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Divine Justice

Göttliche Gerechtigkeit
von

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Kapitel 15 - Gescheitert

Daisuke hat endlich sein wahres Gesicht als Verräter gezeigt. Und Yoshida sitzt in der Falle – als Köder für den noch unbekannten Hitokiri Battousai.

Ich warne noch einmal vor blutigen Szenen in diesem und im nächsten Kapitel.

Viel Spaß trotzdem beim Lesen!
 

Divine Justice

Kapitel 15 - Gescheitert
 

Yoshida blinzelte gegen das Licht, das plötzlich in sein dunkles Kellerverlies strömte, als die Tür geöffnet wurde. Er wusste nicht, wie lange er schon hier im Dunkeln gelegen hatte, bevor er zu Bewusstsein gekommen war, aber er hatte inzwischen mindestens über eine halbe Stunde den Gesprächen durch die angelehnte Holztür gelauscht. Er konnte immer noch nicht glauben, dass Daisuke ein Verräter und Schuld an seiner misslichen Lage war, doch was er mit angehört hatte, ließ keinen Zweifel mehr daran.
 

Unvermittelt wurde Yoshida aus seinen Gedanken und in die Höhe gerissen, als ihn zwei starke Hände packten und ihn aus dem dunklen Kellerraum in ein anderes, ebenso ungemütlich aussehendes Zimmer schleiften. Zwar gab es hier Holzwände, wie Yoshida im hellen Kerzenschein erkennen konnte, aber auch sie schienen bereits schwer vom Moder befallen und strömten einen unangenehmen Schimmel-Geruch aus. Immerhin, erinnerte sich Yoshida, war er hier in einem Bezirk der Stadt, der auf feuchtem Flussgrund errichtet worden war und durch den viele Kanäle flossen.
 

Die feuchte und abgestandene Luft sowie der Modergeruch verstärkten nur die Übelkeit, die Yoshida befallen hatte und durch die plötzliche Veränderung seiner Lage von der Horizontalen in die Vertikale drehte sich ihm der Kopf. Anscheinend hatte der Schlag ihn doch etwas mitgenommen, denn als die Hände ihn losließen, schwankte er unkontrollierbar auf seinen zusammengebundenen Füßen und wäre fast wieder hingefallen, hätte man ihn nicht grob nach hinten in einen Stuhl gedrückt. Widerstandslos ließ er sich fallen – er konnte ohnehin das Gleichgewicht nicht halten. Nur mit Mühe schaffte er es, geradeaus in die Gesichter seiner Peiniger zu schauen, ohne dass sich alles vor ihm verdrehte.
 

„Bindet ihn fest.“ Yoshida sah zu dem Mann, dessen leise Stimme er bisher nur durch die Holztür vernommen hatte: es war ein kleines, schmächtiges Kerlchen, kaum größer als Kenshin, doch mit einem hässlichen Knubbelgesicht. Neben ihm sah der grobschlächtige Mann, Genwa, der Yoshida gerade eben wie einen Sack schmutziger Wäsche aus dem Keller getragen hatte, nur umso mächtiger aus.
 

Brutal riss Genwa ihm seine Hände hinter die Stuhllehne und machte sich mit einem Grummeln daran, sie festzubinden. Yoshida spürte seine Arme kaum noch, geschweige denn seine blutleeren Hände. Auf die Nähe erkannte Yoshida in dem Mann denjenigen, der ihn mit einem höhnischen Grinsen niedergeschlagen hatte - in einem plötzlichen Wutanfall und mit dem ununterdrückbaren Verlangen, diesen Kerl egal wie zu verletzen, versuchte er sich verzweifelt, aus dem Stuhl zu befreien. Doch er war zu schwach und kam nicht gegen die schraubstockartigen Hände des Kolosses an, der ihn ohne sich abzulenken zu lassen weiter festband – die einzige, für Yoshida schmerzlich spürbare Reaktion auf seine Widerspenstigkeit war, dass er die Fesseln noch etwas enger schnürte und sie jetzt tief in sein Fleisch schnitten.
 

„Ihr Schweine,“ rief Yoshida wütend und noch lauter, damit auch Daisuke oben im Haus ihn hören konnte, schrie er: „Du elender Verräter! Warte nur, bis Himura da ist! Du wirst deine Rechung schon bekommen!“
 

„Stopf ihm den Mund,“ zischte Shinzo und Yoshida wurde augenblicklich ein Knebel umgebunden, so dass er seinen farbenfrohen Flüchen nur noch durch unterschiedliche „Mmmm“s und „Nnnn“s Ausdruck verleihen konnte.
 

Der kleine Mann sah nervös auf die Uhr. „Gleich ist es soweit,“ murmelte er. „Hoffen wir, dass Hioshi noch rechtzeitig ankommt.“
 

Hioshi, überlegte Yoshida fieberhaft, ein Kommandant der Mimiwarigumi. Er kannte den Mann nicht, aber es war auf jeden Fall jemand, mit dessen Ankunft sein Tod untrennbar verknüpft war. Er hatte Shinzo und Genwa durch die Tür belauscht: Selbst wenn Kenshin sich ergeben sollte, hatte Hioshi den Befehl, die Geiseln zu töten und den Hitokiri gefangen zu nehmen und dann dem Bakufu zur „Befragung“ zu übergeben.
 

Wie als Bestätigung ertönte von weiter oben ein Stimmengewirr und jemand rief: „Er kommt.“

„Wer?“ rief Genwa mit tiefer Stimme die Treppe hinauf.

„Der Hitokiri!“

„Verdammt!“ Beide Männer griffen nach ihren Waffen und traten an die Treppe. „Ist er allein?“

„Ja,“ ertönte es von oben. „Und er ist anscheinend unbewaffnet!“
 

Das Knubbelgesicht Shinzos verzog sich zu einem grausamen Lächeln während sein Blick zu Yoshida glitt. „Anscheinend ist unsere Geisel doch zu etwas gut!“
 

Dann eilten beide die Treppe hinauf und ließen Yoshida alleine im Keller zurück, der mit vergeblicher Mühe weiterhin an seinen Fesseln rüttelte.
 


 

--
 


 

Kenshin wusste, wie riskant die ganze Aktion war. Er wusste, dass er ohne Schwerter mit seinem Leben spielte. Was hatte er bei seinem Training in den Bergen gelernt?

„Verliere in einem Kampf niemals deine Schwerter!“

Doch gleich darauf rief sich Kenshin einen anderen Satz von Hiko Seijuro ins Gedächtnis: „Schon bevor Schwerter gezogen werden, kann ein Kampf entschieden sein!“
 

Und so stand er, sich ohne seine zwei vertrauten Schwerter beinahe nackt fühlend, Punkt Mitternacht in der Shinsakusen-Gasse. Sie war nicht besonders lang und die meisten Häuser waren ziemlich alt und baufällig. Das Pflaster war glitschig von überfrorener Nässe und in der Nähe konnte Kenshin das Glucksen eines Abwasserkanals hören. Da er nicht wusste, wo genau sich die Erpresser befanden, stellte er sich entgegen seiner beruflichen Gewohnheit dorthin, wo ihn das helle Mondlicht gut sichtbar machte und wartete unbeweglich auf irgendeine Reaktion. Es dauerte etwas, dann aber sah er im Augenwinkel, wie sich ein paar Meter rechts von ihm langsam die Holztür eines winzigen, heruntergekommenen Hauses aufschwang.
 

Kenshin rührte sich nicht von der Stelle.
 

Die Holztür öffnete sich ganz und gab den Blick in ein gähnendes Dunkel frei, aus dem ein kleiner, hässlicher Mann erschien und vor die Schwelle trat. „Suchst du deinen Freund?“ fragte er mit leiser Stimme.
 

Kaum merklich nickte Kenshin „Was für eine Garantie habe ich, dass ihr Yoshida auch wirklich freilasst, wenn ich mich ausliefere?“

Der Mann vor ihm lächelte. „Mein Wort als Anführer der Aizu Munashidai und als Samurai.“ Kenshin starrte ihn unbeeindruckt und ausdruckslos an. Das Lächeln des kleinen Mannes verrutschte etwas. „Genügt dir das etwa nicht?“ fragte er herausfordernd.
 

Kenshin, der sich zur Selbstbeherrschung ermahnte, versteckte sein Gesicht hinter seinem roten Haarvorhang und nickte dann schließlich langsam. Natürlich traute er diesem Mann keinen Atemzug weit. Aber solange sie Yoshida in ihrer Gewalt hatten, würde er nach ihren Spielregeln spielen müssen.
 

Er folgte dem Mann durch die kleine Holztür ein einen dunklen, stinkigen Flur, wo er sich sofort von fünf Männern umringt sah, von denen ihm einer brutal die Arme auf den Rücken bog und die anderen ihn hastig abtasteten. „Keine Waffen,“ meinte ein dünner Mann mit hoher Stimme. Der Anführer nickte. „Bringt ihn in den Keller.“

Als Kenshin durch den langen Flur um eine Kurve herum zur Kellertreppe geführt wurde, sah er im Augenwinkel Daisuke mit blassem Gesicht in einer dunklen Türumrahmung stehen. Er musste sich beherrschen, seine Ki nicht vor lauter Wut aufflammen zu lassen (denn immerhin war es Teil seines eignen Planes, möglichst harmlos zu wirken) aber dennoch warf er Daisuke einen Blick zu, der hätte töten können.
 

Kaum hatten sie die ersten hölzernen Stufen der Kellertreppe erreicht, da fühlte Kenshin plötzlich den Druck auf seinen Armen nachlassen. Er stählte sich innerlich, denn er wusste, was kommen würde.
 

Ein kräftiger Schubs in den Rücken ließ Kenshin scheinbar haltlos die steile Kellertreppe hinunterfallen. Hart schlug er unten auf die kalten Steinfließen auf und gab einen leisen Laut des Jammerns von sich.

Sofort war der grobe, große Mann wieder über ihm und hob ihn unter Gelächter vom Boden auf. Schlapp und kraftlos ließ sich Kenshin von ihm zu einem Stuhl schleifen und dort festbinden. Scheinbar benommen blieb er dort widerstandslos mit hängendem Kopf sitzen, doch unter seinen roten Haaren musterte ein paar kalter, berechnender Augen sofort das ganze Zimmer.
 

Zu seiner Linken sah er Yoshida, ebenfalls an einen Stuhl gefesselt und geknebelt. An seiner Stirn hatte er eine große Platzwunde, das Blut teilweise verkrustet, teilweise durch den Schweiß noch feucht und im Gesicht verschmiert. Er sah blass und mitgenommen aus. Kenshin musste sich anstrengen, um seinen neutralen Gesichtsausdruck zu behalten und erneut den innerlichen Zorn niederzukämpfen.
 

Immerhin war das erste Ziel, das er sich gesetzt hatte, erreicht:nEs war augenscheinlich, dass Yoshida genau wie er Opfer und nicht Mitwirkender in Daisukes schmutziger Intrige war.
 

Yoshida war entlastet.
 

Die einzigen Verräter, die es jemals gegeben hatte, waren Daisuke und Buntaro. Und sie würden heute Nacht beide bezahlen.
 

Warum nur fühlte sich Kenshin trotzdem kaum erleichtert?
 

--
 

Der Raum war annähernd quadratisch und kaum zwei Meter hoch, der Boden mit Steinen gefliest und die Wand getäfelt. Es gab keine Fenster nach außen und einzige Lichtquelle waren ein paar Kerzen, die auf dem Tisch in der Mitte des Raumes standen. Schräg hinter sich erkannte Kenshin die zwei Schwerter von Yoshida, die an dort achtlos an der modrigen Wand lehnten. Ein Grinsen unterdrückend vergewisserte er sich, ob seine Fesseln auch wirklich stramm waren. Sie saßen zwar so fest, dass er bereits ein Kribbeln in den Fingerspitzen fühlte, aber für jemanden, der jahrelang die Torturen von Hikos Entfesselungstraining durchlebt hatte, waren sie nicht mehr als eine lachhafte Aufwärmübung.
 

Ziemlich lebhaft sah sich Kenshin noch dasitzen, genau wie jetzt an einen Stuhl gebunden, ein Loch im Bauch von zwei Tagen Essensentzug und die Augen auf einen Teller voll mit Köstlichkeiten, kaum zwei Meter von ihm entfernt, gerichtet. Nur wegen seines knurrenden Magens hatte sich Kenshin schließlich erstmals dazu durchringen können, sich eigenhändig seinen Daumen am Handgelenk auszurenken und so die Fesseln abzustreifen. Lobende Worte hatte er damals von seinem Shishou trotzdem nicht bekommen.
 

Inzwischen hatten sich alle Männer in dem Kämmerchen versammelt. Schnell schob Kenshin alle Emotionen und Gedanken an Vergangenes beiseite, musterte die abgehalfterten Gestalten und schätzte ihre Stärke ein.
 

Der Mann, der Kenshin begrüßt hatte und dessen Wort als Samurai so viel Wert war wie ein Stück Holz aus der schimmeligen Wandverkleidung war offenbar der Anführer. Er trug, wie alle Anwesenden, an seiner Seite zwei Schwerter.

Neben ihm stand der große, grobschlächtige Mann, die massigen Arme über der Brust verschränkt und lächelte höhnisch auf ihn herab.

Zudem verteilten sich noch drei weitere Samurai in dem Raum, einer so groß, dass er fast die Decke streifte, die anderen zwei relativ normal und unauffällig.

Kenshin war sich innerhalb von Sekunden sicher, dass keiner dieser Männer ihm gefährlich werden konnte, sobald er ein Schwert in den Händen halten würde.
 

Als letztes glitt sein Blick zu Daisuke, der blass und nervös als sechste Person in der Ecke nahe der Treppe nach oben stand und anscheinend versuchte, mit der Wand hinter sich zu verschmelzen. Er wagte es nicht, aufzusehen und Kenshins Blick zu erwidern – seine Angst und Unsicherheit schien fast greifbar.
 

Durch ein lautes „Mmmbmmnnn!“ richtete sich Kenshins Aufmerksamkeit wieder auf Yoshida. Sein Freund sah ihn mit vorwurfsvollen und verzweifelt blickenden Augen an und rüttelte wie wild an seinen Fesseln. Er schien zu ignorieren, dass seine Hand- und Fußgelenke bereits aufgeschürft waren und die Fesseln rot gefärbt hatten.

Kenshin senkte erneut den Kopf. Wie hatte er nur jemals glauben können, das Yoshida ein Verräter war? Er war dankbar, dass er für diese Erkenntnis eigenmächtig die Gefahren einer Gefangennahme auf sich genommen hatte.
 

Außer Yoshidas ersticktem Gemurmel war der Raum jedoch von nichts anderem erfüllt als von drückendem Schweigen. Schließlich trat der kleine, knubbelgesichtige Mann zu Kenshin hin, packte ihn unsanft am Kinn und hob seinen Kopf nach oben, so dass er ihn im Kerzenschein besser erkennen konnte. Kenshin erwiderte mit möglichst ausdruckslosen Augen die musternden Blicke.
 

„Daisuke,“ hallte Shinzos eisige Stimme durch den Kellerraum und Kenshin roch den unangenehmen Mundgeruch des kleinen Mannes, der perfekt zu der modernden Umgebung passte. „Unser Gast hat sich uns unhöflicherweise nicht vorgestellt. Erinnere mich doch bitte noch einmal an seinen Namen.“

„H-Himura,“ kam die Antwort mit zittriger Stimme aus der Ecke.

Der kleine Mann hielt Kenshins Kinn immer noch fest und ließ seinen stechenden Blick nicht von ihm. „Und wie nennt man ihn noch?“

„... B-B-Battousai.“
 

Kenshins Augen weiteten sich leicht vor Überraschung, ohne das er es hätte verhindern können. Der Gnom hatte das sofort bemerkt und ließ den Rotschopf mit einem schneidenden „Aha“ los.
 

„Himura Battousai ist also dein Name?“
 

Kenshin sah ihn immer noch mit großen Augen an, wenn auch die erste Überraschung schon von ihm gewichen war. Battousai? Diesen Namen hatte er noch nie vorher gehört. Nannten ihn die Männer etwa hinter seinem Rücken so? Kenshin dämmerte es, als er sich an sein Battoujutsu-Training im Dojo erinnerte, das die Männer wohl auf diesen respektvollen Namen gebracht haben musste. Es schien schon ewig her zu sein, dass er dort gestanden und voller Eifer sein neues Schwert durch die Luft sausen hatte lassen, doch es war erst vor nicht weniger als einem halben Tag gewesen. Soviel hatte sich an diesem Tag schon ereignet... und es war noch lange nicht vorbei.
 

„Ich habe diese Namen noch nie zuvor gehört,“ konnte Kenshin ehrlich und damit sehr überzeugend antworten.

Der kleine Mann drehte ihm den Rücken zu und verlagerte seinen stechenden Blick nun auf Daisuke, der mit jeder Sekunde sichtlich mehr seine Fassung zu verlieren schien. Nach ein paar Minuten unangenehmen Schweigens begann er wieder zu sprechen, noch leiser und bedrohlicher als zuvor.
 

„Du willst uns also erzählen, Daisuke, dass dieser Junge hier -dieses halbe Kind - ein Hitokiri ist?“ Demonstrativ zeigte er auf Kenshin, und auch wenn seine Stimme nichts verriet, an seiner vor Wut zitternden Hand konnte man deutlich seine Erregung sehen. „Und zwar auch noch der persönliche Hitokiri von Katsura Kogoro? Dass dieser schmächtige KNIRPS den ganzen letzten Monat Leute umgebracht hat, darunter den berühmten YABU SEKURA?“ Die leise Stimme war inzwischen einem schrillen Kreischen gewichen. „Für wie bescheuert hältst du uns eigentlich??!!“
 

Kenshins Augenbraue zuckte trotz aller Beherrschung. Schmächtiger Knirps? Diese Worte würde der kleine Gnom – der übrigens sicherlich kleiner war als er – noch bereuen.

„Ich... ihr dürft ihn nicht unterschätzen!“ schrie auch Daisuke inzwischen verzweifelt. „Schaut ihn euch doch genau an, dann seht ihr...“
 

„Das ist die Mühe nicht wert,“ schnitt ihm der Anführer das Wort ab und zog sein Schwert. Sofort wichen die Männer um ihn herum zurück und begannen voll froher Erwartung zu grinsen. Ihr Chef war ein Experte auf dem Gebiet, mit Tieren zu spielen, die bereits in der Falle saßen.

„Was war dein Plan, Daisuke? Geld für diesen Hänfling zu kassieren, damit abzuhauen und uns als Abschiedsgeschenk noch eine Horde Ishin Shishi auf den Hals zu hetzen? Mich vor den Mimiwarigumi zu blamieren, die ich extra hierher beordert habe?“ Er machte drohend einen Schritt nach vorne.
 

„NEIN, ich schwöre es! Ich sage die Wahrheit!“ flehte Daisuke unter Tränen. „Ich... Ich sage euch alles, was ich weiß. Alles über die Patrioten aus Choshuu. Alles über ihren Anführer Katsura Kogoro. Ihre Stützpunkte. Ihre Verbündeten. Alles was ich weiß!“
 

Shinzo legte den Kopf schief und hielt inne, so als ob er über Daisukes Angebot nachdenken würde. Die Männer lachten. Sie kannten dieses Spiel.
 

Schließlich tat der kleine Mann noch einen Schritt nach vorne. „Das Angebot überzeugt mich nicht. Du hast mein Vertrauen missbraucht, indem du mir hier zwei gewöhnliche Samurai ausgeliefert hast, die zwar zur gegnerischen Seite gehören, aber sonst auch nichts. Wenn ich dich töte und meine Geiseln anschließend foltern lasse, bin ich sicher, dass auch sie mir alles erzählen können, was ich an Informationen hören will.“
 

Endlich vertrieb Wut die lähmende Angst und Daisuke zog ebenfalls sein Schwert. Sofort taten dies auch alle anderen Männer, was sich in dem kleinen Kellerraum schwieriger gestaltete als gedacht, ohne den Nebenmann zu verletzen. Schließlich standen alle Männer mehr oder weniger dicht gedrängt um Daisuke herum und alle Augen - auch die von Yoshida, der sich auf seinem Stuhl reckte, um das Geschehen mitverfolgen zu können - waren auf ihn gerichtet.
 

Fast alle.
 

Kenshin war dankbar, dass alles so lief, wie er sich es vorgestellt hatte. Keiner schien noch von ihm oder Yoshida Notiz zu nehmen und so konnte er unbemerkt, noch einmal im Geiste seinem Shishou für die vielen, grausamen Stunden des Entfesselungstrainings dankend, seine Hände aus den Stricken befreien. Ohne einer sichtbaren Regung in seinem Gesicht und nur mit einem leisen Knacken seines Daumengelenkes, das in dem dumpfen Kellerraum bei all der Diskussion zwischen Daisuke und den Aizu Munashidai komplett unterging, hatte er in Sekundenschnelle die Hände frei.
 

Selbst Yoshida merkte nicht, wie der rothaarige Junge neben ihm geräuschlos vom Stuhl glitt und seine Hand nach den zwei Schwertern ausstreckte, die leichtsinnigerweise hinter ihnen an der Wand stehen gelassen worden waren.
 

--
 

Atemlos beobachtete Yoshida unterdessen die zunehmend eskalierende Situation. Das Blut war ihm in den Adern gefroren, als er merkte, wie aussichtslos die Lage für sie alle war und vor seinem geistigen Auge glitten all die schrecklichen Foltermethoden vorüber, von denen er bisher gehört hatte. Er unterdrückte einen Schrei, als er mitsamt seinem Stuhl plötzlich nach hinten herumgerissen wurde. „Kein Ton,“ hörte er Kenshins weiche Stimme an seinem Ohr und wenige Sekunden später spürte er, wie wieder mit einem schmerzhaften Kribbeln Blut durch seine Füße und Hände strömte. Kenshin hatte seine Fesseln durchschnitten – mit seinem eigenen Wakizashi. Yoshida wagte kaum zu atmen, als Kenshin ihm signalisierte, regungslos am Boden liegen zu bleiben.
 

„Ich... Ich verzichte auch auf meine Bezahlung,“ schrie unterdessen Daisuke, „wenn ihr mich gehen lasst! Wenn nicht, dann kämpfe ich, was für keinen von uns gut ist!“ Mit einem hilflosen Fuchteln seines Schwertes versuchte er seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Shinzos Gesicht verzog sich zu einem schmierigen Grinsen. „In Ordnung,“ nickte er schließlich und befahl seinen Männern, die Schwerter einzustecken. Seine Augenbraue zuckte. „Ich gebe dir mein Wort als Samurai!“
 

Daisuke atmete erleichtert aus, nickte langsam und steckte sein Schwert wieder ein. Das Grinsen Shinzos wurde breiter. „Dennoch,“ fuhr er fort und wandte sich langsam um, „können wir keine der Geiseln – zu deiner und zu unserer Sicherheit – diesen Raum lebend verlassen lassen. Ich bin sicher, auch sie haben uns auch noch einiges zu erzählen, bevor-...“
 

Shinzo gefror mitten in der Drehung als er sah, dass beide Stühle in seinem Rücken leer waren. Der rothaarige Junge, der dort gerade noch gefesselt und mit hängendem Kopf gesessen hatte, stand nun mit zwei Schwertern in der Hand wie eine Statue vor der Wand. Sein Freund kauerte sich neben ihn regungslos auf den Boden.
 

„Was zur Hölle?!“ rief Shinzo erbost. „Genwa, hast du die Fesseln nicht fest genug gebunden?“

„D-Doch,“ versicherte der Koloss mit verblüfftem Gesicht. Sofort wurden mit einem metallischen Klirren wieder alle gerade erst eingesteckten Schwerter gezogen.

„Leg die Waffen weg, Junge,“ trat der lange, dünne Mann, Etsuke, mit einem überheblichen Grinsen vor. „Tu es und wir geben zumindest deinem Freund einen schnellen Tod!“
 

„Ein schneller Tod?“ Die Worte, die von dem rothaarigen Jungen ausgingen, waren kälter wie Eis. „Gerade eben wolltet ihr uns noch foltern. Ich glaube euch kein Wort.“ Kenshin rührte sich immer noch nicht von der Stelle.
 

Etsuke trat einen weiteren Schritt nach vorne. „Glaubst du deine Meinung interessiert hier irgendjemanden?“

Kenshin steckte ruhig die zwei Schwerter in seinen Obi und drehte seinen Oberkörper leicht zur Seite, seine rechte Hand Zentimeter über dem Schwertgriff schwebend.

„Glaubst du, dein Leben interessiert mich?!“ fragte er provozierend, seine Stimme um einiges tiefer als sonst.
 

Das Gesicht des blonden Mannes verzerrte sich vor Wut. „Dafür bezahlst du, vorlauter Bengel!“ Mit einem Schrei stürzte er nach vorne, das Schwert darauf ausgerichtet, Kenshins Brustkorb zu durchbohren.
 

Kalter Stahl glitzerte kurz im Kerzenlicht traf mit einem durchdringenden Klang aufeinander – ein Augenzwinkern später gefolgt von einem Schwall Blut, das in der Stille des Kellerraumes mit entsetzlich lautem Plätschern die Holzwände bespritzte.

Ungläubig starrten Shinzo und seine Kameraden aber auch Yoshida auf den Körper Etsukes, der wie in Zeitlupe leblos in sich zusammen sackte. Sofort bildete sich unter dem zerhauenen Leib eine große Blutlache, die sich auf den feuchten Kellerfliesen schnell ausbreitete.

Mit aufgerissenen Augen beobachtete Yoshida die dunkelrote Flüssigkeit, die sich ihren Weg durch die Fugen der Fliesen bahnte und immer näher auf ihn zu kam.

Er herrschte Totenstille im Raum, unterbrochen nur durch ein leises Tröpfeln – Yoshidas Augen folgten dem Geräusch und sahen, das es das Blut war, das in einem dünnen Rinnsal von Kenshins – von seinem – Schwert tropfte.
 

Kenshin schenkte diesem morbiden Schauspiel keinerlei Beachtung – mit einer fast nebensächlichen Bewegung schüttelte er das Blut von der Klinge und steckte sie schwungvoll wieder in ihre Scheide zurück. Dann stand er abermals bewegungslos da, den Toten zu seinen Füßen keines Blickes würdigend, statt dessen lauernd wie eine Katze, auf die nächste Bewegung seiner Feinde wartend.
 

„Kuso...“ fand Shinzo endlich seine Stimme wieder, riss seinen Blick von seinem toten Kameraden und wich einen Schritt zurück. So einen schnellen Battoujutsu-Schlag hatte er noch nie gesehen.

„Er muss wirklich dieser Battousai sein. Genwa, ihr anderen, tötet ihn, alle auf einmal! Mit einem Schlag kann er euch nicht alle treffen!“
 

Entgeistert schauten die Männer ihren Anführer an. Der Befehl war reiner Selbstmord. Die Aura der kleinen, unheimlichen Gestalt vor ihnen verhieß den sicheren Tod. Doch Shinzo blockierte die Treppe, die Richtung Ausgang führte und auch er hielt drohend sein Schwert in der Hand. „Worauf wartet ihr? LOS!“ schrie er dann, als sich immer noch keiner zu bewegen schien. Endlich lösten sich die Männer aus ihrer Erstarrung und traten auf den Rothaarigen zu.
 

Durch ein Nicken gab Genwa seinen zwei anderen Kameraden zu verstehen, Kenshin von drei Seiten aus zu umkreisen. Langsam drängten sie ihn so an die Wand zurück, hämisch lächelnd, da sie ihn so in der Fall wähnten.
 

Kenshin hatte die Männer schon längst kurz fixiert und anhand ihrer Ken-Ki ihre Schwächen und Stärken ausgemacht. Er spürte, wie er sie alle drei durch seine betont gleichgültige Haltung zu wütenden Emotionen provozierte. Und Schwerthiebe, die emotional ausgeführt wurden, waren so leicht vorauszusagen. Erstklassige Schwertkämpfer, so hatte er es bei Hiko gelernt, zeigten in einem Kampf niemals ihre Gefühle, sei es Angst, Hass oder Mordlust.
 

Mit einem Schrei signalisierte Genwa zum Angriff und alle drei Männer sprangen gleichzeitig auf Kenshin zu. Wie von dem immer noch ruhig dastehenden Jungen vermutet stürzte der drahtige Mann links am schnellsten nach vorne. Er versuchte einen glatten Abwärtsschlag, doch Kenshin glitt an der Kellerwand zur Seite, so dass der auf ihn gerichtete Hieb nur die Holzverkleidung traf und die Klinge darin stecken blieb. Der Angreifer hatte offenbar auch gelernt, sein Schwert niemals loszulassen doch in diesem Fall wurde ihm die ungeschriebene Regel zum Verhängnis. Mit einem schwungvollen Aufwärtsstreich zog Kenshin mit der linken Rückhand das Wakizashi und hieb den ausgestreckten Schwertarm samt Schulter vom Oberkörper. Doch ehe sein Gegner dies realisiert hatte, schickte er mit einem horizontalen Battoujutsu-Schlag seines Katanas den Kopf gleich hinterher.
 

Den waagrechten Schlag führte er weiter, so dass er Genwa, der etwas größer war, quer über die Brust schnitt und schließlich dem Mann rechts von ihm über die Kehle, bevor ihn beide überhaupt mit ihren Angriffsattacken erreichen konnten. Gurgelnd ließ der Mann rechts außen sein Schwert fallen und drückte beide Hände an seine Kehle, aus der das Blut in Strömen seinen Oberkörper hinabfloss. Wenige Sekunden später brach er zusammen.
 

Genza, den der Schlag über die Brust einige Schritte zurückgeworfen hatte, rappelte sich wieder auf, seine Augen voller heißem Zorn. Wie in Raserei brüllte er mit seiner tiefen Stimme, während er versuchte, mit roher Gewalt und Kraft alleine Kenshin entzwei zu hauen. Kenshin blockierte mit Mühe den sehr wuchtigen Schlag von oben während er im gleichen Moment das Wakizashi nach vorne schnellen ließ und es Genwa ins Herz rammte. Ungläubig taumelte der Koloss zurück, starrte auf die Klinge in seiner Brust und brach schließlich, als Kenshin sie mit einer ruckartigen Drehung herauszog, tot zusammen.
 

Mit einem schwungvollen Chiburi schüttelte Kenshin das Blut von beiden Klingen ab. Dann, während er das Wakizashi langsam einsteckte, wandte er seinen durchdringenden Blick Shinzo zu.
 

„Daisuke, du hattest recht,“ knirschte der kleine Mann mit den Zähnen und wich vor Kenshin zurück. „Wir haben ihn unterschätzt. Du bist wirklich Battousai.“
 

„Daisuke wird nicht antworten,“ meinte Kenshin kalt und Shinzo sah sich entsetzt um. Der Verräter war verschwunden.

„Er hat die Chance gerade eben zur Flucht genutzt,“ erklärte Kenshin.

„Diese Ratte,“ knurrte Shinzo und wich nun ebenfalls Richtung Treppe zurück, der einzige Fluchtweg aus den Kellerräumen.
 

Shinzo wusste, dass er dem Hitokiri, der da vor ihm so gelassen zwischen den Körpern seiner vier gerade eben noch lebendig gewesenen Kameraden stand, nicht eine Sekunde den Rücken zukehren konnte. Er wusste aber auch, dass er in einem direkten Kampf keine Minute überleben würde. Er war zwar ein guter Schwertkämpfer, aber die Schnelligkeit, die er gerade eben gesehen hatte, war ein Level zu hoch für ihn. Seine einzige Möglichkeit, zu überleben, bestand darin, Zeit zu schinden und zu hoffen, das Hioshi und seine Mannen jeden Moment eintreffen würden.
 

„Warum bist du gekommen?“ sprach er den rothaarigen Jungen an.

Dieser schaute ihn nur mit ausdruckslosem Gesicht an und erwiderte nichts. Langsam trat er einen Schritt nach vorne.
 

„Verdammt,“ betete Shinzo, „Hioshi, beeil dich!“

Er versuchte weiter, Kenshin in ein Gespräch zu verwickeln. „Du bist der erste Hitokiri, von dem ich höre, dass er kommt, um seinen Freund zu retten. Genaugenommen wusste ich gar nicht, das Hitokiri Freunde haben.“
 

Yoshida, der all die Geschehnisse atemlos und voller schrecklicher Faszination beobachtet hatte, schluckte, als ihm bewusst wurde, dass ohne sein unvorsichtiges Handeln das Desaster heute Abend vermieden hätte werden können. Gebannt sah er zwischen Shinzo und Kenshin hin und her. Kenshins Augen glitzerten unheilvoll, im Kerzenschein fast katzenartig gelb. Yoshida fröstelte, denn er wusste, das es noch nicht vorbei war. Kenshins Schwert und noch mehr Kenshin selbst pulsierten eine Aura, die noch mehr Blutvergießen prophezeite.
 

Kenshins Augen verschmälerten sich. Gerade wollte er nach vorne springen, um das Gespräch zu beenden, als er spürte, wie sich weitere Kämpfer dem Haus näherten. Er überlegte kurz, zu warten, bis sie den Kellerraum erreicht hätten, aber entschied sich dann dagegen, da es ziemlich viele zu sein schienen und mit so vielen Waffen in dem kleinen Raum vielleicht auch Yoshida verletzt werden könnte. Außerdem war der sowieso schon glitschige Boden durch das viele Blut nur noch rutschiger geworden.
 

Statt dessen stürmte er nach vorne und tötete, noch ehe Shinzo sein Schwert abwehrend heben konnte, den Mann mit einem Battoujutsu-Streich. In hohem Bogen flog der knubbelige Kopf durch den Kellerraum und kam schließlich mit einem ekelerregenden Plumpsen nicht weit von Yoshida entfernt zum Liegen.

Yoshida starrte voller Entsetzen in die noch aufgerissen Augen seines Kidnappers und er meinte, gerade noch den letzten Lebensfunken darin sterben zu sehen. Würgend rappelte er sich auf und taumelte zurück, die Augen vor dem Entsetzen verschließend. Seine Füße rutschten über den glitschigen Fußboden, Yoshida stolperte, doch selbst im Fallen weigerte er sich, die Augen zu öffnen. Er wollte diesen Alptraum nicht mehr ansehen müssen. Er wollte nur noch irgendwo aufwachen und feststellen, das alles nur ein böser Traum war.
 

Yoshida spürte eine warme Flüssigkeit an seinen Händen, als er sich abfangen wollte.

„Raus,“ keuchte er. „Ich muss hier raus.“ Er zwang sich mit aller Macht, die Augen wieder zu öffnen. Vor ihm stand Kenshin mit einem schrecklichen Gesicht – die Lippen ein Strich, die Augen verengt, ein Blutspritzer quer über der rechten Wange.

„Bleib unten,“ befahl er Yoshida über die Schulter hinweg und rannte dann die Holztreppe hoch. „Warte, bis ich dich hole.“ Der Ton seiner Stimme war eisig und ließ keinerlei Widerspruch zu.
 

„Unten?!“ flüsterte Yoshida fassungslos, als sein rothaariger Zimmergenosse schon längst verschwunden war. Er starrte auf die Holztreppe wie auf einen Rettungsanker. Oben im Haus hörte er Fußgetrappel. Waren das die Männer Hioshis, von denen Shinzo gesprochen hatte?

Doch er wagte es nicht, sich von der Stelle zu rühren.

Warten, hatte ihm Himura befohlen. Er schloss erneut die Augen, um nicht das Blutbad um ihn herum sehen zu müssen, doch der modrig-metallische Geruch allein war schon mehr, als er zu ertragen glaubte.
 

--
 

Kenshin verschwendete keinen Gedanken mehr an die fünf Männer, die er gerade eben getötet hatte. Kaum hatte er die Holztreppe erklommen, da hatten acht weitere Schwertkämpfer hintereinander den langen, dunklen Flur betreten. Regungslos verharrte er hinter der Biegung des Ganges, in der auch Yoshida niedergeschlagen worden war – ein idealer Platz für einen Hinterhalt. Doch es gab keine andere Möglichkeit. Er hatte noch nie mit so vielen Gegnern gleichzeitig kämpfen müssen, schon gar nicht im Inneren eines Hauses – dort war es für seinen Schwertstil besonders schwer, auf viele Nah-Angriffe gleichzeitig zu reagieren. Doch die Situation hier würde keine solche Herausforderung sein: Es war dunkel und die Männer kamen im Gänsemarsch auf ihm zu. „Deine Beute wird dir Häppchenweise serviert,“ lächelte kalt eine Stimme in seinem Kopf und Kenshin rann ein eiskalter Schauer über den Rücken, als es ihm nicht gelang, das kalte Lachen abzuschütteln.
 

„Shimatta,“ hörte er die Männer beim Näherkommen fluchen, „hätte der verdammte Shinzo nicht wenigstens Mal ein Licht hier reinstellen können? Man sieht ja Hand vor Augen nicht.“
 

Kenshin, der wie eine Katze im Dunkeln sehen konnte, wartete, bis sich der erste Mann um die Biegung tastete und stieß ihm sein Schwert durch die Kehle. Lautlos brach er zusammen. Der zweite Mann folgte und auch ihn ereilte das selbe Schicksal. Doch der dritte Mann hatte das verdächtige Gurgel-Geräusch gehört und das schwache Blinken des Schwertes im Dunkeln gesehen.
 

„Ein Hinterhalt!“ schrie er panisch. „Raus, zurück auf die Strasse!“ Doch eher er selbst zurückweichen konnte, hatte Kenshin ihn beim Vorbeirennen wie einen Baum gefällt, bevor er die zwei nächsten Männer, die, ihm den Rücken kehrend, bereits fast das Ende des Flures erreicht hatten, mit einem kräftigen Battoujutsu-Schlag von hinten erledigte.
 

Blutbespritzt hastete er hinter den drei noch verbliebenen Mimiwarigumi-Kämpfern her, die schon auf der Strasse angelangt waren und ihn dort im blassen Mondschein erwarteten.

„Hitokiri!“ Ihre Augen sprühten vor Wut aber auch vor Angst, als sie Kenshin sahen, der wie ein Rachedämon über und über mit Blut bedeckt und noch dazu mit roten Haaren langsam aus dem dunklen Hauseingang trat. Kenshin lächelte kalt in sich hinein, als er sah, wie die Männer sich trotz ihrer Angst zum Kampf stellten – die Mimiwarigumi war eine Kämpfereinheit von Ehre und nie würden sie vor einem Feind fliehen. „Gut,“ freute sich die kalte Stimme in ihm. Das würde ihm die Arbeit ersparen, sie zu verfolgen und einzeln töten zu müssen.
 

„Ergebt euch,“ zischte er kaum hörbar und seine Augen glühten seltsam bernsteinfarben. Als Antwort, und das hatte er schon geahnt, stürmten die letzten drei Männer auf ihn zu.
 

Sie waren bessere Schwertkämpfer als die Männer der Aizu Munashidai, die er in nicht einmal fünf Sekunden ausgelöscht hatte. Der Eine versuchte, Kenshin durch ein waagrechtes Vorstoßen seines Schwertes aufzuspießen – der Hirazuki-Schlag, von dem Kenshin schon gehört hatte, allerdings im Zusammenhang mit den Shinsengumi. Der andere Kämpfer sank derweil in die Knie hinab und zielte mit einem Streich auf Kenshins Beine. Der Dritte verharrte abwartend mit erhobenem Schwert in Angriffsstellung, darauf wartend, eine offene Stelle in Kenshins Verteidigung zu entdecken und dann blitzschnell zuzuschlagen.
 

Im Freien, ohne die Beschränkung eines Daches über sich, beschloss Kenshin, die Sache schnell zu beenden und den Drachen Mitsurugis zu entfesseln. Schneller als der Blitz sprang er nach oben und während die Männer noch ins Leere schlugen und zu begreifen versuchten, wohin ihr Gegner verschwunden war, stieß er wie ein Raubvogel aus der Luft auf sie herab. Die ersten zwei fielen unter dem gewaltigen Ryu Tsui Sen zerteilt zu Boden und der letzte noch verbliebene Soldat der Mimiwarigumi-Truppe verlor seinen Kopf durch einen zackigen Ryu Shou Sen-Schlag.
 

Ohne einen weiteren Blick auf die zu seinen Füßen verteilten Körper schüttelte Kenshin schnell das Blut von seinem Schwert, steckte es ein und eilte in den Keller zurück, wo Yoshida alleine und totenblass zwischen den Leichen auf dem blutigen Fußboden auf ihn wartete. Zitternd ließ er sich von Kenshin widerstandslos die Treppe hinauf und durch den Gang führen.
 

Yoshida roch das Blut, das sich mit dem Gestank von Abfall und Fäulnis vermischt hatte und er konnte sich nicht länger beherrschen, sondern erbrach sich in dem dunklen Flur, als er bemerkt hatte, das die weichen Hindernisse, über die er hatte hinwegsteigen müssen, kein Müll sondern Menschen waren.

Mit tränenden Augen wurde er jedoch Sekunden später von Kenshin weitergezogen und er stolperte hinter ihm her in die frische Luft der Nacht.
 

Dort sah er erneut, und diesmal in der ganzen hellen Pracht des Mondlichts, wozu sein rothaariger Zimmergenosse wirklich fähig war.

Nun fanden auch die letzten Essensreste in ihm ihren Weg auf den blutüberströmten Straßenbelag.
 

--
 

Mit tränenden Augen sah Yoshida immer noch all das Gemetzel vor sich, bis er feststellte, dass sie inzwischen das sumpfige Stadtrandgebiet erreicht hatten, von zerhauenen Körpern am Boden war keine Spur mehr zu sehen. Aber es roch immer noch nach Blut. Mit erneut Brechreiz in ihm auslösendem Ekel sah Yoshida die Blutspritzer auf seinen Hakama. Er ließ seinen Blick zur Seite schweifen. Neben ihm stand Kenshin gebeugt über einen Kanal und wusch sich das Gesicht.
 

Er sah schrecklich aus. Seine Kleidung triefte förmlich von dunkelroter Flüssigkeit. Yoshida zuckte zurück.

Langsam hob Kenshin seine Augen und sah ihn ruhig an. Sie waren nicht mehr bernsteinfarben, wie sie im Keller gewirkt hatten – jetzt waren sie wieder eisblau und stumpf. Nicht einmal das Mondlicht schien sich in ihnen zu spiegeln, statt dessen blickten sie ihn matt und resigniert an.
 

„Geh über die Brücke und folge dem Kanal,“ brach Kenshin schließlich mit leiser Stimme die drückende Stille, während er sich nun hastig das Blut auch von den Händen und Armschützern wusch. „Nach einigen hundert Metern geht ein Weg zum Iamatsu-Schrein den Berghang hinauf. Neben dem Schrein ist ein Wäldchen. Warte dort auf mich. Geh nicht ohne mich zurück zur Herberge! Dort denkt man, du bist ebenfalls ein Verräter.“ Er trocknete seine Hände an seinem Gi ab und zog das Wakizashi aus seinem Obi. „Hier. Damit kannst du dich notfalls verteidigen.“
 

„Warum bist du gekommen?“ flüsterte Yoshida ohne den Blick von den Blutspritzern auf Kenshins Gi und Hakama abwenden zu können, während er das Kurzschwert mit bebenden Händen entgegen nahm.
 

Kenshin sah nicht auf. „Izuka gab mir den Auftrag, euch zu finden.“

Yoshida starrte ihn an. „Zu finden? Das ist alles? Und dann?“

Die Worte blieben einige Sekunden in der Luft hängen, und Kenshin machte keinerlei Anstalten, auf die Frage zu antworten. Das war auch nicht nötig.
 

Yoshida schluckte. „Du solltest uns töten,“ stellte er mit dünner Stimme fest. „Und warum hast du es nicht gleich getan? Warum hast du dich erst gefangen nehmen lassen? Du hättest gleich reinstürmen können und...“

„...ich wollte das Risiko nicht eingehen, dass man dich verletzt,“ unterbrach ihn Kenshin. „Es war waghalsig, aber ich musste wissen, ob du zu den Verrätern gehörst oder nicht. Daher musste ich mich erst gefangen nehmen lassen.“
 

Jetzt starrte Yoshida auf den Boden.

„Hast du wirklich geglaubt, ich verrate dich?“ Seine Stimme war leise, aber nicht vorwurfsvoll.
 

Kenshin streifte seine nassen Hände an seinen Hakama ab.

„Ich bin ein Hitokiri,“ stellte er leise mit einer betont ruhigen und emotionslosen Stimme fest. „Freundschaft ist eine Schwäche, die ausgenutzt wird. Das habe ich dir schon mal gesagt.“
 

„Offensichtlich.“ Yoshida spürte die Bitterkeit wie einen dicken Klos in seinem Hals. Er trat einen Schritt auf seinen Freund zu. „Es tut mir leid, Kenshin. Ich habe es heute Nachmittag noch nicht verstanden. Aber jetzt weiß ich warum...“

Er sah, wie sich die Hände seines Rothaarigen Freundes zu Fäusten ballten, die Fingerknöchel weiß. „Ich kann niemandem vertrauen,“ stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und die Resignation in seiner Stimme war jetzt nicht mehr zu überhören.

„Verstehst du, Yoshida?“ Endlich sah Kenshin zu ihm auf. „Auch wenn ich es möchte - Ich kann nicht...“
 

Und Yoshida sah einen kurzen Moment lang tiefe Traurigkeit in den blauen Augen.
 

Er begriff: Freundschaft und Vertrauen waren wirklich eine Schwäche. Eine Schwäche, die sich ein Hitokiri nicht erlauben konnte. Aber nicht für sich selbst. Sondern für die Menschen, die ihm wichtig waren. Die gegen ihn benutzt und dabei ins Unglück gestürzt würden. Wie er selbst.
 

Kenshins Gesicht gefror wieder zu einer steinernen Maske und er drehte sich um.

„Wohin gehst du jetzt?“ fragte Yosida leise.

„Daisuke,“ antwortete Kenshin knapp, seine gerade noch weiche Stimme wieder ausdruckslos und kalt.

Fröstelnd ließ Yoshida seinen Blick vom Rücken seines einstigen Freundes zum gluckernden Kanal schweifen. Das Mondlicht spiegelte sich glitzernd in den kräuselnden Wellen als ob nichts geschehen wäre. „Wirst du ihn... töten?“
 

Yoshida hörte, wie Kenshin einen Moment still stand. Als er aufsah, war der Hitokiri in der Dunkelheit verschwunden. Zurückgelassen starrte Yoshida wieder auf das bläulich im Mondlicht schimmernde Kanalwasser. Es erinnerte ihn an die matten und traurigen Augen seines Freundes.
 

Besser, als es Worte jemals zu sagen vermocht hätten, reflektierten diese Augen für Yoshida wie ein Spiegel das Scheitern ihrer Freundschaft.
 

--
 

Anmerkungen: Wahnsinn, und der Tag dauert schon seit Kapitel 11 ... seid ihr noch bei mir? Kann man der Story noch folgen? Ich verspreche, im nächsten Kapitel den Handlungsbogen um Daisuke, Yoshida und Buntaro endlich zu Ende zu bringen... leider wird es wohl kein so gutes Ende sein... hehehe (unheilvolles Gelächter). Übringens ist das Ende der FF auch langsam in Sicht... als Mutmachung für alle, die sich durch die vielen Kapitel gekämpft oder gequält haben ^^ ich hoffe, ich bin nicht zu langatmig...?
 

Worterklärungen:
 

Kuso – Verdammt!

Chiburi – Die Schwertbewegung am Ende der Kata bzw. des Kampfes, mit der das Blut von der Klinge geschüttelt wird.

Aizu-Munashidai - Von mir frei erfundener Clan aus Aizu. Mitglieder u.a. Shinzo (Anführer), Genwa, Etsuke...

Shinsakusen-Gasse - Erfundene Strasse in Kyoto.

Mimiwarigumi – Dem Bakufu unterstehende Kämpfereinheit, die zusammen mit den Shinsengumi für Recht und Ordnung in den Strassen Kyotos sorgen sollte.

Hiko Seijuro XIII – Kenshins Meister bzw. Shishou.

Choshuu Ishin Shishi – besonders aggressive Vereinigung von Samurai aus der Provinz Choshuu, die gegen das Shogunat eingestellt waren. Versuchten, durch einzelne, terroristische Aktionen die Ordnung der Regierung weiter zu destabilisieren und dadurch dem Kaiser zur Macht zu verhelfen.

Katsura Kogoro – Anführer der Choshuu Ishin Shishi



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2008-12-01T23:20:35+00:00 02.12.2008 00:20
So, ich wollte eig zu dem Kapitel schon letztens einen Kommmentar schreiben, aber dann hatte Mexx plötzlich ne Macke und dann hab ich erstmal en Weile nich dran gedacht ^^^.
Aber heut Abend werd ich die restlichen Kapitel wohl mal fertig lesen.
*sich grad mal das Kappi in Erinnerung rufen muss*
Ahja, hm muss echt ein komisches Gefühl für Yoshida gewesen sein, immerhin kannte er zuvor dieses Gesicht an unserem Battosai nicht (blöde Frage, mit was wird eigentlich battosai übersetzt? das hab ich zu meiner Schande iwie noch nich herausgefunden *peinlich berührt desu)
Auf jedenfall sehr spannend und actionreich ^^ und ich freue ich voller Enthusiasmus auf die nächsten Kapitel ^^.
Von:  Sarai-san
2008-04-29T23:23:34+00:00 30.04.2008 01:23
Yoshida tut mir leid, da musste er hautnah miterleben, zu was sein Freund fähig ist. Er gehört eher zu der gutherzigen, treuen Sorte Mensch. Gegen Ende hat er aber erkannt, dass das mit der Freundschaft nicht so weitergehen kann.
Kenshin wirkt immer shizophrener mit der zweiten Stimme, aber ich denke, das ist wirklich so ähnlich bei ihm. Die Nacht hat bestimmt wieder einige Nachwirkungen für ihn. Aber zuerst hat er ja noch eine Aufgabe zu erledigen.
Ich warte mit Spannung auf die Fortsetzung.

Bye
Sarai
Von:  Hitokiri_Battousai
2008-04-29T21:41:46+00:00 29.04.2008 23:41
also das ist mit abstand die beste kenshin ff die ich bis jetzt gelesen habe, wenn ich das mal so sagen darf!
es liest sich flüssig wie ein buch und ist auch gut verständlich!
bin schon gespannt wie es weiter geht!^^




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