Das Blut der Lasair von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 81: Die Wahrheit in wirren Worten ----------------------------------------- Die Wahrheit in wirren Worten Lestat brachte Catherine schnell zurück zur Villa, trug sie nach oben in ihr Zimmer, half ihr aus der Jacke und ihren Schuhen und legte sie dann auf das Bett, in dem sie die vergangenen Nächte verbracht hatte, da Lea in ihrem schlief. Vorsichtig setzte er sich neben sie und blickte sie prüfend an. „Wie geht es dir?“ fragte er und strich ihr mit den Fingerkuppen leicht über die Stirn und die Schläfe. Sie schloss die Augen und genoss seine Berührungen. „Besser.“ entgegnete sie schließlich und blickte ihn wieder an. „Was hast du gesehen? Erinnerst du dich?“ fragte er weiter und beugte sich etwas über sie, um ihr näher zu sein. „Ich sah die Frau aus meinen Träumen.“ „Die Frau, die dir so ähnlich sieht? Deine Vorfahrin?“ Catherine nickte und griff sich an die Stirn, um sich an die Reihenfolge der Szenen zu erinnern, doch es fiel ihr schwer. „Zuerst war ich mit ihr oder in ihr – ich weiß es nicht – in Crossbost bei den Runen. Dort waren Leute in Kutten versammelt und hielten verschiedene Rituale ab. Dann waren sie plötzlich verschwunden und ich habe etwas anderes gesehen.“ „Du hast schon einmal von den Ritualen bei Crossbost gesprochen. Erinnerst du dich daran?“ „Nein, nicht ganz. Ich weiß, dass du da warst, aber... das war dann auch alles.“ gab sie zu „Das wundert mich nicht.“ meinte er und schmunzelte, weswegen sie ihn fragend und mit einer hochgezogenen Augenbraue anblickte. „Du warst nicht du selbst.“ erklärte er mit ernster Stimme und fuhr fort: „Es war an dem Abend, als du mit Lea dieses bewusstseins-erweiternde Experiment unternommen hast. Ich habe nach dir gesehen…“ „Ja, das weiß ich. Ich habe deinen Knopf gefunden.“ warf sie ein, doch ließ ihn dann nach einem kurzen Nicken fortfahren. „Richtig. Wir haben Thirlestane Castle verlassen und ich habe dich zu den Runen nach Crossbost gebracht.“ „Wieso dorthin?“ „Ich muss zugeben, dass mir nichts Besseres eingefallen ist.“ meinte er. „Hast du den Zettel gefunden, den ich dir geschrieben habe?“ fragte er und musterte sie. Sie blickte ihn unsicher an. Er hatte den Zettel geschrieben? Nicht sie? Nachdenklich nickte sie und deutete auf ihre getragene Jeans, die über einer Stuhllehne hing. „Ich habe versucht, deine Schrift zu imitieren.“ erklärte Lestat, der ihre Verwirrung erkannte, und erhob sich vom Bett. „Das ist dir gelungen. Ich dachte, ich hätte lichte Momente gehabt und könnte mich am nächsten Morgen nur nicht daran erinnern.“ entgegnete sie kopfschüttelnd und sah ihm zu, wie er die Taschen ihrer Jeans durchsuchte. „Du hast in jener Nacht sehr energisch wiederholt, dass meine Augen beinahe violett sind, aber nicht schwarz. Das schien dir sehr wichtig zu sein. Du hast außerdem erwähnt ‚seine waren es’, allerdings konntest du mir nicht sagen, wen du meinst.“ erzählte Lestat weiter und hielt schließlich den Zettel in der Hand. „Du hast übrigens auch bestritten, dass du Catherine bist und aus Frankreich kommst – du hast behauptet, du seist schon so lange in Schottland, dass man deine Geburt in Frankreich überhaupt nicht mehr gelten lassen könne.“ Catherine schüttelte den Kopf und versuchte sich alles zu merken, was sie in ihrem verwirrten Zustand von sich gegeben hatte. „Schließlich konntest du mir doch mehr über die schwarzen Augen sagen. Ein Alchimist, sagtest du, mit schwarzen Augen und schwarzem Haar, der dein Leben gerettet habe, doch dann forderte, was ihm nicht zustand.“ „Was war das?“ fragte Catherine neugierig. „Das konntest du mir dann auch nicht sicher sagen. Plötzlich hast du von ‚ihrem Sohn’ gesprochen und in der nächsten Sekunde verneint, jemals etwas von einem Sohn gesagt zu haben.“ „George.“ flüsterte Catherine und richtete sich auf. „Wie bitte?“ fragte Lestat, der ihr nicht ganz folgen konnte. „Die Vision, die ich heute hatte, war nicht die erste meines Lebens.“ erklärte Catherine und fuhr fort, ohne ihm die Möglichkeit zu geben, irgendetwas zu sagen. „Heute habe ich die Menschen mit Fackeln bei Crossbost gesehen. Danach waren es Szenen, die zwar nicht mit denen aus meinem Traum identisch sind, doch mit Sicherheit dasselbe Ereignis zeigen. Die Flucht durch den Wald. Die Folter. Die Hinrichtung. Danach habe ich die Grabmäler bei Thirlestane Castle gesehen. Dort habe ich schon einmal die Frau im Nebel gesehen, doch nun habe ich noch etwas anderes entdeckt.“ „Die Frau im Nebel… Betrachtest du sie als Geist einer Verstorbenen?“ fragte Lestat dazwischen, um ihren Gedanken wenigstens etwas folgen zu können. „Ich weiß nicht, was sie ist. Vielleicht ist sie so etwas Ähnliches. Ich denke, sie wollte mich an dem Tag im Park bereits zu etwas führen, doch konnte es nicht, da ich… von Lea gerufen wurde. Sie verschwand. Doch in der Vision heute… hat sie mir etwas gezeigt.“ Catherine biss sich auf die Lippen und meinte dann: „Eines der Grabmäler trägt eine Inschrift.“ „Und die hast du in der Vision gesehen? Müssen wir zurück nach Thirlestane Castle, um sie zu entziffern?“ Catherine schüttelte den Kopf. Sie hatten mehr Glück – viel mehr Glück, was nach all den vergeblichen Unternehmungen, die zu keinem Ende geführt hatten, unglaublich gut tat. „Nein, ich konnte sie lesen… Vielleicht sollten wir uns vergewissern, dass sie stimmt und doch nach Thirlestane Castle zurückkehren, aber…“ „Catherine, das ist überflüssig. Du hast gesehen, was du gesehen hast, und das wird im Endeffekt das sein, worauf wir uns verlassen werden. Wer weiß schon, ob die Inschrift inzwischen nicht zerstört ist? Also, was hast du gesehen?“ „Ihr Name war Margaret Barcley und sie lebte von 1578 bis 1618.“ „Ein ziemlich guter Anhaltspunkt.“ bemerkte Lestat. „Ja, genau. Deshalb sollten wir gleich…“ begann sie und richtete sich noch weiter auf, doch er versperrte ihr den Weg, sodass sie nicht vom Bett aufstehen konnte. „Wir müssen immer noch auf die anderen warten. Vor allem David sollte dabei sein, wenn wir die Neuigkeiten verkünden.“ „Es ist keine Neuigkeit… Eine Vision ist wohl kaum etwas Fundiertes, auf das man sich verlassen kann.“ widersprach Catherine und legte ihre Hände an seine Oberarme, um ihn etwas von sich weg zu schieben. „Das sehen wir Unsterblichen anders, glaub’ mir.“ entgegnete Lestat und ließ Catherine schieben und drücken, ohne dass er einen Zentimenter zurückwich. „Visionen sind…“ „Botschaften des Unterbewusstseins – vor allem. Was glaubst du, könnten wir besser gebrauchen?“ fragte er und begann, die zarte Linien ihres Kiefers und ihres Halses vorsichtig zu küssen. „Ich habe keine Erfahrungen mit Visionen.“ „Wir haben unsere Recherche sogar beinahe nur auf deinen Traum ausgerichtet.“ „Das macht es nicht einfacher.“ „Dass du dich so dagegen wehrst, macht es auch nicht einfacher.“ Catherine seufzte und blickte ihn an. „Erzähl’ mir von deinen Visionen, Catherine. Wie soll ich dich sonst verstehen?“ hauchte er gegen die Haut an ihrer Schläfe und blickte sie dann an. Sie hatte die Augen geschlossen, doch es schien ihm eher, als dachte sie fiebrig nach, nicht dass es eine Reaktion auf seine Küsse war. Catherine seufzte und nickte schließlich. „Ich weiß aber wirklich nicht, ob wir so darauf hören sollten…“ „Du bist eine Hexe, Catherine.“ „Ich hoffe, du meinst das wörtlich und nicht im übertragenen Sinn.“ lächelte sie, doch fügte hinzu: „Keine sonderlich gute.“ Lestat rollte die Augen, schob Catherine zurück auf das Bett und streckte sich neben ihr aus. Ihr fragender Blick begegnete seinem und er meinte: „Ich nehme an, es dauert etwas, bis du mir alles erzählt hast.“ „Ich soll dir alles erzählen?“ „Jede Kleinigkeit, an die du dich erinnerst, aus jeder Vision oder sonstigen Offenbarung, die du hattest. Und…“ „Ich finde, das ist genug.“ unterbrach Catherine ihn. Sie wusste nicht, warum es ihr so schwer fiel, mit ihm ihre Visionen zu teilen. Sie hatte sie bereits mit Lea geteilt – beziehungsweise bei ihren Recherchen auf Dinge vertraut, die sie nur durch ihre Visionen wusste. Es waren ja nicht viele gewesen. Catherine blickte ihn forschend an und nickte schließlich, als sie in seine ehrlichen Augen blickte. „In Ordnung, was soll ich dir noch erzählen?“ gab sie nach. Lestat lächelte und küsste ihre Stirn. „Jede Vermutung und jede Verbindung, die du siehst.“ „Und was tust du?“ fragte sie, da sie nicht gerade begeistert war, einen Monolog zu halten. „Ich höre dir zu und genieße den Klang deiner Stimme.“ meinte er und streckte die Arme nach ihr aus, sodass sie sich zurück sinken ließ und den Kopf auf seine Brust legte. „Das finde ich ziemlich wenig.“ neckte sie ihn, doch er schüttelte den Kopf. „Du ahnst gar nicht, was du für eine enorme Selbstbeherrschung von mir abverlangst.“ gestand er, worauf Catherine leise lachte. „Nun, gut. Die erste Vision, die ich hatte, war die der Frau bei den Grabmälern, doch aus ihr konnte ich nichts Neues erfahren. Ich habe nur gesehen, dass die Frau mein Gesicht hatte, doch ich vermute, das hat mein Verstand in Eigenregie gemacht.“ „Es ist durchaus möglich, dass du deiner Vorfahrin ähnlich siehst.“ „Ja, aber ich wusste damals noch nicht, dass irgendeine meiner Vorfahrinnen überhaupt wichtig ist.“ erklärte Catherine und fuhr fort: „Meine zweite Vision… ereilte mich, als ich über den Runen saß und angestrengt nachdachte. Ich fühlte mich plötzlich seltsam und als ich mich umblickte, war ich in einem Raum mit einem großen Kamin – mit Sicherheit irgendwo im Schloss, vielleicht war es auch die jetzige Bibliothek… Ist das unwichtig?“ „Nein, erzähl’ weiter.“ meinte Lestat und Catherine zuckte die Schultern. „Ich war nicht selbst anwesend, sondern steckte im Körper dieses Jungen, der die Hunde streichelte. Er war vielleicht sieben, schätze ich. Zwei Personen waren noch im Raum: eine Frau mit rotbraunem Haar, das mir bekannt vorkam, und ein Mann. Der Junge begann etwas zu summen, doch während der Vision interessierte mich das nicht. Ich versuchte, mich unabhängig von ihm zu bewegen und scheiterte kläglich. Der Mann kam herüber und fragte, was er singt. Er nannte ihn George.“ erzählte Catherine weiter, worauf Lestat nachdenklich nickte und dann ein zur Kenntnis nehmendes Geräusch von sich gab, da sie sein Nicken nicht sehen konnte. „Die Frau, deren Gesicht ich nicht sehen konnte, war sofort hinter dem Jungen und drohte dem Mann, dass ihr Sohn nichts mit der Sache zu tun hätte und er sich von ihm fernhalten solle. Sie hat sicherlich nicht übertrieben, denn der Mann hatte… Fangzähne.“ Lestat richtete sich ruckartig auf und starrte Catherine an, die in die Kissen zurückgefallen war. „Fangzähne? Bist du sicher?“ fragte Lestat und zog die Augenbrauen hoch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)