Bleibt alles anders von abranka (SSxGW) ================================================================================ Kapitel 12: XII. Kapitel ------------------------ Nachdem George geduscht, sich angezogen und gründlich nachgedacht hatte, beschloss er, dass seine beiden Mitarbeiter den Laden für heute schon allein schmeißen würden. Er hatte anderes zu tun. Denn ehe er Snape wieder unter die Augen treten konnte beziehungsweise wollte, musste er sich selbst auf die Reihe kriegen. Sprich: Sich im Klaren werden, was er eigentlich wollte. Und was zum Merlin in ihm eigentlich vor sich ging. An den gestrigen Abend erinnerte er sich teilweise ausgezeichnet und teilweise wiederum extrem dunkel. Er wusste noch, dass jegliche Initiative von ihm ausgegangen war, dass er alles in Gang gebracht hatte – aber auch, dass Snape nicht aufgehört oder ihn ausgebremst hatte. Nein... Severus war auf ihn eingegangen – und das hinterher nur allzu willig... Er hatte das Gefühl genossen. Diese hemmungslose Leidenschaft, diese Gier, alles. Einfach alles. Aber... war das nur Sex gewesen? Er war schließlich alt genug, um zu wissen, dass Liebe und Sex durchaus zwei Paar Schuhe sein konnten und nicht unbedingt etwas miteinander zu tun haben mussten. War es so? Mühsam schob er den Gedanken beiseite, dass er für Snape wirklich nur ein Ersatz gewesen war und nichts anderes. Diese Vermutung nagte an ihm und macht ihm das Denken schwer. George seufzte tief und trat ans Fenster. Es schneite wieder. Eine weiche, weiße Decke lag bereits auf seiner Fensterbank und glitzerte ganz schwach. Genauso kam ihm seine Gefühlswelt gerade vor: schwach glitzernd und hauptsächlich eingefroren. Er konnte ja gar nicht mehr klar denken... „Verdammt.“ Und der einzige Mensch, mit dem er immer hatte reden können, war nicht mehr da. Und das war auch noch der einzige Mensch, dem gegenüber er ein äußerst seltsames, schlechtes Gewissen hatte. Fred... Was würde er wohl denken? Würde er ein Problem mit dem Geschehenen haben? Oder... „Verdammt!“ George schlug gegen die kalte Scheibe und lehnte die Stirn dagegen. „Verdammt...“ Warum war Fred nicht mehr da? Warum? Warum, warum, warum? Und alles, was er hatte, war ein Tagebuch... Ein Tagebuch, das zwar sprechen konnte, aber es würde ihm wohl kaum Antworten geben. Es gab nur magisch aufgezeichnete Stimmen wider. Das war alles... Und das reichte nicht! Er brauchte seinen Bruder! Um zu wissen, ob er ihm Vorwürfe machte, ob er sich selbst Vorwürfe machen musste! Ob er diese innere Selbstzerfleischung, dieses schlechte Gewissen weitertreiben musste oder... ob alles gut war. Ob er ihn verstehen konnte... Ob... George presste die Augen fest zu und biss sich auf die Lippe, um nicht laut zu schreien. Warum war das alles nur so schwierig? Warum war das alles nur so eine elende Katastrophe? Warum... Ruckartig stieß er sich von dem Fenster ab und holte das Tagebuch aus der Nachttischschublade. Dann warf er sich seinen Winterumhang über und eilte die Treppe herunter. „Ich bin eine Weile weg!“, rief er Verity zu und ignorierte dabei Snape, der sich hinter der nur angelehnten Tür im Arbeitszimmer befinden musste. Er war eher froh, ihm nicht über den Weg zu laufen. Er hätte nicht gewusst, was er hätte tun oder sagen sollen. Etwa eine Stunde später erreichte er Freds Grab auf dem Hogwartsgelände. Mittlerweile fiel der Schnee noch dichter und die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwelche Schüler hier draußen herumliefen, war äußerst gering. Mit einem leisen Seufzer ließ er sich vor dem weißen Grabstein im Schnee nieder. Diesmal hatte er jedoch einen Isolationszauber gewirkt, damit er nicht wieder krank wurde. Erstens wollte er Snape die Genugtuung der Wiederholung einer solchen Dummheit nicht gönnen und zweitens war er sich nicht sicher, ob Snape ihn noch einmal gesund pflegen würde. Nachdenklich schlug er das Tagebuch auf und lauschte Freds Stimme. Er hörte ihm noch einmal zu, wie er ihm von sich und Snape erzählte, wie er ihn schilderte... In Freds Worten, in seinen Beschreibungen erkannte er seine eigene Wahrnehmung so deutlich wieder. Das langsame Begreifen der kühlen Maske, das Entdecken der winzigen Anzeichen für Anteilnahme, für Freude und Spaß, für Traurigkeit und Betroffenheit... Das Herzklopfen bei Blickkontakt und Nähe... Das Bedürfnis von Gesprächen... George lächelte bitter. War es das? Ahmte er Fred letzten Endes nur nach? Empfand er so, weil sein Zwilling es auch getan hatte? Hatte er sich... auch in Severus Snape verliebt? So, wie sein Zwilling vor ihm? Er verstand es nicht mehr. Er verstand gar nichts mehr... George war sich nicht sicher, wie lange er dort gesessen hatte, als Freds Stimme schließlich vollends verklang. „Du hast ihn wirklich geliebt...“, sagte er leise und streckte die Hand aus, um die bunten Weihnachtssterne vom Schnee zu befreien. „Kannst du mir verzeihen, dass ich so anmaßend bin? Kannst du mir verzeihen, dass...“ Er sprach nicht weiter, brachte es nicht über sich, die Worte überhaupt auszusprechen. Kannst du mir verzeihen, dass ich mich in ihn verliebt habe? Es würde der Tatsache nur noch mehr Substanz geben. Noch viel mehr... „Hey...“ So plötzlich angesprochen zu werden, ließ George erschrocken zusammenfahren, dann begriff er, dass es Ginny war. Sie ging neben ihm in die Knie und blickte ihn an. „Alles in Ordnung?“ Sie hatte gerade noch gelächelt, doch nun zogen sich ihre Augenbrauen sorgenvoll zusammen. „Ja, nein. Ich... Keine Ahnung.“ George legte den Kopf in den Nacken und lachte hilflos. „Wenn du reden willst...“ „Du bist meine kleine Schwester.“ „Und?“ Ginny piekste ihn in die Seite. „Ich bin siebzehn! Schon vergessen? Außerdem kann ich dir antworten.“ Ihr Gesicht verzog sich schmerzlich, als sie auf den stummen Grabstein blickte. „Auch wieder wahr...“ George seufzte leise und lehnte den Kopf an die Schulter seiner Schwester. „Was meinst du... Was würde Fred denken, wenn ich mich in den Freund verliebt hätte, mit dem er vor seinem Tod zusammen war?“ Ginny fuhr zusammen und starrte George fassungslos an. Mit so etwas hatte sie nicht gerechnet. Absolut nicht. „Äh... Also...“ „Siehst du. Du weißt es auch nicht...“ George seufzte erneut und schloss die Augen. „Wahrscheinlich wäre er wütend und würde sich verraten fühlen. Und ich könnte es sehr gut verstehen...“ „Ich glaube, da irrst du dich.“ Ginny schüttelte energisch den Kopf und ihre zu Zöpfen geflochtenen Haare kitzelten George an der Wange. „Ach ja?“ „Ja. Denn Fred hat dich geliebt. Er war dein Bruder! Er würde dir alles Glück der Welt wünschen. Und wenn Fred diesen Mann auch geliebt hat, dann würde er ihm auch wünschen, dass er glücklich ist. Und wenn es sein Bruder ist, der mit ihm glücklich sein kann, sein soll... Ich glaube nicht, dass es ihn stören würde. Vielmehr würde es ihn freuen, dass zwei Menschen, die ihm wichtig sind, einen Weg gefunden haben, auch ohne ihn wieder zu lachen und Glück zu empfinden. Denn ich glaube, dass es Fred traurig machen würde zu sehen, wie selten du nur noch lachst. Er würde dich weiterhin lachen sehen wollen, George. Ihr habt immer zusammen gelacht. Es ist... Wenn du lachst, wird es so sein, als wenn er mit dir mitlacht. In deinem Herzen. Und wenn du glücklich bist, dann ist er mit dir glücklich. Ganz sicher.“ Ginny holte nach ihrer Rede tief Luft. Ihre Wangen waren leicht gerötet und ein entschlossener Zug lag um ihren Mund. George lächelte und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. „Danke...“ „Dafür doch nicht!“, empörte sie sich künstlich und lachte. „Sag mir lieber, ob dir das irgendwie hilft!“ „Ja... Das tut es. Ich glaube, vor lauter Verwirrung kann ich selbst gar nicht mehr klar denken.“ „Dafür sind Geschwister doch da.“ Ginny wuschelte ihrem älteren Bruder liebevoll durch die Haare. Sie saßen eine Weile still beisammen, ehe Ginny wieder das Wort ergriff. „Was meinst du: Würde Fred sich auch noch über ein paar Goldglitzerweihnachtssterne freuen? Den Zauber dafür habe ich extra geübt.“ „Oh, er würde sie garantiert wundervoll finden.“ Ginny richtete ihren Zauberstab zufrieden auf den Schnee des Grabes. Langsam wuchs ein kleiner Schössling empor und entfaltete goldene Blätter, die im düsteren Licht des Schneetreibens ganz eben glitzerten. „Und jetzt solltest du ins Warme verschwinden und diesem Mann sagen, was du für ihn empfindest. Schließlich ist bald Weihnachten!“ Ginny zerrte George nachdrücklich auf die Beine. „Was hat Weihnachten denn damit zu tun?“ Verwirrt zog er die Augenbrauen zusammen. „Das Fest der Liebe! Schon vergessen?“ Lachend tippte sie ihn an die Stirn. „Wann wäre dafür ein besserer Zeitpunkt als zu Weihnachten?“ „Ach, soll ich noch vierzehn Tage warten?“, gab George zurück. „Nein... Aber du solltest dir die vielleicht als Deadline setzen.“ Ginny grinste. „Ansonsten wagst du es nie.“ „Hey!“ Empört bückte sich George und formte etwas Schnee zu einem Ball. Ginny hatte derweil die Gelegenheit genutzt, um einige Schritte fortzurennen. Ihr Vorsprung schützte sie aber nicht vor dem Schneeball ihres Bruders. „Rache!“, lachte sie und benutzte ihren Zauberstab, um ein wahres Feuerwerk an Schneebällen auf diesen loszulassen. Lachend und in eine intensive Schneeballschlacht vertieft, verließen sie den kleinen Friedhof. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)