Glamour ☆ Fashion von Kiru (Wie weit sollte ein Mensch für seinen Ruhm gehen? vs. Wie weit darf ein Mensch für seinen Erfolg gehen?) ================================================================================ Fashion #2 ---------- Rating: PG-13 A/N: OMG ist das Kapitel lang o_o das nächste wird kürzer, versprochen >.> ich hab hier vieles nicht reingebracht, was ich eigentlich reinbringen wollte, das tut mir leid, aber gegen ende wollte ich nur endlich zur sache kommen XD verzeih mir ._. Disclaimer: LAKE TAJO gehört nicht mir, und ich weiß auch nicht, ob er so ist, wie ich ihn dargestellt habe, ich weiß nicht mal, ob es ein Er ist xD und rienda gehört auch nicht mir und ist eine Modemarke (glaub ich ^^;; ) POV: Gara ~★~☆~★~☆~★~ „Kioko solltest du unbedingt mal kennen lernen, die ist sooo süß, das kannst du dir nicht vorstellen, und dann lächelt sie immer so niedlich... ich schwöre dir, da schmilzt du dahin!“ Ich seufzte verträumt. Yuu musste grinsen. „Mal ganz ehrlich, warum kommst du mir eigentlich jeden Monat mit einer Neuen an?“, wollte er wissen. „Ha? Gar nicht!“, protestierte ich. „Doch, vor einem Monat war es noch Miko, davor Shiira... und jetzt diese Kioko, wer auch immer das ist.“ Belustigt schüttelte er den Kopf. „Kioko ist meine Sekretärin, das ist ja das Beste!“, strahlte ich. Er musste lachen. „Das heißt, du siehst sie wirklich jeden Tag und musst ihr nicht wie Miko auflauern und sie hinterrücks überfallen?“ Ich grinste breit. „He, das hab ich nie gemacht! Zumindest nicht... so.“ „Aber dass sie dir schon nach einem halben Jahr eine eigene Sekretärin zur Verfügung stellen...“ „Hätten sie schon viel früher machen sollen“, beschwerte ich mich. „Ich bin mit meinen ganzen Terminen nicht mehr klargekommen, irgendwann hätte ich gleichzeitig bei einem Shooting, bei Yasu und bei diesem einen Werbespot sein sollen. Schlimm war das... Aber egal. Jetzt hab ich eine, und sie ist noch süßer als Honig...“ „Was ist eigentlich aus Shiira geworden?“, wollte er neugierig wissen. „Shiira?“ Ich legte den Kopf schief. „Ich hör gar nichts mehr von ihr... ist aber wahrscheinlich auch besser so. Ich meine, sie ist hübsch – natürlich – und sympathisch und das alles, aber... Ich weiß nicht. Ihr fehlte was.“ „Das gewisse Etwas? Schade, ich fand sie nett. Aber anscheinend wirst du ja jetzt ziemlich anspruchsvoll.“ Er knuffte mich in die Seite. „Solange du es dir leisten kannst...“ Ich grinste nur zurück. „Kann ich, mach dir da mal keine Sorgen. Gibt es bei dir in der Hinsicht irgendwas Neues?“ Ich sah ihn an. Yuu zuckte mit den Schultern. „Eigentlich nicht.“ ~☆~ Als ich das Büro betrat, war die Tür zwischen meinem Zimmer und Kiritos offen – das hieß, dass irgendwer für mich angerufen oder er eine Nachricht für mich hatte. Also ging ich sofort zu ihm. „Morgen. Was gibt’s?“ Er lächelte, obwohl er versuchte, es zu unterdrücken. „Der Boss will dich sprechen“, meinte er und hob vielsagend die Augenbrauen. Ich, skeptisch wie ich war, zog nur eine hoch. „Weshalb denn?“ „Das weiß ICH doch nicht“, erwiderte er und betrachtete, jetzt schon fast grinsend, seine Fingernägel, sodass ich GENAU wusste, dass er log. „Komm schon“, bat ich und setzte die Waffe ein, die ich in den letzten sechs Monaten perfektioniert hatte – meinen treudoofen und unwiderstehlichen Hundeblick. „Bitte, Kirito...“ Er grinste nur noch breiter. „Ich geb dir einen Tipp – vier Silben.“ „Vier... Moment mal.“ Ich runzelte die Stirn. „Nicht...“ Kirito nickte langsam. „WAS?!“ „Sechs Monate – du bist echt ein Überflieger“, bemerkte er, nicht ohne Stolz in der Stimme. „Hachi Peーji?“, murmelte ich. Er nickte wieder grinsend. „Nicht ehrlich, oder? Nicht wirklich...“ „Und ob.“ Er hob anerkennend die Augenbrauen. „Bis jetzt hat das nur einer geschafft.“ „Wer...?“ „Sitzt vor dir.“ Ich blinzelte einmal. Kirito grinste breit. „Obwohl ich einen halben Monat weniger gebraucht habe. Und jetzt schlage ich vor, dass du sofort zu ihm verschwindest, er wird ungehalten, wenn man ihn warten lässt.“ Er nickte in Richtung Tür. Sprachlos wandte ich mich ab und stapfte los. Ich war schon einige Male in Kiyoharus Büro gewesen, aber da hatte ich ihn nur abholen wollen. Es war nie etwas Ernstes gewesen – und jetzt WAR es etwas Ernstes, und ich hatte immer noch nicht verdaut, dass ich berühmt werden würde. Denn das würde ich mit den acht Seiten. Definitiv. Und dann würde ich auf der Straße erkannt, ich würde im Fernsehen auftreten... Oh Gott, ich würde im FERNSEHEN auftreten! Hm... wenn ich so darüber nachdachte, dann würden ganz bestimmt irgendwelche Ex-Freundinnen von mir mich wiedererkennen und sich furchtbare Vorwürfe machen, dass sie mich wegen nichts und wieder nichts verlassen hatten. Und dann würden sie wieder angekrochen kommen und ich könnte ihnen die kalte Schulter zeigen. ...Oh, das wäre mies. Was WÄRE das mies. ... Aber schön... Als ich an Kiyoharus Tür klopfte, verstummte die Stimme, die vorher aus dem Raum nach außen gedrungen war, abrupt und Kiyoharu rief ‚Herein!’. Zögernd öffnete ich die Tür und wäre beinahe wieder umgedreht. Nicht wegen Kiyoharu, der lächelte mich an und bat mich, mich zu setzen, aber wegen Hyde. Er saß neben Kiyo und schien noch nicht begriffen zu haben, dass man Menschen durch Blicke nicht töten konnte. Ich war ihm in den letzten Monaten noch ein paar Mal begegnet, wobei mir folgende Veränderung aufgefallen war: Je länger ich bei GLAMOUR ☆ FASHION war, desto feindlicher schien mir der Redakteur gesinnt. Warum auch immer – ich hatte ihm nichts getan. Aber von Kirito hatte ich gehört, dass Hyde wohl gegen viele Models einen Groll hegte – Jui war das beste Beispiel dafür, Hakuei und Rose offenbar auch. Und Kirito selbst. Niemand wusste, warum. Manche vermuteten, dass er eifersüchtig auf sie war, weil sie so viel mit Kiyoharu zu tun hatten, andere sagten, dass er neidisch war und selbst gerne Model wäre, wieder andere meinten, dass er jeden nicht leiden konnte, der hübscher war als er selbst. Wobei ‚hübsch’ natürlich relativ war. „Warum bist du hier, wenn du mir nicht zuhörst?“ Ich schrak hoch und entschuldigte mich sofort bei Kiyoharu. Er lächelte amüsiert. „Keine Sorge, du bist nicht der erste, dem es so geht – ich hab es schon mal erlebt, dass sich jemand neben den Stuhl gesetzt hat vor Aufregung. Aber dazu gibt es keinen Grund. Ich möchte mit dir erst einmal allgemein über die Hachi Peーji reden. Was das ist, weißt du ja schon, aber du solltest dir über die Folgen im Klaren sein, ansonsten kann es böse ausgehen.“ Er sah mich ernst an, während Hyde ihn offenbar beobachtete. Er wirkte gelangweilt. War wahrscheinlich nicht das erste Mal, dass er so was mitmachte. (Und da zeigte sich wieder ein Unterschied zu Kiyoharu – der gab einem nicht das Gefühl, dass man ihn langweilte.) „Die einzige Folge wäre doch, dass ich berühmt werde, oder?“, meinte ich. Da sah Hyde mich an und musste grinsen. „Klar, aber weißt du auch, was das heißt?“ „Uhm... im Fernsehen auftreten, Aufträge nachgeworfen bekommen, auf der Straße erkannt werden-“ „-keine Privatsphäre haben, jeden Moment abstürzen können, immer perfekt sein müssen und starke Kritik annehmen können“, beendete der feminine Zwerg meinen Satz. „Versteh mich nicht falsch, ich will es dir nicht ausreden“, schaltete Kiyoharu sich wieder ein, „Ich will nur, dass du weißt, was auf dich zukommt. Wenn du erst einmal richtig berühmt bist, dann bleibst du es für mindestens zehn Jahre. In dieser Zeit darfst du, wenn du in der Öffentlichkeit bist, nichts tun, was deiner Karriere schaden könnte. Du darfst nichts Peinliches tun, dich als irgendwie abnormal outen, du musst immer höflich und zuvorkommend bleiben.“ „Es sei denn, du bist so berühmt wie Hakuei, dann steht es dir zu, alle Leute wie Dreck zu behandeln“, murmelte Hyde leise und verdrehte die Augen. Schien wohl schlechte Erfahrungen mit dem Betreffenden zu haben. Kiyoharu warf ihm einen Seitenblick zu, aus dem deutlich ‚Halt die Klappe’ sprach. Ich musste mich zusammenreißen, nicht zu grinsen. „Wenn du im Fernsehen auftrittst, ist immer das Problem, dass du sofort reagieren musst und keine Zeit hast, über irgendwelche Fragen großartig nachzudenken. Du kannst dich auch nicht darauf vorbereiten. Deshalb kommt im Fernsehen erst deine richtige Persönlichkeit ans Tageslicht – und selbst wenn du klasse aussiehst, wenn du ein Idiot bist, bist du bei vielen direkt unten durch. Du darfst am Anfang so gut wie keine Schwächen zeigen, sonst stürzen sich alle Leute wie irre darauf und machen dich damit fertig. Später, wenn du beliebter bist, kannst du dir so was eher erlauben.“ „Apropos Kritik – mach dich jetzt schon mal darauf gefasst, dass du unter Umständen als... wie war der genaue Wortlaut?“, fragte Hyde und sah seinen Sitznachbarn an. Der überlegte kurz. „‚Hirnverbrannte, depressive und schwanzorientierte Schwuchtel’?“, schlug Kiyoharu vor. Hyde nickte. „So was in der Art.“ Er sah mich wieder an. „So wirst du unter Umständen auch abgestempelt.“ „Damit hätte ich, glaube ich, kein allzu großes Problem“, bemerkte ich. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „Nein, klar, so nennen dich auch nur die Käseblätter oder ein paar gehässige Internetbenutzer, aber wenn du von den seriösen Medien fertig gemacht, sachlich kritisiert und Stück für Stück auseinander genommen wirst, DANN kriegst du ein Problem.“ Ich schwieg und kaute auf meiner Unterlippe herum. „Was ich sagen will“, meldete Kiyoharu sich wieder zu Wort, „ist, dass du es dir gründlich überlegen solltest, ob du die acht Seiten ernsthaft haben willst. Du würdest sie kriegen, das wurde schon von Miya und uns beiden abgesegnet, aber fest steht es noch nicht – du kannst immer noch nein sagen. Es ist ein großer Schritt, und du kriegst so viel Zeit, wie du brauchst. Wenn du noch irgendwelche Fragen hast, kannst du dich gerne an uns wenden.“ (Hyde sah nicht sonderlich begeistert aus. ...Keine Angst, an dich würde ich mich auch nicht wenden wollen...) „Was genau... steht eigentlich alles auf den acht Seiten?“, wollte ich zögernd wissen. „Das ist ja gerade der Witz dabei.“ Kiyoharu lächelte. „Das kannst du selbst entscheiden. Was auf jeden Fall dabei sein MUSS, sind Bilder von dir, mindestens ein Interview, ein paar Daten über dich – wobei du hier auch auswählen kannst, was letztendlich dastehen soll – und das war es. In was für einem Verhältnis das alles zueinander steht, welche und wie viele Bilder abgedruckt werden, die Textfarbe und so weiter und so fort – das alles ist deine Entscheidung. Beraten lassen kannst du dich natürlich von jedem, aber wenn du sagst, dass du mit irgendetwas nicht einverstanden bist, dann wird es auch nicht gemacht. Es sind schließlich DEINE acht Seiten, und du kannst aus ihnen machen, was du willst.“ Hm. Klang vielversprechend. Ich nickte nachdenklich. „Okay... nur noch eine Frage – warum erzählt ihr mir hier die ganze Zeit was von wegen dass mich die Medien fertig machen könnten, wenn mich doch die Hachi Peーji berühmt und beliebt machen sollen?“ Fragend blickte ich von Kiyoharu zu Hyde und wieder zurück. Beide schwiegen einen Moment und warfen sich einen Blick zu. Da wusste ich, dass ich einen Volltreffer gelandet hatte, konnte mich aber noch nicht entscheiden, ob ich das gut oder schlecht finden sollte. „Gute Frage“, gab Kiyoharu dann zu und lächelte leicht. „Gut, ich gebe zu, das Bild der Hachi Peーji, das ich dir vermittelt habe, stimmt nicht so ganz mit der Wirklichkeit überein. Es kann durchaus passieren, dass die Öffentlichkeit deine acht Seiten nicht so gut wie gehofft aufnimmt, dann wirst du einmal auseinander genommen, unsere Auflagen gehen zurück und wir kriegen unendlich viele Protestmails. Aber der Regelfall ist das nicht, also mach dir da bitte keinen Kopf.“ „Wie oft passiert das denn?“, bohrte ich weiter und ignorierte Hydes unamüsierten Blick. „Selten genug“, nickte Kiyoharu als Antwort. „Du brauchst dir da keine Sorgen zu machen, die Öffentlichkeit wird dich lieben.“ „Das hast du bei Kyo auch gesagt“, warf Hyde ein. „Mein Fehler“, räumte Kiyo ein. „Er war ZU extravagant. Obwohl – auch nicht mehr als Hakuei. Ich weiß nicht, warum er nicht aufgenommen wurde.“ „Vielleicht, weil er einen Schatten hatte?!“ Hyde klang bereits ein wenig gereizt und ich fragte mich, ob er wohl immer mit dem falschen Fuß aufstand. „Wie auch immer... Gara, hör zu. Du kannst ausführlich über unser Angebot nachdenken, und wenn du dich entschieden hast, sag einfach Bescheid. Meinetwegen hol dir noch ein paar andere Meinungen ein, aber ich möchte wirklich, dass du darüber nachdenkst, ob es für DICH persönlich in Ordnung ist, schließlich geht es hier um dich. Ja?“ Ich nickte und konnte Kiyoharus Lächeln erwidern. „Okay. Danke. Wirklich, vielen Dank.“ ~☆~ „Yasuuuuuuu...“ Ich stöhnte leise auf und ließ mich neben den Schwarzhaarigen auf das Sofa fallen. „Ich kann nicht mehr, so ein Massenshooting mach ich nicht noch mal, definitiv nicht...“ „Ich hab dich gewarnt.“ Er schenkte mir ein Lächeln. „Und es hätte dir doch klar sein müssen, dass erst jeder einzeln dran ist und dann noch mal alle zusammen fotografiert werden, und dass das natürlich Zeit braucht... Ich glaube, du ruinierst gerade deine Frisur. Zumindest der Gestik der Frau da vorne nach zu urteilen.“ „Weißt du, WIE egal mir das ist?“, seufzte ich und lehnte meinen Kopf an seine Schulter, schloss die Augen. „Ich bin müde, ich bin jetzt schon seit über zwölf Stunden bei diesem Shooting und habe seit mindestens 24 Stunden nicht mehr geschlafen... das fällt denen aber echt früh ein, dass sie noch ganz dringend dieses Shooting machen müssen, wirklich...“ Ich seufzte erneut und kuschelte mich etwas an ihn, als er einen Arm um mich legte. „Jetzt beschwer dich nicht“, meinte Yasu mitfühlend und klopfte mir auf die Schulter. „In ein paar Stunden kannst du gemütlich in deinem Bett liegen und selig vor dich hin schlummern. Und du kannst froh sein, dass du hier überhaupt mitmachen darfst.“ „Hmm...“, machte ich erschöpft. Ich hätte auf der Stelle einschlafen können, aber ein Gedanke hielt mich davon ab. „Yasu~?“ „Ja?“ „Bist du eigentlich auch schwul?“ Er reagierte anders als erwartet. Er schob mich nicht von sich weg, er erklärte mich nicht für bescheuert, er bejahte die Frage nicht, er lachte einfach nur. Er LACHTE. Ich setzte mich auf und sah ihn an. „Was ist daran so lustig?“, wollte ich irritiert wissen. „Du sagst das, als wären Heteros eine vom Aussterben bedrohte Art in diesem Job“, grinste er. „Nicht?“, fragte ich kleinlaut. Wieder lachte er und schüttelte den Kopf. „Nein, wirklich nicht. Wie kommst du darauf?“ „Ich... kenne so viele schwule Models, und schließlich ist man immer von hübschen Kerlen umgeben...“ „Wen kennst du denn?“, wollte er neugierig wissen. „Uhm... Jui... also den kenne ich nicht, aber von ihm weiß ich, dass er schwul ist, und er war ja mal mit diesem anderen Model zusammen-“ „Toshiya.“ „-genau, und Kirito und...“ Ich dachte nach und runzelte die Stirn. „...und Hyde sieht schwul aus, zählt das?“ Yasu musste zum wiederholten Mal lachen. „Du hast schon damit Recht, dass es bei uns mehr Schwule gibt als woanders, aber das heißt nicht, dass JEDER hier nur auf Männer steht. Ich bin das beste Beispiel dafür.“ „Echt?“ Ich betrachtete ihn interessiert. Er nickte. „Überrascht dich das?“ „Ein bisschen“, gab ich zu. Yasu grinste. „Nicht mehr, als wenn du mir sagen würdest, dass du nicht schwul bist.“ „Bin ich nicht!“, protestierte ich entrüstet. Er zog zweifelnd eine Augenbraue hoch. „Wirklich nicht!!“ „Und warum bist du dann so anschmiegsam?“, wollte er wissen. „Bin ich gar nicht“, widersprach ich trotzig. Yasu seufzte leise und zog mich wieder zu sich. Ich kuschelte mich an ihn und legte einen Arm um seine Taille. „Und wie nennst du DAS hier dann?“, murmelte er. „...müde sein?“, schlug ich vor. Er seufzte erneut. „Und da willst du mir erzählen, dass du nicht auch schwul bist...“ „Hey, ich kuschel auch ständig mit anderen Typen, schon seit ich klein war!“, wehrte ich mich und merkte im selben Moment, dass ich ein Eigentor geschossen hatte. Und WAS für eins. Yasu fing an zu lachen. „Sei ruhig!“, murrte ich. „Ist das nicht normal? Ich meine – du machst es ja auch!“ „Soll ich dir mal sagen, warum ich kein Problem habe, mit Männern zu kuscheln?“, meinte Yasu grinsend. Ich nickte. „Weißt du, als Jui hier angefangen hat, war ich bereits eine Weile im Geschäft, und weil er so nett war, hab ich ihm alles gezeigt und alles beigebracht, was ich wusste, dadurch ist er überhaupt zu dem geworden, was er jetzt ist. Und damals, schon nach kurzer Zeit, hat er mir ziemlich deutlich gemacht, dass er was von mir will. Ich hab ihm gesagt, dass ich nicht vom anderen Ufer bin, und danach hat er sich aufs Kuscheln beschränkt. Dann hat Kirito auch noch angefangen, ständig mit mir zu schmusen und dann auch noch Hakuei.“ Hakuei? Das überraschte mich. Ich hätte ihn als ziemlich unnahbar eingeschätzt, gar nicht wie jemand, der mit Yasu kuschelte. „Und seitdem kann ich ohne Probleme mit jedem kuscheln, der bei mir ankommt. Und ich wette mit dir, du hast nicht eine halb so gute Erklärung, oder?“ Er sah mich lächelnd an. Ich zuckte mit den Schultern. „Na ja, ich weiß nicht, wie ich das sagen soll... als kleines Kind hab ich sowieso mit allem rumgeschmust, was nicht bei drei auf den Bäumen war, und irgendwie hat sich das bis in mein jetziges Alter gehalten.“ „Mit wem kuschelst du denn am meisten? Mit deinen Freundinnen?“ „Nein, eigentlich mit meinem-“ Ich runzelte die Stirn. „Yasu, es haben sich schon etliche Weiber bei mir beschwert, dass ich nicht genug mit ihnen, sondern lieber mit meinem besten Freund, Yuu, kuscheln würde, und... ich merke gerade, sie haben Recht. Hat das irgendwas zu bedeuten?“ „Kaum“, antwortete er und schüttelte den Kopf. Ich löste mich von ihm und setzte mich auf. „Sei mal ehrlich – hab ich da irgendwas nicht mitgekriegt oder...?“ Er zuckte lächelnd die Achseln. „Es kann auch einfach sein, dass du irgendeinen Komplex hast oder das Gehirn einer Frau. Oder dass du einer von diesen extrem einfühlsamen, sensiblen, lieben und feinfühligen Softies bist.“ „...Das wird ja immer schlimmer.“ Ich schüttelte entgeistert den Kopf. „Du bist doch nicht nur deshalb schwul, weil du gern mit Männern kuschelst“, meinte Yasu und legte den Kopf schief. „Aber an deiner Stelle würde ich so schnell wie möglich meine Orientierung rausfinden wollen. Du warst doch bis jetzt nur mit Frauen zusammen, oder?“ Ich nickte. „Ja, war ich. Und bis gerade eben habe ich auch keinen Gedanken an Männer verschwendet, zumindest nicht in der Hinsicht...“ Yasu überlegte kurz. „Ich kann dir da, glaube ich, nicht sonderlich weiterhelfen, frag doch mal die, die Ahnung haben, Kirito, Jui, Hakuei...“ „Hakuei?!“ Der war auch... Das wurde ja immer besser! Just in dem Moment wurde Yasu für das nächste Shooting gerufen. Er entschuldigte sich bei mir und stand auf, um sich wegen seiner zerknitterten Kleidung zusammenstauchen zu lassen. Und ich saß da und verstand die Welt nicht mehr. Um ungefähr acht Uhr morgens war ich endlich wieder zuhause, aber ich ging nicht direkt schlafen, sondern griff erst nach dem Telefon. „Yuuuu...?“ „Hey, Gara, wie geht’s dir?“ „So beschissen wie nur irgend möglich. Hast du gerade Zeit?“, murmelte ich und fühlte mich, als würde ich gleich im Stehen einschlafen. „Uhm... für dich immer. Was ist denn?“ „Hast du ein Bett frei?“ „Für dich immer. Was-“ „Ich bin gleich da.“ Damit legte ich auf und klingelte keine Viertelstunde später an Yuus Tür. Als er öffnete, machte er große Augen. „Was hat DICH denn angefressen?“ „Kannst du mich in sieben Stunden wecken?“, fragte ich leise und musste mich beherrschen, nicht zusammenzuklappen und auf der Türmatte zu schlafen. Yuu nickte, mich besorgt musternd. „Klar...“ „Das Shooting hat so lange gedauert, Details gibt’s später.“ Ich schleppte mich in sein Schlafzimmer. „Ach, und noch was – bleibst du bei mir?“ Als ich aufwachte, war das erste, was ich spürte, Körperwärme. Angenehme Körperwärme, die nicht von mir stammte. Ich schlug die Augen auf. Yuu saß neben mir im Bett und las, wobei er das Buch mit einer Hand hielt und mich mit der anderen im Nacken kraulte. Ich machte die Augen wieder zu und schnurrte leise. Es war schön, so zu liegen. Einmal wegen den naheliegenden Gründen – es war bequem, es war warm usw. –, aber auch wegen einem höheren. Auf das hier konnte ich mich verlassen. Egal, was ich tat, Yuu würde immer für mich da sein. Es war schön, das zu wissen. „Hab ich dir eigentlich schon mal gesagt, dass du beinahe perfekt wie eine Katze klingst?“, meinte Yuu und ich konnte das Grinsen aus seiner Stimme heraushören. Ich lächelte und wartete einen Moment, bis er das Buch weggelegt hatte und zu mir unter die Decke geschlüpft war, dann schmiegte ich mich an ihn und begann zu erzählen. Wir hatten uns fast eine Woche nicht gesehen (nur miteinander telefoniert), deshalb hatte ich einiges nachzuholen. Ich berichtete von den Hachi Peーji und anschließend von meiner Unterhaltung mit Yasu. Als ich fertig war, herrschte eine Weile Schweigen. „Yuu, warum kuschelst du so oft mit mir?“, fragte ich dann vorsichtig und sah ihn an. Er runzelte leicht die Stirn. „Weil ich dich mag. Und weil wir uns jetzt schon über zehn Jahre kennen, da darf man doch wohl miteinander kuscheln, ohne, dass da irgendetwas reininterpretiert wird, oder nicht?“ Gut, so hatte ich es noch gar nicht gesehen. „Aber ich persönlich würde jetzt nicht mit jedem kuscheln, den ich erst seit kurzem kenne. Eigentlich mach ich das auch nur mit dir.“ Okay, jetzt hatte ich es: Ich war wirklich unnormal. „Yuu, du frustrierst mich.“ Er grinste nur. „Sag mal, woran würde ich denn merken, ob ich schwul bin oder nicht? Ich meine – da hab ich doch bestimmt keine Erleuchtung nach dem Motto ‚hey, ich steh auf Männer’, oder?“ Yuu zuckte die Achseln. „Keine Ahnung, ich merk so selten, ob ich schwul bin.“ Ich knuffte ihn in die Seite, und er grinste wieder. „Nein, jetzt mal im Ernst, ich weiß es nicht. Ich denke, schwul bist du entweder von Anfang an oder du wirst es ganz langsam. Und ich denke, irgendwann weißt du es dann einfach.“ „Und woran merke ich das?“, wollte ich verzweifelt wissen. „Wenn Frauen mich nicht mehr anmachen? Wenn...“ „Vielleicht, wenn du mehr Positives fühlst bei einem Kuss mit einem Mann als bei einem Kuss mit einer Frau?“, schlug Yuu vor. „Das kommt doch auf die Person an“, gab ich zurück. „Bei einem Kuss mit dir würde ich ganz bestimmt mehr Positives fühlen als bei einem Kuss mit beispielsweise Kirito.“ „Hm. Wie wäre es, wenn du das einfach mal ausprobierst?“ Er hob fragend die Augenbrauen. Ich blinzelte einmal. „Und wie bitteschön soll ich das MACHEN?! Einfach mal zu Kirito hingehen und ihn fragen, ob er mich küsst!?“ „Wieso nicht?“ „Yuu, das-“ „Bist du dir sicher, dass er es nicht machen würde?“ Ich machte den Mund auf. Und wieder zu. Dann legte ich die Stirn in Falten. Hm. Wahrscheinlich würde er mich erst auslachen, mich dann küssen und dann seiner Arbeit nachgehen. ... „Jetzt nicht mehr“, antwortete ich leise. „Dann probier es doch einfach mal aus, kann doch nicht schaden.“ „Yuu... das ist doch nicht mehr normal, was ich hier mache, oder?“, meinte ich beunruhigt. „Glaubst du, dass andere so weit gehen würden, um herauszufinden, ob sie schwul sind oder nicht? Glaubst du, dass andere überhaupt darüber NACHDENKEN, ob sie schwul sind oder nicht?“ „Ich weiß es doch auch nicht“, erwiderte er hilflos. „Gara, ich kann dir da nicht helfen, ich denke, das Beste wäre, wenn du mal mit Kirito sprichst...“ „Okay.“ Ich nickte leicht. „Okay... ich glaube, das mache ich mal. Ist wahrscheinlich wirklich das Beste...“ „Erinnerst du dich noch an diejenige, die du am meisten geliebt hast?“, wechselte Yuu plötzlich das Thema. Ich sah ihn an. „Ha?“ „Weißt du noch, welche deiner Freundinnen du am meisten geliebt hast?“, fragte er weiter. Da musste ich überlegen. „Uhm... ich glaube, das war Tani, warum-“ „Stell sie dir mal vor.“ Ich nickte. „Siehst du sie vor dir?“ Wieder nickte ich. „Und jetzt stell dir vor, dass ihr euch küsst. Ganz zärtlich...“ Was auch immer er vorhatte, ich tat es trotzdem. Ich erinnerte mich an sie, an ihre langen dunklen Haare, an ihr hübsches Gesicht, wie sich ihre Lippen angefühlt hatten.... „Mach die Augen wieder auf“, hörte ich Yuus Stimme. (Hatte ich sie zugemacht? ... Egal.) Ich tat wie geheißen. Er lächelte mich an. „Und?“ „Was und?“, fragte ich zurück. „Was hast du gefühlt?“ Ich dachte kurz nach. „Ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll – es war schön, wie damals, und...“ Ich zuckte mit den Schultern. „Schön halt.“ Yuu legte mir eine Hand auf die Wange, noch immer lächelnd. „Und jetzt schließ die Augen wieder“, flüsterte er. Ich bekam ein seltsames Gefühl in der Magengegend, als ich seinen Tonfall hörte, und mein Herzschlag verschnellerte sich unwillkürlich, aber ich gehorchte trotzdem. Und keine Sekunde später spürte ich Yuus Lippen auf meinen. Nach einem kurzen Moment seufzte ich leise und begann den Kuss zu erwidern. Es war einerseits ungewohnt, weil er so sehr anders küsste als eine Frau, und andererseits war es angenehm, weil es mir irgendwie gefiel. Nach kurzer Zeit legte ich einen Arm um Yuus Taille, schmiegte mich dichter an ihn und leckte über seine Unterlippe. Zumindest da reagierte er wie eine Frau – er öffnete die Lippen und begrüßte meine Zunge mit seiner eigenen. Während unser Zungenspiel zwar ruhig blieb, wurde es immer intensiver und ich fing an, über Yuus Rücken zu streichen. Irgendwann ging uns beiden die Luft aus, weshalb wir uns wieder voneinander lösten. Während ich mich zwang, Yuus Blick zu erwidern, versuchte ich, meine Gefühle zu sortieren und zu benennen. Erst einmal war da natürlich Überraschung darüber, dass er mich überhaupt geküsst hatte, dann war da diese Geborgenheit, die ich immer spürte, wenn ich bei ihm war, dann war da- Das Telefon begann zu klingeln. Ich nahm es erst wahr, als Yuu genervt aufseufzte und danach tastete. „Ja?“ Er schwieg kurz, runzelte dann die Stirn und warf mir einen Blick zu. Dann hielt er mir das Telefon hin. „Für dich“, meinte er. „Eh?“ Irritiert ging ich dran. „Ja...?“ „Du bist ja schwerer zu erreichen als der Papst!“ Ich war einen Moment sprachlos. „Kirito? Was zur Hölle-“ „Wo BIST du? Also, wo du bist, weiß ich ja jetzt, aber was zum Teufel hast du gemacht?!“ Er klang ziemlich vorwurfsvoll, was mich nur noch mehr durcheinander brachte. „Kirito, heute ist Sonntag...“, meinte ich hilflos. „Ja und? In deinem Job musst du überall erreichbar sein, warum gehst du nicht an dein Handy?“ „Das liegt zuhause...“ „Und was MACHST du gerade?!“ „Was geht’s dich an!?“, fragte ich nun schon leicht gereizt zurück. „Wie um alles in der Welt bist du überhaupt an Yuus Telefonnummer gekommen??“ „Lange Geschichte. Du-“ „Ich will sie hören“, knurrte ich. „Ich hab dich nirgendwo erreichen können und bin dann extra noch zu dir nach Hause gefahren, aber es war keiner da, also hab ich Kiyo über dich ausgequetscht, und er hat sich an Yuu erinnert und dann hab ich die Nummer rausgekriegt. Zufrieden? Und jetzt beweg deinen Arsch gefälligst in dein Büro, die Arbeit wartet.“ „Es ist SONNTAG!“, protestierte ich. „Ich hab heut FREI und außerdem-“ Jetzt hörte ich durch den Hörer eine andere, entfernt klingende Stimme. Offenbar hatte das Telefon danach den Besitzer gewechselt, denn jetzt hörte ich Kiyoharu. „Gara? Mit dem rienda-Shooting hat sich was geändert, sie haben es auf heute verlegt...“ Ich seufzte einmal tief. „Das ist ja schön und gut, aber ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen und gerade nur...“ Ich sah kurz zu Yuus Wecker. „...fünf Stunden, ich-“ „Das heißt, du machst nicht mit?“ Ich schwieg kurz. „Krieg ich denn dann den Montag frei?“ „Den Donnerstag, wo das Shooting eigentlich sein sollte, kannst du dir meinetwegen frei nehmen.“ Wieder überlegte ich einen Moment und sah zu Yuu. Der hatte interessiert zugehört und den Kopf schief gelegt. „Reicht es, wenn ich in einer Stunde da bin?“ „Eine Stunde ist in Ordnung. Wir sehen uns gleich.“ Und schon hatte er aufgelegt. Ich musterte den Hörer stirnrunzelnd und wandte mich dann an Yuu. „Hör zu, es tut mir furchtbar leid-“ „Ist schon okay“, unterbrach er mich lächelnd. Als ich endlich vor dem Gebäude ankam (fünf Minuten zu spät), warteten Kirito und Kiyoharu bereits auf mich. Kirito wirkte gereizt, Kiyo dagegen lächelte mich an. „Du siehst aus wie ein Stück Dreck“, bemerkte Kirito. Ich lächelte kurz. „Vielen Dank, so fühl ich mich auch. Ihr solltet es zu schätzen wissen, dass ich in meinem Zustand hier bin, ja?“ Als Antwort legte Kiyoharu die Arme um mich und zog mich an sich. Mal einfach so. Bevor ich die Gelegenheit bekam, die Umarmung zu erwidern, hatte er mich schon wieder losgelassen und mir durch die Haare gewuschelt. „Nimm das nächste Mal dein Handy mit“, meinte er sanft, wandte sich ab und ging. Ich starrte ihm nach. „Was war das denn jetzt...?“ „Seine Art, danke zu sagen. Legst du jetzt langsam mal einen Zahn zu oder was? Wir müssen auf der Fahrt zehn Minuten raushauen, also beeil dich gefälligst“, beschwerte Kirito sich. Mit einem leisen Seufzen sah ich ihn an. „Lass es bitte nicht an mir aus, wenn du schlechten Sex hattest, mit wem auch immer, und vor allem nicht JETZT, denn in solchen Momenten kann es sein, dass du es zurückkriegst, ja?“ Er packte wortlos meine Schultern, drehte mich um und schob mich Richtung Wagen. ~☆~ „Kirito?“ „Hm?“ „Magst du mich eigentlich?“ Er drehte mir den Kopf zu. „Warum sonst sollte ich mich wohl in meiner Freizeit mit dir betrinken gehen, hm?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Na ja, ich meine... am Anfang konntest du mich ja mal überhaupt nicht leiden... und jetzt... bist du immer noch ziemlich oft ziemlich unausstehlich zu mir...“ „Das bin ich zu jedem, glaub mir.“ Er lehnte sich ein wenig zurück und wäre fast hintenüber geflogen, weil der Barhocker keine Lehne hatte. „Selbst zu den Leuten, zu denen ich es nicht sein sollte.“ „Zum Beispiel?“, wollte ich wissen und legte meinen Kopf so auf meine auf der Theke verschränkten Arme, dass ich Kirito, der neben mir saß, immer noch ansehen konnte. „Zu dir... zu Kiyo... selbst Miya hab ich mal dumm angemacht...“ Er grinste leicht. „Dann zu Yasu... zu Hakuei... oh, das war böse...“ „Warum?“, fragte ich grinsend. „Da hättest du dabei sein sollen, er hat mich wegen irgendeinem Shooting angesprochen, und ich war schon so schlecht gelaunt, dass ich ihn sofort angeschnauzt habe, daraufhin hat er ebenfalls ungehalten reagiert und hinterher hatte er ein blaues Auge und ich etliche Prellungen sowie einen angeknacksten Finger...“ Er kicherte leise. „Mit dem willst du dich nicht prügeln, glaub mir, wenn er sich erst einmal darauf eingestellt hat, haut er dich windelweich, bis du nicht mal mehr deinen Namen weißt...“ „Ist er echt so schlimm?“ „Na ja, es geht... eigentlich ist er ganz okay, er ist nur ziemlich distanziert und etwas arrogant, aber normal unterhalten kannst du dich mit ihm... wenn du Glück hast, mag er dich, dann brauchst du Angst mehr vor gar nichts zu haben, denn dann wacht er wie ein gefallener Schutzengel über dich... obwohl sich dann die Frage stellt, WIE LANGE er dich mag.“ Kirito grinste. „Und wenn er dich nicht mag, brauchst eine extrem starke Selbstbeherrschung, er liebt es, andere zu provozieren...“ „Hm“, machte ich und schwieg eine Weile, trank noch einen Schluck Bier. „Aber bei dir ist es nicht so, dass du diejenigen, die du anmachst, nicht leiden kannst?“ „Nein, ich bin einfach launisch“, antwortete er schulterzuckend. „Hinterher tut es mir auch meistens leid...“ „Also magst du mich doch?“, fragte ich und sah ihn an. Er grinste. „Das hab ich dir doch schon gesagt. Ich weiß auch nicht, warum, schließlich kommst du von der Straße und bist seltsamerweise ein Überflieger, und dann hätte ich mich auch noch um dich kümmern müssen... eigentlich hätte ich Grund genug, dich nicht zu mögen, aber vielleicht bist du zu hübsch dafür.“ Ich schnitt eine Grimasse. „Nenn mich nicht hübsch.“ „Warum nicht?“ „Weil ich’s nicht bin...“ „Guckst du eigentlich zwischendurch auch mal in den Spiegel?!“, fragte Kirito und setzte sich aufrecht hin. „Du bist selbst ohne Schminke hübsch!“ Ich runzelte die Stirn. „Was redest du da?“ „Ich meine das vollkommen ernst, Gara, du BIST hübsch. Du hast hübsche Gesichtszüge, und wenn du geschminkt bist, könnte ich dich jedes Mal aufessen!“ Jetzt setzte ich mich ebenfalls auf. „Ich glaub dir das nicht“, meinte ich leise. Er verdrehte die Augen. „Soll ich es beweisen, oder was?“ „Wäre ein Anfang.“ Kirito musterte mich. „Du hast zu viel getrunken, Gara. Sonst würdest du so was nicht sagen.“ Mit einem Seufzen fuhr ich mir durch die Haare. „Nein, das Problem ist ein anderes, Kirito...“ „Aha!“ Er nickte zufrieden. „Jetzt kommen wir zum eigentlichen Grund, weshalb du mich heute eingeladen hast. Red weiter.“ Ich sah ihn an. „Bist du mir jetzt böse...?“ Er musste lächeln. „Wie könnte ich? Ich sollte mich doch geehrt fühlen, weil du mich um Hilfe bittest, oder?“ „Hm.“ Darüber dachte ich einen Moment nach. „Wahrscheinlich hast du Recht.“ „Also?“ „Weißt du... irgendwie sind Yasu und ich letztens auf das Thema gekommen, dass ich so anschmiegsam bin, und nur bei Männern, und...“ Ohne ersichtlichen Grund begann Kirito, plötzlich zu lachen. Und kriegte sich fast eine ganze Minute nicht mehr ein. „Was ist denn?!“, fragte ich gereizt. Er grinste mich an. „Du willst mir gerade nicht ernsthaft erklären, dass du darüber nachdenkst, schwul zu sein, oder?“ „Was ist daran so lustig??“ „Dass du es nicht BIST!“ Kirito schüttelte amüsiert den Kopf. „Schau dich doch mal an, du bist in den letzten Monaten hinter jedem attraktiven weiblichen Model her gewesen, du warst total entsetzt, als du rausgefunden hast, dass es an deinem zukünftigen Arbeitsplatz auch Schwule geben würde... und ich wette mit dir um eine Million Yen, dass du noch nie wegen einem Mann geil geworden bist, oder?“ Ich wandte den Blick ab und hätte mich erschlagen können. Er hatte Recht – ich stand doch auf Frauen. Ich hatte eigentlich absolut keinen Grund anzunehmen... „Und warum schmuse ich dann mit jedem Kerl, der bei drei nicht auf dem Baum ist?“ „Vielleicht ist in deiner Entwicklung was schief gelaufen“, schlug Kirito lachend vor. „Und außerdem hast du noch nie mit mir gekuschelt, oder?“ „Uhm...“ „Und weißt du, warum? Weil du Angst davor hast, dass ich es falsch verstehen und Interesse an dir zeigen könnte, und das scheint ja offenbar das Letzte zu sein, was du willst. Mit wem kuschelst du denn sonst rum? Yasu? Deinem Yuu oder wie auch immer er heißt? Lass mich raten – er ist auch nicht schwul? Sieh es ein, Kleiner, du bist so straight wie der Horizont. Okay?“ Ich nickte leicht. „Ich hab sogar mit ihm rumgeknutscht...“, murmelte ich und schüttelte über mich selbst den Kopf. „Und ich wollte sogar DICH noch fragen, ob du mich küsst...“ Kirito grinste breit. „Hätte ich sowieso nicht gemacht.“ „Echt? Warum nicht?“ Er zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht. Warum sollte ich? Wenn Kiyo bei dir ankommen und dich fragen würde, ob du ihn küsst, würdest du das doch auch nicht machen, oder?“ „Nein, eigentlich nicht.“ „Na siehst du. Noch was zu trinken?“ „Gerne...“ Etwa sieben Stunden später wurde ich dadurch wach, dass mir die Sonne direkt ins Gesicht schien. Konnte eigentlich nicht sein, das Fenster in meinem Schlafzimmer ging nach Norden, und die Sonne sah ich fast nie. Ich zog mir die Decke über den Kopf und kuschelte mich in die Kissen. Aber irgendwas... Langsam öffnete ich die Augen. Schwarze Satinbettwäsche. ... Moment mal. ... WO ZUR HÖLLE WAR ICH???? „Tee oder Kaffee zum Frühstück?“, rief jemand. Mit einem Ruck saß ich aufrecht im Bett und starrte Kirito entgeistert an. Er schenkte mir ein Lächeln. „Guten Morgen.“ „Waswaswas wie was EH?!“, versuchte ich meine Gedanken zu artikulieren, was allerdings nicht so ganz hinhaute. „Was... zum Teufel...“ „Ich mach dir einfach mal einen Kaffee, du siehst aus, als könntest du einen gebrauchen“, nickte er, wandte sich ab und verschwand wieder aus dem Raum. Vollkommen fassungslos saß ich da und versuchte verzweifelt, mich an den vorigen Abend zu erinnern, während ich mich im Zimmer umsah. Es war so ziemlich das genaue Gegenteil von meinem – ordentlich, groß, hell und hübsch eingerichtet. Aber wie war ich hier her gekommen?! Ich wusste nur noch, dass wir die Bar um ungefähr zwei Uhr nachts verlassen hatten – mehr auch nicht. Völlig fertig mit den Nerven stand ich auf und realisierte erst DANN, dass ich kein Stück Kleidung mehr am Leib hatte. ...... Ich würde mich erschießen. Kurzerhand (da ich keine Klamotten entdecken konnte, zumindest nicht von mir) schnappte ich mir die Bettdecke, wickelte sie mir um die Hüften und ging in die Richtung, in die Kirito verschwunden war. „Kirito?!“, fragte ich panisch. „Was-“ Der Angesprochene – die Ruhe selbst – reichte mir nur lächelnd eine Tasse Kaffee. „Erst denken, dann reden, Gara.“ „WAS haben wir gestern noch gemacht!?“, wollte ich wissen und nahm einen Schluck, verzog sofort das Gesicht. Der Kaffee war nicht nur schwarz, sondern auch noch extrem stark. Zumindest wurden dadurch meine aufkommenden Kopfschmerzen weniger. „Uhm... ich weiß nicht mehr...“, gab er stirnrunzelnd zurück. „Zumindest nicht genau. Setz dich mal hin.“ Ich ließ mich auf einen Stuhl sinken, während Kirito mich aufmerksam betrachtete, dann den Kopf schüttelte. „Nein, scheint nichts zwischen uns gewesen zu sein“, meinte er. „Wie kannst du dir da so sicher sein?!“ „Das würdest du merken, glaub mir“, grinste er. „Vor allem beim ersten Mal.“ „Wer sagt denn, dass ich...“, begann ich und lief rot an. „Also, dass ich... und nicht du...“ „Selbst ICH würde das merken“, versuchte er mich zu beruhigen. „Und jetzt komm erst mal wieder runter, du bist ja ein richtiges Nervenbündel...“ „JA ACH NEE!“ „Hör zu.“ Er legte mir eine Hand auf die Schulter und sah mich eindringlich an. „Es ist alles okay, wir hatten keinen Sex, ich musste zwar meine Meinung über dich ändern, aber ansonsten ist nichts passiert, ja? Alles halb so wild.“ „....Was soll das heißen?“, erwiderte ich, jetzt wieder misstrauisch. „Na ja, von wegen Horizont...“ Er zuckte lächelnd mit den Schultern. „Ich hatte vergessen, dass die Erde rund ist.“ „WAS SOLL DAS HEIßEN?!“, fauchte ich ungehalten. „Dass ich mich bei dir eventuell geirrt habe...“ „KIRITO!!!“ Er lachte leise. „Du brauchst nicht gleich auszuflippen, wir haben nur ein wenig rumgeknutscht, mehr nicht.“ „MEHR NICHT?!“ Ich starrte ihn entsetzt an. „Was heißt ‚ein wenig’?? Und – bleibt es bei dem ‚wir hatten keinen Sex’?!?“ „Wenn es nach dir gegangen wäre, dann wäre es nicht dabei geblieben“, gab Kirito grinsend zurück. Er genoss das Ganze hier sichtlich. ...Ich nicht. „Inwiefern?“, wollte ich leise wissen. „Och...“ „REDE!“ Er kicherte leise. „Reg dich ab, Kleiner... Es ist wirklich nicht mehr passiert. Und du solltest da jetzt auch nicht zu viel reininterpretieren, du warst wirklich ziemlich dicht und hättest dich von jedem küssen lassen, von daher...“ „Kirito, ich schwöre dir, wenn du mich gerade verarschst...“, murrte ich. Zur Antwort sah er mir direkt in die Augen und schüttelte den Kopf. „Mach ich nicht. Wirklich nicht“, sagte er fest und lächelte. „Und jetzt solltest du dir erst mal was anziehen.“ Da erst wurde mir wieder bewusst, dass ich außer einer Decke sonst nichts anhatte. „Wo sind eigentlich meine Sachen hingekommen?“, wollte ich wissen und runzelte dann die Stirn. „Moment mal.....“ „Du kannst welche von mir haben“, unterbrach er mich und verschwand aus dem Raum. Ich sah ihm hinterher und schüttelte den Kopf. Ich sollte am Besten aufhören, über das Ganze hier nachzudenken, das war wahrscheinlich mit den wenigsten Komplikationen verbunden. Eigentlich sollte ich froh sein – ich war doch nicht schwul, ich wusste jetzt, dass Kirito mich doch ganz gut leiden konnte und ich sah zum ersten Mal seine Wohnung. ... Immer die positiven Seiten sehen. ..... Und vor allem NICHT darüber nachdenken, warum zur Hölle ich nichts anhatte. ~☆~ „Zur Seite gucken, bitte. ... Zur Seite! Nein, zur anderen! Etwas gerader hinstellen! Herrgott, wird das heute noch mal was?“ Genervt kam der Fotograf angerannt und korrigierte meine Pose zum inzwischen bereits siebten Mal. „Ich bin ja dafür, dass du ihm ein wenig Freiraum gibst, schließlich sind es SEINE acht Seiten“, bemerkte Kirito und nahm einen weiteren Zug von seiner Zigarette. „Sei du bloß ruhig“, fuhr ihn der Typ an. „Du solltest froh sein, dass du überhaupt hier sein und RAUCHEN darfst, ja? Du hast noch Glück gehabt, dass ich dich so lange kenne!“ Kirito schenkte ihm ein kurzes Grinsen. „Ich mag keine Hüte“, beschwerte ich mich leise. „Ruhe“, entgegnete der Fotograf und trat einen Schritt zurück, ehe er mich noch etwas zur Seite drehte. „Du siehst zum Anbeißen aus“, meinte Kirito und lächelte. „Ehrlich. Und das sage ich nicht jedem, glaub mir. Wenn ich dich nicht so gut kennen würde, dann hätte ich dich schon längst vernascht, das kannst du mir glauben.“ Ich warf ihm einen sowohl ungehaltenen als auch ungläubigen Blick zu. „Zur anderen Seite gucken!“, schaltete sich der Fotograf wieder ein. „Ist so, guck nicht so“, fuhr Kirito fort. „Nur leider, leider bist du ja nicht an Männern interessiert...“ „In eurem Job MUSS man doch schwul sein“, murmelte der Fotograf, dessen Name mir nicht mehr einfiel. „Zumal es nicht viele Frauen gibt, die es gerne haben, wenn ihre Männer hübscher als sie selbst sind.“ „Na ja, angeben können sie ja dann mit uns“, entgegnete ich und gab mir alle Mühe, weder gelangweilt auszusehen noch genervt oder amüsiert. Das war schwerer, als es sich anhörte, wirklich. „Nicht bewegen!“, rief der Typ und machte ein paar Fotos. „Kopf etwas in den Nacken legen, bitte.“ „Sag mal, sind echt so viele Models schwul oder sagt ihr das nur so?“, fragte ich, während ich versuchte, den Anordnungen Folge zu leisten, aber irgendwie schien es nie zu passen, weshalb der Fotograf ständig irgendetwas korrigieren musste. „Ich kann nicht für alle sprechen, weil ich nicht alle kenne.“ Kirito zuckte mit den Schultern und trat seine Zigarette aus. „Aufheben“, befahl der Fotograf. Kirito seufzte, hob die Zigarette aber wieder auf und warf sie weg. „Die richtig bekannten von GLAMOUR ☆ FASHION auf jeden Fall, aber ich denke, insgesamt sind es nicht mehr als in der Musikszene auch.“ Da musste der Typ lachen. „Oh ja, aber um diesen Vergleich zu verstehen, braucht man das Vorwissen, das DU hast.“ „Warum denn?“, fragte ich nach. „Ich war mal mit einem Sänger zusammen“, meinte Kirito und suchte nach einer weiteren Zigarette. „Und als er mir alle seine Ex-Freunde aufgezählt hat... Na ja, sagen wir so: Es waren ziemlich viele. Auch bekannte. Und als ich einige von ihnen getroffen habe, konnten die mir noch mehr Namen nennen.“ „Sagen wir, das Ganze ist so ähnlich wie damals mit den Königshäusern – alles Inzestgeschichten. Da hat wirklich jeder was mit jedem, und dann kann der eine den anderen nicht leiden, und ein dritter ist aber gleichzeitig mit beiden zusammen-“ „-und die haben aber jeweils noch eine Affäre, die aber offiziell mit jemand anderem verheiratet sind, und der Bruder von dem einen, der natürlich auch im Musikgeschäft tätig ist, ist gleichzeitig verschwägert mit dem einen vom Anfang, was er natürlich nicht weiß.“ „Oder so“, endete der Fotograf grinsend. „Wenn man da durchblicken will, braucht man schon einen ganzen Stammbaum.“ „Klingt interessant“, warf ich ein. „Und mit Models ist es genauso?“ „Nicht ganz, aber ähnlich“, nickte Kirito. „Hier geht es eher um Freund- und Feindschaften, nicht so sehr um Beziehungen, über die wird meistens geschwiegen. Das Problem ist, bei uns musst du ständig auf dem Laufenden bleiben, dein heutiger bester Freund kann morgen dein schlimmster Feind sein, deshalb solltest du dich immer genau informieren, bevor du dich mit irgendjemandem über wen anders unterhältst.“ „Zum Beispiel?“ „Nimm Yasu und Hakuei. Am Anfang ein Herz und eine Seele, dann gab es eine Zeit, wo keiner sich mehr gehasst hat als die beiden, dann waren sie wieder Freunde, dann wieder SEHR gute Freunde und dann gucken sie sich plötzlich nicht mehr an – es wechselt ständig. Ich glaube, im Moment mögen sie sich wieder.“ Kirito grinste. „Obwohl ich mir da auch nicht sicher bin, Hakuei hat ihn letztens schön totgeschwiegen.“ „Du bist mit ihm befreundet?“, fragte ich erstaunt. „Na ja, was man so ‚befreundet’ nennt...“ Er zuckte mit den Schultern. „Bist du hier langsam mal fertig, Tajo?“ „Wenn du den Kleinen hier zulaberst, werd ich nie fertig!“ Richtig, Tajo hieß er. War, glaube ich, ein ziemlich guter Fotograf. Zumindest wirkte er, als würde er gerade seine Zeit vergeuden. „Warum nennt ihr mich alle klein?“, wandte ich ein. „Ich bin größer als ihr!“ „Schon, aber noch nicht so lange im Geschäft“, antwortete Tajo und zwinkerte mir zu. „Und jetzt dreh dich noch mal etwas zur anderen Seite...“ „In diesem Fall darf ich mich doch mal selbst loben und sagen, dass sie richtig gut geworden sind.“ Kirito nickte Tajo zu. „Da muss ich dir Recht geben. Sehen wirklich klasse aus. Damit hast du alle Herzen im Sturm erobert, Gara.“ Er grinste mir zu. Ich betrachtete mein eigenes Gesicht skeptisch auf dem Bildschirm. Ich sah gut aus, das musste ich zugeben. Zumindest besser. Seltsam, ich hätte nie gedacht, dass man so was aus mir machen könnte. Es war schon beeindruckend. „Dieser Hut steht dir wirklich außerordentlich gut. Und der Kajal sowieso. Und wie du da guckst....“, schwärmte Kirito und schnurrte mich von der Seite an. Ich musste lachen. „Übertreib’s nicht, Kirito.“ „Als ob ich auf dich hören müsste“, erwiderte er grinsend. „Ich hab dich doch voll in der Hand, wenn du berühmt bist, kann ich behaupten, wir hätten eine heiße Nacht zusammen gehabt, und dann will keine Frau mehr was von dir wissen.“ „Das würde dir doch eh keiner glauben“, meinte ich. „Und ob!“, meinte Kirito triumphierend. „Schließlich hab ich deine Shorts noch!“ „Du hast meine- ...“ Ich sah ihn an. „Gib die mir gefälligst zurück, die waren TEUER!“ „So sahen sie auch aus. Satin, hm? Wie meine Bettwäsche. Ich glaube, wir sind doch füreinander bestimmt.“ Er seufzte dramatisch und ich musste wieder lachen. „Ach, sei ruhig!“ „Wenn ihr dann mal fertig wärt...“, mischte Tajo sich wieder ein. „Welche Fotos wollt ihr nehmen?“ Wir wandten uns wieder dem Bildschirm zu. „Also, das erste MUSS ja sein“, bemerkte Kirito. „Das ist voll porno-mäßig. Welche gefallen DIR denn? Schließlich bin ich nur als Berater hier.“ „Ich weiß nicht...“ Er stöhnte auf und versetzte mir einen Stoß in die Rippen. „DAS ist was, das du dir dringend abgewöhnen solltest – Bescheidenheit. Wenn du irgendwo drauf geil aussiehst, dann sag, dass du geil aussiehst, wenn dir irgendwas gefällt, darfst du das ruhig aussprechen, Meinungsfreiheit, schon mal was davon gehört? Also, welche willst du haben?“ „Was haltet ihr davon, wenn ich das erste, das sechste und das zweiundzwanzigste ganz groß mache, dann hast du schon mal drei Seiten voll, dann machst du zwei Seiten Text mit noch ein paar Fotos und auf einer Seite eine Collage aus den restlichen Fotos?“, schlug Tajo vor. „Ich wollte aber eigentlich nicht so viele Bilder haben“, wandte ich ein. „Was denn sonst?“ „Eigentlich mehr Text...“ „Und was? Willst du da deine gesamte Lebensgeschichte aufschreiben?“, fragte Kirito. „Irgendwelche philosophischen Ansichten erläutern? Einen Aufsatz über die Umweltverschmutzung schreiben? Das ist doch vollkommen uninteressant! Das wollen sich unsere Leser doch nicht antun.“ „Nein, ich wollte es eigentlich so machen, dass ich erst mal die wichtigsten Daten aufschreibe, wie zum Beispiel meinen Geburtstag, und dann diejenigen, die mich kennen, zum Beispiel dich, bitten, mich kurz zu beschreiben“, entgegnete ich. Darauf folgte einen Moment Schweigen, während Kirito mich perplex ansah. „Was denn?“ „Soll ich dir was sagen? Auf die Idee ist bis jetzt noch keiner gekommen. Ganz ehrlich“, antwortete er und nickte. „Das ist gut, da kannst du mich nehmen, Kiyoharu, Hyde, Yasu...“ „Ich glaube NICHT, dass ich wissen will, was Hyde über mich denkt“, warf ich ein. Tajo musste lachen. „Ach, mach dir da mal keine Gedanken, der kann eh niemanden leiden. Warum auch immer.“ „Weiß das eigentlich irgendwer?“, fragte ich. „Warum er so viele Leute grundlos nicht abkann?“ „Ist jetzt irrelevant“, meinte Kirito. „Er wird dir trotzdem ganz bestimmt was Nettes hinschreiben. Jetzt geht es doch erst mal um das Layout.“ „Ich krieg das schon hin“, nickte ich. „Mach du dir da keine Gedanken.“ ~☆~ Als ich am 1. Oktober das Gebäude von GLAMOUR ☆ FASHION betrat, wurde ich offenbar bereits erwartet: In der Eingangshalle hatte sich ein Grüppchen versammelt, das sich sofort auf mich stürzte, als ich zur Tür hereinkam. Kirito, Yasu, Kiyoharu und sogar Jui waren darunter, außerdem einige Gesichter, die ich nicht zuordnen konnte, und dann noch ein Gesicht, das ich nicht erwartet hatte – Sachiko. Ich hatte sie seit über acht Monaten nicht mehr gesehen, und sie hatte sich kein bisschen verändert. Sie war die erste, die bei mir ankam, und fiel mir direkt um den Hals. Ich erwiderte die Umarmung lächelnd. „Lange nicht gesehen“, murmelte ich und drückte sie an mich. „Und ob“, gab sie grinsend zurück und löste sich wieder von mir. „Herzlichen Glückwunsch!“ Jetzt wurde ich nacheinander erst in Kiritos, dann in Yasus, in Kiyoharus und in Juis Arme gezogen (wobei die letzten beiden ein wenig unerwartet kamen), ehe mir die anderen Models auch noch gratulierten und mir anschließend alle versicherten, dass mich die Leute vergöttern würden. Ich winkte nur ab – ich hoffte es zwar auch, aber bis ich keinen Beweis hatte, glaubte ich da nicht dran. Nachdem mich die meisten beglückwünscht hatten, verschwanden sie auch wieder an ihre Arbeit (Kiyoharu nicht, ohne mir zu sagen, dass ich mir den nächsten Tag gefälligst frei nehmen sollte, damit wir nach dem ganzen Stress noch ein wenig Zeit miteinander verbringen konnten), nur Kirito, Jui und Sachiko blieben da. „Ich muss aber eigentlich auch direkt wieder gehen“, meinte Sachiko und lächelte entschuldigend. „Ich war nur gerade zufällig in der Nähe, und als ich dich dann groß auf der Titelseite gesehen habe, musste ich einfach herkommen.“ „Hör zu, es tut mir leid, dass bei uns der Kontakt abgebrochen ist“, gab ich zerknirscht zurück. Ich merkte erst jetzt, wie sehr ich sie eigentlich gemocht hatte. „Wenn du nichts dagegen hast, würde ich ihn gerne wieder auffrischen.“ „Gerne!“ Sie strahlte mich an. (Ich hätte sie ja noch mal umarmt, aber da Kirito und Jui die Szene interessiert beobachteten...) „Sollen wir gleich einen Termin ausmachen? Wie wäre es an diesem Wochenende?“ „Ich hab deine Nummer noch, ich ruf dich an“, versprach ich und lächelte zurück, drückte sie noch einmal zum Abschied an mich. „War das nicht mal meine Sekretärin?“, fragte Kirito und sah Sachiko noch hinterher, als sie schon verschwunden war. „Ja, und sie war bis über beide Ohren verknallt in dich“, nickte Jui grinsend. „Obwohl sie sich jetzt anscheinend jemand anderes ausgeguckt hat.“ Er wandte sich mir zu. „Gar nicht!“, protestierte ich. „Das ist rein freundschaftlich!“ „Aus DEINER Sicht“, betonte Kirito. Ich seufzte tief. „Wie auch immer...“ „Also ich persönlich finde die Fotos alle sehr gelungen“, schaltete Jui sich wieder ein und strahlte mich an. (Ich wurde heute nur angestrahlt, so schien es.) „Danke schön“, erwiderte ich und lächelte ebenfalls. „Kein Problem.“ Er grinste. „Ich finde es schön, dass wir uns endlich mal kennen lernen, bis jetzt habe ich nur von dir zu hören gekriegt.“ „Echt?“ Er nickte. „...Eher Gutes oder...?“ Die beiden mussten lachen. „Kommt drauf an, wer von dir erzählt hat“, meinte Jui. „Kirito war schon etwas länger von dir begeistert-“ „Na, jetzt übertreib mal nicht“, warf Kirito dazwischen. „-und Tajo fand dich ja auch total niedlich, und Kiyoharu sowieso. Aber der hat sowieso total Spaß an allen neuen Models, daran musst du dich gewöhnen.“ Jui grinste wieder. „Aber ich finde es wirklich klasse, dass du als – ich drücke es jetzt mal so aus – ‚unprofessionelles’ Model so schnell schon deine Hachi Peーji gekriegt hast, ehrlich.“ So langsam konnte ich verstehen, warum er so beliebt war – er war wirklich unheimlich nett und niedlich. Ich wollte gerade erwidern, dass ER die acht Seiten ja nicht nötig gehabt hatte, da fing plötzlich jemand an zu klatschen. Ich drehte mich um und brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass gerade genau DER vor mir stand, von dem ich dachte, dass er es war. Hakuei – in all seiner Pracht – kam auf mich zu, offenbar bereits für ein Shooting gestylt, und klatschte. Für MICH. Als er direkt vor mir stand, sah er auf mich herab (er war fast 10cm größer als ich!) und lächelte. Und es war kein freundliches Lächeln. „Wirklich, ich bin beeindruckt“, sagte er leise und hörbar ironisch. „Nein, ehrlich, ich find es wirklich klasse, dass du als ein ‚unprofessionelles’ Model so schnell so hoch gekommen bist...“ Ich fühlte mich ernsthaft bedroht. 1. Er war definitiv aufgemachter als ich. 2. Er war größer als ich. 3. Er war erfahrener als ich. 4. Er war stärker als ich. 5. Er hatte mehr einflussreiche Freunde als ich. 6. Das hier war sein Territorium. Und 7. machte er mich gerade dumm an. Das hieß, er mochte mich nicht. Und DAS hieß, dass wenn ich jetzt nicht aufpasste, ich die nächsten Wochen meinen Triumph im Krankenhaus nachfeiern konnte. „Haku“, murmelte Jui als Warnung, offenbar gefiel es ihm nicht, dass das Model vor mir ihn nachgemacht hatte. „Würde mich nur mal interessieren, wie du das geschafft hast, ehrlich, also ich find das ja so klasse...“, fuhr Hakuei unbeeindruckt fort und ließ mich nicht aus den Augen. „Wahrscheinlich hast du es gemacht wie so viele andere Models auch.“ Er imitierte einen koketten Augenaufschlag (und obwohl ich kleiner war als er, wirkte es noch). „Klimper, klimper, Beine breit?“ „Haku!“, versuchte Jui es noch ein zweites Mal. „Kannst du etwa nicht selbst sprechen?“, fragte Hakuei, noch immer lächelnd, und tippte mir vor die Brust. „An deiner Stelle würde ich aufpassen“, sagte er leise. „Ich würde GUT aufpassen. Selbst wenn du gerade einen Höhenflug hast und bewegliche Ziele schwerer zu treffen sind – runter kommst du immer. Egal wie. Nur würde ich dir raten, mir nicht in die Quere zu kommen. Verstanden? Das ist ein gut gemeinter Rat. Wenn du dich aus meinen Angelegenheiten raushältst, dann könnte es sogar sein, dass ich dich in Ruhe lasse. Sofern du mir nicht weiter auf die Nerven gehst. Klar?“ Ich hätte gerade gerne etwas gesagt, aber meine Stimme wollte nicht mehr, also nickte ich lediglich. „Sehr schön.“ Hakuei nickte zufrieden lächelnd und tätschelte mir den Kopf. „Dann feier noch schön weiter, Straßenköter.“ Damit wandte er sich ab und verließ die Eingangshalle. Vollkommen regungslos starrte ich ihm nach und wartete darauf, dass ich aufwachte, aber den Gefallen tat ich mir nicht. „Das kann ja heiter werden“, murmelte Kirito. „Ich würde ja gerne sagen ‚keine Bange, er will nur spielen’, aber ich fürchte, bei Hakuei kann man sich nie so ganz sicher sein“, bemerkte Jui. „Ist er.... immer so?“, fragte ich sehr leise. „Oft“, bestätigte Jui. Okay... Fassen wir zusammen: In meinem kompletten bisherigen Leben hatte nur zwei Mal richtige Angst gehabt – einmal, als ich Kirito das erste Mal getroffen hatte, und dann in der Situation gerade eben. ... Ernsthaft, Hakuei machte mir Angst. Besonders, wenn er nur etwa zwanzig Zentimeter von mir entfernt war und locker auf mich herunterschauen konnte. „Wenn ich mir keine Sorgen um dich machen würde, dann würde ich deinen entgeisterten Gesichtsausdruck sogar noch lustig finden“, warf Kirito ein und wedelte mit einer Hand vor meinem Gesicht. „Geht es oder brauchst du ärztliche Hilfe?“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich glaube, ich brauche eher einen Bodyguard.“ „Wenn ich einen hätte, würde ich ihn dir sofort leihen“, meinte Jui. „Ich glaube, du könntest ihn gebrauchen.“ Ich lächelte schief. „Danke. Sehr aufbauend.“ ~☆~ Als ich am nächsten Tag mein Haus verließ, um mich auf den Weg zu Kiyoharu zu machen, bemerkte ich, wie mich eine Frau von der anderen Straßenseite anstarrte. Ich schenkte ihr keine Beachtung und ging weiter, während sie anfing, in ihrer Tasche herumzuwühlen. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sie ein Heft herausholte, es aufschlug, einen Moment regungslos verharrte und dann loseilte. In meine Richtung. DANN erst wurde mir klar, dass ich offenbar soeben den nächsten Schritt auf der Karriereleiter gemacht hatte. „Entschuldigen Sie?“ Ich gab mir Mühe, ein triumphales Grinsen zu unterdrücken, und drehte mich um. „Ja?“ Die Frau starrte mich einen Moment an. „Uhm... könnte ich wohl ein Autogramm von Ihnen...?“ Mit einem freundlichen Lächeln nickte ich. „Gerne.“ Just in dem Moment legte sich eine Hand auf meine Schulter. „Es ist gerade mal zehn Uhr morgens, und du verteilst schon Autogramme?“, wollte Kiyoharu amüsiert wissen. Die Frau vor mir sah aus, als würde sie jeden Augenblick in Ohnmacht fallen. Ich grinste ihn an. „Hey, das ist mein erstes, ja?“ Ich unterschrieb schnell und wollte der jungen Frau die Zeitschrift wieder zurückgeben, aber sie konnte noch immer die Augen nicht von Kiyoharu nehmen. „Könnte ich... von Ihnen auch...“ „Aber natürlich“, gab er lächelnd zurück und nahm den Stift und die Zeitschrift von mir, sah die Frau dann an. „Wie heißen Sie?“ „Ha-Haruka...“ Er kritzelte irgendetwas auf das Cover, was entfernte Ähnlichkeit mit ‚Für Haruka’ hatte und dann noch seinen Namen darunter, ehe er der Frau ein weiteres Lächeln schenkte. „Danke“, murmelte sie überwältigt, presste die Zeitschrift an ihre Brust und verschwand eilig, wahrscheinlich, um vor irgendjemandem anzugeben. „Daran wirst du dich gewöhnen müssen“, meinte Kiyoharu leise und steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen, die er auch sofort anzündete. „Und du solltest am Besten jetzt schon üben, zwei Stunden am Stück immer wieder deinen Namen zu schreiben. Könnte hilfreich sein. Und währenddessen immer schön weiterlächeln.“ Er zwinkerte mir zu, legte mir einen Arm um die Taille und zog mich dann mit sich. „Komm, ich wollte dir was zeigen.“ „Wo gehen wir denn hin?“, fragte ich und sah ihn an. Er lächelte mich nur kurz an. „Das wird eine Überraschung.“ Keine dreiviertel Stunde später ließ ich mich keuchend auf einen Treppenabsatz sinken und fuhr mir durch die Haare. „Ist es noch weit...?“, fragte ich außer Atem. Kiyoharu, der sich grinsend an das Geländer gelehnt hatte, schüttelte den Kopf. „Nein, nicht mehr allzu. Du hast schon fast alles hinter dir. Müssten jetzt so um die 500 Stufen gewesen sein.“ „Na toll“, murmelte ich und warf einen Blick nach unten. Also, es sah ja schon von hier beeindruckend aus, ganz ehrlich. „Warte, bis wir oben sind“, meinte Kiyo, als hätte er meine Gedanken gelesen. Ich sah ihn an. „Warum hast du dich eigentlich daran erinnert?“ „Woran?“ Er lächelte. „Dass ich noch nie auf dem Tokyo Tower gewesen bin.“ Sein Lächeln wurde breiter. „Ich habe ein gutes Gedächtnis. Und vor allem bei so sympathischen Personen wie dir.“ „Aber das habe ich dir doch an unserem allerersten Treffen erzählt...“ Er nickte nur. „Weiß ich doch.“ „Und das hast du dir gemerkt?“ Ein Schulterzucken. „Warum nicht?“ „Hm.“ Weil ich das von jemandem wie ihm nicht erwartet hätte. Aber egal. „Und wie kommt es, dass du noch kein bisschen außer Atem bist?“ Jetzt grinste er mich wieder an. „Ich hab auch eine gute Ausdauer.“ Er zwinkerte mir zu, und unwillkürlich wurde ich ein wenig rot. „Lass uns weitergehen.“ Er nahm meine Hand und zog mich wieder auf die Füße. „Notfalls trag ich dich auch...“ „Das würdest du machen?“ Ich sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Bei einem Fliegengewicht wie dir immer.“ Sagte der Richtige. Ahem. Na ja. Nach weiteren zehn Minuten stand ich direkt in der Mitte der Aussichtsplattform und wusste nicht, in welche Richtung ich mich zuerst drehen sollte. Die Plattform war von allen Seiten verglast und bot eine 360°-Ansicht von Tokyo. Nicht, dass ich die Stadt so hübsch fand, aber ich konnte ja Gebäude suchen, die ich kannte. Das einzige Problem war, dass ich mich inzwischen so viel gedreht hatte, dass ich nicht mehr wusste, wo Norden war. Gut, das wusste ich sowieso nicht, aber jetzt noch weniger. „Was verloren?“, wollte Kiyoharu grinsend wissen. „Höchstens die Orientierung“, gab ich zurück und blieb vor ihm stehen. „Wenn du jetzt GANZ lieb wärst...“ „Komm mit.“ Er nahm meine Hand und zog mich mit sich, stellte mich dann vor sich hin, einen Arm um meine Taille gelegt, den Kopf auf meiner Schulter und einen Arm ausgestreckt, um mir was zu zeigen. „Siehst du das ganz große hellblaue Gebäude dahinten? Links davon sind wir.“ Mit ‚wir’ meinte er das Hauptgebäude von GLAMOUR ☆ FASHION. Man konnte es sogar von hier aus sehen. Aber ich musste zugeben, auch wenn diese körperliche Nähe zu ihm sehr ungewohnt war, fühlte ich mich ziemlich wohl und bekam sogar von der Art, wie er mir ins Ohr murmelte, eine Gänsehaut. Nein, ehrlich. ... Ich wusste auch nicht, was das zu bedeuten hatte, oder vielmehr wollte ich es gar nicht wissen. Was ich wusste, war, dass es im Moment genau das war, was ich brauchte. Und zwar von der richtigen Person. Ich nickte. „Ja, sehe ich.“ „Und schau mal ein bisschen weiter links.“ Er drehte mich ein wenig herum. „Erkennst du das eine strahlend bunte Restaurant da wieder?“ Erneut nickte ich. „Dann solltest du eigentlich selbst wissen, wo du wohnst.“ Wieder nickte ich und lehnte mich unwillkürlich ein wenig mehr an ihn. „Ich kann immer noch nicht fassen, dass du fast um die Ecke vom Tokyo Tower wohnst und trotzdem noch nie hier warst“, meinte Kiyoharu und schüttelte leicht den Kopf, weshalb seine Haare mich am Hals kitzelten. „Hat mich noch nie interessiert“, gab ich zurück und genoss die Aussicht noch ein wenig. Von so weit oben wirkte Tokyo unheimlich ruhig, man sah so wenig Menschen, und wenn, dann waren sie so klein wie Ameisen. So klein und so unbedeutend. „Ich glaube, ich werde von dem Anblick depressiv...“ „Warum das denn?“, fragte Kiyo leise lachend. „Weiß nicht... wenn man mal darüber nachdenkt, was wir Menschen eigentlich sind – wir denken, die Welt gehöre uns, wir bevölkern sie und ordnen alle anderen Lebensformen uns unter, wir entwickeln Normen und Werte und jeder, der ihnen nicht folgt, wird gesellschaftlich geächtet... Aber was bewirken wir damit? Alles, was wir erreicht haben, hilft doch im Endeffekt nur uns, oder?“ Er schwieg eine Weile. „Ich persönlich glaube, dass jedes einzelne Leben irgendeinen Sinn hat, und selbst wenn wir nur da sind, um dem Leben eines anderen einen Sinn zu geben. Ich glaube nicht an das Schicksal, aber ich weigere mich zu glauben, dass ich austauschbar bin, dass an meiner Stelle jemand vollkommen anderes hätte existieren können. Denn wenn ich das annehmen würde, dann hätte mein Leben doch keinen Sinn mehr und dann könnte ich es genauso gut beenden.“ Darüber dachte ich einen Moment nach. Währenddessen spürte ich Kiyoharus Atem an meiner Haut, seine Hand auf meinem Bauch, seine Wange an meinem Hals... Und ich blickte hinunter auf die Stadt, in der ich geboren wurde, in der ich aufgewachsen bin und in der ich mein Leben lang gelebt hatte. Und jetzt sah ich sie plötzlich aus einer vollkommen anderen Perspektive. Ich fühlte mich, als würde gerade eine drastische Veränderung in meinem Leben vorgehen, ich wusste nur nicht, was es war. Als wir hinter uns einiges Flüstern hörten, lösten wir uns voneinander und wandten uns um. Die anderen Besucher, die sich ebenfalls auf dieser Aussichtsplattform befanden, hatten sich alle zu einer Seite gedrängt und waren aufgeregt am Flüstern. Neugierig ging ich zu ihnen und musste lächeln, als ich am Horizont den Fuji entdeckte. Schien wohl nicht der Normalzustand zu sein. Passte zumindest zu meinen Gefühlen in dem Moment. An diesem Abend stieß Kiyoharu noch mit mir auf meinen Erfolg an. Er hatte sich sogar daran erinnert, dass ich gerne Sake trank, und extra welchen gekauft. Ich wusste nicht so ganz, ob ich mich darüber freuen sollte: Einerseits fand ich es natürlich total lieb und aufmerksam von ihm, andererseits musste ich ja offensichtlich so einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen haben, dass er sich an das alles noch so gut erinnern konnte – und ich hoffte, dass das gut war. Zumindest ließ er mir keinen Raum für Interpretationen offen. Mit ihm war es immer so: Ich konnte mit ihm über alles, aber auch wirklich ALLES reden, er hörte mir zu, er half mir, so gut er konnte, er kümmerte sich um mich, er lachte mich nie aus und nahm alles ernst, was ich sagte. Er respektierte mich. Vielleicht war es das, was ich die ganze Zeit gebraucht hatte – jemand, der mich wirklich respektierte, auf die Art, wie Kiyoharu es tat. Ich verglich ihn unwillkürlich mit meinen Ex-Freundinnen. Sie hatten mir meistens nicht geglaubt, mich nicht ernst genommen oder mir nicht zugehört. Kiyo war das genaue Gegenteil von ihnen. Er war verständnisvoll, freundlich, interessiert und das alles. Ich konnte es gar nicht so genau beschreiben, aber mit einem Satz zusammenfassen: Ich fühlte mich wohl. Ich fühlte mich richtig wohl bei ihm. Vergleichbar mit dem Gefühl, was ich hatte, wenn ich bei Yuu war. Nicht dasselbe, aber ähnlich. Bei beiden spürte ich eine Vertrautheit, die weit über normale Freundschaft hinausging. Deshalb konnte ich auch so offen mit ihm sprechen. Ich erzählte ihm von Hakuei, fragte ihn, was es zu bedeuten hatte, sagte ihm, dass es mich total gefreut hatte, dass Jui so nett zu mir gewesen war, und erzählte ihm dann auch noch von meiner kurzzeitigen Verwirrung, was meine Orientierung anging. Da allerdings setzte er einen nachdenklichen Gesichtsausdruck auf. „Und... jetzt bist du der Meinung, dass du wirklich zu 100 Prozent auf Frauen stehst?“, wollte er wissen. Ich nickte. „Ja. Weißt du, ich hab ja mal gezweifelt, aber inzwischen bin ich mir wieder sicher, ja.“ „Und woher nimmst du die Gewissheit?“ Das brachte mich aus dem Konzept. „Wie – woher?“ „Hast du irgendwelche Beweise, die überzeugen könnten?“, fragte er weiter. Was für Beweise? „Inwiefern...?“ „Ich weiß nicht, dass du zum Beispiel inzwischen mit einer Frau glücklich geworden bist oder dich irgendetwas Erotisches bei einem Mann vollkommen kalt gelassen hat, dass du aufgehört hast, so anschmiegsam zu sein, zumindest bei Männern... hat sich bei dir irgendwas verändert?“, versuchte er mir klarzumachen, was er meinte. Ich runzelte die Stirn. „Nein.“ Kiyoharu seufzte. „Was, nein?“ „Nein, ich hab keine Beweise, aber die brauche ich doch nicht, wenn ich mir sicher bin. Oder?“ Erneut dachte er kurz nach. „Diese Sachiko... findest du sie hübsch?“ „Sie ist extrem hübsch, ja.“ „Findest du Hakuei hübsch?“ „Eh? ... Für einen Mann ist er... ziemlich hübsch, warum?“ „Denk mal an deine Schulzeit zurück.“ „Eh??“ Was sollte das denn jetzt? Ich blinzelte verwirrt. „Erinnerst du dich an deine ärgste Feindin?“, fragte Kiyoharu weiter. Ich nickte. „War sie hübsch?“ Sofort schüttelte ich den Kopf. „Nein, DIE doch nicht!“ Er hob die Augenbrauen. „Denk noch mal nach.“ Ich überlegte. Dann schnitt ich eine Grimasse. „Okay, ich meine, sie SAH schon nicht allzu schlecht aus, aber sie war trotzdem eine dumme-“ „Okay...“ Kiyo musterte mich einen Moment nachdenklich. „Du hast Yuu geküsst, nicht wahr? Wie war es?“ „Es... war schön“, gab ich zu. „Ich weiß nicht, ich kann es nicht ausdrücken, ich habe es genossen, aber nicht in der Hinsicht, als dass ich mit ihm zusammen sein wollen würde...“ „Du hast gesagt, vorher hast du dich an die Frau erinnerst, die du am meisten geliebt hast. Wobei hast du mehr gefühlt?“ So langsam wusste ich wirklich nicht mehr, worauf Kiyo hinauswollte, aber ich antwortete trotzdem. „Bei Yuu war es anders, da war keine Leidenschaft drin. Es war nur... weiß ich nicht. Und als ich an sie gedacht habe, war immer Leidenschaft mit dabei.“ „Und wie könntest du deine Gefühle bei Yuu beschreiben?“ „...Sehnsucht?“, schlug ich vor und sah sofort an Kiyoharus Lächeln, dass ich gerade ein Eigentor geschossen hatte. „Nein, also so meinte ich das nicht, es war eher...“ „Ist okay“, er nickte, „Wirklich. Für mich reicht es schon.“ Wieder lächelte er. „Und du sagst, dass du jetzt 100 Prozent hetero bist?“ Ein wenig zögerlich nickte ich. „Ich erhebe Einspruch.“ Ganz ehrlich, mir klappte der Mund auf. Einen Moment starrte ich ihn nur entgeistert an, dann schüttelte ich den Kopf. „Und... woher nimmst DU die Gewissheit??“ „Einfach.“ Kiyo zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich ein wenig auf dem Sofa zurück. „Hat es bis jetzt eine Frau geschafft, dich wirklich über einen langen Zeitraum glücklich zu machen? So, dass dir alles andere mehr oder weniger egal war?“ Nach kurzem Zögern schüttelte ich den Kopf. „Und wie nennst du das mit Yuu?“ „Das ist doch keine Beziehung!“, protestierte ich sofort. „Macht er dich glücklich?“ „Das hat doch damit nichts zu tun!“ „Wegen ihm hast du doch schon ein paar Freundinnen verloren, nicht wahr? Weil du sie wegen ihm vernachlässigt hast.“ „Das ist doch etwas vollkommen anderes!“, widersprach ich vehement. Kiyoharu lehnte sich vor und sah mir direkt in die Augen. „Und was?“ Ich schwieg. „So, wie ich das sehe, spielen Frauen in deinem Leben eher eine untergeordnete Rolle“, fuhr er leise fort, ohne mich aus den Augen zu lassen. „Wenn ich es so ausdrücken darf – sie berühren deinen Körper, aber nicht deinen Geist. Das schaffen nur Männer. Hab ich Recht?“ „Nein“, entgegnete ich kopfschüttelnd. „Bis du mir das Gegenteil bewiesen hast.“ „Du hast Kirito geküsst, als du betrunken warst.“ „Das hätten viele gemacht.“ Jetzt lief ich rot an. „Wirklich?“ „Wenn sie in meiner Situation gewesen wären, ja!“ Er lächelte leicht. „Nur kommen die meisten nicht in deine Situation, weil sie Unterstellungen dieser Art meistens als Schwachsinn abtun. Im Gegensatz zu dir.“ „Aber trotzdem, wenn man auch nur von Schwulen umgeben ist...“ „Ich bin mir sicher, dass Yasu seine Orientierung nicht eine Sekunde in Frage gestellt hat. Und geküsst hat er auch noch niemanden, obwohl er ziemlich oft mit Schwulen betrunken um die Häuser gezogen ist. ER ist sich 100-prozentig sicher, dass er auf Frauen steht.“ Mir gingen langsam die Argumente aus. Ich starrte auf den Boden. „Kiyoharu, ich glaube nicht, dass ich schwul bin“, murmelte ich. „Du solltest jetzt zwischen ‚ich glaube nicht’ und ‚ich will nicht glauben’ unterscheiden“, gab er zurück, stand auf und ließ sich neben mich auf das Badezimmerteppichsofa sinken, legte mir einen Arm um die Schultern. „Das mag für dich zwar schwer sein, aber ich würde noch einmal versuchen, objektiv auf die Sache zu schauen. Stell dir doch mal vor, dass du mit einem Mann zusammen wärst, wie du dich dabei fühlen würdest, ob du wohl mit einem Mann schlafen könntest. Versuch es wenigstens. Und wenn dir das überhaupt nicht zusagt, dann erst kannst du dir sicher sein. Und wenn doch, dann probier es doch einfach mal aus. Gib der Möglichkeit wenigstens eine Chance, ja?“ Ich starrte weiterhin auf den Boden und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Vorgestern war doch alles noch in perfekter Ordnung gewesen, und jetzt... jetzt warf Kiyoharu mein Weltbild um und schlug mir vor, ein neues zu kaufen. Sehr schön. Ich kniff die Augen zusammen. „Gara?“, fragte er sachte und drückte mich etwas an sich. Als ich mein Gesicht an seinem Hals vergrub, zog er mich in seine Arme und begann, über meinen Rücken zu streichen. „Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll“, flüsterte ich hilflos. „In der einen Woche bin ich noch davon überzeugt, dann kommt plötzlich jemand und erzählt mir was, daraufhin muss ich meine gesamte Existenz in Frage stellen, dann hab ich mich endlich wieder beruhigt, und dann wird mein Weltbild zerstört... Kiyoharu, was soll ich denken?“ „Das kann ich dir am allerwenigsten sagen“, erwiderte er und streichelte mir über die Haare. „Das musst du für dich selbst herausfinden, aber-“ „Toll, und jetzt bin ich wieder auf mich allein gestellt?“ „Lass mich ausreden“, meinte er ruhig. „Ich wollte sagen, dass du zwar selbst entscheiden musst, was du denken willst und was du als richtig annimmst, aber trotzdem bist du nicht alleine. Du hast genügend Personen um dich herum, die dich auffangen würden, falls du fällst. Du hast immer jemanden hinter dir stehen. Darauf kannst du dich verlassen.“ „...Auch du?“, wisperte ich. „Würdest du mich auch auffangen?“ „Ich wäre derjenige, der dich nicht nur auffangen, sondern der dich auch notfalls zum Ziel tragen würde. Das weißt du doch“, antwortete Kiyoharu und seine Stimme klang so sanft, dass ich am liebsten jeden Moment in Tränen ausgebrochen wäre und ihm gesagt hätte, wie viel er mir bedeutete und wie dankbar ich war, dass ich ihn hatte, und dass ich ihn nicht verdient hatte und dass er toll war und... ...und dann sagte er zwei Worte, die mich in den nächsten Wochen nicht wieder loslassen würden, zwei Worte, so bedeutungsschwer, dass ich sie keine Sekunde aus meinem Kopf bekam: „Vertrau mir.“ Und ich konnte mich nur an ihn klammern und mich bei ihm bedanken, für alles, was er bis dahin für mich getan hatte, und ich wusste, dass ich ihm vertrauen würde. Bis ans Ende meines Lebens. ~☆~ Gerade, als ich das Gebäude betreten wollte, rannte ich direkt in Kirito rein. Ich entschuldigte mich schnell und begrüßte ihn dann erst einmal. Er winkte nur ab. „Ich hab mich damit abgefunden, dass du verpeilt bist. Ich hoffe, du kannst Eis laufen?“ Ich erstarrte. „Ich kann WAS?!“ Kirito musste über mein fassungsloses Gesicht lachen. „Schlittschuh fahren, weißt du, da zieht man sich Schuhe mit Kufen unten dran an und fährt-“ „Schon klar, schon klar, aber... WAS?!?“, meinte ich ungläubig. „Das hier ist eine Eishalle??“ Er grinste breit. „Klar, steht auch dran.“ Er deutete nach oben. Tatsache. Es stand fett oben drüber. Allerdings hatte ich gedacht, dass Kiyoharu in irgendeinem exklusiven Laden mit uns Eis essen gehen wollen würde und mich schon darüber gewundert, warum das Gebäude dann so glanzlos wirkte. „Und... die anderen sind schon drin?“ Kirito nickte. „Zumindest die anderen JUNGEN. Weißt du, Kiyoharu feiert seinen Geburtstag immer zwei Mal – einmal mit uns, den Jungen, beziehungsweise mit uns Models, weil die Models meistens die jüngsten in seinen Bekanntenkreis sind, und einmal mit den Alten. Mit uns macht er irgendwelche lustigen Sachen wie eine Art Schnitzeljagd durch ganz Tokyo oder Schwimmen gehen oder so was, und mit den anderen geht er schick essen. Hätte ich dir vielleicht vorher sagen sollen.“ „Ja, hättest du“, beschwerte ich mich. „Ich KANN nicht Schlittschuh laufen!“ „Dann lernst du’s eben.“ Ich drehte mich zu der Stimme um und schenkte Kiyoharu ein Lächeln, ehe ich ihn an mich drückte. „Alles Gute zum Geburtstag!“, wünschte ich ihm. „Danke“, erwiderte er und zwinkerte mir zu. „Und wegen dem Eislaufen musst du dir keine Sorgen machen, die anderen bringen es dir gerne bei.“ „Das heißt, die anderen KÖNNEN es alle?!“, fragte ich entgeistert. Jetzt lachten Kirito und Kiyoharu beide. „Diese verdammten Schuhe sind verdammt unbequem“, beschwerte ich mich leise, während ich zur Eisfläche stiefelte. „Und was, wenn ich mir irgendetwas breche und dich dann verklage? Dann bist du nämlich schuld, weil du mich eingeladen hast, so! Ich werde mich blamieren, Kiyo, ich sehe es schon vor mir, in zwei Sekunden liege ich da auf dem Eis und alle lachen mich aus!“ „Ach, sei ruhig“, grinste Kiyoharu und betrat vor mir das Eis. „Komm, ist eigentlich gar nicht so schwer.“ Ganz vorsichtig setzte ich den ersten Fuß auf die Eisfläche, und dann den anderen. Die Tatsache, dass ich auf zwei ZIEMLICH schmalen Kufen stand, erhöhte mein Selbstbewusstsein nicht sonderlich. „Gara!“, hörte ich vor mir eine Stimme und ich sah gerade noch, wie Yasu angefahren kam, ehe ich die Augen zusammenkniff und mich auf den Aufprall vorbereitete – allerdings kam er nicht, offenbar hatte Yasu vor mir abgebremst. Nur war mein Gleichgewichtssinn mit geschlossenen Augen nicht gerade der Beste, weshalb ich auf der Stelle ausrutschte und mich an allem festhielt, was gerade greifbar war. Klartext: Ich krallte mich in Kiyoharus und in Yasus Jacke, woraufhin die beiden mich sofort fest hielten, damit ich stehen blieb. Nach etwa fünfzehn Sekunden konnte ich wieder gerade stehen, ohne Angst zu haben, gleich auf dem Boden (Verzeihung: dem Eis) zu liegen. Kiyoharu, Kirito und Yasu grinsten mich an. „Das ist nicht lustig!“, maulte ich. „Nein, aber niedlich. Komm her“, meinte Yasu sichtlich erheitert, legte einen Arm um meine Taille und zog mich ein wenig zu sich, was zur Folge hatte, dass ich erneut das Gefühl bekam, gleich hinzufliegen und mich erneut an ihm festkrallte. „Der steht ja echt zum ersten Mal auf dem Eis“, stellte Kirito milde erstaunt fest. „Ach!! Was sag ich denn die ganze ZeiAHHH!“ Wieder suchte ich Halt an der Person neben mir, obwohl diese es war, die gerade eben ohne Vorwarnung losgefahren war und mich mitgezogen hatte. „MACH DAS NICHT NOCH MAL!!“ „Jetzt beruhig dich doch mal“, lachte Yasu. „Was Schlimmeres, als dass du dich hinlegst, kann dir nicht passieren. Halt dich an mir fest. Weißt du, wie man Inlineskates fährt? Die Bewegungen sind hier fast dieselben.“ Etwa eine halbe Stunde später (nachdem ich von den anderen anwesenden Models begrüßt und ausgelacht wurde) klappte es sogar einigermaßen. Ich stand mehr oder weniger sicher und hatte nicht mehr so panische Angst vor dem Hinfallen. Trotzdem war ich mir nicht sicher, ob ich bereits ohne Halt fahren könnte. „Willst du mal alleine fahren?“, fragte Kirito, der Yasu zwischendurch abgelöst hatte. „Nein.“ „Versuch es doch mal...“ „Ich kann das nicht!“ „Probier es doch wenigstens. Komm, wenn du diese zwanzig Meter hier auf der langen Bahn fehlerfrei fährst, dann geb ich dir gleich an der Bar was aus, okay? Egal was.“ „Jetzt werde ich auch noch bestochen...“, murmelte ich kopfschüttelnd. „Okay, ich versuch es mal. Lass mich los.“ Kirito gehorchte, und erstens wurde mir kalt (weil ich ja jetzt niemanden mehr neben mir hatte, der mich wärmte) und zweitens bemerkte ich jetzt erst, dass ich das Gleichgewicht alleine wohl DOCH nicht so gut halten konnte. Ich schwankte einen Moment, fing mich aber dann wieder und fuhr vorsichtig los. Es klappte sogar. Hey, ich FUHR! Ich kam vorwärts! Zwar wahrscheinlich mit minus 13km/h, aber zumindest war der Ansatz da! Ich begann, etwas schneller zu fahren. „Sieht doch gut aus!“, rief Kirito mir zu. Das veranlasste mich, noch etwas schneller zu laufen. Eine schlechte Entscheidung. Just in diesem Moment kreuzte nämlich jemand meine Fahrbahn – und blieb mittendrin stehen. (Beziehungsweise vor einem Grüppchen von temporären Nicht-Fahrern an der Seite, was aber trotzdem an der Stelle direkt in meiner Fahrbahn war.) Ich versuchte noch auszuweichen, aber es half alles nichts. Ich konnte nur noch ‚bitte nicht er, nein, bitte nicht ER, ER bitte nicht!’ denken, da fuhr ich auch schon direkt in ihn rein, versuchte mich noch an ihm festzuhalten, als er selbst das Gleichgewicht verlor und mit mir hinflog, weshalb wir keine Sekunde später nebeneinander auf dem Boden lagen. Scheiße. Scheiße, Scheiße, Scheiße. Mich störte nicht so sehr, dass mir mein Hinterteil und meine Hände weh taten, als vielmehr die Tatsache, dass ich gerade eben Hakuei über den Haufen gefahren hatte. Ein paar der Umstehenden lachten und fragten uns, ob alles in Ordnung sei, woraufhin ich nur nickte und zu Hakuei sah. Dieser grinste gerade zu einem anderen Model herauf (ich vergaß immer, wie er hieß, obwohl er so einprägsam war mit seinen wasserstoffblonden Haaren und dem immer unschuldig wirkenden Gesicht). „Hab ich nicht gesagt, dass er heute noch einen umfährt? Hab ich’s nicht gesagt?“ Der Angesprochene verschränkte die Arme und spitzte die Lippen ein wenig, wodurch er sowohl Missbilligung und Schmollen als auch Starrköpfigkeit ausdrücken konnte, das wurde nicht ganz klar. „Aber eigentlich gilt es ja nicht, weil er ja DICH umgefahren hat, und nicht jemand anderes“, meinte er. „Hör zu, es tut mir-“, begann ich, wurde allerdings von Hakuei unterbrochen, der mir keine Aufmerksamkeit schenkte. „Wie auch immer“, sagte er nur zu dem Blonden und ließ sich von ihm wieder auf die Füße ziehen, ehe beide sich mir zuwandten. Ich war kurz davor, in Richtung Kirito zu krabbeln, um beschützt zu werden. „Und was machen wir jetzt mit dir?“, wollte der Blonde wissen und legte den Kopf schief. „Ich bin für steinigen“, antwortete Hakuei, der heute nicht ganz so aufgestylt war wie bei unserer letzten Begegnung, aber trotzdem wirkte er noch so eindrucksvoll, dass ich seinen Worten ohne Zögern Glauben schenkte. Außerdem stand er über mir, während ich auf dem Eis lag – da war er natürlich NOCH beeindruckender. „Tut mir leid“, murmelte ich kleinlaut. „Ach, sei still“, gab Hakuei zurück und streckte eine Hand aus. Zögernd ergriff ich sie und wurde mit einem Ruck hochgezogen, den ich überhaupt nicht erwartet hatte, sodass ich fast wieder das Gleichgewicht verlor und mich erneut an ihm festhalten musste. „Aber getrunken hast du noch nichts, ja?“, fragte er mich grinsend. Ich schüttelte nur sprachlos den Kopf und ließ ihn langsam wieder los. Ich konnte mir nicht vorstellen, was Hakuei von mir wollte. „Bin später wieder da, Schatz“, murmelte der gerade dem Blonden zu, zog ihn für einen kurzen Kuss an sich und schenkte mir ein Lächeln. „Dann komm.“ „Eh?“, machte ich, mit der Situation vollkommen überfordert. Irgendwie streikte mein Gehirn gerade. Hakuei war mit dem Blonden zusammen? Er war nicht sauer, obwohl ich ihn umgefahren hatte? Er lächelte mich an?? „Ich bring dir bei, wie man Schlittschuh läuft“, erwiderte Hakuei, noch immer lächelnd, ehe er nach meiner Hand griff und mich mitzog, weshalb ich erneut fast das Gleichgewicht verloren hätte. Moment maaaal... Was zur Hölle ging hier gerade vor sich? Ich träumte doch nicht, oder? „Pass bloß auf, dass er sich nichts bricht!“, rief uns der Blonde hinterher. ...Spätestens jetzt bekam ich Angst. „...und dann hat er mich einfach mitgezogen und mir gesagt, was ich machen muss, damit ich nicht umkippe.“ Ich sah Kirito an. „Ich krieg langsam echt Angst vor dem Typen, erst tut er so, als würde er mir am liebsten den Hals umdrehen, und dann so was!“ Kirito grinste breit. „So was macht er gerne. Er ist ziemlich unberechenbar. Wenn er dich am einen Tag mag, heißt das nicht, dass er es am nächsten auch noch tut. Er ist extrem... wechselhaft. Launisch noch nicht mal, aber er ändert gerne sein Weltbild, meistens von Grund auf.“ „Und ihr habt mich einfach im Stich gelassen“, meinte ich beleidigt. „Wir fanden, du seist bei Hakuei gut aufgehoben“, meldete Yasu sich zu Wort, der gerade eben aus dem Nichts aufgetaucht war und sich neben mir auf die Badezimmerteppichcouch setzte. Durch Hakueis Anweisungen hatte ich mich nach einer Stunde sogar einigermaßen annehmbar auf dem Eis bewegen können, selbst ohne Hilfe. Danach waren wir noch etwa eine Stunde geblieben und hatten uns dann zu Kiyoharus Haus chauffieren lassen (er hatte genügend Autos mit genügend Chauffeuren, von daher passte es schon), um unsere angeschlagenen Nerven zu beruhigen (sprich: ich, um meine angeschlagenen Nerven zu beruhigen, und die anderen, um erst mit Kiyoharu anzustoßen und dann anzufangen, sich mit Alkohol voll zu schütten). „Also, wenn ihr schon der Meinung seid, dass ich bei HAKUEI gut aufgehoben bin, will ich nicht wissen, was ihr meint, wenn ihr sagt ‚wir wollen doch nur dein Bestes’“, bemerkte ich leise. „Wollen wir doch auch“, bestätigte Kirito. „Ja. Immer“, nickte Yasu eifrig. Ich beschloss, das Thema zu wechseln. Die beiden verstanden sich zu gut, das konnte nur schlecht für mich ausgehen. „Wann packt er eigentlich seine Geschenke aus?“ „Nach dem Standardprogramm“, antwortete Kirito, worauf die beiden schon wieder anfingen zu lachen. „Und das wäre?“, fragte ich misstrauisch. „Ein Karaokewettkampf“, antwortete Kiyoharu, der ebenfalls aus dem Nichts aufgetaucht war und sich nun auf meiner anderen Seite niederließ. „Oh Gott!“ „Kannst du nicht singen?“, wollte er grinsend wissen. „Das nicht, aber wenn, dann mache ich es nicht so gerne öffentlich“, murmelte ich. „Ach, das ist nicht so schlimm“, winkte Yasu ab. „Hier kann sowieso über die Hälfte nicht singen. Und sie machen’s trotzdem.“ „Wer kann denn alles gut singen?“, fragte ich. „Angefangen beim Geburtstagskind selbst natürlich“, meinte Kirito lächelnd und nickte Kiyoharu zu, „die meisten bekannteren. Jui, Hakuei, Yasu natürlich, Hyde...“ „Wobei man ihn auch nicht unterschätzen sollte“, warf Yasu ein und deutete auf Kirito. „Was ist mit dem Blonden?“, wollte ich wissen und sah in die Richtung von Hakuei, der sich gerade mit seinem Schatz auf dem Schoß mit einem ziemlich großen bunthaarigen Model unterhielt. „Ähnlich wie Miyavi“, erklärte Yasu lächelnd. „Das ist der bunte daneben. Sie können beide nicht singen, tun’s aber trotzdem.“ „Vor allem Miyavi“, lachte Kirito. „Obwohl es bei ihm noch besser ist als bei Rose.“ „Rose?“, wollte ich wissen. „Der Blonde“, erläuterte Kiyoharu mit einem Lächeln. „Ich glaube, ihr seid euch noch nicht begegnet. Spielt gerne die unschuldige Jungfrau.“ „Noch nie war eine Beschreibung unzutreffender“, seufzte Yasu. „Durch und durch versaut“, nickte Kirito. „Deshalb ist er auch mit Hakuei zusammen.“ „Und wie lange schon?“, fragte ich weiter. „Gar nicht mal so lange“, gab Kiyoharu zurück und kramte nach einer Zigarette. „Ein paar Monate vielleicht.“ „Deshalb können sie auch noch nicht die Finger voneinander lassen“, stimmte Kirito ihm zu und wandte sich kurz um, um den beiden einen Blick zuzuwerfen. Jetzt war Rose am Reden, und Hakuei strich ihm über den Oberschenkel, woraufhin der Blonde andauernd seine Hand wegschieben musste. „Gibt es denn noch mehr Pärchen hier?“, wollte ich wissen, erntete aber Kopfschütteln. „Überraschenderweise nicht“, meinte Kirito. Kiyoharu nickte. „Obwohl ich auch nicht glaube, dass das zwischen den beiden lange halten wird.“ „Die fangen schon an, deine Hausbar auseinander zu nehmen“, meldete sich jemand anderes zu Wort, der sich gerade auf die Armlehne des Sofas neben Kiyoharu gesetzt hatte. Der Angesprochene grinste Hyde zu. „Solange sie gleich nicht zu betrunken zum Singen sind, ist mir alles egal.“ Hyde lächelte leicht. „Das richtig scharfe Zeug hältst du sowieso unter Verschluss, hm?“ „Richtig.“ Kiyo nickte. „Wie darf man sich einen Karaokewettkampf eigentlich vorstellen?“, wandte ich mich an Kirito und Yasu. „Zuerst wird ausgelost, wer gegen wen antritt“, begann Yasu. „Meinetwegen bist du in Gruppe A und musst gegen Rose singen. Es wird ein Lied ausgewählt, das dir vorher bekannt gegeben wird, und je nachdem, ob du den Text kennst oder nicht, kann dir entweder der Liedtext angezeigt werden oder du singst es so, wobei natürlich freies Singen besser kommt. Danach singt Rose, und hinterher wird das Publikum gefragt, wer besser war.“ „Beziehungsweise es werden drei Fragen gestellt“, mischte Kirito sich ein. „Einmal, ‚wer fand Gara besser?’, dann ‚wer fand Rose besser?’ und dann ‚wer fand, dass beide furchtbar waren?’. Wenn sie sich alle beim ersten Fall melden, kommst du weiter, beim zweiten Rose und beim dritten fliegt ihr beide raus. Fertig.“ Er grinste. „Und dann geht es nach dem K.O.-Prinzip weiter“, fuhr Yasu fort. „Wobei die meisten – außer mir, Kirito und Hakuei natürlich – in der dritten Runde rausfliegen.“ „Warum das denn?“, wollte ich irritiert wissen. „Die dritte Runde ist verhasst wie sonst was“, grinste Kirito. „Sie heißt Lady’s Round, das heißt, es werden nur Lieder ausgewählt, in denen eine Frau singt.“ „Und zwar HOCH singt. EXTREM hoch“, betonte Yasu. „Da können diejenigen mit einer tiefen Stimme nicht mithalten.“ Gut, da hatte Yasu wahrscheinlich wirklich keine Probleme. Aber Hakuei? „Hört sich ja lustig an. Und wer gewinnt meistens?“ „Hängt davon ab, wie das Publikum drauf ist“, meinte Kirito schulterzuckend. „Meistens Kiyoharu, weil er wirklich gut singen kann, fast alle Lieder kennt und einfach weil es sein Geburtstag und er so beliebt ist.“ Dass Kiyoharu beliebt war, sah man allein schon an der Gästeanzahl. Er hatte nur mit ihm befreundete Models eingeladen, und das waren allein schon über vierzig. Und dann feierte er ja noch ein zweites Mal. Und selbst wenn so viele Leute da waren, schaffte er es, irgendwie ein Gleichgewicht herzustellen, was Aufmerksamkeit von ihm anging. Denjenigen, die sich einbildeten, über den anderen zu stehen, gab er das Gefühl, dass er sich mehr um sie kümmerte, und diejenigen, die den Eindruck hatten, dass er sie nicht wirklich mochte, beehrte er so lange mit seiner Aufmerksamkeit, dass sie nichts gegen ihn sagen konnten. Wann immer man ihn brauchte, war er sofort zur Stelle – er vernachlässigte nicht einen Gast. Ich fand das bemerkenswert. Als ich Kirito darauf ansprach, lautete seine Antwort: ‚So ist er eben.’ Und so war er auch. Das Karaokesingen machte wirklich Spaß, das musste ich zugeben. Es sangen einige, bei denen ich am liebsten rausgegangen wäre, aber die wurden durch diejenigen ausgeglichen, die es wirklich konnten. Ich hatte die meisten ja noch nie singen hören, deshalb war es schon ein Erlebnis. Yasus Stimme war beim Singen – falls das ging – noch höher als sowieso schon, und selbst Kirito und Hakuei sangen ein wenig höher, als sie sprachen. Hyde dagegen hatte einen wohlklingenden Bass (Obwohl er so klein war! Ich wusste auch nicht, wie das zusammenhing, aber es wirkte seltsam, wie der feminine Zwerg so tief sang) und Jui eine sehr klare Stimme, die eher zu einer Visual-Kei-Band gepasst hätte. Und dann kam Kiyoharu an die Reihe. Also, er hatte ja so schon eine angenehme Stimme, aber beim Singen... am Anfang war es ungewohnt, sehr ungewohnt, ich hatte bis jetzt noch niemanden so singen hören. Er sang ebenfalls sehr klar, aber bei ihm bekam man den Eindruck, dass ihm das Singen nicht nur keine Mühe bereitete, sondern dass er es jede Sekunde genoss. Und wenn er das nicht tat, dann war er ein verdammt guter Schauspieler. Ich sah ihm unheimlich gerne beim Singen zu. Als ich dann schließlich gegen Kiyoharu sang, hatte ich keine Chance. Erstens fand ich sowieso, dass er besser singen konnte als ich, zweitens kannte er sein Lied und ich meins nicht, drittens war er sowieso beliebter und bekannter als ich. Im Finale sangen Kiyoharu und Hakuei gegeneinander, wobei Kiyoharu ganz knapp gewann. Auch, wenn es keine Überraschung war, ich fand es gerechtfertigt. Der Rest des Abends verlief relativ ereignislos im Hinblick auf das, was noch kommen würde. Ich hatte zu dem Zeitpunkt natürlich noch keine Ahnung davon, und so durchlebte ich in den nächsten Stunden immer wieder kleinere Höhe- und Tiefpunkte: Ich unterhielt mich das erste Mal etwas länger mit Jui, merkte, dass er wirklich unheimlich nett war, und tauschte gleich Telefonnummern mit ihm aus. Ich bemerkte das erste Mal, was für ein Tollpatsch er war, als er erst von der Couch fiel, auf der er gesessen hatte, und dann noch in eine Personen hineinrannte, sich bei ihr entschuldigte und dabei weiterging, weshalb er in den nächsten hineinrannte, sich wieder weitergehend entschuldigte, dabei den nächsten erwischte... und so weiter. Es war wirklich unheimlich süß. Ich unterhielt mich das erste Mal etwas länger mit Hakuei und Rose beziehungsweise eher nur Hakuei und musste feststellen, dass Rose ein naiver, verwöhnter Schönling war, Hakuei dagegen nicht viel unsympathischer als Jui. Wirklich, wenn er einem eine Chance gab, ihn von seiner guten Seite zu sehen, dann fand ich ihn sogar noch ansprechender als Jui. Er brachte mich zum Lachen, lachte selbst, diskutierte mit mir über einige Sachen (und sah sogar ein, dass er Unrecht hatte, wenn er Unrecht hatte), feilte ein wenig an meinem Weltbild herum, gab mir Tipps für alles und hörte mir zu, wenn ich was zu sagen hatte. Ich konnte mit ihm offener sprechen als mit Jui, was mich überraschte. Während ich mich mit ihm unterhielt, fühlte Rose sich offenbar nicht gezwungen, an der Konversation teilzuhaben, weshalb er entweder mit jemand anderem redete, herumtigerte, irgendwo an Hakuei herumknabberte oder sich betrank. (Hauptsächlich die letzten beiden Sachen.) Ich bemerkte zum ersten Mal, dass es unheimlich heiß aussah, wenn zwei Kerle miteinander rumknutschten. ... Ich weiß, dass das jetzt ein wenig komisch klingt, aber ich konnte mich nur mühsam von dem Anblick von Hakuei und Rose losreißen, wenn die beiden richtig zugange waren. Mehrmals ertappte ich mich dabei, wie ich mir wünschte, entweder an Hakueis oder Roses Stelle zu sein – selbst wenn ich Rose nicht mochte, war er doch ziemlich hübsch. Ich unterhielt mich zum ersten Mal etwas länger mit Hyde. Nein, ehrlich. Ich fand ihn jetzt nicht übermäßig nett, aber unhöflich wollte ich ja auch nicht sein. Er hatte mich bei irgendetwas angesprochen, ich hatte geantwortet und wir waren ins Gespräch bekommen. Je länger wir redeten, desto mehr verfestigte sich bei mir der Eindruck, dass mich der Typ nicht abkonnte. Aber egal – was interessierte es mich? Ich hatte Kiyoharu, da musste Hyde mich nicht mögen. Und dann bemerkte ich zum wiederholten Mal, wie froh ich eigentlich war, Kiyoharu zu haben. Obwohl von ‚haben’ natürlich nicht die Rede sein konnte. Er war so ein Multitalent, dass man glücklich sein konnte, wenn man ihm auch nur eine Stunde bei der Arbeit zusehen durfte. Er reichte wirklich extrem nah an den Begriff ‚perfekt’ heran. Kurze Zusammenfassung: Ich mochte Rose und Hyde nicht, dafür Jui, Hakuei, Kirito, Yasu und Kiyoharu umso mehr, wobei ich Hakuei nicht verstand. Ach ja, und ich schien doch schwul zu sein. Ich hatte Kiyoharus Rat befolgt und noch einmal ausführlich über meine Situation nachgedacht, ich hatte versucht, mich daran zu erinnern, wie es gewesen war, Kirito zu küssen, ich hatte mir vorgestellt, wie es wäre, mit einem Mann zusammen zu sein. Und was war dabei herausgekommen? Ganz einfach: Ich war in Kiyo verknallt. So einfach war es. ...Es hatte eine Woche gedauert, bis ich diese Tatsache akzeptieren konnte. Aber es war so. In seiner Gegenwart fühlte ich mich immer anders, als wenn ich zum Beispiel bei Kirito war, ich fühlte mich wohler, ich konnte mich mehr entspannen, ich konnte offener reden. Ich bewunderte und respektierte ihn für das, was er war, und für das, was er tat, ich genoss seine Berührungen und unser Zusammensein. An dem einen Tag auf dem Tokyo Tower, als wir so nah beieinander gestanden waren, hätte ich mich am liebsten an ihn geklammert und nie wieder losgelassen. Ich wollte ihn berühren können, ihn küssen, von ihm geküsst und berührt werden. Ich war bis über beide Ohren in ihn verschossen. Das Problem war nur: Er war mein Chef. Und er war perfekt. So jemand wie er würde mich doch ohnehin nicht haben wollen. Und darüber hinaus wusste ich noch nicht einmal hundertprozentig, ob er schwul war oder nicht. Und an diesem Abend hatte ich einen Entschluss gefasst: Ich würde ihm sagen, was ich fühlte. Ich würde es ihm gestehen, und wenn er mich dann nicht wollte, dann würde ich um ihn kämpfen, dann würde ich ihm beweisen, dass ich es wert war, mit ihm zusammen zu sein. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich richtig verknallt. „Also ich fand’s geil“, meinte Kirito. „Wie jedes Jahr“, gab Yasu zurück. „Ich fand das alles lustig“, mischte ich mich ein. „An solche ausgefallenen Sachen wirst du dich gewöhnen“, nickte Kirito. „Kiyo macht so was ständig, warte nur mal ab bis Weihnachten, er gibt hoffentlich wieder eine Weihnachtsparty, da wird wahrscheinlich Wahrheit oder Pflicht gespielt oder so was.“ „DAS ist immer amüsant“, stimmte Yasu breit grinsend zu. „Wobei IHR ja so versaut geworden seid, dafür konnte er überhaupt nichts!“ „Hey, wir waren alleine unter uns, da dürfen wir das doch wohl, oder nicht?“, rechtfertigte Kirito sich lächelnd. „Was macht er denn an Weihnachten Tolles?“, wollte ich wissen und nickte dem Wachmann zu, der am Tor stand. Gerade gingen wir den Weg von Kiyoharus Haus hinunter Richtung Straße. Wir waren unter den letzten gewesen, und da wir so langsam fortkamen (ich rechts, Yasu links und Kirito von uns gestützt in der Mitte, er hatte ein bisschen viel getrunken, wobei sich das bei ihm nur auf die Motorik, nicht aber auf seinen Geisteszustand auswirkte), waren alle anderen schon an uns vorbei. „Unterschiedlich“, antwortete Yasu. „Rätsel sind immer dabei, und derjenige, der es zuerst löst, kriegt irgendwas geschenkt.“ „Rose hat letztes Jahr ein riesiges rosa Plüschschaf gekriegt“, kicherte Kirito. „Du hättest sein GESICHT sehen sollen!“ „Aber kein Karaoke?“, fragte ich. „Nein, normalerweise nicht.“ Ohne jeglichen ersichtlichen Grund begann Kirito zu lachen und kriegte sich nicht mehr ein, sodass wir ihn auf den Bordstein setzten, weil wir sonst alle hingefallen wären. „Was ist?“, wollte Yasu wissen. „Ich... hab mich nur an Garas Gesichtsausdruck erinnert, als er sein Lied für die dritte Runde gesehen hat“, japste der Angesprochene. Jetzt mussten wir alle lachen. „Genau, du kriegst gezeigt, was du singen musst, und dein erster Kommentar: ‚SCHEIßE.’“, machte Yasu mich nach. „Was denn?“, fragte ich lachend. „Hey, ich hab da nur ‚Kana’ gelesen, da war’s für mich schon vorbei!“ „Aber du hast es ganz gut hingekriegt“, grinste Yasu. „Zumindest die nicht GANZ so hohen Töne.“ „Kleiner?“, meinte Kirito und zupfte an meinem Shirt. „Hattest du nicht noch eine Jacke...?“ „Mist, verdammt! Die hab ich liegen lassen. Uhm... ihr könnt ruhig schon mal fahren, ich lass mir ein eigenes Taxi kommen, das ist nicht so teuer für euch.“ Ich schnitt eine Grimasse. „Danke, Kirito. Wir sehen uns dann wahrscheinlich am Montag, oder?“ Ich verabschiedete mich schnell von den beiden und wollte dann zurück zu Kiyoharus Haus rennen, nur machten meine Beine da nicht mit, weshalb ich mich eher zurück schleppte. Kiyoharu öffnete sofort, als ich klingelte, und lächelte mich an. „Was vergessen?“ Ich nickte, das Lächeln erwidernd. „Ja, meine Jacke, tut mir leid...“ „Och, nicht so schlimm, es ist doch eh erst zwei Uhr morgens“, gab er grinsend zurück, während ich das Haus betrat. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich sie an der Garderobe aufgehängt habe“, meinte ich irritiert, konnte sie aber nirgendwo entdecken. „Vielleicht hast du sie im Wohnzimmer“, schlug Kiyoharu vor und ging schon mal vor, während ich ihm folgte. „Wie hat dir der Tag eigentlich gefallen?“, fragte er dann und sah mich an. Ich musste grinsen. „Also ich fand es lustig, ganz ehrlich. Es hat mich beeindruckt, wie locker alle miteinander umgegangen sind...“ „Das kommt mit der Zeit auch bei dir“, nickte er. „Du musst dich da nur einfinden, dann fühlst du dich wie zuhause. Und ich verspreche dir, es dauert nicht allzu lange, bis sie dich vollkommen akzeptiert haben.“ Er begann, durch das Zimmer zu streifen und sich nach meiner Jacke umzusehen. „Wie sieht sie denn aus?“ „Schwarz“, antwortete ich. „Diese Präzision...“, murmelte Kiyoharu und lächelte, um mir zu zeigen, dass er es nicht böse meinte. „Aber es freut mich, dass es dir gefallen hat.“ „Ich hab ja schon gehört, dass mich an Weihnachten was ähnliches erwartet“, bemerkte ich und kniete mich auf den Boden, um unter die Tische zu schauen. (Ja, Plural. Kiyoharu hatte ungefähr vier Tische in seinem Wohnzimmer. ... Fragt mich BITTE nicht, warum.) „Nur schlimmer“, stimmte er mir zu. „Da wird das alles ein wenig feuchtfröhlicher. Was die sich da teilweise leisten, ist schon bemerkenswert. Die trinken sich gegenseitig unter den Tisch, das glaubst du nicht. Und am Ende sind alle sturzbesoffen eingeschlafen und ich hab den Salat. Deshalb veranstalte ich so was generell nur aushäusig, dann hab ich nämlich keinen Ärger.“ Er grinste. „Da muss ich meistens sogar kein Programm machen, das Problem lösen sie schon selbst.“ „Glaub ich.“ Bei der Vorstellung musste ich ebenfalls grinsen. Dann sah ich etwas Schwarzes irgendwo in einer Ecke liegen. „Hey, ich hab sie gefunden!“ Ich hob die Jacke auf und runzelte die Stirn. „Obwohl... das ist nicht meine. Gehört die dir?“ Ich sah Kiyo an. Der schüttelte den Kopf und kam zu mir herüber. „Ich glaube, das ist Hakueis. Dann hat er wahrscheinlich deine mitgenommen.“ Er schnupperte kurz an der Jacke. „Ja, das ist seine.“ „Riecht sie nach ihm?“ „Nein, nach Rose.“ Ich grinste wieder. „Gut, alles klar. Dann nehm ich die jetzt einfach mit und tausch sie dann am Montag mit ihm.“ Kiyoharu nickte und lächelte wieder. Er stand jetzt vor mir und ich konnte ihm direkt in die Augen schauen. „Schön, dass du da warst“, sagte er leise. „Hätte es denn so einen Unterschied gemacht, ob einer mehr oder einer weniger da gewesen wäre?“, fragte ich zurück und ließ ihn dabei nicht aus den Augen. „Theoretisch natürlich nicht“, murmelte er, meinen Blick erwidernd. Und dann wanderten seine Augen ein wenig tiefer, sie glitten über mein Gesicht, bis sie meine Lippen erreichten. Ich konnte kaum richtig atmen, mein Herzschlag verschnellerte sich unter seinem Blick... „Praktisch auf jeden Fall“, flüsterte er noch, dann sagte er nichts mehr, und selbst wenn, dann hätte mein Gehirn es nicht mehr aufnehmen können, denn jetzt legte er ganz langsam seine Arme um meine Taille und zog mich etwas an sich, und ich schlang meine Arme um seinen Nacken, wie in Zeitlupe. Und dann suchten seine Augen noch kurz meine eigenen, und als ich sie schloss, konnte ich auch schon seine Lippen auf meinen spüren. Mein Herz setzte für einen Schlag aus. Ich gab ein leises Seufzen von mir, schmiegte mich dichter an seinen schlanken Körper und ließ zu, dass er die Überhand unseres Kusses gewann. Er bewegte seine Lippen gegen meine, und als ich diese mehr als willig öffnete, begann seine Zunge, meinen Mund zu erkunden. Erst, als sie offenbar genug hatte, kümmerte sie sich um meine eigene, es entstand ein liebevolles Zungenspiel zwischen uns, während Kiyos Arme so weit ihre Umarmung lösten, dass seine Hände an meinen beiden Seiten unter mein Hemd schlüpfen konnten und dort ebenfalls eine Erkundungstour starteten, was ich mit einem wohligen Schnurren quittierte. Es war wie im Himmel. Es war einfach alles perfekt. Es hatte zwischen uns geknistert, und dann erst, nachdem er sich vergewissert hatte, dass er nichts Falsches tat, hatte er mich geküsst, und er war nicht zu aufdringlich und nicht zu zurückhaltend, er war nicht zu zärtlich und er war nicht zu leidenschaftlich. Ich schwebte auf Wolke Sieben. Ich hätte am liebsten dafür gesorgt, dass dieser Moment für immer anhielt. Natürlich, es war neu, es war ungewohnt und ich musste mich erst einmal daran anpassen, aber ich genoss es trotzdem. Doch der Kuss war viel zu schnell vorbei. Kiyoharu löste sich wieder von mir, knabberte noch kurz an meiner Unterlippe und schaute mir dann wieder in die Augen – fragend, beinahe unsicher, neugierig. „Das wollte ich schon ein bisschen länger mal machen“, murmelte ich und lächelte leicht. Er erwiderte das Lächeln. „Ich auch, das kannst du mir glauben.“ Seine Hände fuhren hauchzart über meinen Bauch, was mich erschaudern ließ. „Du bist so schön...“, meinte er mit einem fast schon bewundernden Unterton. Und dann küsste er mich gleich noch mal. Und für diese Nacht blieben es nicht die einzigen Küsse. ~★~☆~★~☆~★~ tbc~ die beiden tun’s noch nicht, werdet nicht wieder panisch xD Komments are teh love *________* mich interessiert wirklich, was ihr hiervon haltet *-* Hosted by Animexx e.V. 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