Digimon Alpha Generation von Alaiya (Sieben Jahre nach Tamers) ================================================================================ Episode 01: Wenn Träume erwachen -------------------------------- Episode 01: Wenn Träume erwachen... Es war bereits früher Abend, als Yuki Denrei von der Schule nach Hause kam. Er klingelte an der Tür des Appartements, in dem er mit seinem Vater zusammen wohnte, jedoch öffnete niemand. Nachdem mehrmaliges Klingeln zu keinerlei Erfolg geführt hatte, seufzte er und kramte seinen Schlüssel aus der Schultasche, um so in die kleine Wohnung zu gelangen. Im Wohnzimmer, das nur durch eine halbhohe Wand von der Küche getrennt war, fand er einen Zettel von seinem Vater auf dem Tisch liegend. Den, tut mir leid. Es gab wieder einen Notfall. Ich werde erst morgen früh zurückkommen. Im Kühlschrank ist ein Fertig-Käseauflauf. Denrei seufzte. Sein Vater war Chefarzt auf der chirurgischen Abteilung im zentralen tokyoter Universitätskrankenhaus. Er hätte eigentlich erst am späten Abend zur Arbeit gemusst, aber er war immer in Bereitschaft und selten daheim. Unter den zwei Zeilen war eine weitere gekrickelt, so als wäre sie seinem Vater plötzlich noch eingefallen: Schwänz die Abendschule bitte nicht wieder. Mit den Schultern zuckend zerknüllte der Junge den Zettel und warf ihn auf dem Weg in den Küchenabschnitt des Raumes achtlos in den Papierkorb. Wieso sollte er zur Abendschule gehen, wenn es seinem Vater eigentlich sowieso egal war? Dieser wollte doch am Ende nur, dass sein Geld nicht umsonst war – und? Das war es sowieso. Als ob die Abendschule wirklich was bringen würde. Sie war nur langweilig. So nahm er den in einer Aluminiumpfanne und mit Folie verpackten Auflauf aus dem Tiefkühlfach, machte den Ofen an und legte den Auflauf auf das Blech in diesem, ehe er sich selbst auf den Weg in sein Zimmer machte. Dort entledigte er sich der Krawatte der blauen Schuluniform, die verriet, dass er auf die Shinjuku-Oberschule ging, und machte den Computer an. Während dieser hochfuhr, nahm er einen Packen Spielkarten aus der Schreibtischschublade und sah diese lächelnd an. Vielleicht bot sich heute noch die Gelegenheit zu einem Spiel. Er strich eine Strähne seines für einen Jungen recht langen, rötlichen Haares aus dem Gesicht und konzentrierte sich, die Karten auf die Seite schiebend, nun auf den Computer, der endlich hochgefahren war. Bis der Auflauf fertig war, wollte er es zumindest geschafft haben, seine Emails und privaten Nachrichten nachgesehen zu haben. So schaute er erst einmal in seinem Emailpostfach nach. Dort gab es jedoch nichts besonderes, außer einige Werbemails und die Benachrichtigung, dass am folgenden Montag ein neuer Booster des Kartenspiels, des Digimon Card Games’ Alpha heraus kam. Immerhin etwas… Das war eine Sache, die Denreis Vater an ihm verhasste: Er sammelte immer noch Karten, schaute Anime und gab sein ganzes Taschengeld für kaum was anderes, als eben die Karten und Videospiele aus, zumal er es zumindest lieber gesehen hätte, würde Denrei welche der in seinen Augen eher für Erwachsene bestimmte Anime schauen und nicht Digimon oder wie die Serien seines Sohnes auch immer hießen. Nun loggte sich Denrei in einer Community ein, welche sich mit den Kartenspielen befasste, in die er geradezu vernarrt war. Eigentlich war die Community, die noch nicht sehr alt war, dazu gegründet worden, um sich einfach über die Spiele auszutauschen und Karten zu vermarkten, doch es hatte sich nun vielmehr zu einer Kontaktbörse von Spielern entwickelt, welche auch Turniere und Ähnliches organisierte. In zwei Wochen würde wieder ein solches Turnier in Tokyo stattfinden. Auf der Community Seite hatte er tatsächlich Nachrichten erhalten, gleich sechs. Vier davon waren von Onlinefreunden von ihm, welche er allerdings mittlerweile auch privat kannte, zwei waren Systemnachrichten. Eine über das besagte Turnier, die andere darüber, dass in der Digimongruppe ein neuer Thread eröffnet wurde – darum konnte er sich später kümmern. Er beantwortete schnell die Nachrichten seiner Freunde, ehe es schon an der Zeit war, den Käseauflauf aus dem Ofen zu holen. Also begab er sich zurück in die Küche, wo es bereits nach gebackenem Käse roch, und setzte sich dann, nachdem er die Alupfanne auf einen Teller gesetzt hatte, ins eigentliche Wohnzimmer auf die Couch um Anime zu schauen. Es lief zwar nichts, was ihn wirklich interessiert hätte, aber alles war besser als irgendwelche Soaps oder Shows. Ja, es wurde Zeit für eine neue Digimon Staffel, dachte er sich. Nachdem der Auflauf verspeist und er wieder in seinem Zimmer war, sah er das noch eine neue Nachricht in der Card Game Community eingegangen war, was merkwürdig war, da besagte Freunde eigentlich heute fast alle arbeiteten oder auf der Abendschule waren. Abendschule? An einem Freitagabend – er verstand nicht, wieso man nicht alles versuchte, um das zu umgehen. Er öffnete die Nachricht. Eine weitere Systemmitteilung, doch diese sagte ihm, dass eine Herausforderung für ihn eingegangen war. Das wunderte ihn zwar, jedoch klickte er auf den Link zur eigentlichen Herausforderung. Den User Debug, von dem die Nachricht stammte, kannte er nicht und er hatte kaum Daten über sich im Profil angegeben. Ich habe gehört, dass du gut spielst. Lass uns uns heute Abend um Acht an der Spielhalle bei Shibuya treffen. Ich erwarte, dass du die Einladung annimmst. Nun, freundlich war die Nachricht, die mit der Herausforderung zusammen verschickt worden war nicht. Auch die „Spielhalle bei Shibuya“: Da gab es viele, immerhin war das Viertel für die Glückspiele und normale Spielhallen bekannt, wenngleich Denrei ahnte welche gemeint war, da nicht alle gleich groß waren und auch nicht alle Cardass Terminals führten. Also: Was sollte es? Viel konnte nicht passieren, wenngleich ihm sein Vater verboten hatte, abends zur Shibuya zu gehen. Das Viertel hatte schon lange keinen guten Ruf mehr. Aber sein Vater wollte auch, dass er zur Abendschule ging – deswegen tat er es noch lange nicht! Um Acht Uhr… Denrei sah auf die Uhr. Es war kurz vor sieben und er würde in die Rushhour in den Zügen geraten. Er sollte sich beeilen, wenn er dort wirklich erscheinen wollte. Schnell zog er die Schuluniform aus und kramte sein Kostüm aus seinem Kleiderschrank hervor. Ja, natürlich empfand sein Vater auch Cosplay als kindisch und gerade für einen Jungen unangebracht. Dafür wurde er in Tokyo, zumindest in Shibuya, nicht einmal schräg angesehen, wenn er es trug. Na ja, vielleicht ein bisschen, aber es hielt sich in Grenzen. Das Cosplay, welches er immer zu Spielen oder Turnieren trug, bestand aus einem schwarzen T-Shirt, mit einem kaum lesbaren silbernen Schriftzug über der Brust, über das er eine blaue Reisverschlussweste, mit mehreren Taschen trug. Dazu trug er eine dreiviertellange Jeans, an deren Gürtel er die Schutzschachtel aus Leder für die Karten befestigte. Dunkle Turnschuhe angezogen und das Kostüm war komplett – zumindest fast. Es fehlte noch ein wichtiges Detail: Die Fliegerbrille. Wozu hatte man denn sonst längere Haare, die man mit Gel noch hochstylen konnte? Mit der Fliegerbrille war der Goggleboy perfekt. Denrei warf einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel, dann schaute er auf die Uhr: Viertel nach sieben. Hoffentlich war der Zug nicht all zu voll!   Als der Zug um zehn vor acht an der Shibuya-Station einfuhr, seufzte Denrei erleichtert auf. Die ersten drei Züge hatte er nicht nehmen können – da hätte nicht mal mehr eine Maus herein gepasst. Aber er hatte es trotzdem geschafft. Dem Zwei-Minuten-Fahrplan war dank! Nun sah er sich um, während an ihm vorbei die Leute, fast alle in Anzug oder Kostüm mit Taschen in den Händen, aus dem oder in das Bahnhofsgebäude strömten. Sie alle waren hektisch, wie die ganze Stadt. Obwohl Denrei noch zwei Straßen weit zu laufen hatte, beeilte er sich nicht. Er hatte keine Lust sich durch die Menschenmassen zu drängen und ließ sich einfach treiben, bis er in der kurzen Allee vor der Station stand und er die Hundestatue erblickte. Nachdem er den Schatten der Bäume verlassen hatte, ging er über die Ampel und bog Links ab. Rechts von ihm kam das Sunshine-Einkaufszentrum in Sicht und erinnerte ihn daran, dass er am nächsten Tag dort vielleicht mal wieder vorbei schauen sollte, um neue Mangas zu kaufen. Immerhin kam dieses Wochenende die neue Ausgabe der Shonen-Jump heraus. Schließlich jedoch ermahnte er sich zur Eile, da ein Blick auf sein Handy ihm sagte, dass es nur noch zwei Minuten vor Acht waren. Also beschleunigte er seinen Schritt. Hinter dem Gebäudekomplex des Einkaufszentrums musste er noch einmal die Straße überqueren, ehe er nun rechts abbog. Die Straße, auf der er nun lief, war nicht besonders breit und rechts und links ragten die Betonhäuser in den Himmel. Er kam an einem Casino und einem Restaurant vorbei, ehe er, zwei Blöcke weiter, erneut rechts abbog und vor seinem Ziel stand. Einer weiteren, größeren Spielhalle, vor der ein Fotoautomat stand. Denrei nahm an, dass diese Halle gemeint war, sie hatte immerhin gleich vier Digimon Cardass Terminals. Er sah auf die Uhr. Vier nach Acht. War sein Herausforderer in die Halle gegangen, war er noch nicht da oder war er so ungeduldig, dass er bereits abgehauen war? Denrei sah sich suchend um und begann auf den Eingang der Spielhalle zuzugehen, als auf einmal eine kühle Mädchenstimme hinter ihm erklang. „Du bist spät dran, Den“, sagte sie. Er fuhr herum. Den war der Name, unter dem er in der Community angemeldet war und mit dem ihn auch seine Freunde und sein Vater riefen. War das sein Herausforderer? Er brauchte ein bisschen, ehe er sie sah, dabei stand sie genau hinter ihm an die Mauer gelehnt. Es war ein Mädchen, etwa zwischen zwölf und vierzehn Jahren mit kurzen braunen Haaren und eher europäischen Aussehen, weshalb sie ihm eigentlich hätte auffallen sollen. Zu beiden Seiten des Kopfes hingen geflochtene Zöpfe, die ihr bis zum Kinn reichten und somit viel länger waren, als der Rest ihrer Haare, hinunter und unter ihr linkes Auge hatte sie mit schwarzer Farbe eine Träne gemalt. Sie trug ein weißes T-Shirt mit einer dunklen Jeansjacke und einen sehr kurzen schwarzen Rock. „Tut mir leid“, stammelte Denrei, nachdem er sie musternd angestarrt hatte und nun sein Blick den ihren streifte. Ein Schaudern rann über seinen Rücken. Das Mädchen hatte etwas Beängstigendes an sich. „Ich dachte schon, du kommst nicht“, meinte sie grinsend. „Natürlich komme ich“, erwiderte er leicht gereizt. „Dann nimmst du meine Herausforderung an?“, fragte sie. Ihre herablassende Art ließ die Wut in Denrei aufsteigen. „Was denkst du denn?“, fragte er und sah sie ärgerlich an. Sie kicherte nur. „Dann komm mit“, meinte sie und wandte sich der Gasse zu, um diese weiter hinunter zu gehen. „Was?“, murmelte er verwirrt. Er hatte angenommen, dass sie in der Spielhalle spielen würde, da diese auch für Jugendliche offen stand. Deshalb war er doch sehr verwirrt, als sie der dunklen Gasse weiter folgte. „Warte!“ Er rannte ihr hinterher. So liefen sie eine ganze Weile nebeneinander her und schwiegen. Hinter der Gasse bog sie in eine weitere ein, immerweiter von dem pulsierenden Zentrum, das um die Bahnstation herum lag, fort. Denrei wusste nicht wirklich, wo sie hinliefen, meinte aber, dass sie nach Norden gingen, was ihn jedoch nicht weiter brachte. „Gibt es eigentlich eine Karte, in deren Hand du dein Leben legen würdest?“, fragte das Mädchen mit dem Nickname Debug auf einmal. Er sah sie noch verwirrter als vorher an. „Was?“ „Gibt es eine Karte, der du vertraust?“, formulierte sie ihre Frage um, doch Denrei verstand noch immer nicht. „Wieso sollte ich einer Karte vertrauen?“, fragte er. „Ich meine…“, er rang um Worte. „Es ist eine Karte.“ Sie schwieg kurz und sah dann mit ihren kalten Augen zu ihm auf. „Dann frage ich mich, wie du so gut geworden bist“, meinte sie und schwieg wieder. Er zuckte nur die Schultern. Das Mädchen konnte einem wirklich Angst machen! Still trotteten sie weiter nebeneinander her, bis sie in einer Sackgasse ankamen und dort gezwungen waren stehen zu bleiben. Es standen ein paar Mülltonnen herum und eine Katze rannte fort, als sie näher kamen, doch sonst schien hier nichts und niemand zu sein. „Na toll“, murmelte Denrei entnervt. Mittlerweile dämmerte es bereits, was bedeutete, dass sie mindestens eine halbe Stunde herumgeirrt waren. „Ich dachte du wolltest mich herausfordern? Wieso laufen wir dann durch die Gegend?“ Langsam reichte es ihm. Das Mädchen kicherte nur. „Wieso sollte ich gegen dich spielen, wo du doch das Spiel noch gar nicht verstanden hast?“, fragte sie und grinste ihn an ohne wirklich Belustigung zu zeigen. Es war einfach eine Geste der Überheblichkeit. „Aber…“, begann Denrei und schluckte einen ganzen Schwall Beschimpfungen hinunter. „Gibt es eine Karte, der du dein Leben anvertrauen würdest?“, fragte sie auf einmal erneut. „Was soll der Scheiß?“ Nun war er wirklich sauer. Er hasste überhebliche Menschen und er hasste es verarscht zu werden. „Weißt du was?“, rief er und machte Anstalten an ihr vorbei zu gehen. „Lass mich in Ruhe, Göre!“ „Du bist wirklich ganz schön unfreundlich, Bürschchen“, erwiderte sie, wurde jedoch ignoriert. „Weißt du“, begann sie dann. „Bei mir wäre es wahrscheinlich diese Karte.“ Denrei drehte sich zu ihr um. Sie hielt eine Digimonkarte in der Hand, jedoch mit dem Deckblatt zu ihm. „Obwohl es da natürlich auch noch andere gibt“, meinte sie weiterhin kichernd. „Was ist das für eine Karte?“, fragte Denrei nun doch neugierig. „Eine aus meinem Deck.“ Sie grinste. „Das ist mir schon klar“, murmelte er. „Ich meine, was ist das für ein Digimon?“ Sie antwortete nicht und er wollte sich zum Gehen wenden, als sie doch etwas erwiderte. „Ein Digimon, was sicher Spaß mit dir haben wird, kleiner Junge“, meinte sie und drehte die Karte um. Denrei wurde zurück geworfen, als auf einmal eine Lichtsäule um das Mädchen herum erschien und eine Windböe auf ihn zurauschte. Dann bildete sich ein Schatten über ihr, welcher auf einmal eine Gestalt annahm. Er glaube seinen Augen nicht. Konnte das sein? Das war ein Digimon! „Viel Spaß“, lachte das Mädchen, wandte sich ab und war verschwunden. „Aber“, begann Denrei, doch da stürzte sich auf einmal das Digimon auf ihn. Nur langsam verstand er, dass es ihn angriff und schaffte es nur knapp sich zur Seite zu rollen. „Was soll das?“, rief er verwirrt und verängstigt zugleich und sah das Digimon, Karatenmon, an. „Aber wieso? Wie ist das möglich?“ Karatenmon, immerhin ein Perfect Digimon, flog empor und winkelte die Flügel an, so dass Denrei ahnte, was als nächstes kommen würde. Gerade noch rechtzeitig ging er hinter einer Mülltonne in Deckung, ehe ein Sturm aus schwarzen Federn auf ihn zuschoss. Jedoch hielt die Mülltonne nicht alles von ihm ab und so schnitten einige der Federn seinen linken Arm auf und hinterließen blutige Kratzer. Nun bekam er es wirklich mit der Angst zu tun. Was geschah hier nur? War das alles nur ein Alptraum? War er mal wieder beim Fernsehen eingeschlafen? Er hoffte es und vor allem hoffte er, dass er aufwachen würde, denn nun kam das Digimon mit gezogenem Schwert auf ihn zugeflogen. „Verdammt“, rief er und sprang zur Seite, wobei ihn das Schwert jedoch am Rücken traf und seiner Weste einen langen Schlitz hinzufügte. Denrei landete bäuchlings auf dem Boden und schürfte sich in dem vergeblichen Versuch seinen Sturz auf zu fangen, die Hände auf. Tränen standen ihm in den Augen, dabei sollte ein Junge mit siebzehn Jahren doch nicht mehr weinen. Aber er hatte Angst! Er zitterte. Krabbelnd versuchte er vor dem Digimon zu fliehen, rechnete sich jedoch keine wirkliche Chance aus. Er würde sterben, wenn das kein Traum war. Er würde wirklich sterben! Was sollte er denn gegen so ein starkes Digimon tun? Selbst wenn er auf die Beine käme und laufen würde, es wäre schneller als er. Er hätte keine Chance. „Verdammt“, murmelte er und legte die Hand auf die Tasche mit den Karten. Wieso hatte er die Herausforderung denn nur angenommen? Aber er hatte es ja nicht ahnen können… Und wenn er dem Mädchen geantwortet hätte? Er richtete sich auf, schaffte es aber wieder gerade nur so auf die Seite zu rollen, als das Monster wieder mit dem Schwert angriff. Irgendwie kam er wieder auf die Beine und entkam den folgenden Schwertschlägen irgendwie, bis er auf einmal mit dem Rücken zu der Mauer, die die Sackgasse bildete, stand. Wieso war er so ein Idiot und in diese Richtung ausgewichen? Die Antwort war, weil Karatenmon ihn in diese Richtung getrieben hatte. Jetzt saß er in der Falle! Wieder langte seine Hand zu den Karten und er schaffte es irgendwie aus der Tasche zu ziehen. Es war, als wären sie von selbst in die Hand gewandert. Was für ein Blödsinn! Wieder winkelte es die Flügel an, um seine letzte Attacke auf den Jungen zu richten. Shougeki Ha – Ballistic Feathers. Dieses Mal würde er nicht schnell genug in Deckung gehen können. Schwarze, spitze Federn schossen auf ihn zu, würden ihr aufspießen! Aus einem reinem Reflex heraus, dem Reflex das Gesicht zu schützen, hob Denrei die Arme über den Kopf und schloss die Augen, den Schmerz erwartend. Doch nichts geschah. Wieso dauerte das so lange? Vorsichtig öffnete er die Augen und sah blinzelnd zu dem Digimon. Es schwebte immer noch in der Luft, aber da waren keine schwarzen Federn mehr, die auf ihn zukamen. Nur ein paar wirbelten noch langsam und ziellos durch die Luft. Der Rest lag vor ihm auf dem Boden, mindestens dreißig Zentimeter von ihm entfernt. Wie konnte das sein? Erst jetzt bemerkte er, dass er immer noch die Karten in der Hand hielt. Hatten sie etwa… Nein, das war unmöglich! Es war absoluter Schwachsinn! Wieder dachte er an die Frage des Mädchens. Es gab eigentlich keine Karte, der er wirklich vertraute, es war nur ein Spiel. Wenn vertraute er auf das Deck als ganzes und auf sein Können. Und trotzdem… Es gab eine Karte, die ihm schon zwei Mal zum Sieg auf einem Turnier verholfen hatte und ihm einige Male aus der Patsche geholfen hatte. Nun, es war eigentlich keine einzelne Karte, sondern ein Digimon mit seiner gesamten Evoline. „Dracomon“, murmelte Denrei gedankenverloren. Da leuchteten die Karten in seiner Hand auf und eine kam aus ihnen hervor und legte sich in seine andere Hand. Es war tatsächlich das kleine grünliche Drachendigimon. Das war doch schlichtweg verrückt! Es war als wären seine Karten auf einmal zum Leben erwacht. Es war wie in einem Traum – ein beängstigender und zugleich schöner Traum. Und in einem Traum wüsste er jetzt genau was er tun würde. Denrei nahm die Karte und hob sie hoch. „Dracomon!“, rief er und hielt sie vor sich. Blendendes Licht erstrahlte, während er merkte wie sich die Karte in seiner Hand auflöste. Als nächste erklang eine merkwürdige, schräge Stimme. „G Shurunen!“ Karatenmon, das nicht minder verwirrt zu sein schien als Denrei, war so überrascht, dass es, trotz seiner Geschwindigkeit, nicht schaffte, der Attacke auszuweichen, wenngleich diese es nur ein wenig zurück warf. Es war wirklich wie in einem Traum. Denrei starrte auf den Drachen, der zu seinen Füßen auf dem Boden stand und mit Kämpferblick zu seinem Gegner hoch sah, der wiederum auf das Grüne Digimon zurück starrte. Dabei war Dracomon doch viel kleiner und vor allem ein Child Digimon. „Dracomon?“, hauchte Denrei unsicher und sah misstrauisch auf das Wesen, das ihm etwa bis zum Bauch ging und wollte die Hand nach ihm ausstrecken, doch es sah ihn nur aus den Augenwinkeln an. „Jetzt nicht“, knurrte es und blickte wieder starr zu Karatenmon. Auch der Junge sah nun wieder zu diesem auf. Hatten sie eine Chance? Zwar hatte Dracomon ihn geschützt, aber es war am Ende nur ein Child und konnte gegen ein Perfect nicht viel anrichten. Plötzlich, ohne Vorwarnung, löste sich das Standbild auf und beide Digimon starteten eine Attacke. „Baby Breath!“, rief Dracomon als Karatenmon wieder Federn auf die beiden niederprasseln ließ. Zwar hielt der Dampfstrahl die Federn zurück, doch Denrei ahnte, dass es nicht ewig so sein würde. Musste er Dracomon nicht irgendwie helfen? Aber wie? „Dracomon“, flüsterte er, als auf einmal eine Kugel, eine Kugel aus Licht aus dem Himmel herunterfiel und auf Höhe seiner Brust stehen blieb. Fast wie in der ersten Staffel, dachte er und griff nach der Kugel. Langsam verschwand das Licht und ließ ein kleines, weißes Gerät – einem Handy nicht unähnlich – in seiner Hand zurück. „Ein Digivice?“, flüsterte Denrei ungläubi. Das Gerät hatte eine fast rechteckige Form, wurde nach unten jedoch runder und hatte dort eine Art rötliche Halterung, die an die D3 Digivices erinnerte. In der Mitte war ein Bildschirm, neben dem zwei schwarze Knöpfe zu finden waren. Ein weiterer war darunter. Das war ganz sicher ein Digivice! Aber was sollte er jetzt damit tun? Er wandte das Gerät in der Hand. Da war ein merkwürdiges schwarzes Ding an der Rückseite – nicht besonders groß, aber Denrei wusste nicht, was er dazu sagen sollte, oder wozu es gut sein sollte. Die Federn kamen immer näher an Dracomon und damit auch an ihn heran. Er musste irgendwas tun. Aber was? Erneut begann er zu zittern. Eine Kommandokarte. Bei einem Kartenspiel würde er jetzt eine Kommandokarte spielen. Aber es war kein Kartenspiel. Es war die Realität! Und doch… Dracomon war doch auch aus einer Karte entstanden, schoss es ihm durch den Kopf. Mit zitternden Fingern durchsuchte er sein Deck. Einige Karten fielen auf den Boden. Eine Kommandokarte, er brauchte eine Kommandokarte! Schließlich fand er eine und hielt sie in der Hand. Was sollte er jetzt damit tun? Sollte er sein Digivice benutzen, so wie ein V-Pet? Aber wie? Wie denn nur? Seine Gedanken waren durch die Angst wie gelähmt. Wenn Dracomon den Kampf verlor würde er vielleicht sterben. Er fand sein Leben zwar nicht besonders toll, aber auf jeden Fall besser als den Tod und deshalb musste er etwas tun. Da fiel ihm etwas ein – die Federn hatten Dracomon schon fast erreicht und es wurde merklich schwächer – es war vielleicht seine einzige Chance. Konnte es vielleicht sein, dass man mit dem schwarzen Ding an der Rückseite des Digivices Daten scannen konnte? Das Terminal erkannte die Karten ja auch! Bitte, betete er in Gedanken. Lass es funktionieren. Er zog das Digivice über das Deckblatt der Karte. Es war die Karte Full Attack. „Dracomon!“, rief er wieder und da leuchtete das Digivice auf. Der Dampfstrahl, der aus dem Mund des Drachendigimons kam, gewann an Intensität, fegte die Federn, gegen die er vorher noch gekämpft hatte, einfach zur Seite und traf Karatenmon, das dieses Mal weiter zurück geschleudert wurde und auf dem Boden landete. „Super!“, jubelte Denrei, doch Dracomon knurrte. „Es ist noch nicht vorbei.“ Der Junge blickte zu dem humanoiden Digimon hinüber, welches leider viel schneller als erhofft wieder auf die Beine kam und sich erneut in die Luft erhob. „G Shurunen!“ Dracomon schickte einen ganzen Schwall Laserstrahlen auf seinen Gegner los, doch dieses Mal traf keiner. Mit nur einer Handbewegung fegte Karatenmon es zur Seite und wandte sich dann Denrei zu. „Dracomon“, murmelte dieser erschrocken, nahm all seinen Mut zusammen und rannte an dem feindlichen Digimon zu seinem möglichen Partner hinüber, der gegen die Wand geschleudert worden war und nun schwächlich zitternd am Boden lag. „Dracomon“, flüsterte er und klammerte sich an das Digimon. „Dracomon, bitte wach auf. Dracomon.“ Es schien Karatenmon Genugtuung zu bereiten, sich quälend langsam den beiden zu zuwenden und seine Attacke vorzubereiten. Jetzt waren sie ihm wirklich ausgeliefert. Es war auch ein zu schöner Traum, dachte Denrei, während er neben seinem Digimon kniete. Seinem Digimon… Wie oft hatte er sich schon gewünscht ein echtes Digimon zu treffen und mit ihm zu kämpfen? Wie oft hatte er von einem eigenen Digivice geträumt und sich ausgemalt, wie es wohl wäre die Digiwelt zu bereisen? Doch die Wirklichkeit sah, wie so oft, anders aus als der Traum. Ein Traum, der kurz wahr geworden war, um dann wieder zu verblassen und ihn noch verzweifelter als vorher zurück zu lassen. „Dracomon!“, rief er. Da sauste auf einmal ein Schatten auf Karatenmon zu und warf es zu Boden. Was konnte das sein? Denrei blinzelte. Es war ein weiteres Digimon, was da erschienen war. Ein schwarzes Drachendigimon, dessen Körperbau fast menschlich war – Cyberdramon. Dieses hielt den Gegner fest an den Boden gedrückt, als schien dieser ihm keinerlei Probleme zu bereiten. Dann hob es einen Arm, an dessen Beuge eine Klinge war, und rammte diese in Karatenmons Kopf. Zuerst geschah nichts, nur der Blick des Digimons wurde starr. Dann jedoch verschwand es auf einmal, löste sich in viele kleine Partikel auf, welche in den Himmel davon schwebten. Zurück in die Digiwelt? Cyberdramon richtete sich auf und wandte sich dem Jungen zu, der sich daraufhin wieder verkrampfte. Wollte dieses Digimon ihn jetzt auch angreifen? Doch da wandte es sich schon wieder ab, breitete die roten Flügel aus und flog einfach davon. Denrei sah ihm verwirrt nach. Zwar konnte er es kaum glauben, aber er lebte noch… Und Dracomon? „Dracomon?“, flüsterte er voller Hoffnung und schüttelte es leicht. „Dracomon, bitte!“ Nun konnte er die Tränen, die er die ganze Zeit unterdrückt hatte nicht zurück halten. „Bitte, wach auf“, schluchzte er, froh, dass ihn niemand so sah. Da ging ein starkes Zittern durch den Körper des Digimons. Denrei sah es erwartungsvoll an und es sah zurück. Es hatte die Augen geöffnet. „Dracomon!“, rief er und drückte es fest an sich. „Dracomon.“ Es gab ein Röcheln von sich. „Du… erwürgst mich“, brachte er hervor. Sofort ließ der Junge es los. „Tut mir leid“, antworte er. „Bist du verletzt? Geht es dir gut?“ Seine Stimme überschlug sich fast vor Aufregung. Dracomon richtete sich auf und musterte ihn. „Du bist ein Mensch“, stellte es schließlich fest. Der zuerst über diese für ihn doch recht seltsame Feststellung überraschte Denrei nickte. „Ja“, antwortete er. „Ich bin Yuki Denrei.“ Er streckte ihm die Hand entgegen, nicht wissend ob dieses etwas damit anzufangen wusste. Doch Dracomon ergriff die Hand mit seiner Kralle. „Dracomon“, stellte es sich vor. Denrei grinste. Als ob er das nicht wüsste. ★☆★☆★☆★☆★☆★☆★☆★☆★☆★☆★ Anmerkungen: Karatenmon ist ein Digimon auf dem Perfectlevel. Es hat den Typus Virus und wird den Dämonischen Digimon zugeordnet. Es soll einen Tengu aus der japanischen Mythologie darstellen und tauchte in der Serie bisher in Frontier auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)