Das Blut der Lasair von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 11: Geheimnisvolle Träume --------------------------------- Geheimnisvolle Träume Catherine versteckte den Dolch in ihrer Tasche, die sie unter ihr Bett schob. Sie hatte sich entschlossen, nichts über den Vorfall zu sagen. Was hatte sie denn auch sagen sollen? Und es war ja auch nichts passiert, also schwieg sie besser. Nachdenklich saß sie noch immer vor ihrem Bett und trommelte mit den Fingern gegen ihre Schläfe. „Was machst du da?“ Catherine blickte erschrocken auf und erblickte Lea. „Entschuldige, ich habe geklopft, aber du…“ Catherine nickte. „Was ist?“ „Ich habe mich gefragt, ob du nicht mit uns etwas spielen möchtest… Wir sind unten und du bist hier oben… Warst du weg?“ fragte Lea, als sie den Mantel auf dem Bett liegen sah. „Ich war spazieren. Elizabeth wusste davon.“ Lea nickte. „Was ist jetzt? Hast du Lust?“ „Ich kann nicht. Ich habe noch einiges für die Uni zu tun.“ „Ah, okay. Das geht natürlich vor… Wenn du doch noch Lust hast… ach, dann komm einfach herunter. Wir sind da irgendwo.“ Catherine nickte und Lea verließ das Zimmer. Etwas für die Universität tun, obwohl sie nicht einmal wusste, wie lange sie hier bleiben würde? Ob sie Elizabeth jemals zurück nach Paris lassen würde? Catherine wusste es nicht, doch hoffte es. Das war ein seltsamer Ort – Thirlestane Castle. Catherine setzte sich an den Schreibtisch und starrte an die Wand vor sich. Alle waren freundlich zueinander. Lea und ihre Freundinnen baten sie immer, mit ihnen etwas zu machen, doch trotzdem wurde Catherine nicht im eigentlichen Sinne integriert. Vielleicht lag das aber auch nur am Altersunterschied. Nichts erregte besondere Aufmerksamkeit. Und doch: Catherine wurde das Gefühl nicht los, dass niemand hier normal im eigentlichen Sinne war. Aber konnte es wirklich sein, dass nicht nur Elizabeth eingeweiht war? Waren diese Kinder … um es zusammen zu fassen… wirklich nur Kinder sozial schlechter gestellter Familien, wie Elizabeth sie glauben machen wollte? Und wenn sie es waren, wie passte dann sie selbst hierher? Und wann würde sie…Schließlich hielt sie es nicht mehr aus, erhob sich vom Schreibtisch und setzte sich auf den Boden. Sie zog erneut ihre Tasche hervor und zog den Dolch hervor. Ihre Finger glitten über die polierte Schneide und den Griff, der mit schwarzem Leder überzogen war. Alles in allem hatte sie einen normalen Dolch vor sich, doch das schien ihr nicht logisch. Wenn der Mann es auf ihr Leben abgesehen hatte, dann hätte er sicher gehen können und einfach eine größere Waffe benutzen können. Das sah anders aus. Das sah nach einer Tötung aus, bei der die Vorgehensweise mindestens genauso wichtig wie das Resultat war. Das sah eher nach einer Art Ritualmord aus, doch diese Theorie entbahr wieder jeglicher Logik. Warum sollte ein Mensch einen anderen Menschen aus einem Ritual heraus töten? Andererseits. Catherine schüttelte den Kopf. Es geschah genug Seltsames in der Welt, in das sich dieses Geschehnis gut und gerne einreihen konnte. Ihre Gedanken kehrten zu dem anderen Fremden zurück. Eine unerklärliche Gänsehaut erfasste sie und sie spürte, wie ein kalter Schauer sie erfasste. Mit zitternden Händen legte den Dolch zurück in ihre Tasche und schob sie weit von sich weg wieder unter das Bett. Waren das die Fragen, auf die sie stoßen sollte? Sie hörte Geräusch vor ihrer Tür, doch als sie hinaus trat, konnte sie niemanden erblicken. Langsam ging sie den Gang entlang und dann nach unten, wo sie Lea und ihre Freundinnen traf. „Hallo! Du kommst ja doch noch! Lilly kennst du ja. Das hier ist Jessy. Sie war in den letzten Tagen krank. Deshalb war sie nicht hier. Sandy ist gerade in der Küche und holt sich – wie sollte es auch anders sein – Schokolade!“ meinte Lea und machte Catherine Platz auf dem Sofa. „Ihr spielt Siedler.“ bemerkte Catherine und Lea nickte. „Wir haben noch nicht angefangen. Eigentlich wollten wir einen Film ansehen, aber die DVD habe ich bei meinem Vater vergessen.“ meinte Lilly und Lea nickte. „Das ist typisch, wenn ich das mal so sagen darf.“ Jessy angelte nach den Salzstangen und fragte: „Und du bist aus Paris?“ „Ja.“ „Wie ist es da?“ „Ganz anders als hier. Laut, voll, im Sommer stickig, im Winter düster.“ „Das hört sich nicht gerade toll an.“ „Man gewöhnt sich daran, aber so schlimm ist es auch nicht.“ lachte Catherine und nickte noch einmal zur Bestätigung. „Hast du viele Freunde?“ „Nein, aber drei, vier gute Freunde sind auch viel wichtiger und wertvoller als hunderte oberflächliche.“ Lea nickte. „Und hast du einen Freund?“ fragte Sandy, die gerade zurückkam. Catherine lächelte und antwortete nicht gleich. „So etwas fragt man nicht!“ meinte Lea und äugte zu Catherine hinüber. „Schon in Ordnung. Nein, bisher nicht. Es hat sich nicht ergeben.“ „Ah.“ „Können wir jetzt anfangen?“ Es herrschte allgemeine Zustimmung. „Spielst du mit?“ „Nein, weiß du, wo Elizabeth ist? Ich müsste noch einmal mit ihr sprechen.“ „In ihrem Büro. Derselbe Weg wie immer!“ „Danke. Viel Spaß noch.“ „Können Sie nicht schlafen?“ „Ich habe es noch nicht versucht.“ gestand Catherine. „Mir geht so vieles im Kopf herum. Es ist so viel geschehen in den letzten Tagen.“ „Wollen Sie darüber sprechen?“ „Hat Kardinal Salieri nicht…“ „Kardinal Salieri und ich sprechen nur das Nötigste über andere Menschen. Ich wollte alles von Ihnen selbst hören. Kommen Sie, setzen Sie sich!“ Catherine setzte sich auf den Platz, auf dem sie an ihrem ersten Nachmittag auf Thirlestane Castle ebenfalls gesessen hatte und schwieg eine Weile, bevor sie begann, die Ereignisse der letzten Tage zusammen zu fassen. „Meine Eltern sind verschwunden und jetzt weiß ich, dass sie tot sind. Bei der Bruderschaft haben wir gelernt, mit solchen Verlusten umzugehen. Ich weiß nicht, wieso es mir so leicht fällt, damit klar zu kommen.“ Catherine schwieg eine Weile. „Dass mein Bruder und ich und gestritten haben, dass er mich im Stich gelassen hat, ist schlimmer.“ „Wie meinen Sie das?“ „Hm, am Tod meiner Eltern kann ich nichts mehr ändern. Ich frage mich nur, ob es für Lucien und mich einen anderen Weg gegeben hätte… Ich denke einfach oft an das, was zwischen uns geschehen ist.“ „Das ist doch normal.“ Catherine nickte. „Das ist zwar normal, aber es macht mich schwach.“ Elizabeth lächelte. „Sie brauchen sich hier nicht zu verteidigen. Sie sind nun in Sicherheit. Spannen Sie aus und überlassen Sie mir alles andere.“ Catherine betrachtete die ältere Dame. „Vor ein paar Tagen bin ich in Paris angegriffen worden und seit ein paar Tagen bin ich jetzt hier. Meine gesamte Welt scheint aus den Fugen zu geraten. Dinge, die ich zu wissen glaubte, sind einfach nur falsch und ich weiß nicht, wo ich stehe.“ meinte sie und wartete auf Elizabeths Reaktion. „Es ist viel passiert. Sie brauchen vielleicht Zeit, um das alles zu verarbeiten.“ „Wahrscheinlich.“ „Vertrauen Sie sich?“ „Ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Ich glaube, es wäre schlecht, mir in diesem Moment zu vertrauen. Ich vertraue niemandem mehr.“ Elizabeth nickte. „Vertrauen Sie in Ihr Gefühl. Das ist der einzige Rat, den ich Ihnen geben kann.“ Catherine nickte. „Danke.“ „Vieles wird leichter, wenn man eine Nacht darüber schläft. Viele Dinge erscheinen nicht mehr so undurchsichtig, nicht mehr so komplex. Manchmal erhalten wir Anstöße zum Weiterdenken, wenn sich Informationen erst einmal gesetzt haben und der Geist zur Ruhe kam.“ „Diesen Moment kann ich kaum noch erwarten. Mein Hirn fühlt sich ziemlich matschig an.“ Elizabeth nickte lächelnd. „Gehen Sie schlafen, Catherine. Morgen sieht die Welt schon wieder ein bisschen anders aus.“ „Besser?“ „Das werden wir sehen. Gute Nacht.“ Catherine erhob sich. „Gute Nacht. Und: Danke.“ Große Bäume tauchten die Gegend in erdrückende Dunkelheit. Der Wind wehte durch ihr offenes Haar und trug leise geflüsterte Worte zu ihr. ‚héo naefre wacode dægréd tó bisig mid dægeweorcum’ Unsicher drehte sie sich um, da sie Stimme hinter ihr zu sein schien, doch sie blickte ins Leere. Hinter ihr lag nur Dunkelheit und Stille. ‚ac oft héo wacode sunnanawanung thonne nihtciele créap móras’ Sie wandte sich der Stimme zu, doch erblickte wieder niemanden. Langsam ging sie weiter. Ihre Füße sanken in dem von Nässe aufgeweichten Weg ein und hinterließen tiefe Spuren. Regentropfen berührten sanft ihre Haut und perlten zuerst zaghaft an ihrem Haar nach unten, doch bald zitterte sie vor Kälte. Sie zog ihren schwarzen Umhang dichter um sich und stiefelte weiter. Sie musste weg von hier. Sie war hier in Gefahr – ihre gesamte Familie war es. Sie fror und gleichzeitig loderte die Wut in ihr. Wie hatte sie ihren je Glauben schenken können? Wieso?! Sie konnte nicht mehr. Zu lange schon bahnte sie sich ihren Weg durch die schlammige, kalte Erde, doch ihre Todesangst trieb sie weiter. Sie spürte nichts mehr – keinen Schmerz, keine Wut, kein Leben. Erschöpft sank sie zu Boden und schloss die Augen. „Da ist sie! Fasst sie!“ Hände. Überall Hände. Ein dumpfer Schlag und dann nichts mehr. Erst später wieder Dunkelheit und Nässe. Und pochender Schmerz. „Es ist Zeit, dich schuldig zu bekennen!“ Stimmen. Scharfe Stimmen und Schläge. Folter. „Gestehe! Sag’ jetzt und hier die Wahrheit!“ Folter. Schmerzen und erstickte Tränen, die ihre Unschuld beteuerten. Doch dann brachen die Männer sie. „Ich gestehe! Ich bekenne mich schuldig!“ Alles, nur die Schmerzen... die sollten aufhören. Lange kam keine Antwort, doch dann durchbrach sie die Dunkelheit. „Wer mit dem Feuer spielt, wird brennen…“ Sie schloss die Augen nicht. Sie behielt sie offen und blickte den Mann an. Sie blickte von einem Mann zum anderen. „Möchtest du Gott um Vergebung bitten?“ Sie blieb stumm und man brachte sie fort. Geschrei. Lautes Geschrei und immer wieder Schläge gegen ihre Beine, sodass sie strauchelte. „Des Teufels Ausgeburt!“ „Brennen soll sie!“ Die Leute waren aufgebracht, bespuckten und bewarfen sie, doch kein Laut kam über ihre Lippen. „Verdammt bis in die Ewigkeit!“ schrie ihr einer wütend entgegen. Angst. Tiefe, entsetzliche Angst erfasste ihre Seele, als sie den Scheiterhafen hinaufgeführt wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)