Divine Justice von MajinMina (Göttliche Gerechtigkeit) ================================================================================ Kapitel 20: Kapitel 20 - Regen, so rot -------------------------------------- omg, ich glaube, das ist das längste Kapitel dieser FF. Gute Lektüre für alle, die jetzt Ferien haben. Aber ich konnte und wollte es einfach nicht kürzen. So viele wichtige Dinge passieren!! ^^ For all Fans out there: Shinsengumi! O-Niwabanshu! Tomoe! Und Yoshida! Was wollt ihr mehr?! Viel Spaß und schonmal im Voraus Danke für Feedback!! Ein neuer Hinterhalt wird für Kenshin gelegt - allerdings diesmal von Shinsengumi und O-Niwabanshu. Der Ring um die Ishin Shishi wird enger gezogen... {b]Divine Justice Kapitel 20 – Regen, so rot Es regnete schon seit Tagen ununterbrochen. Ein Zeichen, dass jetzt endgültig Frühling war. Die Bäume und Pflanzen freuten sich über das reichliche Nass und trieben eifrig grüne Knospen in den bewölkten Himmel. Die Menschen hingegen hatten sich in ihre Häuser verkrochen, die Strassen Kyotos waren zu einer einzigen Schlammpfütze verschmolzen. Der ständige Regen hatte die Stimmung im Kohagiya gereizt gemacht. Es war kalt und feucht, viele Männer waren erkältet und übellaunig. Gelangweilte Gruppen saßen in Zimmern herum und schlugen missmutig die Zeit mit irgendwelchen Kartenspielen tot. Okami und ihre Mädchen hatten alle Hände voll zu tun, die Samurai bei Laune zu halten und Streitereien zu schlichten. Oftmals reichte es schon, wenn Männer von einem Auftrag durchnässt zurückkehrten und Pfützen auf den Tatami-Matten hinterließen, in die sich andere Männer dann ahnungslos hineinsetzten. Okami bemühte sich, diese kleinen Rangeleien immer schnell zu schlichten – einmal gelang ihr dies erst mit dem Einsatz ihrer großen, gusseisernen Bratpfanne. Seitdem benamen sich die Männer wenigstens einigermaßen zivilisiert. Als Kenshin an diesem Nachmittag tropfend von einem Auftrag zurückkehrte und eine Wasserspur von der Eingangstür bis zu seinem Zimmer hinterließ, war von keinem der Männer auch nur das leiseste Murren zu hören. So, wie die warme Luft des Frühlings draußen die Natur wieder zum Leben erweckt hatte, so eisig waren die Augen des jungen Hitokiri, jegliche Menschlichkeit ihn ihnen schien abgestorben zu sein. Wenige, wie Uchida, wagten es überhaupt noch freiwillig in seine nähere Gegenwart. Die meisten ergriffen bei dem ersten Anzeichen von bernsteinfarbenen Augen die Flucht. Während Kenshin durchnässt in seinem Zimmer verschwand, hatte Uchida im Flur gestanden und ihn beobachtet. Neben ihm lehnte sein Freund Muhura mit überkreuzten Armen an der Wand. „Sorgst du dich etwa immer noch um Battousai?“ fragte er spöttisch. Uchida zuckte die Schultern. Seit seinem Gespräch mit dem rothaarigen Jungen im Essensaal vor gut einem Monat war er immer wieder von seinen Kameraden geneckt worden. Das, aber auch die zunehmende Verschlossenheit des Jungen, ja sogar das Gefühl von akuter Lebensgefahr in seiner Nähe hatten es ihm nicht möglich gemacht, noch einmal vertraulich mit ihm zu reden. „Lass es bleiben,“ riet ihm Muhura, wohl schon zum zwanzigsten Mal in dieser Woche. „Er will deine Freundschaft nicht. Er BRAUCHT dich nicht.“ „Wer sagt, dass ich sein Freund sein will?“ „Er ist ein Hitokiri!“ Muhura schaute, als ob er mit diesem Satz alles erklärt hätte. Uchida rollte genervt mit den Augen. „Er ist ein Junge, ein halbes Kind.“ „Na und? Seine Waffe ist tödlicher wie jede andere.“ „Gerade deswegen...“ Uchida blickte nach unten auf seine in Tabi steckenden Füße. Muhura sah seinen Freund etwas mitleidig an und klopfte ihm schließlich seufzend auf die Schulter. „Hör mal, ich hab schon verstanden, warum du dir Sorgen machst. Du denkst, Battousai ‚könnte irgendwann so ganz ohne Kontakt durchdrehen und dann vielleicht Schlimmes anrichten’.“ Uchida fixierte seinen Freund, der seine eigenen Worte in einem ironischen Leier-Ton wiedergegeben hatte. „Ja,“ knurrte er, „genau das und—.“ „Aber,“ unterbrach ihn Muhura ungeduldig, „er ist doch nicht alleine. Er verbringt viel Zeit mit Izuka. Und selbst Katsura sieht er bestimmt jede Woche oder alle zwei Wochen. Katsura-san kümmert sich um den Jungen. Er passt auf, dass er nicht außer Kontrolle gerät. Es ist immerhin in einem eigenen Interesse. Glaubst du, Katsura lässt jemanden in seine Nähe, ja sogar in seine privatesten Räume, von dem er denkt, dass er ihm gefährlich werden könnte? Glaubst du, er würde soviel seiner privaten Zeit diesem Jungen widmen, wenn er ihm nicht mehr zutrauen würde, als ein kaltblütiger Killer zu sein? Ich bin mir sicher, er kann den Jungen einschätzen. Verdammt noch mal, Uchida – der Mann leitet diese ganze Revolution! Wenn er die Lage nicht einschätzen kann, wer dann?“ Uchida war stumm. Die Worte, die Muhura gesagt hatte, machten durchaus Sinn, das musste er zugeben. Nun auch seinerseits seufzend nickte er widerwillig. „Schon besser,“ meinte Muhura und ging durch den Gang zum Essenssaal. „Wir sehn uns später.“ Uchida stand noch eine Weile alleine im Flur und starrte auf die zugeschobene Tür von Battousais Zimmer. Drinnen, so stellte er sich vor, würde sich der Junge vermutlich gerade umziehen. Für seinen nächsten Auftrag heute Abend. Er hatte beobachtet, dass sich Himura oft umzog – wenn auch so gut wie nie ein Tropfen Blut auf seiner Kleidung zu sehen war. Wenn er nachts von einem Auftrag zurückkehrte und Uchida noch wach war, hörte er ihn manchmal im Badehaus. Er brauchte Stunden, doch niemand beschwerte sich. In letzter Zeit sah Uchida ihn auch öfters in einem Nebenraum der Küche, in dem die Mädchen immer das Geschirr spülten. Natürlich spülte Battousai nicht und niemand hätte es gewagt, ihm dies scherzhaft zu unterstellen. Nein, er wusch sich die Hände! Uchida hatte es durch einen Spalt in der Tür beobachtet, als er zufällig vorbeigekommen war. Himura hatte dagestanden und sich die Hände im Wasser gerieben, immer und immer wieder, Minute um Minute, mit fast fanatischem Eifer. Uchida schüttelte den Kopf und kehrte Battousais Tür den Rücken, um auf sein eigenes Zimmer zu gehen, dass er mit Muhura teilte. Ihm war jetzt nicht nach Kartenspiel oder Essen zumute. Vor seinem Inneren Auge sah er sich selbst, wie er einen Mann bei seinem letzten Auftrag getötet hatte, keine zwei Wochen war es her. Er hatte keine Wahl gehabt, der Soldat des Bakufu hatte sie bei einer geheimen Mission erwischt und Uchida hatte ihn auf der Stelle töten müssen, bevor er Alarm schlagen konnte. Uchida konnte sich kaum noch erinnern, was danach geschehen war, wie sie die Leiche versteckt und schnell das Lagerhaus ausgeräumt hatten und wie er schließlich im Kohagiya gelandet war. Er wusste nur noch, dass er danach zwei Stunden lang seine Hände vom Blut gewaschen und sich trotzdem nicht sauber gefühlt hatte. Der Bakufu-Soldat hatte nicht einmal Zeit gehabt, seine Waffe zu ziehen oder zu schreien. Er kam zufällig vorbei und Uchida hatte ihn kaltblütig getötet, da sonst die ganze Mission hätte scheitern können. „Wie muss es Himura gehen,“ überlegte er düster, während er dem monotonen Regengeprassel auf dem Dach lauschte. „Wie viele Leben versucht er sich von den Händen zu waschen?“ -- Kenshin lehnte an der Wand in seinem Zimmer. Er versuchte sich verzweifelt einzig auf den Klang der Wassertropfen zu konzentrieren, um nicht ständig die immer anwesenden, anklagenden Stimmen in seinem Kopf hören zu müssen. Doch heute waren es nicht die Stimmen der Toten oder seines Meisters, die er hörte, sondern es war die Stimme seines ehemaligen Zimmergenossen. Wie Kenshin so dasaß, erschöpft aber nicht fähig zu schlafen, musste er sich plötzlich vorstellen, wie es war, als Yoshida noch den Raum mit ihm geteilt hatte. Fast sah er ihn da sitzen, auf seinem Futon, mit verschränkten Armen und trotzigem Gesicht, wie an dem Tag, als er trotz der schrecklichen Wahrheit beschlossen hatte, bei ihm zu bleiben. Der rothaarige Junge drückte sich die Handballen tief in die Augen, bis er nur noch Sternchen sah. „Yoshida,“ murmelte er, überwältigt von unerwarteten Gefühlen, „ich wünschte, du hättest bleiben können...“ Er hörte Yoshidas Stimme, ihr Ton anklagend, verzweifelt. „Und bist du denn ein Hitokiri? Bist du tief in dir wirklich ein Mörder? Ich glaube das jedenfalls nicht!“ Kenshin lächelte bitter. Wie viel Zeit war seit diesen Worten vergangen? Monate... Zeit konnte einen Menschen verändern... konnte ihn verändern. Er spürte, wie sich die dicke Eisschicht wieder um sein Herz zu legen begann. Doch dann hörte er plötzlich eine andere, ihm unbekannte Stimme. „Egal was ich gesagt habe, in meinem Herzen werde auch ich immer dein Freund sein. Auch wenn ich dich vielleicht heute Abend schon wieder vergessen muss, um hier in Kyoto zu überleben. Es tut mir leid.“ Kenshin schreckte hoch. Diese Stimme, so weich und warm... das war seine eigene gewesen. Er ließ seinen Kopf zurück gegen das Holz der Wand sinken, Blick starr auf die Decke des Zimmers gerichtet. „Was passiert mit mir,“ flüsterte er. Wie hatte er all die Monate hinweg ihre gemeinsame Zeit so verdrängen, ja sogar vergessen können? Wie hatte er das Gefühl vergessen können, von einem anderen Menschen akzeptiert zu werden... als Mensch und nicht als Waffe behandelt zu werden... Tief in sich wusste Kenshin, dass es der Hitokiri war, der ihm all diese Erinnerungen wegnahm, sobald er wieder als Waffe gebraucht wurde. Und so würde es auch heute wieder sein, sobald er das Zimmer verlassen musste, um seinen nächsten Auftrag auszuführen. Er spürte, wie die Kälte langsam schon wieder zurück in sein Herz kroch – sie hatte ihn nur kurz losgelassen, für einen kleinen, ironischen Moment, um ihn zu quälen, ihm Hoffnung zu geben und ihn gleich darauf spöttisch auszulachen. Dennoch... bevor sein Herz wieder kalt wurde, dachte Kenshin an seinen ehemaligen Zimmergenossen. „Hoffentlich geht es ihm gut, wo auch immer er ist...“ -- Missmutig beäugte Yoshida von seinem Unterstand aus die Bergstrasse, die sich in eine schlammige Rutschbahn verwandelt hatte. Der tagelange Frühlingsregen hatte den Boden total aufgeweicht und das Reisen war die reinste Hölle. Im Augenwinkel sah Yoshida die anderen Männer der Kihei-tai, die ebenso finster dreinschauten wie er und an deren Kleidung sich der Schlamm in großen Batzen zu sammeln begonnen hatte, so dass man die Farbe des Stoffes nur noch erahnen konnte. „Wir könnten uns einfach auf den Bauch legen und die Strasse hinabrutschen, dann wären wir wahrscheinlich am schnellsten unten,“ witzelte Yoshida, mehr zu sich selbst als zu seinen Kameraden. Es war sowieso niemand in der Stimmung, auf seinen Witz einzusteigen. Yoshida seufzte leise. Es blieb ihm und seiner Einheit nichts anderes übrig, als unter dem überstehenden Dach der kleinen Scheune diesen Platzregen abzuwarten, auch wenn das noch Stunden dauern konnte. Die steile Straße war so unmöglich passierbar, die Gefahr zu groß, dass jemand ausrutschen und den steilen Berghang hinabstürzten würde. „In Kyoto regnet es wohl im Frühling nicht so viel, was?“ meinte plötzlich eine Stimme neben ihm und Yoshida drehte sich überrascht um. „Gomen,“ verbeugte er sich leicht, „aber ich kenne noch nicht alle Namen der Männer in meiner Einheit...“ „Mazaki,“ sagte der ältere Mann mit einem Lächeln, das sein wettergegerbtes Gesicht plötzlich um 20 Jahre jünger erscheinen ließ. „Das mit den Namen kommt schon noch. Sie sind ja noch nicht lange mit uns unterwegs.“ Yoshida sah wieder in den Regen hinaus. Vor knapp zwei Monaten war er nach einer beschwerlichen Reise im Lager der Kihei-Tai in der Provinz Choshuu angekommen, den Kopf voll von Kyoto und düsterer Gedanken. Nach einigen Wochen Training und kleineren, organisatorischen Tätigkeiten, die ihn weitestgehend von seiner Grüblerei abgehalten hatten, hatte Tagasuki ihn zu sich gerufen und ihn trotz seines jungen Alters und seiner eher dürftigen Schwertkünste zum Anführer einer kleinen Einheit gemacht. „Du warst jetzt über ein halbes Jahr in Kyoto im Dienste Katsuras,“ hatte Takasugi zu ihm gesagt, sein Blick stechend. „Ich brauche jemanden, der sich damit auskennt, unauffällig durch die Gegend zu reisen und Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen.“ Mit offenem Mund hatte Yoshida versucht, dem Anführer der Kihei-tai klar zu machen, dass er dafür nun wirklich der falsche Mann war, er nur als einfacher Ronin mitkämpfen wollte, aber Takasugi hatte ihn gar nicht zu Wort kommen lassen und ehe er sich versah, stand er nun hier, mit einer kleinen Gruppe von zehn Männern in seinen Diensten, auf dem Weg durch die gefährlichen Grenzgebiete von Choshuu, um noch mehr Männer für die geheime Armee der Ishin Shishi zu rekrutieren. „Der Regen hört bestimmt bald auf,“ sagte Mazaki neben ihm unvermittelt und riss dadurch Yoshida aus seinen Erinnerungen „Hoffentlich, Mazaki-san. Wir müssen schneller vorwärts kommen, die Zeit drängt, nach allem, was man hört.“ Mazaki nickte ernst. „Wie man hört, spitzt sich die Lage in Kyoto zu. Wissen sie genaueres, Yoshida-san?“ Yoshida fand es immer noch ungewohnt, als Vorgesetzter angesprochen zu werden. Immerhin war er der jüngste unter all den Männern. Dennoch schienen alle vor ihm Respekt zu haben. Er wusste, dass das nicht mit seiner eher weniger beeindruckenden Person zusammenhing, sondern mit seinem Status – die Schwerter an seiner Hüfte kennzeichneten ihn als Samurai und das alte Standesdenken war immer noch in den Köpfen seiner Kameraden, die alles Bauern waren, präsent. Noch dazu kannte er Katsura Kogoro persönlich... die meisten Männer in der Kihei-tai verehrten ihn wie einen Kami, der göttliche Gleichheit bringen würde. „Ich weiß nur,“ antwortete Yoshida nach einer Pause, „dass die Sache in Kyoto weit komplizierter ist als hier in Choshuu. Katsura-san hat vor einigen Tagen versucht, endlich die verschiedenen Fraktionen der Ishin Shishi zu vereinen, doch wie man hört, ist das gescheitert.“ „Das wundert mich nicht. Katsura-san ist den meisten zu wenig offensiv. Die anderen Anführer sind nicht so geduldig wie er, sie wollen endlich zuschlagen.“ Yoshida zog fragend eine Augenbraue hoch. „Ihr scheint euch gut mit der Politik in Kyoto auszukennen, Mazaki-san.“ Mazaki lächelte wieder und zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Eigentlich nicht, ich bin nur ein einfacher Bauer. Aber...“ Er tippte sich an die Stirn. „...ich bin nicht dumm. Ich versuche, mich immer auf dem Laufenden zu halten.“ Er senkte etwas seine Stimme, so dass die anderen Männer ihn nicht hören konnten. „Ich bin ein glühender Verehrer Katsura Kogoros, aber auch vielen Männern in der Kihei-tai geht es zu langsam voran. Sie wollen endlich kämpfen, den Shogun stürzen. Sie wollen Ergebnisse sehen. Selbst Tagasuki-sama ist inzwischen die Ungeduld in Person.“ Yoshida rümpfte die Nase. „Als ob alles so einfach wäre. Was denken die sich? Einfach nach Kyoto reinmarschieren und den Kaiser entführen?“ Mazaki neben ihm schwieg vielsagend und Yoshida bekam eine Gänsehaut. Er kannte seinen grimmigen und unerschrockenen Anführer. „Im Ernst? Wie stellt Takasugi sich das vor? Der Shogun hat eine Armee, die uns zehn bis zwanzigfach überlegen ist! Wir können nicht—.“ „Psst,“ ermahnte in Mazaki, denn einige der Männer hatten bereits neugierig zu ihnen hinübergeblickt. „Wir können nicht einfach angreifen,“ flüsterte Yoshida erhitzt weiter. „Das wäre unser Untergang. Wir müssen warten, bis uns auch die anderen Provinzen unterstützen. Wir brauchen mehr Waffen, um gegen die Armee des Shogunats bestehen zu können. Wir müssen endlich ein Bündnis mit Satsuma eingehen. Wenn wir jetzt nach Kyoto stürmen, wäre das glatter Selbstmord!“ Die beiden Männer standen schweigend einige Minuten da und starrten in den trüben Regenhimmel, beide mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt. „Wisst ihr,“ begann nach einer Weile Mazaki, seine Stimme leise und abwesend, als ob er tief in Erinnerungen versunken sei, „die Männer, die sich der Kihei-tai anschließen, tun das aus freien Stücken. Sie sind meistens jung oder,“ er unterbrach sich und kicherte, „etwas älter so wie ich. Doch voller Tatendrang. Wir wollen etwas verändern!“ „Das verstehe ich,“ meinte Yoshida leise. „So ist das am Anfang immer. Man ist voller Zuversicht, voller Idealismus... Man denkt, man kann alle äußeren Umstände überwinden...“ Er unterbrach sich. Bittere Erinnerungen an Kyoto und einen Jungen mit roten Haaren stiegen in ihm auf. „Wisst ihr,“ redete Mazaki weiter, „als ich im Herbst letzten Jahres zu den Kihei-tai gegangen bin, war ich auch voller Ungeduld. Ich konnte es kaum erwarten, etwas zu verändern. Endlich hatte ich wirklich das Gefühl, etwas tun zu können. Wisst ihr, ich komme aus einer Bauernfamilie. Wir hatten kaum Rechte und... ach, ich will euch damit nicht langweilen.“ „Nein, nein,“ sagte Yoshida schnell, „dass tut ihr nicht. Erzählt weiter.“ Mazaki lachte und es klang wie ein dumpfes Poltern. „Ich will gar nicht viel erzählen, ich wollte eigentlich nur sagen, dass viele Bauern und Handwerker weit mehr Grund haben, das Shogunat zu hassen als Samurai.“ „Samurai in Anstellung, solltet ihr sagen,“ korrigierte Yoshida. „Ich war die meiste Zeit ein Ronin, und mit Samurai-Ehre allein lässt sich kein Magen füllen.“ Mazakis Gesicht wurde düster. „Mit einem Schwert kann man sich Essen beschaffen,“ sagte er leise. Yoshida spürte die plötzliche Veränderung bei seinem Gesprächspartner. „Viele Ronin,“ sagte er vorsichtig, „haben ihre Ehre aufgegeben und Bauern das Leben schwer gemacht. Aber viele hätten gerne auch selber etwas zu essen angebaut... Land beackert...“ Er räusperte sich und sah zu Mazaki hinüber. Sehr zu seiner Erleichterung hatte sich dessen Gesicht schlagartig wieder aufgehellt. „Ihr wärt gerne ein Bauer?“ fragte er, als ob er es kaum glauben könne. Etwas beschämt zuckte Yoshida mit den Achseln. „Es wäre etwas, dass mir Spaß machen würde. Das Leben auf dem Land gefällt mir, nur als Samurai ist mir das in dieser Gesellschaft verboten.“ Mazaki lachte schon wieder. „Das stimmt wohl. Es sind ja doch einige Ronin, die sich der Kihei-tai angeschlossen haben, vielleicht mit ähnlichen Gedanken wie ihr. An dem Tag, als ich dazugestoßen bin, war sogar ein kleiner Junge mit mir unterwegs, der unbedingt sein Schwert der Kihei-tai zur Verfügung stellen wollte. Ich schätze, er war gerade mal volljährig geworden, er sah jedenfalls unglaublich jung aus.“ Mazakis Gesicht nahm einen Ausdruck von Abwesenheit an. „Jedenfalls haben sich die Männer erst über ihn lustig gemacht. Doch was der Junge damals zu mir gesagt hat, kann ich bis heute nicht vergessen. Es erinnert mich immer an die zwei Seiten der Medaille.“ „Inwiefern?“ fragte Yoshida, dessen Neugier geweckt worden war. „Nun,“ erklärte Mazaki, „der Junge war so überzeugt davon, dass er mit seinem Schwert die Menschen in Japan beschützen könne... eine Zeit des Friedens und der Gerechtigkeit herbeiführen könne... er sprach so überzeugt, dass wir alle für einen Moment lang nichts sagen konnten.“ Mazaki räusperte sich. „’Um für die Zukunft Japans und für die Menschen, die unterdrückt werden, einzutreten, ist man nie zu jung. Höchstens zu schwach. Und ich bin nicht zu schwach. Ich werde die Menschen beschützen und mit den Ishin-shishi den Frieden in Japan sichern!’ Das waren seine großen Worte. Ich konnte sie bis heute nicht vergessen.“ Er sah hinüber zu Yoshida, der still geworden war und traurig auf den schlammigen Boden blickte. „Diese Worte erinnern mich an jemanden, den ich kenne... kannte,“ flüsterte er fast. „Wirklich?“ fragte Mazaki neugierig. Yoshida schüttelte den Kopf, um die Erinnerungen zu verscheuchen. „Was meint ihr mit den zwei Seiten der Medaille?“ „Naja. Der Idealismus des Jungen war wirklich herzerfrischend. Aber gleichzeitig hat es mir in der Seele wehgetan, in seine hellen, blauen Augen zu schauen.“ Neben ihm zuckte Yoshida unmerklich zusammen. „Ich wusste, dass so eine reine Seele im Krieg früher oder später Schaden nehmen würde.“ Mazaki zog seinen durchnässten Mantel enger um sich. „Ich weiß nicht, was mit dem Jungen passiert ist, er war jedenfalls trotz seiner geringen Größe und seines Alters unglaublich talentiert mit dem Schwert. Er war nur eine Woche bei der Kihei-tai, wenn überhaupt, dann ist er mit Katsura Kogoro persönlich nach Kyoto gereist, wahrscheinlich als sein Leibwächter oder sowas. Ich denke— ist irgendwas, Yoshida-san?“ Der ältere Mann sah, dass sein jungendlicher Anführer plötzlich sehr blass geworden war. „Ich...“ stammelte Yoshida, bevor er einige Male tief durchatmete und sich wieder fing. „Geht es euch nicht gut?“ fragte Mazaki besorgt. „Doch, doch.“ Yoshida zwang sich schnell zu einem schwachen Lächeln. „Es ist nur... ihr habt mich gerade an einen Freund erinnert...“ Mazaki nickte, als ob er Bescheid wüsste. Dann sprach er weiter. „Ich weiß nicht, was aus dem Jungen geworden ist. Ich kann nur hoffen, dass er seinem Idealismus in den blutigen Straßen von Kyoto treu bleiben konnte. Wie sagt man...“ Er kratzte sich am Kopf. „Der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert. Hoffentlich er sich nicht Hals über Kopf in irgendwelche Gefahren gestürzt.“ Yoshida hatte plötzlich einen sehr bitteren Geschmack im Mund. Mit rauer Stimme fragte er, „hatte der Junge, von dem ihr sprecht, zufällig rote Haare?“ Mazaki zog überrascht die Augenbrauen hoch in seine faltige Stirn. „Ja! Aber woher... kennt ihr ihn etwa? Ich glaube, er hieß Ken... irgendwas mit Ken...“ „Kenshin,“ ergänzte Yoshida tonlos. „Genau,“ rief Mazaki freudig aus. „Habt ihr ihn in Kyoto kennen gelernt?“ Yoshida nickte. „Was hat er dort gemacht? Habt ihr mit ihm zusammen gekämpft? Ich bin mir sicher, er ist in Kyoto eine große Hilfe, so talentiert wie er mit dem Schwert ist...“ Langsam nickte Yoshida erneut, nur lief es ihm diesmal dabei eiskalt den Rücken hinab. „Er ist... eine große Hilfe.“ Mazaki musterte Yoshida von der Seite. Dann, als ob er verstanden hätte, verfinsterte sich sein Gesicht und er schüttelte langsam den Kopf. „Im Krieg ist kein Platz für zuviel Idealismus, nicht wahr?“ Doch Yoshida antwortete nicht mehr, er hatte sich ein Stück weggedreht und starrte finster in den Regen hinaus. Schmerzhafte Erinnerungen fluteten in ihn zurück. Er sah vor sich Kenshins große, blaue Augen, die auch Mazaki beschrieben hatte. Und im nächsten Moment sah er dieselben Augen, aber gefährlich verengt, gelblich glitzernd. Und dann sah er sie stumpf, resigniert, tot, als sie das unausweichliche Ende ihrer Freundschaft erklärten. Mazaki dachte, das Gespräch wäre beendet und wollte schon zu den anderen Männern hinüber gehen, als sich Yoshida doch noch einmal zu ihm umdrehte. „Ich habe eure Frage noch nicht beantwortet, Mazaki-san.“ Er sah ihn direkt an, seine Augen entschlossen, hart. „Auch in Kyoto regnet es im Frühling. Und es regnet im Sommer, im Herbst, selbst im Winter. Es regnet Blut. Und es wird weiterregnen, bis diese Revolution endlich vorbei ist. Egal, was ihr noch über diesen Jungen mit den roten Haaren hören werdet... egal, was man sich erzählt... ich bitte euch, Mazaki-san, behaltet folgendes in Erinnerung.“ Y oshidas Augen schienen fast zu glühen. „Er... Kenshin... ist ein guter Mensch. Ich bin mir sicher, dass der Idealismus in ihm niemals stirbt, trotz Kyoto, trotz...“ Er unterbrach sich. Mazaki musterte seinen Anführer interessiert. Ihm schien diese Sache sehr am Herzen zu liegen, worum auch immer es gehen mochte. Mazaki hatte keine Ahnung. „Wie ihr gesagt habt, Mazaki,“ sprach Yoshida weiter, diesmal mehr zu sich selbst, „jede Medaille hat zwei Seiten.“ Dann war er wieder stumm und diesmal war das Gespräch wirklich beendet. Mazaki schaute unter dem Dachvorsprung hinaus in den Regen. Er war verwirrt. Die dunklen Vorahnungen, die ihn immer beschlichen, wenn er an den rothaarigen Jungen dachte, schienen sich in irgendeiner Art und Weise bewahrheitet zu haben – sonst hätte Yoshida nicht so geheimnisvolle Andeutungen gemacht. Komisch... er hatte den Jungen nur wenige Tage kennen gelernt und trotzdem... Mazaki schüttelte den Kopf. „Warum mache ich mir so viele Gedanken?“ sprach er zu sich selbst. „Der Junge wird schon auf sich selbst aufpassen. Wenn er so stark ist, wie ich mir denke, dann wird er nicht so leicht auf die schiefe Bahn kommen... oder gar zu so jemandem werden wie Hitokiri Battousai.“ Mazaki zog fröstelnd seinen Mantel noch enger um sich. Selbst im Lager der Kihei-tai hatten sie schon Geschichten über diesen furchterregenden Killer gehört. Keiner wusste es mit Sicherheit, doch da er nur Anhänger des Shogunats tötete, musste er wohl auf ihrer Seite stehen. Einige Männer hatten sogar gemunkelt, dass ihm Katsura Kogoro persönlich die Befehle gab. Mazada musste plötzlich über seine eigenen Worte lachen, ein bitteres Lachen. „Zwei Seiten der Medaille,“ murmelte er. Es fiel ihm schwer zu glauben, dass diese Metapher auch für jemanden wie Battousai galt. Yoshidas düsterer Blick war inzwischen einem grimmigen Gesichtsausdruck gewichen und er hatte die Fäuste geballt. Das Gespräch mit Mazaki hatte ihn wieder wachgerüttelt. Wie hatte er all die Wochen die Gedanken an Kenshin und Kyoto so unterdrücken können? Wie hatte er seine Pflichten als Freund so vernachlässigen können, sich von anderen Dingen so vereinnahmen und ablenken lassen? Yoshida wusste, dass er Zeit gebraucht hatte, um die ganze Sache mit Daisuke und Buntaro zu verarbeiten. Immerhin hatte er diesen zwei Menschen mehr als ein Jahr lang vertraut – und dann hatten sie ihn verraten. Doch eine Entscheidung war längst überfällig – Die Entscheidung, zu handeln. Yoshida spürte plötzlich, wie ein Teil der Lähmung, die ihn seit seinem Abschied aus Kyoto ergriffen zu haben schien, von ihm abfiel und er trotz der schwer von Feuchtigkeit getränkten Luft freier atmen konnte. „Sobald ich aus diesem Schlammpfuhl wieder in die Zivilisation zurückgekehrt bin werde ich dir schreiben, Kenshin,“ versprach er seinem Freund leise. Das war das mindeste, was er tun konnte. -- Mit offenem Mund starrte Hioshi hin und her zwischen der vermummten Gestalt, die demütig auf dem Boden der alten Scheune am Stadtrand Kyotos verharrte und dem Anführer der dritten Einheit der Shinsengumi, der lässig an einer Zigarette zog und mit glühenden Augen den Rauch langsam in seine Richtung blies. „W-Wie,“ stammelte Hioshi, als er endlich seine Stimme wiedergefunden hatte, „heißt das, die O-Niwabanshu wissen bereits von der Existenz Hitokiri Battousais?“ Fragend sah er schnell wieder zu Saito, der ernst wie eh und je schaute, aber genauso überrascht wie er selbst ein musste, dem unruhigen Zucken seiner linken Augenbraue nach zu urteilen. „Hai,“ kam es dumpf aus der Richtung des vermummten Ninja. „Wir haben einem Treffen mit euch, Hioshi-san und euch, Saito-san, nur deshalb zugestimmt, weil wir euch informieren wollten, dass bereits vom Clan der O-Niwabanshu Schritte eingeleitet wurden, um diesen Attentäter zu vernichten. „Aber woher—.“ „Hioshi-san,“ erklärte Saito mit ruhiger Stimme, „wer kennt sich besser unter den Schatten aus als die Schatten selbst?“ Dann nickte er wieder in Richtung des Ninja. „Wenn jemand weiß, was in den Schatten vor sich geht, dann die Oniwaban.“ Mit einem anerkennenden Kopfnicken nahm der Ninja das Kompliment zur Kenntnis. „Wir werden eurer Bitte dennoch folge leisten,“ nuschelte er unter seiner Gesichtsverhüllung. „Auch die Oniwaban brauchen eine letzte Bestätigung. Unsere Interessen und Pläne überschneiden sich.“ Saito nickte und übergab dem Ninja einen Zettel. Der Mann ließ ihn schnell unter seinem schwarzen Umhang verschwinden, verbeugte sich noch einmal und sprang dann durch die Luke des Daches, durch die er vor wenigen Minuten erst lautlos hereingelitten war, wieder hinaus. Saito warf seine Zigarette auf den Boden und trat sie aus. „So, das wäre erledigt. Hioshi-san, danke für euer schnelles Handeln. Jetzt wissen wir mehr.“ „Aber Saito-san!” Hioshi schüttelte immer noch unverständig den Kopf. „Ich verstehe das nicht. Wenn der Clan der Oniwaban schon von Hitokiri Battousai weiß, dann bedeutet das doch auch, dass das Bakufu schon alles über ihn weiß – dass das Shogunat Bescheid weiß!“ Ein spöttisches Lächeln umspielte Saitos Lippen. „Das habt ihr aber gut kombiniert.“ Hioshis Blick verfinsterte sich. „Unterlasst eure sarkastischen Kommentare, Saito. Ihr wisst, dass diese Sache für mich persönlich wichtig—.“ „Das ist genau das Problem,“ schnitt ihm Saito das Wort ab. „Anscheinend haben Shinsengumi und Mimiwarigumi von nun an nicht mehr freie Hand. Das Bakufu hat schon seine besten Agenten losgeschickt, die Oniwaban.“ „Aber ich habe mit niemandem außer euch über diese Sache gesprochen. Keiner außer mir weiß von dem Vorfall in der Shinsakusen-Gasse genaueres.“ Saito drehte sich ungeduldig um und ging zur Tür der schäbigen Hütte. „Habt ihr immer noch nicht verstanden, Hioshi? Das Bakufu hat seinen eigenen Informanten unter den Ishin Shishi. Vermutlich jemanden ganz weit oben.“ Hioshi zog eine Augenbraue hoch. „Warum haben sie dann nicht schon längst zugeschlagen?“ Saito seufzte und fischte eine weitere Zigarette aus seinem Ärmel. „Vermutlich geht es dem Bakufu genau wie uns: sie wissen nicht, ob sie ihren Informationen vertrauen können.“ Mit zusammengezogenen Augenbrauen starrte Hioshi auf den Boden. „Das heißt... dieser Überfall auf Battousai ist ein Test?“ Hioshi schlucke. „Ein Test, ob der Verräter wirklich die richtigen Informationen preisgegeben hat. Und ob... Hitokiri Battousai wirklich so gut ist, wie man sich erzählt? War es auch das, was ihr vorhattet, Saito-san? Wolltet ihr mit dem Attentäter nur Battousai testen?“ Hioshis Augen verengten sich, als es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel. „Wolltet ihr mit dem Ninja nur testen, ob er ein würdiger Gegner für euch ist? Ob es sich lohnt, wenn ihr euch auf seine Spur begebt?“ „Hmpf,“ war Saitos einziger Kommentar und er stieß die Tür der kleinen Hütte auf. Sofort erfüllte das Licht der Nachmittagssonne den dunstigen, kleinen Raum. Hioshi trat hinter ihn. „Da ist noch etwas, was ICH nicht verstehe,“ murmelte Saito leise, während er die Stadt mustere, die sich vor ihm im Tal ausbreitete. „Was für ‚Pläne’ hat das Bakufu bereits gegen Battousai geschmiedet?“ Hioshi zuckte die Achseln. „Vielleicht ein weiteres Attentat? Vielleicht einen Hinterhalt?“ Saito bließ den Rauch in den Himmel und ergänzte, „jemand, der die Schwachstellen des Hitokiris ausspionieren soll, bevor die Ninja zuschlagen...“ Hinter sich hörte er Hioshis bitteres Lachen. „Schwachstellen bei einem Hitokiri wie Battousai? Der so kaltblütig handelt? Wenn das Bakufu schon so lange von ihm weiß, wie es behauptet, dann scheint er nicht allzu viele Schwachstellen zu haben, sonst hätten sie doch schon längst gehandelt.“ Saitos Augen verengten sich. Hioshi hatte recht. Eine offensichtliche Schwachstelle bei so einem gefährlichen Hitokiri wie Battousai war unwahrscheinlich... immerhin war er jetzt schon mindestens seit Dezember, wenn nicht schon früher in Kyoto unterwegs und er lebte noch. Doch kein Mensch war vollkommen. „Wenn es keine Schwachstellen bei ihm gibt,“ überlegte er und seine Augen erglühten rot, während er einen tiefen Zug von seiner Zigarette nahm, „dann würde ich als erstes versuchen, ihm eine zu machen.“ Hioshi trat an ihm vorbei und begann, den Weg zurück in die Stadt zu laufen. Langsamen Schrittes folgte Saito. „Vielleicht machen wir uns zu viele Gedanken,“ rief ihm der Anführer der Mimiwarigumi über die Schulter zu. „Wenn die O-Niwabanshu so gut sind, wie ihr Ruf, dann wird Battousais Kopf morgen Früh auf einem Spieß vor dem Palast des Kaisers stecken.“ Er lachte voller Hass. „Zumindest wäre das mein innigster Wunsch...“ Saito schnippste seine Zigarette auf das Straßenpflaster und musterte den Nachmittagshimmel. In wenigen Stunden würde er wissen, ob Battousai ein ernst zu nehmender Gegner für ihn war. Ob er es wert war, dass er ihm seine volle Aufmerksamkeit widmete. Falls ja, und das bereitete ihm Kopfschmerzen, musste er irgendwie versuchen, ihn aufzuspüren und mit ihm zu kämpfen – ohne dabei den Oniwabanshu und ihren undurchsichtigen Plänen in den Weg zu kommen. Der Gedanke einer Kooperation mit den Ninja gefiel ihm überhaupt nicht. Es wurde Zeit, dass er Koudou Isami über diese Sache gründlich informierte. Und Okita. -- Es regnete Blut. Für nichts hatte diese Metapher je besser gepasst als für Kyoto im Frühling 1864. Jede Nacht floss das Blut durch die Gassen, in hellrosa Sturzbächen, verdünnt durch den andauernden Regen. Auch diese Nacht ließ es Hitokiri Battousai wieder Blut regnen. Der Auftrag war einfach. Er stürmte im Dunkeln auf seine Ziele zu, die wegen des Regens unter einem schmalen Vordach lehnten und tief in ein Gespräch vertieft waren. Bevor ihre Augen überhaupt registrieren konnte, was da auf sie zurannte, waren sie schon tot. Mit einem Schirm verließ Kenshin zügig den Schauplatz seiner jüngsten Tat. Der Regen machte auch ihn langsam aggressiv. Er wünschte sich, es würde aufhören. Diese ganze Revolution würde aufhören. Doch es ging immer weiter, endlos. Fast lachte er über seine eigene Dummheit – hatte er tatsächlich geglaubt, dass durch sein Schwert allein die Revolution in wenigen Monaten vorbei sein würde?! Missmutig drückte er sich ein Stück Stoff auf die Narbe an seiner Wange. Sie blutete immer noch, war immer noch nicht verheilt. „Battousai,“ übertönte eine Stimme hinter ihm das Regengeprassel. Wenige Sekunden später war Izuka an seiner Seite. Der Letzte, auf den er jetzt Lust hatte. „Du bist wirklich ein geborener Killer. Vier Männer tot und nicht ein Tropfen Blut auf deiner Kleidung!“ Kenshin lief weiter und ignorierte Izukas bewundernde Worte. Er hasste sie. Er hasst sich. Er wollte für nichts bewundert werden, was zu tun er hasste. „Gehst du noch mit auf einen Schluck Sake?“ Kenshin zwang sich dazu, Izuka anzuschauen. Seine Augen signalisierten Gefahr bei jedem weiteren Wort. „Ie,“ antwortete er frostig. Sofort hob Izuka beschwichtigend die Hände. „Ist ja schon gut. Ich hab kein Problem damit, alleine zu trinken! Du anscheinend auch nicht.“ Dann eilte der schnurrbärtige Mann durch den Regen davon, froh, den rothaarigen Dämon hinter sich lassen zu können. Kenshin bog ab in eine schmale Gasse. Die letzten Wochen war er immer wieder hierher gekommen, kurz vor und nach fast jedem seiner Aufträge. Hier konnte er alleine trinken, niemand würde ihn ansprechen und der Sake würde Vergessen und Leere bringen. Er trat ein in die warme Gaststube, die heute voller war als gewöhnlich. Die verschüchterte Wirtin wies ihm mit einer tiefen Verbeugung seinen gewohnten Platz in der Ecke mit Blick auf die Tür zu. „Das übliche, O-Samurai-san?“ Kenshin nickte knapp während er schnell die Gäste musterte. Sekunden später war er sich sicher, dass keiner von ihnen eine Gefahr für sich und sein Schwert darstellte. Dennoch hatte er irgendwie das Gefühl, als ob ihn jemand beobachtete. Mit einem Kopfschütteln schob er schließlich seine unguten Gefühle auf die innere Anspannung und den Stress der letzten Tage. Wenige Minuten später hatte er die erste Flasche lauwarmen Sake schon halb geleert. Er fühlte sich gleich besser - Dennoch: jeder einzelne Schluck war eine Qual. Jeder Tropfen Sake, den er trank, schmeckte nach Blut. Alles, was er in letzter Zeit trank oder aß, schien metallisch zu schmecken. Seine Kleidung und sein Haar, frisch gewaschen, schienen nach Blut zu riechen. Kenshin hatte langsam das Gefühl, dass ihn dieser Geruch wie ein roter Vorhang umgab. Der Vorhang schien immer dicker zu werden und ihn immer enger einzuhüllen. Er nahm ihm manchmal fast die Luft zum Atmen. Nach jedem Auftrag schien der Geruch von Blut stärker an ihm zu haften, unabwaschbar. Blub. Kenshins Mundwinkel zuckten. Blut aus seiner Wunde war soeben in sein Sake-Schälchen getropft. Mit leerem Blick hob er es an und musterte Flüssigkeit, in der sich der Tropfen langsam auflöste und alles hellrosa färbte. Er trank das Schälchen in einem Zug leer. Was machte es für einen Unterschied, ob er Blut wirklich schmeckte oder sich den Geschmack nur einbildete? Neben ihm tat ein Mädchen das gleiche. Ein Mädchen, das nach Pflaumenblumen duftete. Hakubaiko. Kenshin bemerkte sie nicht, er roch nur das Blut, das ihn wie Nebel umgab und starrte sein verzerrtes Spiegelbild im Sakeschälchen an „Hey Mädchen, trink mit uns!“ Die groben Stimmen direkt hinter ihm rissen Kenshin aus seinen düsteren Gedanken. Anscheinend versuchten zwei Typen, irgendeine Frau aufzureißen. Was ging ihn das an? Er drehte sich nicht einmal um und trank sein Schälchen in Ruhe aus. „Wir sind Ishin Shishi aus Aizu,“ blökten nun die zwei Männer, offensichtlich betrunken. Kenshins Augen verengten sich und er stellte das Schälchen ab. „Du solltest uns heute Abend gut behandeln, Mädchen, denn immerhin kämpfen wir für alle unterdrückten Menschen.“ Das raue Gelächter und diese Worte voll von unsäglicher Arroganz und Dummheit – Kenshin konnte nicht länger zuhören. „Aizu ist auf der Seite des Shoguns, ihr Idioten.“ Seine Worte waren leise, bedrohlich, aber dennoch für jedermann im Trinklokal zu hören. Allerdings wusste keiner, wer gesprochen hatte. Die zwei grobschlächtigen Kerle ließen von ihrer Beute ab und sahen sich mit blutunterlaufenen Augen im Lokal um. „Wer hat das gesagt?“ riefen sie wutentbrannt, ihre Hände schon bei den Schwertgriffen. Im Lokal war es so still, dass man eine Stecknadel zu Boden hätte fallen hören. Alle Gäste schauten betreten zu Boden, keiner wollte sich mit den zwei Raufbolden anlegen. „Ha!“ lachte der eine der beiden Kerle höhnisch, „dachte ich’s mir doch.“ Der andere nickte. „Da hat aber jemand noch mal Glück gehabt.“ Er grinste und wollte sich wieder dem Mädchen zuwenden, als ihn plötzlich erneut der Klang dieser ruhigen aber so gefährlichen Stimme zusammenzucken ließ. „Sicher hat da JEMAND Glück gehabt. Wenn du dein Schwert gezogen hättest, dann wäre ich dein Gegner gewesen.“ Der größere der beiden Männer fuhr herum, die Stimme schien direkt hinter ihm zu sein. Er wollte sein Schwert ziehen, doch irgendwie schien es in der Schwertscheide fest zu stecken. Als er nach unten sah, gefor er zu Stein. Da stand ein Junge, der ihm gerade mal bis zur Brust reichte, aber dessen Ausstrahlung es bewirkte, dass ihm der kalte Schweiß ausbrach. Er hatte rote Haare und hielt eine Hand lässig auf seinem Schwertgriff, so dass er es nicht aus der Scheide ziehen konnte. Was für eine Kraft...?! „Lass mich dir einen Rat geben,“ sprach der Junge, sein Gesicht im Schatten unter seinen Haaren verborgen. „Die Gewalt hier wird mit jedem Tag schlimmer.“ Er sah auf, eisblaue Augen, in denen dennoch etwas zu glühen schien und zwar sicherlich nicht der Kerzenschein. Der falsche Ishin Shishi schluckte, das Atmen fiel ihm plötzlich schwer. „Kyoto ist kein Platz für Aufschneider. Ihr solltet dorthin zurückkriechen, von wo ihr hergekommen seid.“ Wenn die Stimme vorhin bedrohlich geklungen hatte, so klang sie jetzt wie der sichere Tod. Unfähig, etwas zu erwidern, stolperten die Männer einige Schritte zurück und starrten ihren Widersacher an. Um sie herum erhob sich unmittelbar nachdem der Junge geendet hatte lauter Beifall. „Genau!“ „Recht hat er!“ „Ihr Feiglinge! Haut ab!“ Die Stimmung war am brodeln, und die zwei Trunkenbolde flüchteten mit hochroten Gesichtern zur Tür hinaus. Kenshin stand auf, steckte rasch seine Schwerter in den Obi und nahm seinen Schirm. Es war höchste Zeit, zu gehen. Er hatte schon genug Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Schnell warf er der Wirtin ein paar Münzen auf den Tisch und murmelte halbherzig irgendwas entschuldigendes. Er hörte noch das Lob der anderen Gäste, bevor er – wie immer - aus dem Hinterausgang auf eine Seitengasse trat. „Wow, der Junge war echt gut. Wie ein Kämpfer für Frieden!“ Draußen schüttete es in Strömen. Er konnte nicht sehen, dass das schwarzhaarige Mädchen ihm mit ausdruckslosen Augen hinterher sah, während er in der Dunkelheit verschwand. Dann stand auch sie langsam auf und packte ihren Schirm. Ihre Hände zitterten. Sie wusste, wohin der rothaarige Junge gehen würde. Sie wusste, wer ihn auf dem Weg erwartete. Auch Kenshin umfasste den Griff seines Schwertes, um seine bebenden Hände unter Kontrolle zu bringen. „Was ist nur mit mir los,“ murmelte er, während er auf die nasse Straße starrte. „Der Geruch von Blut wird immer stärker... Noch vor ein paar Monaten hätten mich solche Typen nicht so zur Weißglut gebracht.“ Er atmete tief durch. Ein Kämpfer für Frieden? Wenn die Männer nicht so schnell das Weite gesucht hätten, dann hätte er sie ihre lächerlichen Schwerter ziehen lassen. Und getötet. Kenshin lief es eiskalt den Rücken hinab. War seine Hemmschwelle zu töten schon so weit gesunken, dass er irgendwelche dahergelaufenen Bauerntrottel mit rostigen Schwertern angegriffen hätte? Oder hatte er zuviel Sake getrunken, seine Urteilsfähigkeit und Reaktion getrübt? Das konnte nicht sein. würde. Er hatte genug getrunken, um seine Gedanken zur Ruhe zur bringen, aber seine Killer-Instinkte zu betäuben konnte sich ein Hitokiri wie er auf keinen Fall erlauben. Er sah hoch zu den Sternen, doch nichts als schwere Regenwolken entgegneten seinen fragenden Blick. -- „Diese Straße ist perfekt.“ Der breite Mann packte seinen Schwertgriff. „Und da kommt er schon.“ „Bist du sicher, dass du ihn töten willst?“ Sein etwas dünnerer Freund biss sich vor Angst auf die Unterlippe. „Verdammt noch Mal, klar! Niemand behandelt mich so.“ Er spuckte aus. „Niemand stellt mich so vor anderen bloß! Schon gar nicht so ein vorlauter Knirps!“ Er zog langsam sein Schwert, doch der Angstschweiß in seinem Gesicht strafte seine hasserfüllten Worte Lügen. „Du kannst ihn nicht angreifen,“ wimmerte sein Freund. „Er ist ein Killer, das sieht man an seinen Augen.“ „Idiot. Jeder, der Nachts in Kyoto unterwegs ist, ist ein Killer.“ „Das stimmt!“ Nacktes Entsetzen stand den Männern ins Gesicht geschrieben, als sie herumfuhren und hinter sich einen gewaltigen Mann erblickten, verhüllt in schwarze Kleidung. „Ihr seid im Weg. Macht’s gut!“ Das letzte, was die Trunkenbolde sahen, waren zwei Schwerter an Ketten, die auf sie niedersausten. Der dicke Mann fiel als erster. Den Zweiten ließ er noch ein Stück auf sein eigentliches Opfer zurennen. Hinter seiner Gesichtsmaske lächelte der Ninja. Gleich würde er endlich auf einen ebenbürtigen Gegner treffen – wenn dieser schmächtige Junge, den zu töten er beauftragt, wirklich Battousai war. Er hatte es erst kaum glauben können, als er ihn gesehen hatte. Ihm war gesagt worden, dass ein Mann mit roten Haaren in dieser Nacht von einem bestimmen Trinklokal aus diese Seitengasse benutzen würde. Anscheinend hatte sein Informant recht gehabt – er musste also die Gewohnheiten des Hitokiri relativ gut kennen. Dennoch hatte er sich den Mann, dessen Namen man bereits fürchtete, anders vorgestellt – und sicherlich hatte er alles außer dieses halbe Kind erwartet. Doch er war nicht dumm. Jahre erbarmungslos-harten Trainings hatten ihn zu einem der besten Killer der O-Niwabanshu gemacht. Und er spürte, dass an diesem Jungen mehr dran war, als das Auge sehen konnte. Voller Wucht schmiss er eines seiner Ketten-Schwerter dem flüchtenden und um Hilfe kreischenden Mann hinterher. Es durchbohrte ihm das Gesicht und in einem Schwall von Blut kam der Mann zum liegen. Jetzt waren es nur noch sie beide, die sich in der Gasse gegenüberstanden. Hitokiri und Hitokiri. Er lächelte unter seiner schwarzen Gesichtsmaske, als sein Gegner ihn bewegungslos erwartete. Er sah aus, als ob er ruhig dastehen würde, den Schirm achtlos fallengelassen, aber der Ninja wusste, dass jede Faser seines Körpers angespannt war. „Hitokiri Battousai, hab ich recht?“ kam seine Stimme gedämpft unter dem Mundschutz hervor. „Was willst du?“ Kalte, blauen Augen musterten ihn, scheinbar desinteressiert. Battousai schien nicht im mindesten beunruhigt darüber zu sein, dass vor ihm gerade ein Mann blutspritzend zu Boden gefallen war. „Du wirkst unschuldig, aber ich kenne dich. Ich weiß, dass du es bist. Ich habe dich beobachtet.“ Der Junge verzog immer noch keine Miene. Er hob nicht einmal die Hand zu seinem Schwertgriff. Wie Leichtsinnig. Oder selbstsicher? Nur eine Möglichkeit, Gewissheit zu erlangen. In einem Fluss von Bewegung warf der Ninja sein Kettenschwert nach vorne. „Stirb!!“ -- Sie packte ihren Schirm fester, als sie nach draußen in die feucht-kalte Nachtluft trat und ihrem Schicksal folgte. Sie kannte den Weg. Sie kannte ihren Auftrag. Dieser Dämon würde es heute nacht wieder Blut regnen lassen. Vielleicht sogar ihr Eigenes? Es war ohne Bedeutung. Sie war nur noch ein Zahnrad in dem mörderischen Getriebe der Maschine, die den Mann, den sie am meisten auf der Welt hasste, zu Fall bringen würde. Sie hatte soviel getrunken... ... ohne richtige Orientierung lief sie dem Hitokiri hinterher. Der Regen prasselte schwer auf ihren Schirm und das Atmen fiel ihr ebenso schwer. Da – sie hörte Waffengeklirr. Sie zwang ihre Füße, schneller zu gehen. Sie wollten ihr kaum gehorchen. Durch einen Schleier von Regentropfen sah sie silbriges Metall aufblitzen. Dann traf sie etwas warm im Gesicht. Am ganzen Körper. Überall. Blut, überall Blut. Genauso rot wie sein Haar. Langsam drehte er sich zu ihr um. In seinen Händen zwei Schwerter, aufblitzende Augen in seinem Gesicht. „Das war es also,“ dachte sie, während sie einige Schritte nach vorne taumelte. Der Alkohol verlieh ihr dazu den nötigen Mut, aber ihre Füße schwankten. Die Beine wollten sie nicht mehr tragen. Anklagend streckte sie ihre zitternde Hand aus. „Du,“ flüsterte sie, ihre Sicht verschwamm. „Du bist derjenige, der es Blut regnen lässt.“ Dann wurde ihr schwarz vor Augen und sie ließ sich nach vorne fallen, bereit, in den Schwertern des Mannes ihr Ende zu finden, der auch ihren Liebsten getötet hatte. -- Wörter? Ie - Nein Koudou Isami (Kondo) - Anführer der Shinsengumi Tabi - Sandalen Ich hoffe, es ging nicht zu schnell vorwärts? Das nächste Kapitel wird hoffentlich wieder etwas kürzer. Immerhin sind wir jetzt wieder in der Storyline von Manga und Ova... Nächstes Kapitel: Verschiedene Ereignisse bewegen Kenshin, sei fast schon versteinertes Herz wieder zu öffnen. Er weiß nicht, dass er damit seinen Verrätern in die Hände spielt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)