Das Blut der Lasair von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 58: Zurück auf Thirlestane Castle ----------------------------------------- Zurück auf Thirlestane Castle Elizabeth und Elatha fragten Lea und Catherine erst gemeinsam über ihre touristischen Aktivitäten aus, dann würden sie Lea allein befragen. Was sollten sie auch sonst gemacht haben? Was tut man sonst so, wenn man in einer Stadt ist? Man geht Essen, Trinken, Einkaufen, schaut sich die Sehenswürdigkeiten an und geht regelmäßig viel zu spät ins Bett. Und dasselbe musste Lea noch einmal über sich ergehen lassen – mit etwas abgewandelten Fragen natürlich. Catherine nutzte die Zeit, um ihre Sachen auszuräumen und sich einen geeigneten Platz für die Unterlagen zu suchen, doch sie fand nichts anderes, als den Zwischenraum zwischen Lattenrost und Matratze für die Unterlagen ihres Großvaters und das ‚Irgendwo’ zwischen ihren Kleidern für das kostbare Tagebuch, das sie vorsichtiger behandeln musste. Catherine legte es zwischen mehrere Pullis und schloss dann die Schranktür. Dort würde es zumindest sicher sein, wenn sie im Zimmer war und sonst vermutlich auch. Wenn Elatha und Elizabeth der Meinung waren, dass Lea ihnen nichts verheimlichte, dann hatten sie keinen Grund, Catherines Sachen zu durchwühlen. Wichtig war, ihnen perfekt die harmlose Catherine vorzuspielen, was ihr gelingen dürfte, da sie zum Lügen und Täuschen von wahren Meistern der Unwahrheit und des Undurchsichtigen ausgebildet worden war. Und Lea würde ihre Sache ebenfalls möglichst gut machen, indem sie immer nur darauf beharrte, dass Catherine nicht einmal die kleinste Andeutung gemacht habe und sie nicht wisse, was Catherine vorhatte. Es würde gut gehen, doch nun wollte sich Catherine erst einmal ausruhen, da die Müdigkeit nun an ihr zerrte. Lea hatte gemeinte, sie würde nach dem Verhör eh nicht gleich zu Catherine kommen, da das viel zu auffällig war, also konnte sie sich beruhigt hinlegen. Und das Tagebuch rannte ihr nicht weg… Kaum lag Catherine auf ihrem Bett, war die Müdigkeit aus ihren Knochen verschwunden, allerdings fühlte sich ihr Geist und Verstand immer noch wie Matsch an, weshalb sie einfach liegen blieb und an die Decke starrte. Sie wollte gerade nicht denken und schloss die Augen. Catherine redete sich ein, dass nun nicht nachdenken musste und sich beruhigt einige Ruhe gönnen konnte. Marguerite de Valois hatte eine Tochter und diese Tochter hatte ebenfalls eine Tochter. Und diese Enkelin von Marguerite de Valois war mit allergrößter Wahrscheinlichkeit Mary – eigentlich war es unlogisch, von etwas anderem auszugehen. Catherine nickte bei sich. Und die Lady auf dem Gemälde hatte vielleicht einmal diese namenlose Tochter dargestellt. Sie schien der Schlüssel zu sein. Sie schien die Verbindung zwischen der ganzen Sache und Catherine selbst zu sein. War sie die Mutter, die George zu sich genommen hatte und vor dem Vampir mit dem schwarzen Haar und den schwarzen Augen geschützt hatte? Was hatte George zuvor gesummt? Catherine legte sich die Unterarme über die Augen und versuchte, sich an die Worte zu erinnern, doch sie konnte lediglich die Melodie leise nachsummen. Sicher war sie sich absolut nicht, ob sie die Töne dabei traf. Die Worte fielen ihr nicht ein – doch sie waren gälisch, das wusste sie noch, da es so ein Kontrast zu dem französischen Gespräch der Frau und des Vampirs war. Catherine drehte sich auf die Seite und öffnete die Augen wieder. Sie konnte überhaupt nicht anders, als darüber nachzudenken. Da konnte sie noch so müde und erschöpft sein. Es ging einfach nicht, dass sie stumm vor sich hinstarrte und an nichts dachte. Ihre Neugier war einfach zu groß, dass sie sich auch nicht vornehmen konnte, an etwas anderes zu denken: es interessierte sie nichts mehr als das! Sie lachte leise und fuhr sich mit den Fingern über die Augen. Das grenzte schon beinahe an Besessenheit. Lea ärgerte sich immer noch über die Begriffsstutzigkeit ihrer Verwandten und erklärte inzwischen zum scheinbar tausendsten Mal, dass sie dies und das besichtigt hatten, einmal außerhalb gegessen hatte und dann noch einen Einkaufsbummel gemacht hatten. Catherine hatte sich neue Schuhe gekauft, sie selbst Bücher und noch einmal Bücher. Elatha lehnte am Schreibtisch, während Elizabeth auf ihrem gewohnten Platz der Sitzgruppe saß. Dann zeigte sie ihnen die Fotos, die sie gemacht hatten und erzählte noch dies und das. Sie erzählte von kleineren Problemchen, die die Geschäfte mit Catherines französischen Kreditkarten gehabt hatten. Das Treffen mit Armand gestaltete sie in eine Begegnung mit einem ungehobelten Kerl um, während sie von der Führerin im Schloss meinte, dass sie über die Gemäldegalerie fast überhaupt nichts gesagt hatte, was Catherine dann etwas schade fand, da sie sich ja so für Gemälde und Kunst interessierte. Sie erzählte von dem arabischen Bistro, indem Lea ihre Liebe für die arabische Küche entdeckt hatte und meinte beiläufig, dass es auf Thirlestane Castle ruhig auch Kouskous auf dem Speiseplan stehen konnte, anstatt immer nur Kartoffeln und Bohnen… Lea wusste nicht, was sie sich sonst noch aus den Fingern saugen sollte und schwieg schließlich. „Dir ist also nichts auffällig vorgekommen?“ fragte Elatha, worauf Elizabeth Lea nicht einmal antworten ließ, da sie meinte: „Gut, dann kannst du jetzt deine Sachen auspacken und dich ausruhen. Morgen solltest du nicht völlig müde und neben der Spur sein.“ Lea nickte, erhob sich und verließ schnell das Büro, bevor sie sich es anders überlegen konnte. Catherine lag noch immer auf ihrem Bett, doch sie hatte das Tagebuch wieder an sich genommen und die Tür abgeschlossen. Schon lange blätterte sie wieder in ihm, bis sie auf eine Stelle stieß, die wieder etwas Neues zu Tage zu bringen schien. Es war nur wenige Wochen nach dem letzten Eintrag, den Catherine noch in Edinburgh gelesen hatte, und die namenlose Mutter war immer noch krank. ‚Nun verstehe ich, weshalb ich Mutter nicht sehen durfte, doch ich sollte am Anfang beginnen. Vater brach heute bereits am frühen Morgen zu einem Geschäftstermin nach Edinburgh auf, da seine Anwesenheit dort unerlässlich ist. Außerdem wird er versuchen, eine neue Kinderfrau für mich zu finden, da Anne um ihre Entlassung gebeten hat. Ich weiß allerdings nicht, was sie zu diesem Entschluss geführt hat – sie hat keine Familie, kennt kaum jemanden und ist außerdem nicht mehr in dem Alter, in dem man eine Ehe eingeht, doch um Anne soll es mir nun nicht gehen. Die Bediensteten waren wie üblich alle beschäftigt und wenn mein Vater nicht im Haus ist, bekomme ich für gewöhnlich niemanden zu Gesicht, deshalb habe ich Anne, doch sie war mit den letzten Vorbereitungen für ihre Abreise beschäftigt. Ich ging allein durch das Haus und die Gänge entlang und kam schließlich zur Tür zu den Gemächern meiner Mutter. Ich wusste, dass mich niemand sah, und ich wusste, dass keine Ärzte und auch keine Schwestern bei ihr waren, doch trotzdem hörte ich Stimmen von drinnen. Ich wollte nicht lauschen, doch ich presste vorsichtig mein Ohr an die Holztür und versuchte, etwas zu verstehen. Ich bemerkte, dass es nur die Stimme meiner Mutter war und diese so schwach und verzweifelt klang, dass ich meinte, sie benötigte etwas, und so drückte ich leise die Klinke nach unten. Zuerst sah ich nur ihr Bett mit den Bettpfosten und den schweren Stoffen, die auf der einen Seite – der Seite zur Tür - zugezogen waren, doch als ich um das Fußende herumtrat, erblickte ich sie und schreckte zurück. Ich erkannte sie nicht mehr als meine Mutter. Sie war nicht viel mehr als ein Knochengerüst mit etwas Haut, die schon gelblich schimmerte. Der Anblick war furchtbar und ihr Blick voller Entsetzen, dass ich im Zimmer war, voller Ekel vor sich selbst und voller Leid und Verzweiflung. Ich glaube, ich habe geschrieen. Sicherlich habe ich kehrt gemacht, rannte aus dem Raum und in mein Zimmer. Ich weinte und auch jetzt kann ich die Tränen kaum zurückhalten. Ich zittere immer noch und kann zeitweise nur einen Gedanken fassen: Das ist nicht meine Mutter! Das ist nicht meine Mutter! Nichts mehr ist von ihr übrig – ihr volles rotbraunes Haar klebte kraftlos auf ihrem verschwitzten Körper, ihre lachenden Augen sind tot und ihre Haut erinnert an ranziges Fett. Es ist furchtbar…’ Catherine hielt inne und zog ihre Beine näher an ihren Körper. Nach den Beschreibungen, die Mary verfasst hatte, war anzunehmen, dass ihre Mutter nicht mehr allzu lange leben würde. An was sie erkrankt war, konnte Catherine nicht sagen – sie hatte keine Ahnung von damaligen Krankheiten und Seuchen. Die Pest war es offenbar nicht, sonst hätte sich das Umfeld anders verhalten, aber mehr konnte sie nicht sagen. Catherine vertiefte sich wieder in die Lektüre und fand in diesem Eintrag lediglich noch zwei Entschlüsse, die Mary gefasst hatte: wenn niemand sie schreien gehört hatte, würde sie niemandem etwas davon erzählen, dass sie verbotenerweise im Zimmer ihrer Mutter gewesen war. Und außerdem würde sie nie wieder ihre Mutter aufsuchen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)