Das Blut der Lasair von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 96: Das Beltanenfeuer ----------------------------- Das Beltanenfeuer Nach einer Weile bewegten sich wieder Leas Lippen und Louis beugte sich zu ihr hinunter, damit er ihre Worte verstehen konnte. „Teagair.“ murmelte sie matt. „Ich verstehe nicht, was du sagst, Lea.“ entgegnete Louis und blickte hilfesuchend zu Catherine, als sie nichts mehr erwiderte. „Sprich’ sie mit ihrem Hexennamen an. Vielleicht reagiert sie dann.“ schlug Catherine vor, der langsam aber sicher dämmerte, dass irgendetwas Besonderes mit Lea geschehen war. „Nyah, mein heller Schein, sprich’ mit mir.“ flüsterte Louis und Catherine fühlte sich genötigt, sich ein wenig von ihnen zu entfernen, da der Moment so intim war, doch sie konnte noch hören, was Lea als nächstes sagte: „Ich bin Nyah, ihre Erbin.“ „Wer ist Teagair, Nyah?“ „Teagair ist die Schützerin…“ entgegnete Lea, doch war noch nicht bei sich. „Ich verstehe nicht, was sie sagt.“ gestand Louis und Catherine nickte. „Teagair ist keine Göttin des keltischen Pantheons, doch die Hexen von Thirlestane Castle sehen sie als ihre Schutzgöttin an. Sie bewahrt das Gleichgewicht und ist die Hüterin des Lebens, die auch mit Gerechtigkeit, Gnade und Verständnis verbunden wird.“ erklärte Catherine und dachte einen Augenblick nach. „Das sind nicht gerade die Eigenschaften, die Elizabeth an den Tag gelegt hat…“ „Das Feuer versengt die falschen Dienerinnen, die Hass gesät, wo der Baum des Lebens blühte. Ihr Blut fließt rot über leblosen Stein, versickert im Boden, die Toten zu wecken und das dunkle Werk zu vollenden, das von Feindeshand begonnen ward.“ unterbrach Lea Louis und fiel erneut in eine tiefere Bewusstlosigkeit. „Was soll das nun heißen?“ fragte Louis beinahe panisch. „Hm…“ überlegte Catherine, nickte aber währenddessen. „Lassen wir Lea Zeit. Sie scheint außer Gefahr zu sein. Vielleicht kann sie uns später erklären, was mit dem Ganzen auf sich hat.“ fuhr sie fort und setzte sich in den Sessel. Was auch immer mit Lea geschehen war, konnte etwas damit zu tun haben, was ihr in der Küche passiert war, denn inzwischen konnte Catherine nicht mehr an einen Migräneanfall glauben. Catherine nahm das Buch vom kleinen Tisch neben ihr und schlug es auf, um Louis das Gefühl zu geben, dass sie sich keine Sorgen machte. Das letzte, was sie alle brauchen konnten, war ein panischer und überbesorgter Unsterblicher. Dichte Dunkelheit umfing Lestat, Marius, Armand und David, als sie Catherines Plan durch die Katakomben folgten. Lestat hatte vor einiger Zeit ein seltsames Gefühl empfunden, das Lea betroffen hatte und nun wieder verstummt war. Nur weil er sich sicher war, dass nun alles in Ordnung war, hatte er bisher sein Schweigen nicht gebrochen. Keiner von ihnen sprach ein Wort und auch ihre Schritte waren in den leeren Gängen nicht zu hören. Catherine hatte Recht gehabt: beinahe kein anderer war in dieser Nacht unterwegs, weshalb sie ohne größere Probleme in einen runden Saal gelangten, den Catherine als zentralen Punkt angegeben hatte. „Das also ist der Kern dieser Bruderschaft.“ flüsterte David und sah sich bewundernd um. Die hohe Decke war in einer Kuppel geformt, die so hoch war, dass sie völlig im Dunkeln lag. An den Wänden brannten Ölleuchten in Formen von großen Fackeln und ließen das Feuer auf dem glatt polierten, schwarzen Steinboden des kreisrunden Saals reflektieren. Im Boden befand sich durch dunkelgrünen, blauen und weißen Stein eingelegt eine runde, riesige Darstellung der Welt mit beschrifteten Ländern und Meeren, verschiedenen Symbolen für die vier Himmelsrichtungen und außerhalb der Erdkugel die bekanntesten Sternbilder an ihrer richtigen Stelle sowie die Planeten. „Das ist unglaublich.“ murmelte Marius und studierte die Darstellung genauer. „Die Welt ist beinahe korrekt dargestellt, aber die Weise der Darstellung erinnert mich an eine Zeit weit vor der Neuzeit. Amerika war zur Zeit dieses Werkes noch nicht einmal von Christoph Columbus entdeckt, dennoch ist der Kontinent hier zu finden. Ebenso wie Australien! Das ist unglaublich.“ erklärte Marius und wies auf die Erdkugel, die Europa in ihrer Mitte zeigte, an den Rändern jedoch Teile anderer Kontinente sehen ließ, die sogar beschriftet waren. David nickte staunend und sah so aus, als habe er die Bruderschaft sein ganzes Leben lang unterschätzt. Ein dunkler Ausdruck lag über seinem Gesicht, der den Vampiren trotz des schlechten Lichtes deutlich auffiel. „Und das Augenfälligste: Die Erde ist als Kugel dargestellt – für diese Zeit ist das eine Revolution der Gedanken! Dass ein Orden der Kirche dieses Wissen…“ „Vergiss’ nicht, dass die Anfänge dieses Ordens weit vor den Anfängen der Kirche liegen.“ warf Marius ein, doch David ging nicht darauf ein. „… schon zu dieser Zeit angenommen hat, ist ebenfalls unglaublich. Und hier haben wir die Darstellung des Sonnensystems mit der Sonne als Mittelpunkt und den Planeten, die sich um sie drehen, obwohl Galileo Galilei erst 1992 offiziell und formal von der römisch-katholischen Kirche rehabilitiert wurde.“ sprach er ungehindert weiter. Lestat zog die Augenbrauen hoch und hoffte, dass Davids Ausführungen bald enden würden. Er wollte nicht unbedingt unnötig Zeit verschwenden – ob die Bruderschaft nun eine Hofburg der Wissenschaften war oder nicht… Ihr Verhalten, von dem Catherine ihm erzählt hatte, machte das alles eh ziemlich schnell zunichte. „Es scheint mir, als dringt das Wissen der Bruderschaft noch viel weiter in die Tiefe und die Vergangenheit, als ich bisher angenommen habe.“ fuhr er leise fort. „Dann bin ich zuversichtlich, dass uns die Archive auch weiterhelfen werden.“ entgegnete Lestat und sah sich weiter im Saal um. Lea lag schon eine ganze Weile unter Louis’ wachsamem Blick still auf dem Sofa und machte einen recht friedlichen Eindruck. Catherine hatte sich gänzlich entspannt, die Waffe aufgeräumt und wartete nun mit dem Buch in der Hand darauf, dass Lea wieder zu sich kam. Kopfschmerzen hatte sie immer noch. „Sollten wir nicht doch Bruyard rufen?“ „Nein, Louis.“ entgegnete Catherine etwas ungeduldig, da er das nicht zum ersten Mal sagte. Und da beschwerte er sich über sie? Louis nickte, als wolle er auf ihre ungestellte Frage antworten, und wandte den Blick wieder von Catherine ab, die geräuschlos ihr Buch zuklappte und es auf ihrem Schoß liegen ließ. Es dauerte eine Weile, ehe sie bemerkte, dass sie so ähnlich schon einmal im Sessel im Salon gesessen und auf ihre Eltern gewartet hatte. Die Ungewissheit des Wartens. Die Kälte des Schweigens. Die Stille des Hauses. Lediglich das Ticken der alten Uhr und Louis’ Stimme durchbrachen diese Stille ab und zu, wofür Catherine trotz allem dankbar war. So war nicht alles wie in dieser Winternacht, in der sie mit ihrem Bruder vergeblich auf die Eltern gewartet hatte und Signore Daniele in ihrer beider Leben getreten war. „Fernsehen.“ murmelte Lea vom Sofa und Catherine blickte hinüber. Louis war über sie gebeugt und bat Lea gerade, noch einmal mit ihm zu sprechen, doch wieder sagte sie nur ‚Fernsehen’ und nichts weiter. Catherine erhob sich und ging hinüber, um sich ebenfalls an Leas Seite zu setzen. Louis blickte sie mit einem fragenden Blick an, auf den Catherine nur die Schultern zucken konnte, als Lea die Augen aufschlug. „Nachrichten.“ sagte sie. „Schaltet die Nachrichten ein.“ fuhr sie fort, worauf Catherine sich erhob und zum Fernsehgerät ging, um es ohne Gegenfragen einzuschalten. Catherine schaltete durch einige Programme, blickte dabei auf die Uhr und versuchte auf den öffentlichen Programmen eine Nachrichtensendung zu finden. Lea wiederholte noch einmal, dass sie Nachrichten sehen wollte, worauf Louis eindringlich fragte, was genau sie sehen wollte, doch Lea antwortete nicht, sondern schüttelte nur immer noch schwach den Kopf. Catherine schaltete durch die Nachrichtensender France 24, TV 7 Bordeaux, Itele, France 5 und Senat, ehe sie zu TF 1 schaltete, wo das Bild, das über den Bildschirm flackerte, sie innehalten ließ. „Oh, mein Gott.“ murmelte sie und hatte damit zumindest Louis’ Aufmerksamkeit, der hinter sie trat und ebenfalls in den Bildschirm blickte. Blaulicht von Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr, der Ambulanz und der Polizei warf flackerndes Licht über eine dunkle, von Asche geschwärzte Fassade, hinter der Rauch in den nächtlichen Himmel stieg. Rettungs- und Einsatzkräfte versuchten Ordnung in das Chaos zu bringen und zu retten, was noch zu retten war. Catherine Blick fiel schnell auf die Bildbeischrift ‚Irvine, Schottland’, ehe das Bild zurück zu einem Sprecher wechselte, der vor dunklen Ruinen eines Gebäudes stand, das Catherine sehr schnell wiedererkannte und das an manchen Stellen noch rot und hell glimmte. ‚Dank der eisernen Bemühungen der Feuerwehr ist das Feuer nach seinem Ausbruch am späten Abend nach vier Stunden unter Kontrolle. Die Ursache des Brandes ist weiterhin unklar. Die Polizei und Feuerwehr spricht bisher von sechzehn Toten, die aus den Flammen geborgen wurden. Man geht davon aus, dass sich noch weitere sieben Opfer in den Trümmern befinden.’ Catherine starrte fassungslos auf den Bildschirm, der nun einen anderen kurzen Nachrichtenfilm von einem anderen Teil Europas zeigte, und blickte dann zu Louis, der ebenfalls überrascht und fassungslos war. Thirlestane Castle war abgebrannt und das ausgerechnet in der Nacht des 1. Mai – an Beltane, dem höchsten Fest im Jahr der Hexen. Nein, das war mit Sicherheit kein Zufall. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)