wicked von kaprikorn (der dunkle Pfad zur Unsterblichkeit) ================================================================================ Kapitel 5: Hilflosigkeit ------------------------ „Hey! Lasst mich raus!" Ein Paar kleiner Fäuste schlug wieder und wieder gegen die Innenseite der Türe, aber das Holz wollte nicht nachgeben. Schließlich, als die Hände bereits vor Schmerz pochten und auf der anderen Seite ohnehin keine Reaktion durch das Schlüsselloch zu ihm hindurch drang, gab er es auf. Selbst das Rütteln hatte sich als Zeitverschwendung herausgestellt; so strich er eine an seinem Hals herab krabbelnde Spinne mit einem leicht angewiderten Blick beiseite, während er in der im Kämmerchen herrschenden Finsternis etwas zu erkennen versuchte und ließ sich letztendlich einfach auf den Boden neben der Türe sinken; schön nah bei dem kaum merklichen Lichtkegel, der darunter herein lugte. Die Beine an den Körper ziehend, schlang Tom die Arme darum und vergrub den Kopf auf den Knien. Er verstand nicht, weshalb die Älteren ihn hier eingesperrt hatten, warum sie ihn auslachten und ihn offensichtlich mit ihren blöden Kinkerlitzchen verspotteten. Edwards Worte und die seiner dämlichen Kumpels hallten höhnisch in seinen Ohren wider und veranlassten den fünfjährigen Jungen dazu, die Fingernägel in seine Knie zu bohren. „Die Missgeburt hat's schon wieder getan." „Vielleicht wär's ja besser, wenn wir ihm die Hände auf dem Rücken verknoten." „Dann vergiss nicht, ihm die Augen zu verbinden! Sein Blick tötet dich sonst noch!" Gelächter. „Vielleicht sollten wir ihn irgendwo vergessen." „Wir könnten ihn auch in den Schrank sperren. Den vermisst doch sowieso keiner – schaut mal, er wehrt sich sogar noch! Dabei hat er keine Chance. Kommt sich schon ganz schön groß vor, der Knirps. Weg damit!" Tränen der Wut bahnten sich ihren Weg über das blasse, hübsche Gesicht, fielen von seinem Kinn und versickerten im Zentimeter dicken Staub, der den Holzboden bedeckte. Die Frage „Warum?" drängte sich ihm auf, kroch in seine Kehle und wollte aus seinem Mund treten. Aber das Schluchzen war stärker und erstickte jeden Laut im Keim der Hilflosigkeit, die sich in seinem Innersten ausbreitete. Er war anders, das wusste Tom. Und eigentlich war er bislang immer stolz darauf gewesen – würden da nicht plötzlich diese komischen Dinge um ihn herum passieren; jedes Mal, wenn sich ihm jemand näherte, von dem Riddle glaubte, er wolle ihm etwas Böses tun. Galt er doch schon seit jeh als Außenseiter, obgleich er sich Mühe dabei gab, sich den Waisenhauskindern anzupassen. Im Stehlen war er ziemlich gut – niemand nahm Kenntnis davon; es sei denn, es verschwand etwas von einem Kind, das petzte. Und davon gab es hier ziemlich viele. Der Rohrstock tat's da gar nicht mehr; da mussten dann die Großen kommen, um ihn irgendwo zu verbarrikadieren, wegzusperren vor der Außenwelt, geheim halten. Spätestens beim Abendessen, wenn er nicht auf seinem Platz saß, würde Mrs. Cole darauf aufmerksam gemacht werden, dass er fehlte. Wenn Tom Glück hatte, machte sie sich noch auf die Suche. Ansonsten musste er zum nächsten Morgen warten, bis jemand einen alten Lappen oder einen Schrubber brauchte. Hoffentlich kam der Morgen schnell, denn die Dunkelheit und die Enge dieser Besenkammer beängstigten ihn. Er hätte sich jetzt nichts sehnlicher als einen Vater gewünscht. Einen starken Vater, der ihm die Angst vor der Finsternis nehmen konnte. *-*-*-*-*-*-* „Herr?" Sie war fern. Weit weg in einer anderen Zeit, an einem anderen Ort. Aber sie schaffte es, die Türe zu öffnen und das Licht, das zu ihm hereindrang, blendete ihn so sehr, dass er gezwungen war zu blinzeln. Voldemorts Körper rebellierte gegen das Wachen das sich einstellte und konterte mit Gliedern so schwer wie Blei und aufstoßender Übelkeit. Wäre er nicht schon blass genug, hätte man ihm seine Schwäche sicher angesehen. Schwarze Haarspitzen berührten seine Haut und kitzelten leicht. Tom zwinkerte abwesend und als sich seine Augen an das Hier und Jetzt gewöhnt hatten, erkannte er eine verschwommene Gestalt, die sich nach kurzer Identifizierung als die junge Frau herausstellte, mit der er gerade noch ein Gespräch geführt hatte. Die Besorgnis auf ihrer Miene war schwer zu beschreiben und der Schwarzmagier wusste nicht, ob er sie ernst nehmen sollte. Möglicherweise deshalb, weil er den Ausdruck „Besorgnis" in seiner Gegenwart nicht kannte. Bella kniete neben ihm und hatte sich die Mühe gemacht, ihn auf den Rücken zu drehen und zu beobachten, ob er noch am Leben war. Hätte sie aufgepasst, was Riddle zuvor noch angeprießen hatte – nämlich die Unsterblichkeit – so hätte sie sich den Weg zu ihm sicher gespart. Jetzt schlich sich ein Hauch von Reue über ihre vorherigen, eher böswilligen Gedanken bezüglich ihres Gegenübers auf ihre Züge. So stark der Dunkle Lord auf Anhieb erschienen war, so verletzlich war er jetzt mit diesem suchenden Blick, der sie nach Antworten durchbohrte, auf Fragen die gar nicht gestellt worden waren. „Ihr habt da Bewusstsein verloren, Herr." Noch ehe sich Tom überhaupt Worte ausdenken konnte, um sich einzumischen, sprach sie weiter: „Ihr solltet Euch ausruhen, Ihr wirkt sehr müde. Verzeiht, wenn ich Eure Zeit in -" „Ich brauche keine Ratschläge. Und ich brauche keine Hilfe." Zwar war Riddles Unterbrechung nur ein Hauch eines Flüsterns, trotz allem kalt und schneidend genug, sie ein wenig zurück weichen zu lassen, sodass er die Gelegenheit nutzte, sich aufzurichten. Eine Idee, die er auf Anhieb bereute, denn verschwammen der Raum und seine Einrichtung abrupt aufs Neue. Er stöhnte unweigerlich ein weiteres „Nein. Keine Hilfe..." und zog sich schwerfällig taumelnd auf zittrige Knie zurück. Hilfe nahmen nur schwache Menschen entgegen, die hilflos vor einem Abgrund standen und nicht mehr wussten was sie tun sollten. Tom zog es vor, einfach von der Klippe zu springen. Trotzdem sehnte er sich nach dem Bett in seinen Räumlichkeiten und einem traumlosen Schlaf. „Geh..." „Aber.. -" „Ich sagte: Geh!", keifte Riddle nun deutlich lauter in Bellatrix' Richtung und erzielte dabei die gewünschte Wirkung. Sie stockte, zögerte und kam seinem Befehl schließlich nach; verließ das Kaminzimmer mit weit ausgreifenden Schritten und ließ ihn allein zurück. Das Feuer prasselte hörbar hinter ihm und sich danach umdrehend, führte er seine zuvor gestoppte Bewegung fort und ergriff die Maske, die er sogleich auf das voller Schweiß benetzte Gesicht legte. Das Material derselben kühlte so abrupt seine heiße Haut, dass er unweigerlich zu frieren begann. Morgen würde alles anders sein. Morgen hatte er eine neue Nase – oder zumindest ein neues Nasenbein. Morgen begann die Ausbildung einer besonderen Hexe. Er musste ihren Wahnsinn wecken; ihre Loyalität hatte er bereits. Und dem Duft nachhängend, der der Schwarzhaarigen angehaftet hatte, folgte er unsicher und müde dem Weg, der ihn zurück in seine Domäne bringen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)