus Osaka waren, obwohl sie so viele Fragen auf dem Herzen hatten, umsichtig genug, das übermüdete Mädchen schlafen zu lassen. Auch Jenrya, der erst gegen elf nach Hause kam, weckte sie nicht, sondern fiel seinerseits selbst übermüdet ins Bett. Ähnlich ging es auch den beiden Jungen, die gerade aus der Digiwelt zurückgekommen waren. Sie und ihre Digimon schliefen tief genug, als dass selbst ein wildes Greymon neben ihrem Bett sie kaum aufgeweckt hätte. Kein Wunder, denn der vergangene Tag, obwohl es kaum mehr gewesen war, war mehr als anstrengend für sie gewesen, und gerade Denrei und Dracomon, die in der gesamten Zeit keinen Schlaf gefunden hatten, waren wahrscheinlich müde genug, um bis zu dem nächsten Abend durchzuschlafen. Auch Culumon und den Digimonzwillingen ging es nicht anders und selbst letztere, die im Central Park schliefen, bekamen nicht mit, was sich in der Nacht am Himmel über Tokyo abspielte. Es war die Stelle, in der der vermeintliche Datastream im Himmel zu verschwinden schien und es sah beinahe so aus, wie die Grenze zwischen den Welten, als Slayerdramon, Duftmon und Minervamon sie am Abend durchstoßen hatten. Erst schienen es Risse, wie in Glas, zu sein, die von einem seltsamen, elektrischen Flimmern umgeben waren. Doch je weiter sich diese Risse ausweiteten, desto mehr Himmel verschwand um den Stream herum und gab somit einem seltsamen Bild Platz, wie es sich jedoch bereits vor sieben Jahren über Shinjuku gezeigt hatte. Es war die oberste Ebene der Digiwelt, die die Menschen, die nachts noch auf den Straßen der Hauptstadt unterwegs waren oder am nächsten Morgen aus dem Fenster sahen, am Himmel erkennen konnten. Doch dies geschah nicht nur in Tokyo. Auch in Washington D.C., Dhaka, Venedig, Capetown, so wie über der Wüste Australien und der Eislandschaft des Südpols war dasselbe Bild zu sehen und zusammen mit ihm, kamen auch weitere Digimon, die aus ihrer vom Reaperprogramm immer weiter zerstörten Welt flohen. „Wir gehen wieder in die Digiwelt“, meinte Takato gegen Mittag des nächsten Tages entschlossen, auch wenn er nicht von allen der ihn umgebenen Tamer Beifall bekam. „Seid ihr euch sicher?“, fragte Yamaki, der hinter ihnen Kaffee trinkend and einem der großen Rechner des Hypnoslabors lehnte. „Es sieht nicht aus, als ob wir eine Wahl hätten“, erwiderte Renamon. „Ja, wir können nicht zulassen, dass die Digiwelt zerstört wird“, stimmte Denrei dem Digimon zu, sich zum ersten Mal seit langem wirklich sicher. „Aber wir wissen nicht wirklich, womit wir es zu tun haben“, gab Jenrya zu bedenken. Shuichon zuckte mit den Schultern. „Wir wissen, dass es das eine neue Variante von D-Reaper ist. Was müssen wir sonst wissen?“ „Wenn wir zu lange zögern, kann es sein, dass wir gar nichts mehr tun können“, stimmte Ryou zu. Lopmon nickte. „Und auch wenn diese neuen Agenten stark sind, man kann sie besiegen.“ „Vielleicht hat dein Bruder aber Recht“, warf Shoji ein, der neben Kayako und Toshi am unsichersten aussah. „Lass Yamaki-san und die anderen noch ein paar Tests machen.“ „Das wird uns auch nichts mehr bringen“, meinte Ruki. „Wenn wir warten, wird es wahrscheinlich noch schlimmer.“ Ein Teil der anderen nickte. Mittlerweile hatten sie die Geschichte von Denrei, Shoji und Shuichon gehört und wussten, wie sich das neue D-Reaper in der Digiwelt manifestiert hatte. Doch obwohl sie sich alle mehr oder weniger einig waren, dass sie etwas tun mussten, und obwohl sie wussten, dass sie würden in die digitale Welt aufbrechen müssen, herrschte noch immer Uneinigkeit darüber, ob sie wirklich gehen sollten oder nicht. „Wir haben keine andere Wahl“, meinte nun Shuichon. „Wir müssen irgendetwas tun.“ „Wir werden auf jeden Fall gehen“, warfen Dracomon und Denrei einstimmig ein. „Wir auch!“, stimmten Shuichon, Lopmon, so wie auch Takato und sein Partner zu. Jenrya sah sie an. „Nein, du wirst dieses Mal…“, setzte er an, doch es war der Blick seines Vaters, der ihn zum Schweigen brachte. Er wusste, dass seine Eltern ihn genau so wenig gehen sehen wollten, wie seine Schwester. „Wir werden auch gehen“, schlossen sich nun Ruki und Ryou an und auch Shoji nickte etwas zögerlich. Takato sah zu Jenrya. „Was ist mit dir?“ „Ich lasse Shuichon nicht alleine gehen“, erwiderte er. „Moumantai“, versuchte Terriermon ihn zu beruhigen. „Und ihr?“ Denrei sah zu den beiden Jugendlichen aus Osaka hinüber. Die beiden schwiegen. Einzig Chiupumon auf dem Kopf des Mädchens sah seinen Partner an. „Kayako“, murmelte es, doch auch das brachte sie nicht zum Antworten. „Also ich werde auf jeden Fall mitkommen, Culu!“, rief schließlich das kleine weiße Digimon in den Armen des jungen Mannes aus und nach einem darauf folgenden weiteren Moment des Schweigens nickte Kayako schließlich. „Ich werde auch gehen“, murmelte sie halblaut und sah auf ihr Digivice. „Immerhin bin ich auch ein Tamer…“ „Dann komme ich auch mit“, schloss sich Toshi an. „Bist du sicher?“, fragte Takato vorsichtig, doch der junge Mann nickte entschlossen. So kam es, dass die Gruppe der neun Tamer und ihrer Digimon nicht viel später vor dem Governmentgebäude stand und in das weißrosane Flackern des Streams sah. Doch gerade, als Takato den ersten Schritt machte, erklang eine Stimme hinter ihnen. „Hey!“, rief jemand, der zusammen mit einigen Digimon und noch drei weiteren Jugendlichen vom Park auf sie zu gerannt kam. „Hey! Wartet! Wollt ihr schon ohne uns gehen?“ Die Tamer sahen sich um und erkannten Hirokazu, der von seinem Partner, Kenta, Penmon, Ai und Makoto, so wie Impmon, Coronamon und Lunamon war. „Wir kommen mit“, rief Coronamon aus. „Und bildet euch ja nichts anderes ein!“ „Aber ihr…“, setzte Takato an und sah von einem zum anderen. „Wir wollt ihr uns aufhalten?“, fragte Makoto und ließ seine zwölfjährige Brust entschlossen anschwellen. Betretenes Schweigen trat ein und wurde schließlich wieder von Shuichon unterbrochen. „Er hat Recht“, meinte sie. „Wir können sie ohnehin nicht aufhalten, oder?“ Sie lächelte Takato zu, der nun selbst von der Idee nicht wirklich begeistert war, aber nickte, was ein Jubeln von Hirokazu und Kenta hervorrief. „Passt auf euch auf!“, rief Shibumi, der mit seinen Kollegen im Schatten des Gebäudes stand. „Das werden wir!“, erwiderten Takato und Denrei wie aus einem Munde und nahezu gleichzeitig nahmen die beiden Jungen ihre Fliegerbrillen und schoben sie über die Augen, ehe sie den anderen voran in den Stream sprangen. ★☆★☆★☆★☆★☆★☆★☆★☆★☆★☆★☆★☆★ So, das war es erst einmal wieder ;) Ich hoffe ihr hattet wieder Spaß an der Geschichte. Anmerkungen muss ich glaube ich hier keine Machen, denn es kamen keine neuen Digimon vor :) Und ich bin ganz schön froh, dass sich Denrei und sein Vater endlich versöhnt haben. War ganz schön schwer zu schreiben... Ach, bei dem ausnahmsweise gutem Wetter will ich gar nicht lange reden und wünsche euch noch ein schönes Wochenende. Freue mich wie immer über Feedback ;) Ach ja, eine Kleinigkeit wäre da noch :) Ein wenig Werbung in eigener Sache, für die, die noch ein wenig über Shuichon und Jenrya lesen wollen: Ein One-Shot namens Sternenfest http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/60112/252907/ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)