Das Blut der Lasair von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 117: Entscheidung ------------------------- Entscheidung Lestat legte Catherine die Hand auf die Stirn, da sich Schweißperlen an Catherines Schläfen gebildet hatten. Nachdenklich zog er die Augenbrauen zusammen. „Sie hat Fieber. Sie glüht förmlich.“ presste er zwischen den Zähnen hindurch und blickte zu Bruyard, weil er eine Erklärung wollte. Der Arzt druckste einen Moment herum und meinte dann: „Es ist wahrscheinlich eine Begleiterscheinung zu ihrem gesamten Zustand. Ihre Organe… Wenn die Funktionsfähigkeit ihrer Organe langsam zusammenbricht, ist es wahrscheinlich, dass sich die Körpertemperatur erhöht.“ „Heißt das… Heißt das, dass Catherine nicht mehr viel Zeit bleibt?“ fragte Lestat, worauf Bruyard erneut zögerte. „Ich kann unmöglich den genauen Zeitpunkt voraussagen, aber es ihr wahrscheinlich, dass sie immer schwächer ist… und jetzt schon in einem Stadium angekommen ist, aus dem…“ „Das reicht. Danke.“ schnitt ihm Lestat das Wort ab und meinte zu Louis: „Kannst du Handtücher mit kaltem Wasser tränken? Wir sollten ihre Stirn und ihre Waden kühlen.“ „Ich mache das schon.“ entgegnete Bruyard und verließ das Zimmer, um ins Bad zu gehen und die Umschläge vorzubereiten. Lestat erhob sich von Catherines Bett, als der Arzt mit Handtüchern und einer Schüssel mit kaltem Wasser wiederkam und schlug die Bettdecke zurück. Catherines gesamter Körper strahlte dieselbe fiebrige Wärme ab und zuckte zusammen, als die kalten Umschläge ihn berührten. „Ich kann es nicht tun.“ flüsterte Catherine plötzlich und schüttelte leicht den Kopf. „Ruhig, Catherine. Es ist alles in Ordnung.“ flüsterte Lestat leise und streichelte ihr den Handrücken, ehe er ihr vorsichtig das Gesicht und den Nacken wusch und ihr das nasse Handtuch auf die Stirn legte. „Lea, schreib’ auf, was sie sagt!“ bat Marius, als er Catherine Stimme hörte und wusste, dass ihre Unruhe nur eines bedeutete, nämlich, dass Catherine noch mehr sagen würde. „Ich brauche dich. Ich brauche dich. Hilf’ mir!“ flüsterte Catherine, doch sie klang resigniert. „Mit wem spricht sie wohl?“ fragte Armand. „Nicht mit uns, nehme ich an.“ „Mit Margaret wahrscheinlich.“ vermutete David, doch Lestat schüttelte den Kopf. „Wer sagt uns, dass sie nicht mit mir spricht? Sie könnte wissen, dass wir da sind. Sie könnte es wissen… und um unsere Hilfe bitten.“ meinte er und blickte die anderen einen nach dem anderen an, doch Marius schüttelte den Kopf. „Das ist… nicht unmöglich, aber doch unwahrscheinlich, Lestat.“ entgegnete Marius und Lea nickte. „Wenn sie mit uns kommuniziert, dann indirekt. Wie schon gesagt: Wir müssen ihr genau zuhören.“ „Wir müssen ihr zuhören, dürfen aber nicht auf ihre Worte reagieren?“ erwiderte Lestat heftig, was Bruyard zusammenzucken ließ. „Ich kann mir vorstellen, wie schwer das für dich ist, Lestat, aber…“ „Nein, das kannst du nicht. Niemand kann das, Marius.“ widersprach Lestat und drehte sich wieder ganz zu Catherine um, da sie sich plötzlich aufbäumte und schmerzvoll aufschrie. „Es ist der Traum. Sie träumt von der Folter.“ meinte Lea und war fassungslos, dass der Traum so real für Catherine war. „Gott!“ rief Lestat plötzlich und starrte auf Catherine hinab. „Sie träumt nicht nur.“ fügte er hinzu und zog seine Hand von Catherines Arm zurück, der plötzlich blutig war. „Sie durchlebt den Traum.“ Er hörte Armand und Marius gleichzeitig scharf einatmen. Lestat blickte abwechselnd auf Catherine und auf seine eigene blutige Hand. Die Verletzungen, die von unsichtbarer Hand verübt wurden, nahmen zu und Lestat konnte sie nicht einmal mehr anfassen, ohne dass sie zusammen zuckte. Er wollte nicht glauben, dass er ihr nicht helfen konnte. „Ich gestehe! Ich bekenne mich schuldig!“ schrie Catherine schließlich verzweifelt und sank erschöpft scheinbar in sich zusammen. „Was jetzt? War das alles?“ fragte Marius, worauf Lestat den Kopf schüttelte und Lea meinte: „Margaret starb nicht während der Folter. Sie starb… Nun, später. Wenn wir Glück haben, dann kann Catherine noch so lange durchhalten, dass wir die Prophezeiung vollständig hören.“ „Glück.“ murmelte Lestat und tauchte das Handtuch von Catherines Stirn noch einmal in das kalte Wasser. „Ich würde das nicht Glück nennen.“ „Sie würde wollen, dass wir alles versuchen, Lestat.“ erinnerte Marius und Lestat nickte. Wie lange sollten sie noch warten? Wie lange konnte Catherine noch durchhalten? Wie lange würden sie brauchen, um doch noch… Gott, hatte er wirklich noch die Hoffnung, dass es eine Rettung für Catherine gab. Ja… Oh, diese trügerische Hoffnung. Sie nistete einfach im winzigsten Winkel eines Herzens. „Der Tag wird kommen… und mögen Jahre vergeh’n… da jemand erscheint, der vom Schicksal auserseh’n…“ begann Catherine plötzlich zu sprechen und Lea schrieb eifrig jedes Wort auf, das sie sagte. „… doch ihm sollen jeweils dreimal sieben gewesen sein, zu erfüllen des enttäuschten Herzens wütende Rache…“ „Das ist die Prophezeiung, oder nicht?“ fragte Armand und jeder im Raum nickte – außer Bruyard, da er keine Ahnung hatte, wovon die anderen sprachen. „… zu beenden der gebrochenen Seele folternde Pein, indem schweres Blut sich ergieße und Feuer entfache, indem das Rad des Schicksals erneut dreht das Sein…“ „Wir werden Zeit brauchen, um sie auszuwerten.“ warf Marius ein, doch Lestat schüttelte den Kopf. „Sie ist immer noch nicht vollständig. Lea, schreib’ alles auf!“ Lea nickte, obwohl sie das schon die gesamte Zeit tat und wartete darauf, dass Catherine erneut sprach. „Vielleicht…“ begann David, doch Catherine unterbrach ihn und sofort verstummte er. „Wenn Licht und Dunkelheit sich miteinander vereinen, wenn die schwarze Sonne sich am Himmel offenbart, wenn der unsterbliche, lebende Fluss für einen, den reinen Augenblick in gnadenlosem Stillstand leblos verharrt und wenn unbekannter Bruder zu ewigem Vater ernannt…“ Catherines Körper krampfte sich zusammen, sodass sie einen Augenblick nicht weitersprechen konnte, dann aber fortfuhr: „… und wenn unbekannter Bruder zu ewigem Vater ernannt, wird Blut durchbrechen alles, was früher gebannt, weil…“ Ein erneuter Krampf schüttelte Catherine und Lestat versuchte, ihre Schultern auf dem Laken zu halten, doch sie hatte eigentlich keine Kraft mehr, sich wirklich gegen ihn aufzulehnen. Die Kraft schöpfte sie aus den letzten Funken ihres Überlebenswillens… sie reichte nicht aus, um gegen Lestat anzukommen. „… weil mein und sein Erbe in mir nicht gänzlich verbrannt.“ flüsterte Catherine erstickt und tonlos, ehe sich ihr Körper entspannte und sie gegen Lestat sank. „Das war alles. Ich weiß nicht, wie es euch ging, aber ich war zu abgelenkt von Catherines Zustand, dass ich den Worten nicht richtig folgen konnte. Lea, was haben wir?“ fragte David, während Lestat damit beschäftigt war, Catherine weiterhin die Stirn zu kühlen. Lea reichte ihm den Block, auf den sie geschrieben hatte, und sofort sammelten sich alle um die Aufzeichnungen. Nur Marius blieb an Lestats Seite und betrachtete ihn und Catherine, die scheinbar noch weiter in ihre Traumwelt gesunken war und sich nicht mehr rührte. Die anderen lasen das, was Lea aufgeschrieben hatte, und hofften, dass ihnen die Antwort gleich ins Auge springen würde. David nahm schließlich den Block an sich und las vor allem die letzten Zeilen immer wieder durch. Es nützte nichts. Er kam nicht darauf. Das entscheidende Puzzelteil in diesem Rätsel fehlte ihm. Nein, wenn er ehrlich war, so fehlten ihm mehrere. War es möglich, dass sie die Antwort und Catherines Rettung in den Händen hielten, und die Lösung nur nicht sahen? „Ich brauche Zeit.“ meinte er tonlos. „Wir haben keine Zeit, David.“ meinte Lestat und berührte Catherines Gesicht. „Sie durchlebt den Traum. Ich nehme an, dass Margaret diese Prophezeiung… diesen Fluch auf dem Scheiterhaufen ausgesprochen hat. Sie hat keine Zeit mehr.“ „Du kannst nicht von uns verlangen, dass wir innerhalb von Sekunden auf die Lösung auf diesen letzten Teil kommen. Wir haben schon mehrere Wochen für die ersten Zeilen gebraucht!“ rief David, doch Lestat schüttelte den Kopf. „Wir haben keine Zeit mehr. Und ich kann dir keine Zeit geben, David. Sie stirbt.“ „Was willst du tun?“ fragte David und Lea wurde blass. „Ich habe eine Theorie zur Prophezeiung, aber ich kann sie jetzt nicht erklären…“ meinte Lestat und ließ seine Finger langsam über Catherine Nacken streichen. „Nein, Lestat… Nach allem, was wir wissen, ist Catherines Tod die einzige Möglichkeit, diese gedankenlosen…“ „Nach allem, was wir wissen? Das ist reichlich wenig! Das ist kein Grund für mich, ihrem Tod zuzusehen!“ rief Lestat und David machte einen Schritt auf ihn zu, doch Marius stellte sich ihm in den Weg. „Sie hat gesagt, dass ihr Tod nichts ändern wird… Das hast du doch selbst gehört! Ihr Tod wird nicht umsonst sein, David! Niemals!“ „Marius, sag’ ihm, dass…“ begann David, doch Marius schüttelte den Kopf und entgegnete: „Ich stehe auf Lestats Seite. Er hat entschieden, aber ich bin einer Meinung mit ihm. Wir wissen zu wenig, um nichts zu tun.“ „Aber, wenn…“ versuchte David noch einmal, brach aber selbst ab, als er Lestats Blick sah. Marius tauschte einen Blick mit Lestat auf, der ihm zunickte, worauf er alle aus dem Zimmer brachte und die Tür hinter ihnen schloss. Lestat blickte ihnen nicht nach, da er zu sehr auf Catherine konzentriert war. Er wusste nicht, ob er es vermochte, doch er musste es versuchen. Zärtlich strich er ihr über die Wange, küsste ihre heißen Lippen und nahm sie dann in die Arme, ehe er seine Lippen an ihren Nacken senkte und mit seinen Zähnen ihre Haut durchbrach. Catherines Blut rauschte heiß und feurig in seinen Mund und er musste die Augen schließen, um nicht völlig von dieser Kraft überwältigt zu werden. Niemals hätte er gedacht, aus ihrem schwachen Körper so starkes Blut zu trinken. Seine Hände hielten Catherine sicher bei sich und strichen ihr immer wieder über den Rücken und durch das Haar. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)