Das Blut der Lasair von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 110: Grund und Notwendigkeit ------------------------------------ Grund und Notwendigkeit Catherine war wach und blickte ihn an, als er eintrat und sich zu ihr setzte. Sie sah schlecht aus. Schlechter. Viel schlechter. „Hast du etwas gefunden, das uns weiterhelfen könnte?“ fragte Catherine mit schwacher Stimme. „Catherine, woher…“ begann er, dann verstand er, was er meinte, weshalb er sagte: „Ja, Morde und Massaker – weltweit.“ „Ah, gut… Nein, nicht gut.“ entgegnete sie und fügte hinzu: „Du weißt, was ich meine, oder?“ entgegnete sie und Lestat nickte. „Catherine, ich muss mit dir sprechen.“ begann er nach einer Weile, worauf sie ihn aufmerksam anblickte. „Wir wissen nicht, wie wir dir helfen sollen.“ „Das habe ich mir schon gedacht. Es ist ja nicht so, dass es sonderlich viele Fällen wie meinen gibt.“ erwiderte sie und wartete ab. „Es tut mir leid, Catherine.“ „Ich weiß, aber du hast alles getan, was du tun konntest.“ „Und das war zu wenig.“ „Lestat, nicht… Sprich’ nicht so.“ bat sie ihn und streichelte sein Gesicht. „Ich bin froh, dass du hier bist.“ „Ich wünschte, ich könnte dir helfen. Ich wünschte, ich könnte etwas tun. Wir alle… würden dir gerne helfen.“ „Ich weiß, Lestat. Ich weiß.“ murmelte Catherine und dachte über die Entscheidung nach, die sie noch zu treffen hatte, als ihr auffiel, dass sie überhaupt nicht wusste, wie viel Zeit ihr noch zum Überlegen bleiben würde. „Hast du keine Angst?“ fragte Lestat nach einer Weile, worauf sie nickte. „Doch, aber du wirst mich nicht allein lassen, nicht wahr?“ „Nein. Ich werde bei dir bleiben… bis zum Ende.“ entgegnete Lestat und hoffte, dass sie ihm jetzt nicht ihre Entscheidung, dass sie den Wandel wollte, mitteilen würde. „Du wirst bei mir bleiben bis zum Ende.“ seufzte sie und schloss die Augen, als doch Tränen in ihr aufstiegen. Sie wollte nicht sterben. Sie wollte nicht. Sie sah nicht, warum sie sterben sollte. Die Tränen rannen stumm ihre Wangen hinunter und versanken im Kissen. Warum sie? … Warum jetzt? … Warum? Konnte sie nicht noch … Alles, was sie wollte, war etwas mehr Zeit. Zeit, um Dinge zu tun, die sie nicht getan hatte. Zeit, um Entscheidungen zu treffen. Doch die hatte sie nicht. Sie hatte keine Zeit. Catherine schüttelte leicht den Kopf und blickte Lestat wieder an, der sie betrachtete. Er sah nicht so aus, als wolle er ihre Entscheidung hören. Er sah so aus, als ob er… Sie wusste es nicht genau. Irgendetwas an ihm war anders und das lag nicht nur an der Situation, in der sie beide sich befanden. „Das war nicht alles, was du mir sagen wolltest, nicht wahr?“ bemerkte sie, als sie ihn eine Weile ansah, in der er ihr ruhig über die Wange strich, um einige Tränen aufzuhalten. „Nein, da gibt es noch etwas…“ begann er und zögerte, ehe er weitersprach: „Daniele hat etwas zu uns gesagt, als wir in Rom waren.“ „Was war es?“ fragte Catherine, als er eine Pause machte, doch er sprach nicht sofort weiter, sondern überlegte kurz. „Er meinte, dass die Schöpfung an dein Leben geknüpft ist.“ rückte er schließlich mit der Sprache heraus. Catherine blickte ihn prüfend an, da sie es nicht glauben konnte, wusste aber, dass er über so etwas niemals Scherze machen würde. Die Schöpfung war an sie gebunden? Wie? Warum? Sie verstand nicht. Gleichzeitig verstand sie scheinbar alles. Und sie wollte dennoch nicht verstehen, was das bedeutete. „Heißt das… Was hat er genau gesagt?“ wollte sie wissen, da sie sehr verwirrt war. Sie versuchte, sich etwas aufzurichten, doch es gelang ihr nicht alleine, weshalb er ihre Schultern umfing, das Kissen aufschüttelte und sie vorsichtig zurückgleiten ließ. Dann wartete sie darauf, dass er es ihr erklärte. Sie konnte nicht mehr nachdenken. Sie war müde. Sie musste es gesagt bekommen. „Ich weiß es nicht mehr ganz genau…“ wich Lestat aus und fuhr fort, als er ihren unzufriedenen Gesichtsausdruck sah: „Er sagte, dass dein Blut ihnen das Leben ermöglicht.“ „Ich denke, es war synthetisches Blut?“ fragte Catherine dazwischen und bemerkte, dass ihre Verwirrung immer größer wurde. „Ja, das habe ich auch gesagt. Anscheinend spielt das alles aber keine Rolle, da es dein Blut ist, das nachgebildet wurde. Dein Blut und deine Seele wurden durch Magie an die gedankenlosen Vampire gebunden.“ „Und weiter?“ drängte Catherine. Sie fühlte das Blut in sich rauschen, das Unheil gefördert hatte und immer noch förderte, und spürte Übelkeit und Schwindel in sich aufsteigen. Schwindel fühlte sie immer, wenn sie wach war. Und sie fühlte sich nur wenige Augenblick von einer Ohnmacht oder erneutem Schlaf entfernt. Ob sie aus dem nächsten Schlaf überhaupt noch einmal erwachte? Was, wenn nicht… „Er sagte, solange dein Blut und deine Seele existieren, wird auch die Schöpfung leben.“ meinte er leise und fühlte, wie sich alles in ihm verkrampfte. „Und wenn du…“ „Wenn ich sterbe, werden auch sie vernichtet.“ sprach Catherine aus, was Lestat nicht konnte, und empfand dabei eine seltsame Klarheit. „Das sagte er, aber es war Daniele… Wer weiß schon, ob es stimmt? Er könnte uns Falsches erzählt haben oder…“ „Warum sollte er das tun?“ fragte Catherine, da sie das für unwahrscheinlich hielt. „Weil er… weil er nun einmal zur Bruderschaft gehört und wir die Feinde der Bruderschaft sind!“ „Du glaubst also, dass es nicht stimmt… Ich denke, es stimmt.“ gab Catherine zu und sah Lestat in die Augen. „Weshalb?“ entgegnete er kopfschüttelnd und musste den Blick einen kurzen Augenblick senken, da einfach alles zu viel für ihn war. „Nun, zum einen fühle ich, dass nicht mehr viel Leben in mir ist… zum anderen hätte uns Daniele damit die Antwort geliefert, die ich vorhin gesucht habe. Das Ende des Schreckens ist mein Tod.“ „Nein, Catherine.“ widersprach Lestat und schüttelte heftig den Kopf. „Doch. Es gibt Sinn. Ich sterbe und die Wesen verschwinden. Die Bruderschaft hat keine Probleme mehr.“ „Nein, Catherine. So schlimm es klingt, aber die Bruderschaft konnte unmöglich wissen, dass du… wie lange du noch leben würdest.“ „Ich denke, sie wissen es.“ Lestat schüttelte wieder den Kopf, aber nicht wegen ihrer Worte. Er verstand nicht, dass sie so ruhig war. Um Gottes Willen! Er hatte ihr gerade gesagt, dass sie sterben würde… Und die Bruderschaft hatte dafür gesorgt, dass sie sterben musste, um das alles und die Schrecken der gedankenlosen Vampire zu beenden. „Es hat doch schon vor mehreren Wochen begonnen. Kalte Hände. Kein Hunger. Müdigkeit am Tag. Es ist nicht nur das vampirische Blut, das in mir ist. Ich habe mich verändert und ich denke, es liegt auch daran, dass mein Blut andere Lebewesen unterstützt hat. Meine Energie war nicht nur meine, sondern auch ihre. Sie werden immer stärker. Sie saugen mich aus, ohne mich wirklich zu beißen.“ Lestat schüttelte den Kopf und streichelte Catherines Stirn. Sie schloss die Augen, da sie von den ständigen Tränen schmerzten. „Es tut mir leid.“ flüsterte er noch einmal. „Ich weiß. Mir tut es auch leid.“ „Dir muss nichts leid tun, Catherine. Das alles geschieht mit dir. Du kannst nichts dafür.“ „Ich wäre gern bei dir geblieben, Lestat. Wirklich. Es tut mir leid, dass ich es nun nicht kann. Es tut mir leid, dass ich mich nicht mehr entscheiden kann… Ich könnte mich nicht einmal mehr entscheiden, wenn es eine Möglichkeit gäbe, mein Leben zu retten… Da es die aber eh nicht gibt…“ „Ssht… Catherine, ich weiß, dass du…“ „Ich danke dir.“ „Wofür, Catherine?“ „Dafür, dass du mich nicht ohne Grund sterben lässt.“ „Catherine, ich…“ „Nein, es ist gut, Lestat. Es ist gut, dass ich den Grund kenne. Es ist leichter. Es ist immer leichter, wenn man den Grund kennt und einen Grund hat.“ murmelte sie und versuchte zu lächeln, was ihr gelang. „Ich bewundere dich.“ flüsterte er und sie schüttelte den Kopf. „Dazu gibt es keinen Grund, Lestat.“ versicherte Catherine und blickte ihn liebevoll an. „Kann ich irgendetwas für dich tun?“ fragte er nach einer Weile, in der sie sich stumm angesehen haben. „Ich möchte, dass du dich um Lea kümmerst. Sie wird selbst nicht wissen, wie es weitergehen soll, aber du kannst ihr beistehen… Ich vermute, dass Louis auch in ihrer Nähe bleibt, aber mir ist wohler, wenn ich dich… „Ja. Sicher. Ich kümmere mich um Lea.“ versprach er und Catherine nickte. „Die Bruderschaft… Ich bitte dich, dafür zu sorgen, dass sie ihre Ziele nie mehr erreicht. Eine solche Organisation braucht unsere Welt nicht.“ Lestat nickte nur, während Catherine darüber nachdachte, was sie noch erledigen musste. Brauchte sie ein Testament? Nein, Lea war die nächste Verwandte und würde alles bekommen, was einst ihr gehört hatte. Es war vorgesorgt. „Gibt es etwas, was ich nur für dich tun kann?“ fragte Lestat nach einer Weile und Catherine nickte. „Sag’ den anderen, sie sollen aufhören, nach einer Lösung zu suchen. Es ist vorbei.“ flüsterte sie und Lestat schüttelte den Kopf, weshalb sie meinte: „Bitte. Sag’ ihnen, was wir gesprochen haben. Mein Tod ist notwendig und es ist nicht nötig, nach einer Möglichkeit zu suchen, meinen Tod zu verhindern.“ „Sie werde es nicht glauben wollen.“ entgegnete Lestat, doch nickte. „Es gibt nur einen Grund, weshalb man mein Leben nicht retten kann: Es soll nicht gerettet werden. Es muss zu Ende gehen. Das werden auch sie verstehen.“ „Ich werde es ihnen sagen.“ meinte er und erhob sich vom Bett. „Nein, nicht jetzt… Bleib’ hier, bis ich eingeschlafen bin, Lestat. Bitte.“ bat Catherine und rutschte in ihrem Bett ein Stück zur Seite. Lestat nickte und legte sich zu ihr ins Bett, nahm sie in den Arm und hielt sie bei sich. Ihr Körper war kalt und zitterte. Sie hatte Angst. Ihr Herz flatterte und ihr Puls klopfte nur schwach. Sie weinte leise, bis sie schließlich ruhig wurde und einschlief. Ihr Körper an seinem wurde schwerer und entspannte sich. Lestat zählte ihre Atemzüge und ihren Herzschlag und wartete noch eine lange Zeit, ehe er sich vorsichtig vom Bett erhob und das Zimmer verließ, um den anderen mitzuteilen, worum sie ihn gebeten hatte. Er hörte dumpf seine Schritte und sie erinnerten ihn an ihren Herzschlag. Er fühlte die kalte Luft und sie erinnerte ihn an ihre Haut. Catherine. Langsam und nachdenklich schritt er die Treppe hinab. Vampir und Mensch. Zwei Kreaturen, die trotz eines gemeinsamen Ursprungs keine Zukunft haben konnten. Schon immer hatten solche Beziehungen nicht funktioniert. Schon immer war einer von ihnen derjenige gewesen, der verloren hatte. In ihrem Fall würden beide etwas verlieren. Catherine würde ihr Leben an den endgültigen Tod verlieren. Lestat würde mit Catherines Verlust alles verlieren, das ihm etwas bedeutet hatte. Als er die Tür zur Bibliothek öffnete, eintrat und ihm die Blicke der anderen begegneten, wurde ihm eine Sache bewusst: Er würde Catherines Bitte erfüllen und sich um Lea kümmern, bis sie wirklich alt genug war, um sich selbst zu schützen. Und dann würde er seiner einzigen Liebe nachfolgen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)