Divine Justice von MajinMina (Göttliche Gerechtigkeit) ================================================================================ Kapitel 16: Kapitel 16 - Abrechnung und Ehre -------------------------------------------- sorry für die lange Wartezeit ^_^ Ich hoffe, das Kapitel entschädigt. Ich warne schon mal vor. Zwei der Hauptpersonen werden sterben. Vielen Dank an meine Reviewer und Leser! Ohne euch würde ich die Geschichte nie zu Ende bringen! Kenshin hat den gekidnappten Yoshida aus den Fängen der Aizu Munashidai befreit. Doch Daisuke konnte fliehen... Divine Justice - Göttliche Gerechtigkeit 16. Abrechnung und Ehre Gefroren und still lag die Stadt unter dem hellen Mond. Es war beißend kalt geworden, obwohl das wärmende Licht der Sonne nur noch wenige Stunden entfernt war. Doch jetzt regierte immer noch das bleiche Auge der Nacht und beobachtete teilnahmslos den Mann, der die Ruhe der wie tot daliegenden Gassen störte. Gehetzt, als ob der Teufel persönlich ihm auf den Fersen wäre, rannte die Gestalt, stolperte, fiel, stand wieder auf, rannte weiter. Entkommen war das Einzige, woran Daisuke denken konnte. Weiterrennen, um zu entkommen. Wie besessen hastete er durch die Strassen, rutschte über die teilweise gefroren Pfützen und Steine und ständig warf er panische Blicke über die Schulter. Er spürte ihn in seinem Rücken, den Hitokiri. Er spürte wie ein gejagtes Tier seinen Jäger spürt - seinen Atem in seinem Nacken, die Kühle seiner Schwertklinge Millimeter von seiner warmen Haut entfernt. Er rannte um sein Leben. Nur wohin? Es gab für ihn keinen sicheren Platz mehr, an den er sich hätte verkriechen können. Nicht einmal ein dunkles Erdloch würde ihm lange Schutz bieten können, jetzt, wo er ein Verräter an beiden Seiten war. Nicht nur die Ishin Shishi wollten jetzt seinen Kopf – auch die Soldaten der Mimiwarigumi hatten ihn von dem schäbigen Haus in der Shinsakusen-Gasse weglaufen sehen. Ob diese Kämpfer allerdings noch lebten, wagte Daisuke zu bezweifeln. Er hatte Himuras wahre Natur gesehen, endlich. Es war ihm, wie einem Dämon zu beobachten. Mit unglaublicher Geschwindigkeit und diesem erbarmungslosen Leuchten in den Augen hatte er die Aizu Munashidai binnen Sekunden ausgelöscht. Sein Plan, Himura als Köder zu benutzen, erschien ihm jetzt, mit dem sicheren Tod im Rücken, lächerlich naiv. „Ob wohl Buntaro schon tot ist?“ fragte Daisuke sich kurz, doch er schüttelte gleich darauf heftig den Kopf. Es hatte keine Bedeutung mehr, ob Buntaro oder Yoshida oder sonst irgendwer lebte oder tot war. Entscheidend war, dass ihn Himura aus irgendeinem Grund aus dem Keller hatte entkommen lassen. Warum, das wagte Daisuke nicht zu fragen und doch ahnte er es und es schnürte ihm die Kehle zu: Er war nicht verschont worden, nicht begnadigt – Die Augen dieses rothaarigen Jungen waren hart wie Stahl gewesen und eine Waffe kannte keine Gnade. Er wusste aus eigener Erfahrung, dass Hitokiri Battousai bisher noch nie eines seiner Opfer hatte entkommen lassen. Stolpernd hastete Daisuke an einer weiteren Häuserzeile entlang. Die Gebäude flogen nur so an ihm vorbei und er keuchte laut, kleine Wölkchen in der kalten Winterluft. Er wusste, dass er alle seine Trümpfe verspielt hatte. Wie beim Würfeln. Es war vorbei. Er hatte verloren. Doch so lange er noch rennen konnte, würde er rennen. Und er war ein guter Läufer. Er rannte schnell. Seine Lunge schmerzte. Er biss die Zähne zusammen und zwang sich, noch ein bisschen schneller zu laufen. Trotz aller Todesangst musste er die breiten Hauptstraßen vermeiden. Denn dort lauerte eine ebenfalls tödliche Bedrohung – die nächtlichen Patrouillen der Bakufu-Truppen. Im schlimmsten Falle Shinsengumi. Daisuke musste sich also an die dunkleren, kleineren Strassen halten. Er musste rennen und gleichzeitig versuchen, sich nicht zu verirren. Er wusste jedoch schon längst nicht mehr genau, wo er war. Das wichtigste war – vorwärts, nicht stehen bleiben. Erneut rutschte er auf dem Straßenpflaster aus und schlug sich beide Knie auf. Schmerz durchzuckte seinen Knöchel. Mit einem Wimmern rappelte er sich wieder auf, sah sich um, humpelte weiter. „Lauf um dein Leben,“ hauchte eine Stimme, kälter als die winterliche Nachtluft. Egal wie schnell er rennen würde – Hitokiri Battousai würde schneller sein. Er hatte zwar ein ganzes Stück aufzuholen, denn der Kampf mit dem Mimiwarigumi und die Flucht mit Yoshida hatte ihn wertvolle Zeit gekostet. Doch er war ganz ruhig, denn für ihn bestand kein Grund zur panischen Eile. Daisuke war so ängstlich, dass Kenshin seine Ki deutlich vor sich spürte, während er über die nächtlichen Dächer glitt, sein Haar von Zeit zu Zeit kurz im Mondlicht rot aufblitzend. Wie ein aufgescheuchtes, ängstliches Kaninchen hastete seine Beute ziellos im Zickzack durch die Straßen. Er musste nur geduldig sein und warten, bis es sich selbst in die Enge drängen würde – also kein Grund zur Eile. Er musste nicht lange warten. Daisuke spürte sein Herz hämmern und den Schweiß, der ihm den Rücken durchnässte. Nie hatte er sich lebendiger gefühlt als jetzt, wo der sichere Tod nur wenige Schritte hinter ihm lauerte. Seine feuchten Haarspitzen waren schon gefroren und bei jedem Atemzug schmerzte seine Lunge, als ob sie von Messerklingen durchbohrt werden würde. Er musste schließlich seine Schritte verlangsamen. War da nicht jemand hinter ihm? War da nicht jemand im Schatten? Mit gehetztem Blick schlug er einen Haken und bog in die erstbeste Seitengasse ein. Dort war es stockfinster, doch Daisuke stolperte nach vorne, immer gerade aus, nur weg. Halb blind wegen der Dunkelheit, halb blind vor Angst rannte er vorwärts und prallte schließlich gegen eine wuchtige Mauer. Seine Hände glitten flehend über den nackten, kalten Stein, auf der Suche nach einem Vorsprung, einem schmalen Ritzen nur, in den man sich hätte krallen können um so das Hindernis zu überwinden. Das Blut rauschte in seinen Ohren, während er voller Panik der Mauer den Rücken kehrte. Jetzt gab es nur noch den Weg zurück. Raus aus dieser Sackgasse. Zitternd vor Kälte und Todesangst stolperte er einige Schritte nach vorne, doch dann blieb er erstarrt stehen, wie ein Tier, das von den Augen seines Jägers erfasst und hypnotisiert wird. Er konnte sich nicht bewegen, nicht einmal atmen, als er sah, wie sich vor ihm, in den vom Mond beleuchteten Eingang der schmalen Gasse, ein Schatten schob. Neben ihm waren nur glatte, hohe Wände. Hinter ihm war die Mauer. Und vor ihm der Tod. Er saß in der Falle. Jetzt hatte er wirklich verloren. -- Hioshi Shideki fluchte laut, als er auf die Uhr sah. Er hatte seinem Freund Shinzo versprochen, schon vor einer Stunde in der Shinsakusen-Gasse zu erscheinen. Shinzo hatte ihn gedrängt, einige Männer mit zunehmen, denn es ging anscheinend um einen Austausch von einigem Wert. Missmutig steckte Hioshi seine Schwerter in den Obi, während er sich mit zwei weiteren Männern endlich auf den Weg machte. Wenn nicht noch dieser blöde Berichterstatter aus dem Shinsengumi-Hauptquartier mit seinen langweiligen Abhandlungen über neue Regelungen im Umgang mit Verrätern bei Verhören gekommen wäre, dann wäre er schon längst aufgebrochen. Doch so hatte er seinen Trupp Männer schon vorausschicken müssen. Er nickte seinen zwei Begleitern zu und gemeinsam brachen sie auf. Hioshi hoffte, dass dieser Austausch oder was auch immer Shinzo so kurzfristig geplant hatte, glatt gehen würde. Erst am späten Abend hatte ihn die Nachricht seines alten Freundes das Mimiwari-gumi Hauptquartier erreicht. Darin hatte er geschrieben, dass ein ihm bekannter Verräter der Choshuu Ishin Shishi anscheinend in Schwierigkeiten steckte und nun versuchte, auf die Schnelle seine Haut zu retten, in dem er einen der Hitokiri der Patrioten ans Messer liefern wollte – angeblich sogar der Attentäter, der seine Befehle direkt von Katsura Kogoro persönlich erhielt. Beim Erhalt dieser Nachricht hatte Hioshi sich die Hände gerieben. „Wenn diese Information wirklich stimmt,“ hatte er aufgeregt überlegt, „dann ist dieser Hitokiri Gold wird. Mit seiner Hilfe könnte man Katsura Kogoro des Verrats überführen, ihn anklagen, vielleicht sogar seiner Provinz Choshuu den Krieg erklären...“ Doch jetzt, einige Stunden später, war Hioshi gar nicht mehr so optimistisch. Während er mit seinen zwei Begleitern im Schlepptau durch die nasskalten Strassen eilte, beobachtete er missmutig die kleinen, weißen Wölkchen, in die sich sein Atem in der Winterluft verwandelte. Was hatte ihm Shinzo von seinem Plan berichtet? Hioshi erinnerte sich: Shinzo wollte den Hitokiri durch eine Geisel ködern. „Wer glaubt so einen Schwachsinn?“ schnaufte Hioshi ungehalten „Ein Hitokiri kommt nicht, um seinen Freund zu retten, und wenn, dann ist es kein echter Hitokiri.“ Allerdings... wie hatte ihn Shinzo genannt? Hitokiri Battousai. Der Name hatte auf ihn Eindruck gemacht. Deswegen hatte er anstelle von fünf lieber gleich acht Männer in die Shinsakusen-Gasse geschickt. Und zwei davon waren sehr gute Schwertkämpfer. „Man kann ja nie wissen,“ hatte er gedacht, während er die Männer aus seiner Einheit ausgewählt hatte, „vielleicht ist das alles auch ein teuflischer Hinterhalt. Verdammte Patrioten...“ „Doch eigentlich kann nichts schief gelaufen sein,“ versicherte sich Hioshi jetzt entgegen seiner wachsenden Unruhe und beschleunigte seine Schritte. „Acht Männer von mir und noch mal fünf Männer der Aizu Munashidai gegen einen Einzelnen. Kein Grund zur Sorge.“ Einer seiner Begleiter war schon ein Stück voraus gelaufen und in die kleine Gasse eingebogen. Plötzlich hörte er ihn rufen, seinen Stimme klang mehr als entsetzt. „Hioshi-san! Schnell!“ Hioshi zog sich der Magen zusammen während die unangenehmen Gefühle, die er seit jeder Minute der Verzögerung stärker empfunden hatte, einen beklemmenden Höhepunkt erreichten. Schnell bog er um die Ecke und blieb atemlos am Eingang zu der schwach im Mondlicht beleuchteten Gasse stehen. Dann taumelte er langsam nach vorne, auf das Bild des Grauens zu, was sich ihm auf den Pflastersteinen wie ein bizarres Gemälde offenbarte. Hioshi hatte schon viele Schlachten geschlagen, Kämpfe auf Leben und Tod geführt, hatte Menschen mit seinem Schwert zerteilt und doch - so etwas hatte er noch nicht gesehen. Auf dem mondbeschienen Pflaster lagen drei seiner jahrelang im Schwertkampf ausgebildeten Männer, tot, in Pfützen von halb gefrorenem Blut. Zwei waren förmlich zerteilt und lagen da als undefinierbare Masse, ihr Inneres ausgeschüttet und über die Straßensteine verteilt. Der dritte Mann lag fast unberührt da, als ob er im Rinnstein schlafen würde – wenn nur nicht der Kopf gefehlt hätte, der einige Meter weiter entfernt im fahlen Licht des Mondes mit einem Ausdruck des Entsetzens in den Himmel starrte. Hishoi unterdrückte den plötzlichen Brechreiz durch heißen Zorn, den er jetzt in sich aufflammen ließ. „Wo ist der Rest?“ rief er barsch, während seine rechte Hand den Griff seines Katanas krampfhaft umklammerte. „Sieh nach!“ befahl er dem einen seiner Begleiter. Der andere übergab sich gerade geräuschvoll im Schatten einer Hauswand. Mit der Hand am Heft seines Schwertes stieß der Mimiwarigumi-Kämpfer mit dem Fuß die Tür zu dem Haus auf, das Shinzos geheimes Quartier war. Aus dem dunklen Inneren tröpfelte bereits Blut über die Türschwelle. Es war grauenvoll. Hioshis Augen verhärteten sich. Er befahl dem anderen Kämpfer, dessen Gesichtsfarbe einen unheilvollen Grün-Ton angenommen hatte und der immer noch leicht würgte, sofort ein Untersuchungskommando aus dem Hauptquartier herzubeordern. Mit Verstärkung. Dann inspizierte er das, was von seinen drei Männern auf der Strasse übrig war, genauer. Sie waren noch nicht ganz kalt und das Blut war stellenweise noch nicht zu roten Pfützen gefroren. Es konnte also nicht mehr als eine halbe Stunde seit dem Blutbad vergangen sein. „Wenn ich nur früher mit meinen Leuten zusammen weggegangen wäre,“ überlegte Hioshi reumütig. Doch zu seiner Schande musste er sich eingestehen, dass er selbst vermutlich genauso geendet wäre wie seine Männer. Mit einem Schauder wandte sich Hioshi nun dem Haus seines Freundes Shinzo zu. Im Keller fand er ihn schließlich, zusammen mit seinen vier Handlangern in einem See von Blut. Fast alle waren akkurat mit einem Schlag getötet worden. Nur Genwa schien die Chance zu einem zweiten Angriff gehabt zu haben doch auch sein Herz war schließlich durch einen geschickten Stoß zum Stillstand gebracht worden. Doch der wahre Horror, einem Weg zur Hölle gleich, war der Gang gewesen, der hinab in den Keller führte. Er war gepflastert von Leichen. Und zwar den Leichen seiner Männer, die er ausgebildet und rekrutiert hatte. Die er als Freunde gekannt und geschätzt hatte. Sie alle waren im Dunkeln hinterrücks erledigt worden - wer auch immer das getan hatte, er musste die Augen einer Eule haben. Und die Kaltblütigkeit eines abgebrühten Killers. Nur mit äußerster Willensstärke konnte Hioshi den hassvollen Schrei nach Blutrache in seinem Hals ersticken. Er musste jetzt die Fassung bewahren. Hioshi eilte sich nach draußen zu kommen und sog in tiefen Zügen die Nachtluft ein, die seinen heißen, inneren Zorn etwas abkühlte und seinen Verstand wieder aktivierte. „Wer kann so etwas getan haben?“ überlegte er. Der Kommandant war sich sicher, so einen tödlichen Schwertstil noch nie gesehen zu haben. Dieser Hitokiri, den Shinzo gefangen hatte – Katsura Kogoros persönlicher Hitokiri ohne Zweifel – er war ein Meister seines Handwerks. Als nach zwanzig Minuten die Verstärkung endlich eintraf, war Hioshi bereits wieder gefasst, und gab mit kühlen Kopf und gesenkter Stimme Befehle, die Toten so schnell wie möglich einzusammeln. Seine Mundwinkel zuckten, als er den Horror in den Gesichtern der Neueintreffenden sah. Er versteifte sich, als er der Oberbefehlshaber auf ihn zukam. Er würde ihm erklären müssen, warum seine Einheit in einer Nacht um die Hälfte dezimiert worden war. „Hioshi-san!“ herrschte ihn sein Vorgesetzter an, mit leicht grünlicher Gesichtsfarbe und dünner Stimme.. „Erklären sie mir die Situation!“ Der Angesprochene verbeugte sich demütig und berichtete dann von allem, was er über die Vorkommnisse des Abends wusste. Der Oberbefehlshaber hörte schweigend zu, stellte ab und zu Zwischenfragen und schüttelte schließlich fassungslos den Kopf. „Und alle sind tot?“ fragte er noch einmal nach. Hioshi verneinte. „Der Überläufer sowie die Geisel der Patrioten fehlen unter den Leichen. Vermutlich konnte er während des Gefechts irgendwie fliehen. Sollen wir Einheiten ausschicken, um nach ihm zu suchen?“ Der Kommandant der Mimiwarigumi nickte. „Wahrscheinlich werden sie sowieso nur seine Leiche finden. Nach dem, was ihr mir erzählt habt, scheint da etwas persönliches im Spiel zu sein. Der Hitokiri wird sich an seinem Verräter rächen wollen... Und nach all dem, was ich hier sehen kann, möchte ich nicht in seiner Haut stecken.“ Hioshi verbeugte sich und gab den Befehl weiter. Dann sah er wieder den grüngesichtigen Mann, der als erstes die Leichen entdeckt hatte, nicht weit von sich entfernt stehen und weinen, die Augen fest auf seinen toten Bruder am Boden geheftet. „Ich habe zu kopflos reagiert,“ stellte Hioshi fest und eine kalte Ruhe überkam ihn plötzlich. „Die Hälfte meiner Einheit ist umgekommen. Ich bitte euch, gebt mir die Erlaubnis, Seppuku begehen zu dürfen um die Ehre meiner gefallenen Kameraden wieder herstellen zu können.“ Der Kommandant schüttelte den Kopf. „Ihr habt richtig gehandelt, Hioshi-san,“ sprach er schließlich, während seine Augen zu den am Boden liegenden Körpern wanderten und seinen Stimme wurde ein bisschen brüchig. „Ihr habt in meinem Sinne versucht, diesen Hitokiri in Gewahrsam zu nehmen. Ihr konntet nicht wissen, zu was er... fähig ist.“ Der Kommandant schluckte. „Wir hätten es wissen müssen... Immerhin soll dieser Hitokiri Battousai auch derjenige sein, der die letzten Wochen für all die Morde an hochrangigen Politikern und anderen Personen verantwortlich ist. Er hinterlässt jedes Mal sein Zeichen: Ein Zettel mit der Aufschrift: Tenchuu. Göttliche Gerechtigkeit.“ „Göttliche Gerechtigkeit.“ Verachtungsvoll wiederholte der Kommandant diese zwei Worte. „Das Motto der Patrioten. Der Ishin Shishi.“ Hioshi kratzte sich an seinem massigen Kinn. „Ich vermute, dass auch eine direkte Verbindung zu Katsura Kogoro besteht. Aber ohne konkreten Beweis... sollen wir trotzdem Bericht nach oben erstatten?“ Der Kommandant nickte. „Jeder muss zumindest wissen, zu was dieser Hitokiri Battousai fähig ist...mit wem wir es hier zu tun haben.“ „Das ist die Frage,“ murmelte Hioshi. „Mit WEM haben wir es eigentlich zu tun?“ Der Kommandant legte die Stirn in Falten. „Was meint ihr?“ Hioshi zuckte mit den Achseln. „Ich kenne keine Schule, die derart tödliche Techniken unterrichtet. Dieser Hitokiri muss ein gewaltiger Mann sein.“ „Ich verstehe, warum man ihn Battousai nennt,“ überlegte der Kommandant laut. „Er scheint wirklich ein Meister des Battou-jutsus zu sein. Dennoch ist mir ein derartiges Talent nicht bekannt. Wo ihn Katsura Kogoro wohl gefunden haben mag? So jemand taucht doch nicht einfach aus dem Nichts auf.“ „Vielleicht ist er noch sehr jung?“ meinte Hioshi. Der Kommandant wiedersprach. „So ein Können erfordert jahrelanges Training. Und selbst dann...was für eine Kraft muss dieser Mann haben, um zu so etwas fähig zu sein.“ Er nickte in Richtung der zerteilten Körper. „Er muss riesengroß sein.“ Inzwischen standen einige weitere Männer der Mimiwarigumi um sie herum und hatten dem Gespräch zugehört. Ihnen allen stand die Angst vor diesem unbekannten Schlächter förmlich ins Gesicht geschrieben. „Dieser Mann ist ein Gespenst,“ meinte jemand aus der Menge. „Ein unheilvoller Geist.“ Und ein anderer fügte mit brüchiger Stimme hinzu: „Er ist der Vollstrecker der göttlichen Gerechtigkeit. Vielleicht hat er wirklich göttliche Kräfte?“ Hioshi Shideki schüttelte den Kopf. „Nichts ist göttlich an einem Mörder. Hitokiri Battousai,“ korrigierte er, „ist ein Dämon.“ -- Als Himura Kenshin langsam auf Daisuke zuschritt, spürte er ein ungewohnt intensives Kribbeln tief in sich. War es das nicht unbekannte Gefühl von Abscheu, das zu tun, was ihm auferlegt war oder – war es Erregung? Kenshin schloss die Augen. „Ein Verräter, der das Leben seiner Freude nur aus Eigennutz aufs Spiel setzt. Dem nichts und niemand heilig ist,“ flüsterte eine innere Stimme. „Für ihn gibt es keinen Platz in der neuen Zeit. Izuka hat es gesagt. Du musst ihn töten.“ Kenshin packte seinen Schwertgriff. Das Kribbeln in ihm wurde stärker. „Was zögerst du,“ flüsterte die Stimme. „Gib dir mir hin. Gib dich mir ganz. Nur für den Moment des Kampfes.“ Kenshin atmete tief ein, die gewohnte eiskalte Ruhe befiel ihn plötzlich stärker als jemals zuvor. Sie schien sich um sein Herz zu schließen, ihn zu umklammern, ihn zu erdrücken. „Ergib dich dem Wahnsinn... nur für den Moment.“ Ihm fehlte die Luft zum Atmen. Sein Herz klopfte ihm laut in den Ohren. „Du hast heute schon dreizehn Menschen getötet. Kannst du nun auch jemanden aus den eigenen Reihen töten? Einen Freund deiner Freude? Die Nummer vierzehn heute Nacht?“ Die kalte Stimme in seinem Kopf lachte höhnisch, während Kenshin seinen Schwertgriff so fest packte, dass sich die Knöchel weiß durch die Haut drückten, um das Zittern seiner Hand unter Kontrolle zu bringen. „Lass mich es für dich tun,“ flüsterte es eiskalt. „Ich töte für dich weiter, wenn du nicht mehr kannst.“ Kenshin fühlte, wie sein Herz immer mehr von einer eiskalten Leere erfüllt wurde. „Kontrolle... gib sie mir...“ säuselte die Stimme in seinen Ohren, ihr süßer Klang mischte sich mit dem Geruch getrockneten Blutes auf seiner Kleidung. „...nur für einen kleinen Moment...“. Der Geruch des Blutes wurde stärker. Kenshin konnte nicht mehr länger wiederstehen. Er gab sich der Stimme hin – und verlor sich selbst. Seine Augen sprangen auf, ihr sonst so blauer Glanz nun vollkommen in ein giftiges Katzengelb verwandelt. Noch nie hatte er sich so lebendig, so konzentriert gefühlt. Er spürte jede Faser seines Körpers und er genoss jeden Atemzug, der ihn näher an den roten Hauch des Todes brachte. Sein einziger Wille, der Grund seiner Existenz war der Kampf, den Mann dort vor ihm zu töten. Er war nur noch kalter Instinkt, alle menschlichen Emotionen gewaltsam unterdrückt und tief in ihm begraben. Das eiskalte Kribbeln hatte von seinem ganzen Körper Besitz ergriffen. Sein Leben bestand aus kaltem Adrenalin und darin, sein Schwert zu ziehen in einem weiteren Kampf auf Leben und Tod. Der Geruch des Blutes war stärker als jemals zuvor. Hitokiri Battousai trat einen weiteren Schritt nach vorne. Es rauschte in seinen Ohren. Die Stimme in ihm verlangte Blut. Oder war es die Klinge, die zu ihm sprach? Er würde ihr zu trinken geben. Als Antwort schien der kalte Stahl an seiner Seite erwartungsfreudig zu pulsieren. Daisuke sah seinem Tod ins Auge. Er wusste, das auch alles Flehen nicht helfen würde. Er stand nur stumm da und wartete auf den Schlag, der alles beenden würde. Doch Himura blieb stehen. Und wartete. Nach einer Weile, die Daisuke wie eine Ewigkeit vorkam, sprach er endlich. „Zieh dein Schwert!“ Der Befehlston dieser Stimme verlangte unbedingten Gehorsam. Ehe sich Daisuke versah, hatte er die Klinge in der Hand. Kämpfen? Bestand denn eine Chance? Daisuke packte das Schwert fester. So lange noch ein Funken Lebenswille in ihm schlummerte, solange bestand auch noch eine Chance. Vielleicht würde Himura ja einen Fehler machen. Doch Hitokiri Battousai machte niemals Fehler. Seine Augen sahen jede kleinste Bewegung, jede panische Zuckung in Daisukes Gesicht. Seine Ohren hörten den stoßweise kommenden Atem seines Gegners. Seine Nase roch den Angstschweiß und das Blut, das dicht unter der Oberfläche brodelte und wartete, vergossen zu werden. Der letzte Funke Lebenswille ließ Daisuke sein Schwert schneller als jemals zuvor ziehen. Doch tief in seinem Inneren wusste er, dass er schon längst verloren hatte. Er hatte an dem Tag verloren, an dem er seine Ideale aufgegeben hatte, weinend, sein Arm um die Frau gelegt, die der einzige Mensch auf der Welt gewesen war, den er je geliebt hatte. Die Frau, die im Weg stand und mit einem Schwerthieb beseitigt wurde. Im gelben Schein todverheißender Augen sah Daisuke unverhofft ihr Gesicht vor sich, von Schmerz verzerrt. Er sah sich neben ihr knien, während sein Blut aus seinem Oberkörper warm und frisch in die kühle Nachtluft spritzte. Der Schlag war akkurat und er würde schnell sterben. So wie sie. „So endet es...“, flüsterte er, während er zu Boden fiel, auf die kalten Steine irgendeiner schmutzigen Seitengasse, die er nicht einmal kannte und die jetzt sein Grab werden würde. Mit letzter Anstrengung riss er seine Augen von dem bannenden Blick seines Mörders los und schaute hoch zum Himmel. Der Mond lächelte unberührt auf ihn herab. „Suimasen... verzeih mir... Amasu.“ Der letzte Atemzug entwich seinem Mund in einer kleinen, sich schnell auflösenden Wolke – dann war Daisuke tot. Himura Battousai sah von oben auf den leblosen Körper des Mannes herab, der sich selbst durch seinen skrupellosen Lebenswillen an den Tod verraten hatte. Eine wichtige Lektion, die sich Battousai merken würde. Kurz fragte er sich, wer diese Amasu wohl gewesen sein musste – denn während Daisuke ihren Namen zusammen mit seinem Leben ausgehaucht hatte, war es ihm, als ob er das erste und letzte Mal tiefe Ehrlichkeit im Gesicht des Mannes gesehen hatte. Langsam wischte er sein Schwert am Ärmel von Daisukes Haori trocken. Es hatte keine Bedeutung. Der Verräter war tot. Die neue Klinge von Arai Shakku hatte gute Dienste geleistet. Sie tötete schnell. Er steckte den kalt schimmernden Stahl langsam ein, drehte sich ohne einen weiteren Blick um und verschwand in den Schatten. -- Der Mond schimmerte schräg durch das kleine, schmale Fenster seines Gefängnisses. Draußen begann es bereits hell zu werden. Doch Buntaro wollte nicht auf die ersten Strahlen der Sonne warten. Die Wirkung des Alkohols, der ihn dazu veranlasst hatte, sich zu stellen, war schon längst verblasst. Und dennoch bereute er seine Entscheidung nicht. Neben ihm lagen einige Papiere, auf denen er mit ruhiger Schrift seine letzten Wünsche verzeichnet hatte, zusammen mit der Bitte, ihm zu vergeben und als den ehrbaren Samurai in Erinnerung zu behalten, der er vor dieser gottverdammten Revolution gewesen war. Buntaro stand auf und ordnete die losen Zettel zu einem ordentlichen Stapel. Dann zog er den weißen Yukata an, der ihm ins Zimmer gelegt worden war. „Bei Sonnenaufgang...“ Während Buntaro das unbefleckte Weiß anlegte, schaute er noch ein letztes Mal aus dem schmalen Fenster auf den Mond, der schon hinter den Baumwipfeln verschwand. Daraufhin wandte sich sein Blick vom Himmel ab. „Göttliche Gerechtigkeit,“ murmelte er, während er sich langsam zu Boden setzte. Vor ihm lag das Kurzschwert, mit dem er in wenigen Stunden Seppuku begehen sollte. Gefasst ließ Buntaro seine Hand über die kühle Lackscheide gleiten und zog langsam die Klinge. Ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen, während er den Griff mit beiden Händen packte. „Erst in meinem Untergang habe ich gelernt, war wahre Ehre wirklich bedeutet. Zu seinen Entscheidungen stehen, auch wenn sie falsch waren - bis in den Tod.“ Ruckartig stieß er die Klinge in seinen Bauch und zog sie quer durch. Dann riss er sie hinaus und stach sie in Brusthöhe erneut in seinen Leib. Doch der Schmerz war zu überwältigend und der Griff war glitschig in seinen Händen. Er war zu schwach, um den letzten, rituellen Todesstoss in seine Kehle noch auszuführen. „Das ist meine Strafe und Buße,“ lächelte er unter Tränen, während er nach dem letzten Atem rang. Der weiße Stoff hatte sich schon längst tiefrot gefärbt. Langsam sackte er in sich zusammen und es wurde schwarz vor seinen Augen. Doch seine Hand umklammerte noch den Griff des Schwertes. „Das ist...“, keuchte er, „...göttliche Gerechtigkeit...?“ Als die Sonne ihre ersten Strahlen über den Horizont schickte und die Wärter an die Tür zu Buntaros Zelle traten und durch das Gitter blickten, blieben sie vor Überraschung einen Moment schweigsam stehen. Dann schlossen sie die Tür auf, traten vor den Toten und verbeugten sich tief. Buntaro hatte seine Ehre als Samurai wieder hergestellt. Die Wärter wickelten die Leiche ehrfurchtsvoll in eine Decke und trugen sie davon. Einer hob den ordentlichen Stapel von Papieren vom Boden auf und brachte ihn Izuka. Katsuras Mann für die Geheimoperationen nahm die Papiere und die Information über Buntaros vorzeitigen Seppuku ohne Sekundanten mit einem kurzen, anerkennenden Nicken entgegen. Dann schloss er langsam die Schiebetür und hielt die Papiere in die Kerzenflamme. Im Schein des brennenden Testaments und der aufgehenden Sonne lachte Izuka leise. -- Kenshin fand Yoshida im Dämmerlicht des anbrechenden Morgens zwischen den kahlen Bäumen in der Nähe das Iamatsu-Schreines. Blass wie eine marmorne Statue saß sein Zimmergenosse an einen dicken Stamm gelehnt und seine Hände krampften sich um das Wakizashi, das Kenshin ihm gegeben hatte. Tiefe, blaue Augen musterten einen Moment lang den schlafenden jungen Mann. „Yoshida...“ flüsterte Kenshin leise, doch der Angesprochene schlief tief und fest, trotz Baumwurzeln im Rücken. „Das muss ihn alles sehr mitgenommen haben,“ überlegte Kenshin. Langsam ließ auch er sich gegen einen Baumstamm sinken. „Was für ein Tag...“ Innerhalb von vierundzwanzig Stunden hatte sich so viel verändert. Alles. Nicht nur für die anderen Männer der Ishin Shishi, die bisher kaum von ihm Notiz genommen hatten und ihn von nun an furchtvoll meiden würden. Nicht nur für Yoshida, der ihn hatte töten sehen und das ohne Zögern oder Überlegen. Etwas in ihm hatte sich verändert. Er war anders geworden. Er war nicht mehr der junge, der mit leuchtenden Augen seinen Meister verlassen und sich den Patrioten angeschlossen hatte, fest entschlossen, die Welt mit seinem Schwert zu verändern. Die blauen Augen blinzelten müde und stumpf in das blasse Sonnenlicht, das widerwillig über die Bergesränder von Kyoto kroch. „Du hast das Talent zum Töten,“ hatte ihm Izuka eben an dieser Stelle vor wenigen Tagen verkündet. Kenshin hatte von da an begonnen, ihm zu glauben. Er hatte Yoshida wegschicken wollen. „Man kann sich nur auf sich selbst verlassen. Nur auf seine eigene Stärke. Freundschaft ist eine Schwäche, die ich... die sich ein Hitokiri nicht erlauben kann.“ Das hatte er vor knapp einem Tag zu seinem Freund gesagt. Doch Yoshida hatte sich geweigert, ihn allein zu lassen. „Und bist du denn ein Hitokiri? Bist du tief in dir wirklich ein Mörder? Ich glaube das jedenfalls nicht!“ Kenshin ließ den Kopf zurück gegen die kühle Rinde des Baumes sinken und schloss für einen Moment die Augen. Er hörte den ruhigen Atem Yoshidas durch die Stille der Bäume. Nachdem die Kälte des Hitokiris langsam ihre Bande um sein Herz gelockert hatte, war die unerträgliche Leere tief in ihm einem noch viel unerträglicherem Gefühl gewichen. Es war das Gefühl, recht gehabt zu haben. Seine zweite Natur war die eines Killers. Wieso sonst sollte er so ein Talent zum Töten besitzen? Da war etwas in ihm, etwas dunkles, und es hatte die Kontrolle über sein Leben an sich gerissen. Er sah den Pfad, den er noch zu gehen hatte, jetzt klar vor sich. Er würde weiter töten, bis zu seinem Ende oder dem Ende der Revolution. Auf seine eigenen Gefühle konnte er dabei keine Rücksicht mehr nehmen. Er würde sie tief in sich begraben, wie er es schon einmal getan hatte, als seine Eltern gestorben waren und er ein Sklave geworden war. Er war Katsuras Schwert und ihm würde nichts widerstehen. Und wenn der Preis seine Menschlichkeit war, dann würde er bezahlt werden. „Hitokiri...Battousai...“ Kenshin flüsterte seinen neuen Namen zu den kahlen Ästen der Bäume, die sich traurig im bitterkalten Wind hin und her bogen. Der Klang dieser Worte verlieh ihm eine Gänsehaut – oder war es die Wintermorgenluft? Kenshin wusste es nicht. Er wusste nur, dass er noch nie einen Namen so sehr verachtet hatte wie diesen. -- Im Nächsten Kapitel werden wir die Storyline vom Manga und ersten OVA wieder einholen ^^ Es wird jetzt ziemlich düster für den armen Kenshin, so ganz ohne Freunde... doch wer die Story kennt, weiß, dass eine neue Person in sein Leben treten wird... AN: Seppuku: Die höchste Ehre beim Seppuku bestand darin, sich nicht nur den Bauch und die Brust aufzuschlitzen, sondern am Ende noch die Kehle durchzuschneiden. Ohne Sekundanten trat so der Tod relativ schnell ein. Jedoch kam kaum einer bis zu diesem dritten Schritt - Die Meisten schafften es wegen der Schmerzen, nur einen oder zwei Schnitte auszuführen und wurden dann, um nicht langsam und qualvoll zu verbluten, vom Sekundanten enthauptet. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)